Einmal und nie wieder! - Günter Tewes
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MODERNES LEBEN<br />
abenTeuer<br />
<strong>Einmal</strong> <strong>und</strong> <strong>nie</strong> <strong>wieder</strong>!<br />
116 Foto: Travel Press<br />
Der Start liegt auf 5364 Metern – das Ziel noch immer<br />
höher als die Zugspitze: Der Mount Everest Marathon in<br />
Nepal gilt als der härteste Lauf der Welt<br />
Die Nacht vor einem Marathon ist<br />
Qual. Diese Nacht ist die Hölle.<br />
Drei Hosen, drei Pullover, Thermounterwäsche,<br />
Mütze, Schlafsack. Zwei<br />
Isomatten. Mein Körper schwitzt. Meine<br />
Zehen schmerzen – vor Kälte.<br />
David Walker spricht ein letztes Mal<br />
per SolarSatellitentelefon mit seiner<br />
Fre<strong>und</strong>in in den USA. Der 42Jährige<br />
flüstert etwas von „Darling“ <strong>und</strong> „I love<br />
you“ – von der Wahrheit erzählt David<br />
nichts. Besser so. Seine Fre<strong>und</strong>in würde<br />
nicht begreifen, dass ein erfolgreicher<br />
Unternehmer, der in Houston/Texas winzige<br />
Sonden <strong>und</strong> Roboter durch Rohrleitungen<br />
schickt, Angst hat. Angst vor<br />
dieser Nacht. „I’m not made for this!<br />
Really“, zittert David. Doch Damche,<br />
ein mit schmutzigen Shorts bekleideter<br />
Sherpa, befiehlt, die Thermosflaschen<br />
mit heißem Wasser zu füllen <strong>und</strong> dann<br />
zu schlafen. Es ist kurz nach 19 Uhr im<br />
Basislager des Mount Everest.<br />
52 ausländische Läufer haben sich<br />
hier mit 80 nepalesischen Startern zu<br />
einem Marathon versammelt: 42,195<br />
Kilometer vom Dach der Welt auf 5364<br />
Meter Höhe bis nach Namche Basar.<br />
Die Strecke führt über steile Berge,<br />
unbefestigte Abhänge, wilde Flussläufe,<br />
staubige YakPfade – <strong>und</strong> über fast<br />
3000 Höhenmeter aufwärts, obwohl es<br />
ins Tal geht.<br />
Für Miki Upreti, eine Japanerin, die<br />
mit einem Nepalesen verheiratet ist,<br />
wird es der erste Lauf in ihrem Leben<br />
FOCUS 25/2007<br />
Mount Everest<br />
8850 m<br />
sein. Für den Arzt Nick Gibbins <strong>und</strong><br />
seinen Fre<strong>und</strong> Phil Stapelton (Großbritan<strong>nie</strong>n)<br />
geht es nur ums Geld: 150 000<br />
Pf<strong>und</strong> wollen die Briten für ein Kinderhospiz<br />
sammeln. Shaun Flinn, Immobilienmakler<br />
aus San Francisco, will zu sich<br />
selbst finden. Für den 66jährigen Japaner<br />
Toshio Ohmori – angereist mit einem<br />
drei Kilo leichten Tagesrucksack – ist es<br />
der 143. Marathonlauf. Tim Dmukauskas<br />
(USA) steht erst zum dritten Mal am<br />
Start – trotzdem hat der 31Jährige eine<br />
Bestzeit von 2:49,45 St<strong>und</strong>en! Der deutsche<br />
Niels GrimpeLuhmann bereitete<br />
sich wochenlang in den Bergen seiner<br />
Schweizer Wahlheimat vor. Der ehrgeizige<br />
Antoine Bonfils aus Frankreich will<br />
nur eins: Er will gewinnen.<br />
HärtEtESt iM HiMaLaja<br />
FOCUS-Redakteur Peter Hinze<br />
am Dach der Welt; im Hintergr<strong>und</strong><br />
der Mount Everest<br />
117
tiM DMUKaUSKaS (USa)<br />
Mit 6:06,47 St<strong>und</strong>en belegt der<br />
zähe Computeringe<strong>nie</strong>ur<br />
