Einmal und nie wieder! - Günter Tewes
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tiM DMUKaUSKaS (USa)<br />
Mit 6:06,47 St<strong>und</strong>en belegt der<br />
zähe Computeringe<strong>nie</strong>ur<br />
den dritten ausländer-rang<br />
aNtOiNE BONFiLS (F)<br />
Der ehrgeizige Franzose, der<br />
sich als Fotograf tarnt, wird<br />
bester ausländer: 4:51,10.<br />
LEtZtE rUHE<br />
In Gorak Shep<br />
(5140 m) gilt es, sich<br />
an die Höhe zu gewöhnen.<br />
Noch sind es 48<br />
St<strong>und</strong>en bis zum Start<br />
tOSHiO OHMOri (jP)<br />
aus Nepal zurück, schneidet er<br />
das Gras in seinem Garten – <strong>und</strong><br />
fl iegt nach Südafrika, zum Laufen<br />
NiCK GiBBiNS (GB)<br />
Läuft für einen guten Zweck<br />
<strong>und</strong> hilft so einem Kinderhospiz<br />
Ich will nur ankommen – vielleicht<br />
unter zehn St<strong>und</strong>en!<br />
Verkehrter alltag. Bereits vor dem<br />
Start haben wir zwei Wochen zivilisatorischen<br />
Ausnahmezustand bewältigt. Jeden<br />
Morgen Haferschleim. Dazu Honig,<br />
seit Tagen mit Wasser verlängert. Meine<br />
letzte Dusche liegt fünf Tage zurück: ein<br />
Eimer kochendes Wasser, den ich mir per<br />
Zahnputzbecher über den Körper kippte.<br />
Durch den Bretterverschlag heult der<br />
Wind. Das Thermometer zeigt vier Grad.<br />
Wir stehen täglich gegen fünf Uhr auf,<br />
gehen um acht in die Zelte. Dazwischen<br />
mindestens sechs St<strong>und</strong>en laufen.<br />
Im Basislager thront unsere Toilette<br />
auf einem kleinen Steinhaufen. Hinter<br />
grünen Zeltvorhängen hängt eine kleine<br />
blaue Plastiktüte, über der wir atemlos<br />
in die Hocke gehen. Kaum jemand trifft<br />
die 25 x 25 Zentimeter große Öffnung.<br />
Sherpas tragen die Tüten später ins<br />
Tal. Sherpas tragen hier alles – nur<br />
eines nicht: ihre toten Kameraden. Die<br />
holt der Hubschrauber. Gestern haben<br />
wir den letzten Anfl ug beobachtet.<br />
Das Gesetz der Berge lautet: trinken,<br />
trinken, trinken! Wer zu wenig trinkt,<br />
versucht am nächsten Morgen, mit<br />
DiamoxTabletten die Anzeichen der<br />
Höhenkrankheit zu bekämpfen. Kopfschmerzen,<br />
Erbrechen, Nasenbluten.<br />
Der Gesetz der Nacht lautet: kein<br />
Gang zur Toilette! Trotzdem muss ich<br />
mich gegen 23 Uhr aus dem Schlafsack<br />
quälen. Finsternis. Steine, Geröll,<br />
blankes Eis. Eisiger Wind weht von den<br />
Hängen des Everest herunter. Zu hören<br />
ist nur das Knarren des Gletschers.<br />
Gegen drei Uhr reißt uns das gespenstische<br />
Donnern einer Lawine aus<br />
dem Halbschlaf. Minutenlang hallt der<br />
Abgang im Talkessel nach.<br />
Gegen 4.30 Uhr machen wir der Nacht<br />
ein Ende. Schuhe, Zahnpasta, Wassersack,<br />
Sonnencreme – alles ist steinhart<br />
StiLLE ZEit Mönche<br />
im berühmten Kloster<br />
von Thyangboche<br />
Phungitenga,<br />
3250 m, 33 km<br />
Thyangboche,<br />
3860 m, 31 km<br />
Gorak Shep, 5140 m<br />
5 km zurückgelegt<br />
118 Fotos: Travel Press<br />
Pangboche,<br />
3930 m,<br />
26 km<br />
Lobuche,<br />
4930 m,<br />
10 km<br />
Thugla,<br />
4620 m,<br />
14 km<br />
Dingboche,<br />
4410 m, 17 km<br />
Orsho,<br />
4150 m,<br />
21 km<br />
S T A R T<br />
29. Mai 2007, 7.00 Uhr: 132 Teilnehmer<br />
(80 Nepalesen <strong>und</strong> 52 Ausländer) starten<br />
zum 5. Mount Everest Marathon in Nepal.<br />
Der Sieger kommt nach vier St<strong>und</strong>en ins<br />
Ziel, die letzten Läufer nach 16:30 St<strong>und</strong>en.<br />
Everest-Basislager, 5364 m<br />
CHaOtiSCHE<br />
OrGaNiSatiON<br />
In Lobuche gibt es<br />
eine Teilnehmerliste –<br />
aber kein Wasser<br />
OBErHaLB<br />
DiNGBOCHE<br />
Buddhistischer<br />
Chorten mit<br />
Taboche (6367 m)<br />
UNZErtrENNLiCHES DUO<br />
Der blinde Mark Pollock mit<br />
seinem Führer John O’Regan<br />
Start: MOUNt-EVErESt-BaSiSLaGEr Ein letzter Blick auf die einheimischen Favoriten<br />
