Inhalt 04/05 2010 - der Stadt Eisenhüttenstadt
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18<br />
ebenfalls z.T. gleichzeitig.<br />
Renate Gaitzsch geb. Timm<br />
war von 1954 bis 1957 im<br />
Heim, ihre vier Geschwister<br />
zu an<strong>der</strong>en Zeiten und auch<br />
gleichzeitig.<br />
Helga Kulle geb. Machule<br />
war Einzelkind und von 1949<br />
bis 1956 im Heim, heiratete<br />
einen Schiffer, fuhr mit als<br />
Decksmann, dann als Bootsmann<br />
und durfte auch Schiffe<br />
steuern.<br />
Bernd Michelmann kam<br />
12-jährig 1958 ins Heim und<br />
war dort bis 1963. Er wurde<br />
Schiffsführer. Zwei Geschwister<br />
waren auch im Heim.<br />
Dieter Metze war ab 1950 mit<br />
11 Jahren bis zur Oberschulzeit<br />
im Heim. Er wurde Diplom-<br />
Physiker. Seine Leidenschaft<br />
ist das Segeln, Ostseetouren<br />
gehen bis nach Norwegen.<br />
Bei allen Kin<strong>der</strong>n waren beide<br />
Eltern Schiffer und fuhren auf<br />
Schleppkähnen.<br />
Die Frage nach <strong>der</strong> Trennung<br />
vom Elternhaus wurde sehr<br />
unterschiedlich beantwortet.<br />
Jutta Heinze: mir fiel es in<br />
den ersten Jahren sehr schwer,<br />
wenn ich von <strong>der</strong> Mutter mit<br />
dem Zug nach Fürstenberg<br />
gebracht wurde. Im Heim<br />
angekommen, fand man sich<br />
damit ab. Das Zusammenleben,<br />
dass in <strong>der</strong> Freizeit viel<br />
unternommen wurde und<br />
gemeinsames Arbeiten bei den<br />
Schulaufgaben, gefiel mir. Es<br />
war nicht schlecht, aber es<br />
war eben ein Heim. Ich hatte<br />
beschlossen, niemals einen<br />
Schiffer zu heiraten, was sich<br />
auch erfüllte.<br />
Bild 5<br />
Renate Gaitzsch: mir hat<br />
das Heimleben gut gefallen.<br />
Ich bin aber mit meinen<br />
Geschwistern nie als<br />
Geschwister groß geworden.<br />
Wir haben in verschiedenen<br />
Zimmern geschlafen und<br />
hatten an<strong>der</strong>e Erzieher, auch<br />
die Schulaufgaben hat je<strong>der</strong><br />
woan<strong>der</strong>s gemacht. Wir<br />
waren in den Ferien auch bei<br />
Oma o<strong>der</strong> Tante und haben<br />
unsere Eltern in manchem<br />
Jahr nur drei Wochen gesehen.<br />
Ein einfaches Zuhause<br />
mit weniger Geld wäre mir<br />
lieber gewesen.<br />
Helga Kulle: anfangs habe ich<br />
die Klassenkameraden beneidet,<br />
die nach dem Schulunterricht<br />
nach Hause gingen.<br />
Später, wenn die Eltern zu<br />
Hause waren, hätte ich die<br />
Schulaufgaben am liebsten im<br />
Heim gemacht, da ich zu Hause<br />
so allein war. Mit zunehmendem<br />
Alter gefiel es mir im<br />
Heim wie<strong>der</strong> besser. An<strong>der</strong>e<br />
Kin<strong>der</strong> beneideten uns, dass<br />
wir so viel rumkamen.<br />
Bernd Michelmann: für<br />
mich war die positive Seite<br />
des Heims, dass ich von <strong>der</strong><br />
strengen Hand des Vaters<br />
weg war; die negative Seite,<br />
dass die ordentliche Hand <strong>der</strong><br />
Mutter fehlte. Mein Verhalten<br />
wurde oft kritisiert, die Mädchen<br />
aber wurden strenger<br />
bewacht.<br />
Dieter Metze: das Heimleben<br />
