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14<br />

BIEL BIENNE 19. SEPTEMBER <strong>2023</strong><br />

CINÉMA<br />

Ein Junge möchte<br />

ein Mädchen sein –<br />

subtil und einfühlsam<br />

dargestellt.<br />

VON MARIO CORTESI<br />

«Kann ich jetzt als Junge<br />

sterben und dann als Mädchen<br />

zur Welt kommen?», fragt der<br />

achtjährige Cocó seine Grosstante.<br />

Eigentlich heisst er Aitor,<br />

möchte aber lieber mit dem unspezifischen<br />

Spitznamen Cocó<br />

angesprochen werden, weil dieser<br />

Name unverfänglicher ist<br />

und er damit in einer neuen<br />

Umgebung eher als Mädchen<br />

wahrgenommen wird.<br />

Um ihn (Sofía Otero), der<br />

eigentlich ein Mädchen sein<br />

möchte, aber in seiner Familie<br />

als Junge gilt, handelt der<br />

Erstlingsfilm der 39-jährigen<br />

baskischen Realisatorin Estibaliz<br />

Urresola Solaguren. Und sie geht<br />

behutsam mit der schwierigen<br />

Situation um, zeigt die Herausforderungen,<br />

denen ein Trans-<br />

Kind in der Familie und auch<br />

bei andern Kindern zu begegnen<br />

hat. Das mit der täglichen Gewissheit<br />

lebt, im falschen Körper<br />

geboren zu sein.<br />

Lucía. Cocó, der eigentlich<br />

Lucía heissen möchte (was er<br />

erst gegen Ende des Filmes verrät),<br />

findet nur bei der Grosstante,<br />

einer eingefleischten<br />

und geduldigen Imkerin, Verständnis<br />

und Gehör. Sie wählt<br />

bewusst weibliche Fürwörter,<br />

er findet in ihr Empathie<br />

und eine Verbündete. Seine<br />

liebevolle Mutter, die ohne<br />

Gendernormen leben will, ist<br />

mit ihren Skulpturen und der<br />

Prüfung für eine Kunstschule<br />

beschäftigt, der Vater, in einer<br />

Midlife-Krise steckend, bereitet<br />

die Scheidung vor, die erzkatholische<br />

Grossmutter kann<br />

mit den unheiligen Ideen<br />

des Kleinen nichts anfangen.<br />

Seine beiden Geschwister aber<br />

20 000 especies de abejas HHH<br />

haben mit Aitor kein Problem,<br />

akzeptieren auch, dass er lange<br />

Haare wie ein Mädchen trägt.<br />

Doch alle – ausser der resoluten<br />

Grosstante – erkennen nicht<br />

das Drama, unter dem Aitor<br />

zu leiden hat, als Junge statt<br />

als Mädchen geboren zu sein.<br />

Silberner Bär. Einziger<br />

Makel: Der Film entwickelt<br />

sich mit dieser Suche nach der<br />

eigenen Identität zu behäbig,<br />

ist auch zu lang und wird erst<br />

am Schluss richtig interessant<br />

und wunderschön, wenn sich<br />

Aitor den Bienen der Grosstante<br />

als Lucía vorstellt.<br />

Durch den ganzen Film zieht<br />

sich der Kampf des kleinen<br />

Aitor um Anerkennung und<br />

Selbstfindung. Aitors Wunsch,<br />

ein Mädchen zu sein, wird<br />

zuerst subtil in verschiedenen<br />

Szenen wie beim Kleiderkauf,<br />

auf der Toilette oder im<br />

Schwimmbad gezeigt, wird<br />

aber gegen das Ende des Filmes<br />

immer deutlicher. Natürlich<br />

gehören diese zwei Stunden<br />

Film der neunjährigen Sofía<br />

Otero in ihrem ersten Film,<br />

die für ihre Darstellung der<br />

Achtjährigen mit dem Silbernen<br />

Bären ausgezeichnet<br />

wurde. Für die jüngste Berlin-<br />

Siegerin allerdings etwas zu<br />

hoch gegriffen. ■<br />

Darsteller/Distribution:<br />

Sofía Otero, Patricia López Arnaiz<br />

Regie/Mise en scène:<br />

Estibaliz Urresola Solaguren (2022)<br />

Länge/Durée: 129 Minuten/ 129 minutes<br />

Im Kino/Au cinéma: REX 2<br />

Un garçon veut être une fille – présenté<br />

avec subtilité et sensibilité.<br />

PAR MARIO CORTESI<br />

«Est-ce que je peux mourir<br />

garçon maintenant et venir<br />