gefroren. Haferschleim gegen 6.30 Uhr,<br />
die ersten Sonnenstrahlen fallen über<br />
die 8000 Meter hohen Bergwände. Die<br />
Startnummern werden verlesen. Beim<br />
Zubinden meiner Laufschuhe komme<br />
ich nicht aus der Puste – ich habe erst<br />
gar keine: Der Sauerstoffgehalt liegt nur<br />
noch bei knapp 50 Prozent. Trotzdem<br />
will ich an den Start.<br />
Wenige Minuten vor sieben hastet<br />
der Ire John O’Regan zurück zu seinem<br />
Rucksack, sucht nach einer vergessenen<br />
KopfTaschenlampe. Er wird<br />
sie nicht brauchen, aber seinem Partner<br />
Mark Pollock wird sie später vielleicht<br />
das Leben retten. Mark ist blind – seit<br />
neun Jahren. Und seit fünf Jahren ist<br />
der 31Jährige einer der profi liertesten<br />
irischen Extremsportler. 2003 kämpfte er<br />
sich sechs Tage <strong>und</strong> 250 Kilometer durch<br />
die chinesische Wüste Gobi. Ein Jahr<br />
später bewältigte er den NordpolArctic<br />
Marathon bei minus 40 Grad Celsius.<br />
Jetzt hockt er auf einem Campingstuhl,<br />
neben ihm eine halb volle Wasserfl asche<br />
– <strong>und</strong> ist nicht ansprechbar: Die völlige<br />
Abhängigkeit von seinem Partner John<br />
O’Regan hat ihn an den Rand der vorzeitigen<br />
Aufgabe getrieben.<br />
Der Start. Auf den ersten zwei Kilometern<br />
Eis <strong>und</strong> Steine, Steine <strong>und</strong> Eis.<br />
Der KhumbuGletscher gibt die Richtung<br />
vor. Gefrorenes Schmelzwasser<br />
überall. An Laufen ist nicht zu denken.<br />
Es ist ein Springen von Fels zu Fels.<br />
Kilometer 5 erreichen die Spitzenläufer<br />
nach weniger als einer halben<br />
St<strong>und</strong>e. Meine Uhr zeigt in Gorak Shep<br />
57:00 Minuten – gut, für meine Verhältnisse.<br />
Bis Mark <strong>und</strong> John diese erste<br />
Kontrolle passieren, dauert es mehr<br />
als drei St<strong>und</strong>en. John ist völlig außer<br />
Atem – vom Schreien. „Pampelmuse<br />
auf neun. Badewanne auf zwölf. Gera<br />
deaus bis zum Pub, dann Anstieg zum<br />
Wohnzimmer!“, beschreibt der Belfaster<br />
jeden Schritt für Mark, der ihm an<br />
zwei 1,50 Meter langen Metallstäben<br />
folgen muss.<br />
jeden Stein, jeden Schritt, jede Stufe<br />
erklärt John mit einem Bild aus Marks<br />
vertrauter DublinUmgebung, „denn<br />
100 Meter geradeaus, diese Entfernung<br />
kann er nicht begreifen“. Also liegt nun<br />
linker Hand ein Stein in PampelmusenGröße.<br />
Die nächste Steinstufe ist so<br />
hoch wie eine Badewanne. Schon das<br />
kleinste Missverständnis kann tödliche<br />
Folgen haben, denn manche Schlucht<br />
ist so tief wie die Strecke vom heimischen<br />
Wohnzimmer zum Lieblings<br />
Pub am Ende der Straße.<br />
In Lobuche stehen für 132 Läufer nur<br />
zwei Dutzend Wasserfl aschen bereit.<br />
William Gargiullo kann dem Pfad nur<br />
noch mit Mühe folgen. Der Schweizer<br />
ist ohne Wasser gestartet.<br />
Bei Kilometer 12 komme ich zum<br />
ersten Mal zum Laufen. Zehn, 20 Meter<br />
– mehr nicht. Sanfte Weiden, die<br />
mir zum Verhängnis werden. Unkonzentriertheit,<br />
Übermut? Auf einem fl achen<br />
Stück knicke ich mit dem linken<br />
Fuß um. Nach wenigen Minuten<br />
schwillt mein Fuß so stark an, dass ich<br />
kurz vor Thugla (14 km) nur noch mit<br />
Mühe eine halbe Tube Pferdesalbe in<br />
den Schuh schmieren kann. Später<br />
wird ein Orthopäde in München eine<br />
Knochen quetschung <strong>und</strong> einen 1,5fachen<br />
Bänderriss im linken Sprunggelenk<br />
diagnostizieren <strong>und</strong> bemerken:<br />
„Das darf wehtun!“ Tut es auch, aber<br />
jetzt ist das nächste vernünftige Krankenhaus<br />
knapp 800 Kilometer entfernt.<br />
Der nächste Arzt wartet im „Medical<br />
Post“ von Thugla – mit einer Mullbinde<br />
<strong>und</strong> zwei Aspirin.<br />
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