den dritten ausländer-rang<br />
aNtOiNE BONFiLS (F)<br />
Der ehrgeizige Franzose, der<br />
sich als Fotograf tarnt, wird<br />
bester ausländer: 4:51,10.<br />
LEtZtE rUHE<br />
In Gorak Shep<br />
(5140 m) gilt es, sich<br />
an die Höhe zu gewöhnen.<br />
Noch sind es 48<br />
St<strong>und</strong>en bis zum Start<br />
tOSHiO OHMOri (jP)<br />
aus Nepal zurück, schneidet er<br />
das Gras in seinem Garten – <strong>und</strong><br />
fl iegt nach Südafrika, zum Laufen<br />
NiCK GiBBiNS (GB)<br />
Läuft für einen guten Zweck<br />
<strong>und</strong> hilft so einem Kinderhospiz<br />
Ich will nur ankommen – vielleicht<br />
unter zehn St<strong>und</strong>en!<br />
Verkehrter alltag. Bereits vor dem<br />
Start haben wir zwei Wochen zivilisatorischen<br />
Ausnahmezustand bewältigt. Jeden<br />
Morgen Haferschleim. Dazu Honig,<br />
seit Tagen mit Wasser verlängert. Meine<br />
letzte Dusche liegt fünf Tage zurück: ein<br />
Eimer kochendes Wasser, den ich mir per<br />
Zahnputzbecher über den Körper kippte.<br />
Durch den Bretterverschlag heult der<br />
Wind. Das Thermometer zeigt vier Grad.<br />
Wir stehen täglich gegen fünf Uhr auf,<br />
gehen um acht in die Zelte. Dazwischen<br />
mindestens sechs St<strong>und</strong>en laufen.<br />
Im Basislager thront unsere Toilette<br />
auf einem kleinen Steinhaufen. Hinter<br />
grünen Zeltvorhängen hängt eine kleine<br />
blaue Plastiktüte, über der wir atemlos<br />
in die Hocke gehen. Kaum jemand trifft<br />
die 25 x 25 Zentimeter große Öffnung.<br />
Sherpas tragen die Tüten später ins<br />
Tal. Sherpas tragen hier alles – nur<br />
eines nicht: ihre toten Kameraden. Die<br />
holt der Hubschrauber. Gestern haben<br />
wir den letzten Anfl ug beobachtet.<br />
Das Gesetz der Berge lautet: trinken,<br />
trinken, trinken! Wer zu wenig trinkt,<br />
versucht am nächsten Morgen, mit<br />
DiamoxTabletten die Anzeichen der<br />
Höhenkrankheit zu bekämpfen. Kopfschmerzen,<br />
Erbrechen, Nasenbluten.<br />
Der Gesetz der Nacht lautet: kein<br />
Gang zur Toilette! Trotzdem muss ich<br />
mich gegen 23 Uhr aus dem Schlafsack<br />
quälen. Finsternis. Steine, Geröll,<br />
blankes Eis. Eisiger Wind weht von den<br />
Hängen des Everest herunter. Zu hören<br />
ist nur das Knarren des Gletschers.<br />
Gegen drei Uhr reißt uns das gespenstische<br />
Donnern einer Lawine aus<br />
dem Halbschlaf. Minutenlang hallt der<br />
Abgang im Talkessel nach.<br />
Gegen 4.30 Uhr machen wir der Nacht<br />
ein Ende. Schuhe, Zahnpasta, Wassersack,<br />
Sonnencreme – alles ist steinhart<br />
StiLLE ZEit Mönche<br />
im berühmten Kloster<br />
von Thyangboche<br />
Phungitenga,<br />
3250 m, 33 km<br />
Thyangboche,<br />
3860 m, 31 km<br />
Gorak Shep, 5140 m<br />
5 km zurückgelegt<br />
118 Fotos: Travel Press<br />
Pangboche,<br />
3930 m,<br />
26 km<br />
Lobuche,<br />
4930 m,<br />
10 km<br />
Thugla,<br />
4620 m,<br />
14 km<br />
Dingboche,<br />
4410 m, 17 km<br />
Orsho,<br />
4150 m,<br />
21 km<br />
S T A R T<br />
29. Mai 2007, 7.00 Uhr: 132 Teilnehmer<br />
(80 Nepalesen <strong>und</strong> 52 Ausländer) starten<br />
zum 5. Mount Everest Marathon in Nepal.<br />
Der Sieger kommt nach vier St<strong>und</strong>en ins<br />