au monde en tant que fille?»,<br />

demande Cocó, huit ans, à<br />

sa grand-tante. En réalité, il<br />

s’appelle Aitor, mais il préférerait<br />

qu’on l’appelle Cocó, un<br />

surnom non spécifique, car ce<br />

nom est plus inoffensif et qu’il<br />

sera ainsi plus facilement perçu<br />

comme une fille dans un nouvel<br />

environnement.<br />

C’est de lui (Sofía Otero)<br />

qu’il s’agit dans ce premier film<br />

de la réalisatrice basque Estibaliz<br />

Urresola Solaguren, 39 ans. Il<br />

voudrait être une fille, mais sa<br />

famille le considère comme un<br />

garçon. La réalisatrice aborde<br />

avec précaution cette situation<br />

difficile et montre les défis auxquels<br />

un enfant trans doit faire<br />

face au sein de sa famille et avec<br />

d’autres enfants. Il vit avec la<br />

certitude quotidienne d’être né<br />

dans le mauvais corps.<br />

Lucía. Cocó, qui voudrait<br />

en fait s’appeler Lucía (ce qu’il<br />

ne révèle que vers la fin du<br />

film), ne trouve compréhension<br />

et écoute qu’auprès de<br />

sa grand-tante, une apicultrice<br />

invétérée et patiente. Elle choisit<br />

délibérément des pronoms<br />

féminins, il trouve en elle de<br />

Mühlebrücke 3, Pont-du-Moulin, 2501 Biel/Bienne<br />

Aitor (Sofía<br />

Otero) möchte<br />

lieber ein Mädchen<br />

sein, die<br />

Mutter (Patricia<br />

López Arnaiz)<br />

hat nichts mit<br />

Gendernormen<br />

am Hut.<br />

l’empathie et une alliée. Sa<br />

mère aimante, qui veut vivre<br />

sans normes de genre, est<br />

occupée par ses sculptures et<br />

le concours d’une école d’art,<br />

son père, en pleine crise de<br />

la quarantaine, prépare son<br />

divorce, sa grand-mère archicatholique<br />

ne peut rien faire<br />

des idées malsaines du petit.<br />

Mais ses deux frères et sœurs<br />

n’ont aucun problème avec<br />

Aitor et acceptent qu’il porte<br />

les cheveux longs comme une<br />

fille. Mais tous – à l’exception<br />

de la grand-tante déterminée<br />

– ne se rendent pas compte du<br />

drame dont souffre Aitor, d’être<br />

né garçon au lieu d’être né fille.<br />

Ours d’argent. Seul bémol:<br />

le film se développe trop lentement<br />

avec cette quête d’identité,<br />

il est aussi trop long et ne devient<br />

vraiment intéressant et beau qu’à<br />

la fin, lorsque Aitor se présente<br />

aux abeilles de sa grand-tante<br />

sous le nom de Lucía. Tout au<br />

long du film, le petit Aitor se<br />

bat pour être reconnu et se trouver<br />

lui-même. Le désir d’Aitor<br />

comme l’achat de vêtements, aux<br />

toilettes ou à la piscine devient<br />

de plus en plus évident seulement<br />

vers la fin du film. Bien<br />

entendu, ces deux heures de film<br />

appartiennent à Sofía Otero, neuf<br />

ans, dans son premier film, qui<br />

a reçu l’Ours d’argent pour son<br />

interprétation de la fillette de<br />

huit ans. Pour la plus jeune lauréate<br />

de Berlin, c’est toutefois<br />

un peu trop élevé. ■<br />

Aitor (Sofía<br />

Otero) préférerait<br />

être une fille, sa<br />

mère (Patricia<br />

López Arnaiz) n’a<br />

rien à faire des<br />

normes de genre.<br />

Zwei Betagte finden sich –<br />

eine Liebeskomödie.<br />

VON<br />

MARIO<br />

CORTESI<br />

Vor 15 Jahren hat Gianni di<br />

Gregorio einen wunderbaren<br />

Film gedreht, «Pranzo di Ferragosto»,<br />

als ein Junggeselle unverhofft<br />

in der Sommerhitze von<br />

vier eigensinnigen alten Damen<br />

heimgesucht wird und dabei<br />

seine Geduld und Gutmütigkeit<br />

auf die Probe gestellt werden.<br />

In seinem fünften Film als<br />