habe ich genossen. Es<br />
war sehr abwechslungsreich.<br />
Man kann Schifferkin<strong>der</strong> mit<br />
Zirkuskin<strong>der</strong>n vergleichen. In<br />
einem Jahr habe ich 4 Schulen<br />
besucht. Als <strong>der</strong> Kahn in Stettin<br />
eingefroren war, besuchte<br />
ich dort eine deutsche Schule.<br />
Über das Leben in <strong>der</strong> Gemeinschaft<br />
und die Versorgung<br />
im Heim gab es keine<br />
Klagen. Die Jungen denken<br />
noch heute an die Kohlrouladen,<br />
die es dort zu essen gab.<br />
Wer zum Zapfenstreich nicht<br />
anwesend war, musste mit<br />
Ausgangssperre rechnen.<br />
Alle schwärmten von den<br />
Fahrten nach 1945, wo die<br />
Kähne im Schleppzug nach<br />
Breslau o<strong>der</strong> Kosel geschleppt<br />
wurden und mit Kohle beladen<br />
in Alleinfahrt geräuschlos<br />
die O<strong>der</strong> abwärts trieben. Das<br />
än<strong>der</strong>te sich mit <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>nisierung<br />
<strong>der</strong> Binnenflotte<br />
ab 1954. Die Kähne wurden<br />
mit an Deck stehenden LKW-<br />
Motoren und Propellerdüse<br />
(Z-Antrieb) ausgestattet.<br />
Die Kin<strong>der</strong> wurden sehr<br />
selbständig durch die Fahrten<br />
zum Schiff <strong>der</strong> Eltern o<strong>der</strong><br />
zurück ins Heim. Sie erhielten<br />
einen Zettel mit den Zugverbindungen,<br />
um in Berlin,<br />
Dresden o<strong>der</strong> Magdeburg zum<br />
nächsten Hafen zu kommen.<br />
Oft waren noch kleinere Geschwister<br />
mitzunehmen. Der<br />
Kahn durfte auch mal warten,<br />
wenn sich die Anreise <strong>der</strong><br />
Kin<strong>der</strong> verzögerte. O<strong>der</strong> man<br />
wurde, wie Dieter Metze, bei<br />
<strong>der</strong> großen Schwester in Dyhernfurth<br />
abgesetzt und auf<br />
<strong>der</strong> Rückfahrt wie<strong>der</strong> mitgenommen.<br />
Erzieher von Dieter<br />
war Erich Bunke, <strong>der</strong> 1935 mit<br />
seiner Frau nach Argentinien<br />
emigrierte, 1952 mit Familie<br />
nach Stalinstadt kam und<br />
zeitweilig im Schifferkin<strong>der</strong>heim<br />
wohnte. Tochter Tamara<br />
besuchte die Oberschule in<br />
Fürstenberg und wan<strong>der</strong>te<br />
nach dem Studium nach Argentinien<br />
aus. Dolmetschertätigkeit<br />
in Kuba führte zur<br />
Freundschaft mit Che Guevara.<br />
Sie war in seinem Auftrag bei<br />
den Guerillas in Bolivien und<br />
wurde 1967 im Alter von 30<br />
Jahren erschossen. Die Schule<br />
Ziltendorf erhielt 1969 den<br />
Namen „Tamara Bunke“.<br />
Bernd Michelmann besuchte<br />
die Schifferschule und fuhr<br />
als Schiffsführer auf einem<br />
Schubschiff <strong>der</strong> Binnenree<strong>der</strong>ei.<br />
Noch vor seiner Hochzeit<br />
entschloss er sich, <strong>der</strong> Familie<br />
zuliebe, zu einer Tätigkeit<br />
an Land. Trotzdem nimmt<br />
er regelmäßig an den Versammlungen<br />
<strong>der</strong> Schiffer in<br />
Fürstenberg teil. Ein beliebter<br />
Treff ist <strong>der</strong> Schifferball, <strong>der</strong><br />
jährlich einmal stattfindet.