Ziel, die letzten Läufer nach 16:30 St<strong>und</strong>en.<br />
Everest-Basislager, 5364 m<br />
CHaOtiSCHE<br />
OrGaNiSatiON<br />
In Lobuche gibt es<br />
eine Teilnehmerliste –<br />
aber kein Wasser<br />
OBErHaLB<br />
DiNGBOCHE<br />
Buddhistischer<br />
Chorten mit<br />
Taboche (6367 m)<br />
UNZErtrENNLiCHES DUO<br />
Der blinde Mark Pollock mit<br />
seinem Führer John O’Regan<br />
Start: MOUNt-EVErESt-BaSiSLaGEr Ein letzter Blick auf die einheimischen Favoriten<br />
gefroren. Haferschleim gegen 6.30 Uhr,<br />
die ersten Sonnenstrahlen fallen über<br />
die 8000 Meter hohen Bergwände. Die<br />
Startnummern werden verlesen. Beim<br />
Zubinden meiner Laufschuhe komme<br />
ich nicht aus der Puste – ich habe erst<br />
gar keine: Der Sauerstoffgehalt liegt nur<br />
noch bei knapp 50 Prozent. Trotzdem<br />
will ich an den Start.<br />
Wenige Minuten vor sieben hastet<br />
der Ire John O’Regan zurück zu seinem<br />
Rucksack, sucht nach einer vergessenen<br />
KopfTaschenlampe. Er wird<br />
sie nicht brauchen, aber seinem Partner<br />
Mark Pollock wird sie später vielleicht<br />
das Leben retten. Mark ist blind – seit<br />
neun Jahren. Und seit fünf Jahren ist<br />
der 31Jährige einer der profi liertesten<br />
irischen Extremsportler. 2003 kämpfte er<br />
sich sechs Tage <strong>und</strong> 250 Kilometer durch<br />
die chinesische Wüste Gobi. Ein Jahr<br />
später bewältigte er den NordpolArctic<br />
Marathon bei minus 40 Grad Celsius.<br />
Jetzt hockt er auf einem Campingstuhl,<br />
neben ihm eine halb volle Wasserfl asche<br />
– <strong>und</strong> ist nicht ansprechbar: Die völlige<br />
Abhängigkeit von seinem Partner John<br />
O’Regan hat ihn an den Rand der vorzeitigen<br />
Aufgabe getrieben.<br />
Der Start. Auf den ersten zwei Kilometern<br />
Eis <strong>und</strong> Steine, Steine <strong>und</strong> Eis.<br />
Der KhumbuGletscher gibt die Richtung<br />
vor. Gefrorenes Schmelzwasser<br />
überall. An Laufen ist nicht zu denken.<br />
Es ist ein Springen von Fels zu Fels.<br />
Kilometer 5 erreichen die Spitzenläufer<br />
nach weniger als einer halben<br />
St<strong>und</strong>e. Meine Uhr zeigt in Gorak Shep<br />
57:00 Minuten – gut, für meine Verhältnisse.<br />
Bis Mark <strong>und</strong> John diese erste<br />
Kontrolle passieren, dauert es mehr<br />
als drei St<strong>und</strong>en. John ist völlig außer<br />
Atem – vom Schreien. „Pampelmuse<br />
auf neun. Badewanne auf zwölf. Gera<br />
deaus bis zum Pub, dann Anstieg zum<br />
Wohnzimmer!“, beschreibt der Belfaster<br />
jeden Schritt für Mark, der ihm an<br />
zwei 1,50 Meter langen Metallstäben<br />
folgen muss.<br />
jeden Stein, jeden Schritt, jede Stufe<br />
erklärt John mit einem Bild aus Marks<br />
vertrauter DublinUmgebung, „denn<br />
100 Meter geradeaus, diese Entfernung<br />
kann er nicht begreifen“. Also liegt nun<br />
linker Hand ein Stein in PampelmusenGröße.<br />
Die nächste Steinstufe ist so<br />
hoch wie eine Badewanne. Schon das<br />
kleinste Missverständnis kann tödliche<br />
Folgen haben, denn manche Schlucht<br />
ist so tief wie die Strecke vom heimischen<br />
Wohnzimmer zum Lieblings<br />