Regisseur/Drehbuchautor/Darsteller<br />

ist ihm die Geschichte<br />

nicht so gut gelungen, wie<br />

2008 in seinem preisgekrönten<br />

Erstling. Zwar fängt die Story<br />

vielversprechend an, als der<br />

pensionierte 80-jährige Professor<br />

Astolfo seine Miet-Wohnung<br />

in Rom räumen muss. Er<br />

findet Unterkunft in einer zwar<br />

noblen, aber mit den Jahren<br />

heruntergekommenen Villa<br />

seiner Familie im ländlichen<br />

Mittelitalien der Abruzzen.<br />

Eingenistete Gesellen.<br />

Seine Familie ist längst ausgestorben,<br />

und in der leerstehenden<br />

Ruine (die zwar immer noch ein<br />

bisschen Aristokratie ausstrahlt)<br />

haben sich bereits einige komische<br />

Gesellen eingenistet: ein<br />

Koch, ein Landstreicher und ein<br />

Handwerker. Gemeinsam mit<br />

ihnen lebt Astolfo nun in einer<br />

WG, richtet sich auf ein beschauliches,<br />

stressfreies, abwechslungsreiches<br />

Provinz-Leben ein. Man<br />

isst, diskutiert zusammen, mit<br />

seiner Pension kann er die kleine<br />

Gesellschaft über Wasser halten.<br />

Aber seine Ruhe wird gestört<br />

durch den seltsamen Dorfpfarrer<br />

im Nebenhaus und den zwielichtigen,<br />

immer abwesenden<br />

Bürgermeister. Sie haben sich<br />

früher einen Teil der Villa unter<br />

den Nagel gerissen und für eigene<br />

Zwecke missbraucht.<br />

Zu spät? Der 80-jährige<br />

Rentner ist bald einmal im<br />

Konflikt mit Kirche und Bürgermeister,<br />

unterstützt von seinen<br />

drei Wohngesellen. Doch<br />

sein Leben wird erst richtig auf<br />

den Kopf gestellt, als er die<br />

betagte, charmante Stefania<br />

(Stefania Sandrelli) kennen<br />

lernt und sich verliebt. Aber<br />

ist es zu spät, um eine neue<br />

dauerhafte Liaison in Gang zu<br />

bringen, die vielleicht zu einer<br />

neuen Lebensqualität führt?<br />

Wiedersehen mit Sandrelli.<br />

Der 70-jährige Gianni di<br />

Gregorio findet den Rank in<br />

seinem liebevoll gestalteten<br />

Film nicht ganz. Kirche und<br />

Bürgermeister fuhrwerken, wie<br />

sie wollen, und die Familie<br />

Astolfo HH<br />

von Stefania macht Opposition<br />

gegen die Verbindung der<br />

neu Verliebten. Doch Drehbuchautor<br />

di Gregorio lässt die<br />

bösen Aufsässigen ungestraft,<br />

arbeitet nur auf ein mögliches<br />

Happyend hin. Dabei hätte<br />

man gerne gewusst (und wartet<br />

auf einige schmissige Momente),<br />

wie der pensionierte<br />

Professor mit Kirche und Politik<br />

abrechnet. So bleibt ein<br />

gemütlicher, herzlicher, sympathischer<br />

Film, der mehr auf<br />

die einfache Lebensweise des<br />

Südens setzt als auf einen klar<br />

strukturierten Inhalt. Schön<br />

ist das Wiedersehen mit der<br />

77-jährigen Stefania Sandrelli,<br />

die nach Jahren der Abstinenz<br />

auf die Leinwand zurückkehrt<br />

und die 1974 in einem der<br />

schönsten italienischen Filme<br />

(«C‘eravamo tanto amati») mit<br />

Vittorio Gassman und Nino<br />

Manfredi brillierte. ■◗<br />

Deux personnes âgées<br />

se retrouvent –<br />

une comédie romantique.<br />

PAR<br />

MARIO<br />

CORTESI<br />

Darsteller/Distribution:<br />

Gianni di Gregorio, Stefania Sandrelli<br />

Regie/Mise en scène:<br />

Gianni di Gregorio (2022)<br />

Länge/Durée: 90 Minuten/90 minutes<br />

Im Kino/Au cinéma: REX 1 & 2<br />

Der Himmel kann<br />

warten: Stefania<br />

(Stefania Sandrelli)<br />

und Astolfo (Gianni di<br />

Gregorio) sind in<br />

hohem Alter verliebt.<br />

Il y a 15 ans, Gianni di<br />

Gregorio avait réalisé un film<br />

magnifique, «Pranzo di Ferragosto»,<br />

