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Schüler auf den Spuren einer gescheiterten Revolution

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<strong>Schüler</strong><br />

<strong>auf</strong> <strong>den</strong> <strong>Spuren</strong><br />

<strong>einer</strong> <strong>gescheiterten</strong> <strong>Revolution</strong><br />

Wettbewerbsprojekte zum 17. Juni 1953 in Berlin ausgezeichnet<br />

Ein Film über eine Straßenumfrage in Berlin stimmt das Publikum<br />

ein: „Was weißt du über die DDR?“ – „DDR, was fällt dir dazu ein?“<br />

Die Antworten der befragten Kinder und Jugendlichen sind sehr<br />

unterschiedlich, das Stichwort Mauer fällt, mit dem Namen<br />

Honecker können einige nichts anfangen, manche nehmen Bezug<br />

<strong>auf</strong> Erzählungen von Eltern und Großeltern. Der Wettbewerb der<br />

Bundesstiftung Aufarbeitung der SED-Diktatur und des Medienportals<br />

www.deinegeschichte.de gab <strong>Schüler</strong>innen und <strong>Schüler</strong>n<br />

<strong>den</strong> Anlass, sich mit der Geschichte der DDR und vor allem mit<br />

dem 17. Juni 1953 auseinanderzusetzen: <strong>Schüler</strong> <strong>auf</strong> <strong>den</strong> <strong>Spuren</strong><br />

<strong>einer</strong> <strong>gescheiterten</strong> <strong>Revolution</strong>. Am Vorabend des 17. Juni 2011 wur<strong>den</strong> in <strong>den</strong> Räumen der Stiftung in<br />

Berlin die ausgezeichneten Projekte vorgestellt.<br />

Aktuelle Bezugspunkte zu einem historischen Thema<br />

Einen weiteren Einstieg in das Thema bot die Straßenumfrage „Was ist ein Volks<strong>auf</strong>stand, wie kommt es<br />

dazu?“ – Manche Befragten nahmen <strong>auf</strong> die DDR, <strong>den</strong> 17. Juni 1953 und das Jahr 1989 Bezug, bei manchen<br />

Definitionsversuchen hatten die Befragten anscheinend eher die aktuellen Ereignisse in der arabischen<br />

Welt vor Augen. Ein spannender Bezugspunkt für Jugendliche: Solche Versuche des Wandels, der<br />

<strong>Revolution</strong>, wie sie zurzeit in <strong>den</strong> Medien zu beobachten sind (und dadurch für uns<br />

doch irgendwie ganz schön weit weg) – solche Ereignisse gab es vor knapp 60<br />

Jahren auch in einem Teil dieser Stadt Berlin, in einem Teil dieses Landes.<br />

Dr. Anna Kaminsky<br />

Nach der Begrüßung durch die Geschäftsführerin der Stiftung<br />

Aufarbeitung, Dr. Anna Kaminsky, stellte der Referent für<br />

schulische Bildungsarbeit, Dr. Jens Hüttmann, das Thema unter<br />

dem Aspekt des Schulunterrichts vor. Dabei wies er besonders<br />

<strong>auf</strong> die Möglichkeiten hin, mit <strong>den</strong>en die Bundesstiftung<br />

Aufarbeitung und ihre Kooperationen Lehrkräfte in ihrer Unterrichtsgestaltung<br />

unterstützt. Neben dem Bildungskatalog, der<br />

eine gezielte Recherche nach Unterrichtsmaterialien zu bestimmten<br />

Themen für bestimmte Jahrgangsstufen ermöglicht,<br />

bietet z.B. www.zeitzeugenbuero.de die Vermittlung von Zeitzeugen<br />

zum Besuch in Klassen und Schulen an.<br />

Technisch fitte <strong>Schüler</strong>: Zweisprachige Webseite über <strong>den</strong> 17. Juni<br />

Oliver & Fabian Mehling<br />

Dr. Jens Hüttmann<br />

Eine ganze Webseite zum Thema „17. Juni 1953“ präsentierten<br />

Oliver und Fabian Mehling als ihren Wettbewerbsbeitrag.<br />

Das Brüderpaar, 14 und 12 Jahre alt, hatte das Thema noch<br />

nicht im Unterricht und wurde durch die Ausschreibung neugierig. Die Faktenrecherche<br />

und die Suche nach frei verwendbarem Bildmaterial waren nur ein<br />

Teil der Arbeit. Dazu überlegten sie sich eine gute Struktur zur Darstellung und<br />

Verlinkung <strong>auf</strong> der Webseite und setzten die technische Programmierung um.<br />

Und da Oliver Mehling einen Austauschschüler aus dem französischsprachigen<br />

Quebec erwartet, legte er die Webseite zweisprachig an. So können sich, sobald<br />

die Webseite online ist, auch französischsprachige <strong>Schüler</strong>innen und <strong>Schüler</strong><br />

über diesen Aspekt der deutschen Geschichte informieren.