Pub am Ende der Straße.<br />
In Lobuche stehen für 132 Läufer nur<br />
zwei Dutzend Wasserfl aschen bereit.<br />
William Gargiullo kann dem Pfad nur<br />
noch mit Mühe folgen. Der Schweizer<br />
ist ohne Wasser gestartet.<br />
Bei Kilometer 12 komme ich zum<br />
ersten Mal zum Laufen. Zehn, 20 Meter<br />
– mehr nicht. Sanfte Weiden, die<br />
mir zum Verhängnis werden. Unkonzentriertheit,<br />
Übermut? Auf einem fl achen<br />
Stück knicke ich mit dem linken<br />
Fuß um. Nach wenigen Minuten<br />
schwillt mein Fuß so stark an, dass ich<br />
kurz vor Thugla (14 km) nur noch mit<br />
Mühe eine halbe Tube Pferdesalbe in<br />
den Schuh schmieren kann. Später<br />
wird ein Orthopäde in München eine<br />
Knochen quetschung <strong>und</strong> einen 1,5fachen<br />
Bänderriss im linken Sprunggelenk<br />
diagnostizieren <strong>und</strong> bemerken:<br />
„Das darf wehtun!“ Tut es auch, aber<br />
jetzt ist das nächste vernünftige Krankenhaus<br />
knapp 800 Kilometer entfernt.<br />
Der nächste Arzt wartet im „Medical<br />
Post“ von Thugla – mit einer Mullbinde<br />
<strong>und</strong> zwei Aspirin.<br />
119
aM ZiEL – aM ENDE Peter Hinze<br />
nach 7:45,14 in Namche Basar<br />
Bergauf läuft es sich fast schmerzfrei<br />
– bergab schießen mir Tränen in die<br />
Augen. Bis nach Namche geht es noch<br />
über 2500 Meter abwärts.<br />
auf den drei Kilometern bis Dingboche<br />
läuft Ishihara Yoshiaki vor mir. Obwohl<br />
wortlos, ist es die intensivste Begegnung<br />
des Tages. Eine halbe St<strong>und</strong>e lang trennen<br />
uns keine 50 Zentimeter. Kein weiterer<br />
Läufer ist auf dem Hochplateau<br />
auszumachen. Am Horizont liegt der<br />
Everest hinter uns. Vor uns unten im Tal<br />
ziehen die ersten dicken Wolken auf. Wir<br />
spüren nur unsere schweren Atemzüge.<br />
200 UltraMarathonläufe hat der 62jährige<br />
Geschäftsmann bewältigt. Wie eine<br />
Reliquie trug der Japaner täglich dasselbe<br />
TShirt, das ihn als „Finisher“ eines<br />
300KilometerRuns in seiner Heimat<br />
DEUtSCHSPraCHiGES QUartEtt<br />
Drei deutsche Teilnehmer, ein Österreicher:<br />
(v. l. n. r.): Peter Goel (gesamt:<br />
67. Platz; 8. Platz unter den Ausländern);<br />
<strong>Günter</strong> <strong>Tewes</strong> (104./40.), Peter Hinze<br />
(72./12.), Niels Grimpe-Luhmann (64./5.)<br />
120 Fotos: Travel Press<br />
NEPaLESiSCHEr HELD Deepak Raj Rai erreicht das Ziel<br />
nach 3:59,24 St<strong>und</strong>en. Er gewann auch im Jahr 2006<br />
adelt. Wir sprechen kein Wort – plötzlich<br />
fällt Ishihara zurück. Regungslos.<br />
Ich sehe ihn erst in der Nacht <strong>wieder</strong>.<br />
Bei Kilometer 18 reicht mir Ram Bahadur<br />
Tamang am Ortsende von Dingboche<br />
eine halb volle Wasserfl asche. Ram<br />
weiß von den Strapazen der Läufer. 2004<br />
belegte sein Sohn Ang Namgel Sherpa<br />
Platz fünf. Jetzt wirkt der 40jährige<br />
LodgeBesitzer müde. Seit Tagen wartet<br />
er auf eine Nachricht von Namgel, der<br />
mit einer britischen Expedition längst<br />
den Aufstieg auf den EverestGipfel bewältigt<br />
haben müsste. Als John <strong>und</strong> Mark<br />
an der „Moon Light Lodge“ vorbeikommen,<br />
denkt Ram bereits ans Abendessen.<br />
