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Praxisbeispiel - Ulrich Bucher, Dienstleistungen

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Auszug aus dem Protokoll des Kantonsrates vom 19.06.2012<br />

<strong>Ulrich</strong> <strong>Bucher</strong>, SP.<br />

Ich zitiere: «Zusammenfassend lässt sich das Bemühen von Gemeinwesen aller staatlichen Ebenen<br />

und deren Organe und Behörden um einfache, verständliche, bürger- und kundenfreundliche<br />

Regelungen im Sinne eines Bürokratieabbaus als Daueraufgabe bezeichnen, die eigentlich<br />

selbstverständlich sein sollte und in unserem Kanton bereits auch so gelebt wird.»<br />

Diese Zusammenfassung ist in mehrerer Hinsicht entlarvend:<br />

1. Es ist ein sehr komplizierter Satz, der fast als Beispiel für bürokratische Formulierung herhalten<br />

kann.<br />

2. Er wird gerade dreimal relativiert: Es ist ein Bemühen, welches eigentlich selbstverständlich sein<br />

sollte. Ehrlich wäre folgender kurzer Satz gewesen: Wir wollen keine Änderung.<br />

Soweit die Theorie und nun zur Praxis.<br />

Erster Punkt: Mein Grosskind erhielt kürzlich einen Brief des Ausweiszentrums:<br />

Sehr geehrte Frau Simona Schwing, Ihr Termin für die persönliche Vorsprache gebucht<br />

es folgt die Terminangabe. Nachher steht: Bitte beachten Sie, dass Sie bei der persönlichen<br />

Vorsprache folgende Ausweise oder entsprechende Verlustmeldungen mitbringen müssen – Pass mit<br />

Identitätsnummer, die Identitätskarte mit Nummer. Bitte beachten Sie, dass Sie als minderjährige<br />

Person von einer sorgeberechtigten Person begleitet werden müssen.<br />

Mein Grosskind feiert am 1. September 2012 den vierten Geburtstag und hat den Brief wunderbar<br />

verstanden. (Heiterkeit im Saal) Zweiter<br />

Punkt: Sind das unbürokratische und verständliche Verfahren, wenn ich mit meiner<br />

Mikrounternehmung für die Erledigung von ungefähr zehn Abschlussbuchungen und fürs Ausfüllen<br />

der Steuererklärung über 2000 Franken aufwenden muss für den Treuhänder?<br />

Dritter Punkt: Im Falle einer Beistandschaft musste ich ein EL-Formular ausfüllen. Ich konnte das<br />

selbstverständlich nicht und ein Kadermitarbeiter der IV hat mich freundlich und kompetent<br />

unterstützt. Das war völlig in Ordnung. Aber auch er hat nach fünf Minuten gesagt, das Formular sei<br />

wirklich unmöglich. Das Pikante daran ist, dass es nicht ein neuer IV/EL-Fall war, sondern die Frau<br />

wechselte lediglich vom Kanton Basel-Landschaft in den Kanton Solothurn. Die Daten waren alle<br />

vorhanden, aber das Verfahren begann von vorne. Ist das unbürokratisch?<br />

Kürzlich war ich auf der Amtschreiberei zur Erledigung eines Landverkaufsgeschäftes. Zuerst ein eher<br />

peinliches Detail: Mitten in den Verhandlungen musste die Notarin sie unterbrechen, weil sie nicht<br />

die aktuelle Vertragsversion bei sich hatte.<br />

Und jetzt zur Bürokratie: Es sassen fünf Parteien am Tisch, vier Verkäufer und ein Käufer und ich<br />

vertrat eine verbeiständete Person. Nach den Unterschriften geht dann der Vertrag an die zuständige<br />

kommunale Vormundschaftsbehörde und anschliessend muss dann auch noch das Oberamt<br />

zustimmen. Es wurde erklärt, das sei eine reine Formsache.


Der Vertrag ist aber so abgefasst gewesen, dass ihn die Vertreterin der Vormundschaftsbehörde<br />

nicht verstanden hat. Sie musste den Sachverhalt telefonisch abklären und seither warten die<br />

Parteien auf den Tagebucheintrag blockiert.<br />

Es gibt nur einen Grund, weshalb das Geschäft nicht vor den Unterschriften durch die VB und das<br />

Oberamt geprüft werden: Es könnte ja ausnahmsweise ein Kaufvertrag nicht zustande kommen oder<br />

noch massiv abgeändert werden.<br />

Meine Folgerung ist, die Verwaltungen wollen vor allem ihre Probleme lösen, der Kundendienst ist<br />

Nebensache.<br />

Ich kann aber auch ein sehr positives Beispiel erwähnen: Das Steueramt wollte noch einige Details zu<br />

den Spesen bei einer Einzelunternehmung abklären. Die Steuerbeamtin hat mit dem Inhaber einen<br />

Termin vereinbart, verbunden mit der Bitte, die Buchhaltung bereitzuhalten. Sie hat die Buchhaltung<br />

geprüft, anschliessend den Geschäftsmann gefragt, was er eigentlich mache und er solle es<br />

beschreiben und anschliessend wurde zu gegenseitiger Zufriedenheit entschieden. Der einzige<br />

Schönheitsfehler dieser Geschichte ist, dass sie sich im Kanton Bern abgespielt hat.<br />

Noch ein weiteres Detail: Ich habe eine Beistandschaft einer invaliden Frau in einem Heim,<br />

Daueraufenthalt. Das Einkommen ist minus 30'000 Franken im Schnitt pro Jahr. Jedes Jahr ist die<br />

Steuererklärung auszufüllen. Ich habe in der GPK reklamiert und erhielt die Antwort, ich müsse nur<br />

das Steuererlassungsgesuch einreichen. Nur, wer reicht ein solches ein, wenn man null Franken hat.<br />

Wenn ich die Antwort der Regierung lese, weiss ich nicht, ob sie einfach beschönigt, was ich noch<br />

verstehen könnte, oder ob sie das Geschriebene auch wirklich glaubt, was dann wirklich tragisch<br />

wäre. Deshalb werde ich dem Auftrag zustimmen.

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