dans lequel un célibataire<br />

était visité à l’improviste<br />

par quatre vieilles dames obstinées<br />

dans la chaleur de l’été,<br />

mettant à l’épreuve sa patience<br />

et sa bonne volonté.<br />

Pour son cinquième film<br />

en tant que réalisateur/scénariste/acteur,<br />

l’histoire n’est pas<br />

aussi bien réussie que dans son<br />

premier film primé en 2008.<br />

L’histoire commence certes<br />

de manière prometteuse,<br />

lorsque le professeur Astolfo,<br />

un octogénaire à la retraite,<br />

doit quitter l’appartement<br />

qu’il loue à Rome. Il trouve<br />

refuge dans une villa familiale,<br />

certes noble, mais qui s’est<br />

dégradée au fil des ans, dans<br />

la campagne des Abruzzes, au<br />

centre de l’Italie.<br />

Compagnons. Sa famille<br />

s’est éteinte depuis longtemps<br />

et de drôles de compagnons<br />

se sont installés depuis longtemps<br />

dans les ruines vides<br />

(qui respirent encore un peu<br />

l’aristocratie): un cuisinier, un<br />

clochard et un artisan. Avec<br />

eux, Astolfo vit désormais en<br />

colocation et s’installe dans<br />

une vie provinciale tranquille,<br />

sans stress et variée. On mange,<br />

on discute ensemble, sa pension<br />

lui permet de maintenir<br />

la petite société à flot.<br />

Mais sa tranquillité est<br />

troublée par l’étrange curé du<br />

village qui habite la maison<br />

voisine et par le maire louche<br />

et toujours absent. Ils se sont<br />

autrefois emparés d’une partie<br />

de la villa et l’ont utilisée à<br />

leurs propres fins.<br />

Trop tard? Le retraité octogénaire<br />

se retrouve bientôt en<br />

conflit avec l’ecclésiastique et<br />

le maire, il est soutenu par ses<br />

Le ciel peut attendre:<br />

Stefania (Stefania<br />

Sandrelli) et Astolfo<br />

(Gianni di Gregorio)<br />

sont amoureux<br />

à un âge avancé.<br />

trois compagnons de résidence.<br />

Mais sa vie est véritablement<br />

bouleversée lorsqu’il fait la<br />

connaissance de Stefania (Stefania<br />

Sandrelli), une femme<br />

âgée et charmante dont il<br />

tombe amoureux. Mais est-il<br />

trop tard pour amorcer une<br />

nouvelle liaison durable, qui<br />

débouchera peut-être sur une<br />

nouvelle qualité de vie ?<br />

Retrouvailles avec Sandrelli.<br />

Gianni di Gregorio, 70 ans, ne<br />

trouve pas tout à fait son compte<br />

dans ce film conçu avec amour.<br />

Le prêtre et le maire mènent leur<br />

barque comme ils l’entendent,<br />

et la famille de Stefania s’oppose<br />

à l’union des nouveaux<br />

amoureux. Mais le scénariste<br />

di Gregorio laisse les méchants<br />

rebelles impunis et ne travaille<br />

que sur un éventuel happy end.<br />

On aurait pourtant bien aimé<br />

savoir (et attendre quelques<br />

moments fringants) comment<br />

le professeur à la retraite règle<br />

ses comptes avec l’Église et la<br />

politique. On se retrouve donc<br />

avec un film confortable, chaleureux<br />

et sympathique, qui<br />

mise davantage sur le mode<br />

de vie simple du Sud que sur<br />

un contenu clairement structuré.<br />

Il est agréable de retrouver<br />

Stefania Sandrelli, 77 ans,<br />

qui revient à l’écran après des<br />

années d’absence et qui a brillé<br />

en 1974 dans l’un des plus beaux<br />

films italiens («C’eravamo tanto<br />

amati») avec Vittorio Gassman<br />

et Nino Manfredi. ■<br />

BIEL BIENNE-Bewertung / Cote de BIEL BIENNE: HHHH ausgezeichnet / excellent HHH sehr gut / très bon HH gut / bon H Durchschnitt / médiocre – verfehlt / nul

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