Und die Wolken im Tal türmen sich<br />
zu einer schwarzen Wand auf!<br />
Beim anstieg zum Kloster thyangboche<br />
(31 km) – erstmals verläuft die Strecke<br />
unterhalb von 4000 Metern – passiere<br />
ich eine Gruppe Niederländer, die mit<br />
dem Anstieg nicht fertig werden. Beim<br />
normalen Marathon kommt nach 32<br />
Kilometern der „Mann mit dem Hammer“,<br />
sagen Läufer. Am Everest kommt<br />
Phungitenga, dagegen ist der Hammer<br />
Mann ein guter Fre<strong>und</strong>: Auf den nächsten<br />
drei Kilometern steigt die Strecke<br />
knapp 700 Meter an. Am höchsten<br />
Punkt, dem Krankenhaus von Kh<strong>und</strong>e,<br />
schleppe ich mich erst fast zwei St<strong>und</strong>en<br />
später vorbei.<br />
Strömender Regen hat eingesetzt. Ein<br />
weißer Hagelteppich bedeckt Syangboche,<br />
als aus den Wolken im Tal blaue<br />
Hausdächer auftauchen. Ich folge reißenden<br />
Flussläufen Richtung Namche.<br />
Das Wasser reicht mir bis zu den<br />
Schienbeinen.<br />
Nach 7:45,14 St<strong>und</strong>en das Ziel. Im<br />
linken Fuß habe ich kaum noch ein Gefühl.<br />
Ich zittere vor Erschöpfung <strong>und</strong><br />
Kälte. Bis zu meinem Bett im „Nam<br />
Kh<strong>und</strong>e, Klinik, 36 km<br />
Khumjung,<br />
Kloster, 35 km<br />
Khumjung,<br />
Schule 37<br />
Syangboche,<br />
3720 m, 39 km<br />
Namche Basar, 3440 m,<br />
42,195 km<br />
Z I E L<br />
Sanasa,<br />
34 km<br />
che Hotel“ sind es keine 500 Meter. Ich<br />
brauche über eine halbe St<strong>und</strong>e.<br />
Gegen 19 Uhr bricht die Dunkelheit<br />
herein. Oben in Kh<strong>und</strong>e beginnt<br />
es zu schneien. Gegen 21 Uhr startet<br />
ein Suchtrupp: Der blinde Mark Pollock<br />
<strong>und</strong> John O’Regan sind überfällig.<br />
Kurz vor Mitternacht tauchen oberhalb<br />
von Namche plötzlich zwei einsame<br />
Lichter auf: die beiden Iren, die<br />
wenige Augenblicke später die Orientierung<br />
verlieren. Statt nach rechts läuft<br />
Mark links in einen Abgr<strong>und</strong>. Geistesgegenwärtig<br />
greift ein Sherpa, der die<br />
beiden seit drei Wochen auf Schritt <strong>und</strong><br />
Tritt begleitet, nach Mark, den er nur<br />
am Lichtkegel seiner KopfTaschenlampe<br />
ausmachen kann. Mühsam zieht der<br />
Sherpa den Gestrauchelten auf den Weg<br />
zurück, in den knöcheltiefen Lehm.<br />
Die Uhr zeigt 16:27,39 St<strong>und</strong>en, als<br />
sich das irische LäuferDuo als letzte<br />
Teilnehmer ins Ziel schleppt. John kann<br />
nicht mehr sprechen, Mark kann nicht<br />
mehr hören. Seit sieben Uhr sind sie<br />
einmal gelaufen: „Die letzten 20 Meter<br />
vor dem Ziel.“<br />
Am nächsten Morgen lassen sich<br />
Mark <strong>und</strong> John mit einem Helikopter<br />
Richtung Kathmandu ausfl iegen. Sie<br />
wollen nur weg, weg vom „härtesten<br />
Marathonlauf der Welt“. Und sie wollen<br />
nicht <strong>wieder</strong>kommen – keiner von<br />
uns will <strong>wieder</strong>kommen! ■<br />
PETER HINZE<br />
Das Mount-Everest-abenteuer online: das<br />
komplette Marathon-Tagebuch mit täglichen<br />
Eintragungen vom 12. Mai bis 1. Juni unter:<br />
ä www.focus.de/himalayamarathon<br />
FOCUS 25/2007