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Einmal und nie wieder! - Günter Tewes

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aM ZiEL – aM ENDE Peter Hinze<br />

nach 7:45,14 in Namche Basar<br />

Bergauf läuft es sich fast schmerzfrei<br />

– bergab schießen mir Tränen in die<br />

Augen. Bis nach Namche geht es noch<br />

über 2500 Meter abwärts.<br />

auf den drei Kilometern bis Dingboche<br />

läuft Ishihara Yoshiaki vor mir. Obwohl<br />

wortlos, ist es die intensivste Begegnung<br />

des Tages. Eine halbe St<strong>und</strong>e lang trennen<br />

uns keine 50 Zentimeter. Kein weiterer<br />

Läufer ist auf dem Hochplateau<br />

auszumachen. Am Horizont liegt der<br />

Everest hinter uns. Vor uns unten im Tal<br />

ziehen die ersten dicken Wolken auf. Wir<br />

spüren nur unsere schweren Atemzüge.<br />

200 Ultra­Marathonläufe hat der 62­jährige<br />

Geschäftsmann bewältigt. Wie eine<br />

Reliquie trug der Japaner täglich dasselbe<br />

T­Shirt, das ihn als „Finisher“ eines<br />

300­Kilometer­Runs in seiner Heimat<br />

DEUtSCHSPraCHiGES QUartEtt<br />

Drei deutsche Teilnehmer, ein Österreicher:<br />

(v. l. n. r.): Peter Goel (gesamt:<br />

67. Platz; 8. Platz unter den Ausländern);<br />

<strong>Günter</strong> <strong>Tewes</strong> (104./40.), Peter Hinze<br />

(72./12.), Niels Grimpe-Luhmann (64./5.)<br />

120 Fotos: Travel Press<br />

NEPaLESiSCHEr HELD Deepak Raj Rai erreicht das Ziel<br />

nach 3:59,24 St<strong>und</strong>en. Er gewann auch im Jahr 2006<br />

adelt. Wir sprechen kein Wort – plötzlich<br />

fällt Ishihara zurück. Regungslos.<br />

Ich sehe ihn erst in der Nacht <strong>wieder</strong>.<br />

Bei Kilometer 18 reicht mir Ram Bahadur<br />

Tamang am Ortsende von Dingboche<br />

eine halb volle Wasserfl asche. Ram<br />

weiß von den Strapazen der Läufer. 2004<br />

belegte sein Sohn Ang Namgel Sherpa<br />

Platz fünf. Jetzt wirkt der 40­jährige<br />

Lodge­Besitzer müde. Seit Tagen wartet<br />

er auf eine Nachricht von Namgel, der<br />

mit einer britischen Expedition längst<br />

den Aufstieg auf den Everest­Gipfel bewältigt<br />

haben müsste. Als John <strong>und</strong> Mark<br />

an der „Moon Light Lodge“ vorbeikommen,<br />

denkt Ram bereits ans Abendessen.<br />

Und die Wolken im Tal türmen sich<br />

zu einer schwarzen Wand auf!<br />

Beim anstieg zum Kloster thyangboche<br />

(31 km) – erstmals verläuft die Strecke<br />

unterhalb von 4000 Metern – passiere<br />

ich eine Gruppe Niederländer, die mit<br />

dem Anstieg nicht fertig werden. Beim<br />

normalen Marathon kommt nach 32<br />

Kilometern der „Mann mit dem Hammer“,<br />

sagen Läufer. Am Everest kommt<br />

Phungitenga, dagegen ist der Hammer­<br />

Mann ein guter Fre<strong>und</strong>: Auf den nächsten<br />

drei Kilometern steigt die Strecke<br />

knapp 700 Meter an. Am höchsten<br />

Punkt, dem Krankenhaus von Kh<strong>und</strong>e,<br />

schleppe ich mich erst fast zwei St<strong>und</strong>en<br />

später vorbei.<br />

Strömender Regen hat eingesetzt. Ein<br />

weißer Hagelteppich bedeckt Syangboche,<br />

als aus den Wolken im Tal blaue<br />

Hausdächer auftauchen. Ich folge reißenden<br />

Flussläufen Richtung Namche.<br />

Das Wasser reicht mir bis zu den<br />

Schienbeinen.<br />

Nach 7:45,14 St<strong>und</strong>en das Ziel. Im<br />

linken Fuß habe ich kaum noch ein Gefühl.<br />

Ich zittere vor Erschöpfung <strong>und</strong><br />

Kälte. Bis zu meinem Bett im „Nam­<br />

Kh<strong>und</strong>e, Klinik, 36 km<br />

Khumjung,<br />

Kloster, 35 km<br />

Khumjung,<br />

Schule 37<br />

Syangboche,<br />

3720 m, 39 km<br />

Namche Basar, 3440 m,<br />

42,195 km<br />

Z I E L<br />

Sanasa,<br />

34 km<br />

che Hotel“ sind es keine 500 Meter. Ich<br />

brauche über eine halbe St<strong>und</strong>e.<br />

Gegen 19 Uhr bricht die Dunkelheit<br />

herein. Oben in Kh<strong>und</strong>e beginnt<br />

es zu schneien. Gegen 21 Uhr startet<br />

ein Suchtrupp: Der blinde Mark Pollock<br />

<strong>und</strong> John O’Regan sind überfällig.<br />

Kurz vor Mitternacht tauchen oberhalb<br />

von Namche plötzlich zwei einsame<br />

Lichter auf: die beiden Iren, die<br />

wenige Augenblicke später die Orientierung<br />

verlieren. Statt nach rechts läuft<br />

Mark links in einen Abgr<strong>und</strong>. Geistesgegenwärtig<br />

greift ein Sherpa, der die<br />

beiden seit drei Wochen auf Schritt <strong>und</strong><br />

Tritt begleitet, nach Mark, den er nur<br />

am Lichtkegel seiner Kopf­Taschenlampe<br />

ausmachen kann. Mühsam zieht der<br />

Sherpa den Gestrauchelten auf den Weg<br />

zurück, in den knöcheltiefen Lehm.<br />

Die Uhr zeigt 16:27,39 St<strong>und</strong>en, als<br />

sich das irische Läufer­Duo als letzte<br />

Teilnehmer ins Ziel schleppt. John kann<br />

nicht mehr sprechen, Mark kann nicht<br />

mehr hören. Seit sieben Uhr sind sie<br />

einmal gelaufen: „Die letzten 20 Meter<br />

vor dem Ziel.“<br />

Am nächsten Morgen lassen sich<br />

Mark <strong>und</strong> John mit einem Helikopter<br />

Richtung Kathmandu ausfl iegen. Sie<br />

wollen nur weg, weg vom „härtesten<br />

Marathonlauf der Welt“. Und sie wollen<br />

nicht <strong>wieder</strong>kommen – keiner von<br />

uns will <strong>wieder</strong>kommen! ■<br />

PETER HINZE<br />

Das Mount-Everest-abenteuer online: das<br />

komplette Marathon-Tagebuch mit täglichen<br />

Eintragungen vom 12. Mai bis 1. Juni unter:<br />

ä www.focus.de/himalayamarathon<br />

FOCUS 25/2007

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