Als Teil ihrer Abiturprüfung hatten Julia Braband, Melissa Kreh, Sophie<br />

Louise Michalowski und Anne-Katrin Funke aus Erfurt das Thema 17.<br />

Juni und Widerstand in der DDR vorbereitet. Drei der <strong>Schüler</strong>innen waren<br />

nach Berlin gereist und präsentierten mit Bildern und geschicktem<br />

Sprecherwechsel ihren Beitrag. Neben <strong>den</strong> Ereignissen zum 17. Juni<br />

hatten sie zwei Widerstandsbiografien recherchiert, deren Schicksale<br />

sie genauer wiedergaben.<br />

Erinnerungen an <strong>den</strong> 17. Juni<br />

Zwei Zeitzeugen waren an diesem Abend anwesend: Klaus Gronau, Jahrgang 1937, und Carla Ottmann,<br />

geboren 1946, schilderten im anschließen<strong>den</strong> Podiumsgespräch ihre Erinnerungen an <strong>den</strong> 17. Juni 1953.<br />

Klaus Gronau hatte als 16-jähriger Berufsschüler am 16. und 17. Juni mit demonstriert. Obwohl er in s<strong>einer</strong><br />

Arbeit als Zeitzeuge schon oft von seinen Erlebnissen erzählt hat, ist der Schrecken dessen, was er erlebt<br />

hat, für ihn nie verblasst. In der Folge durfte er in seinem erlernten<br />

Beruf nicht mehr arbeiten, 1957 gelang ihm und s<strong>einer</strong> Familie die<br />

Übersiedlung nach West-Berlin.<br />

Carla Ottmann erlebte als Kind, wie in ihrer Straße im Bezirk<br />

Prenzlauer Berg russische Panzer <strong>auf</strong> dem Mittelstreifen <strong>auf</strong>fuhren<br />

und sowjetische Soldaten dort kampierten. Sie erinnert sich noch<br />

gut an das Gefühl der Angst, dass sich von <strong>den</strong> Erwachsenen in<br />

ihrer Umgebung <strong>auf</strong> die Kinder übertrug. Freiheit blieb ihr zeitlebens<br />

wichtig, später wurde sie wegen Fluchthilfe und Ausreisebegehren<br />

vom Ministerium für Staatssicherheit verurteilt und inhaf-<br />

tiert. Als Vorsitzende des Vereins zur Förderung der Projektwerkstatt „Lin<strong>den</strong>straße 54“ (dem Ort des früheren<br />

Stasigefängnisses in Potsdam) vermittelt sie heute als Zeitzeugin <strong>Schüler</strong>innen und <strong>Schüler</strong>n mit<br />

ihren Erinnerungen einen Eindruck davon, wie Unterdrückung und Überwachung in der DDR vor sich<br />

gingen.<br />

Kraus warnt vor einem fortschreiten<strong>den</strong> historischen Analphabetismus<br />

v.l.n.r.: Jens Hüttmann, Klaus Gronau, Carla Ottmann,<br />

Oliver Baumann, Josef Kraus<br />

Ebenfalls <strong>auf</strong> dem Podium im Gespräch mit Moderator Dr.<br />

Jens Hüttmann von der Stiftung Aufarbeitung der SED-<br />

Diktatur waren Josef Kraus, Präsi<strong>den</strong>t des Deutschen Lehrerverbandes,<br />

und Oliver Baumann, Projektleiter des interaktiven<br />

Bildungsportals DeineGeschichte.de. Josef Kraus<br />

wies dar<strong>auf</strong> hin, dass dem Geschichtsunterricht in vielen<br />

Bundesländern zu wenig Unterrichtszeit und Aufmerksamkeit<br />

gegeben wird – im Vergleich zu <strong>den</strong> sogenannten<br />

Kernfächern und <strong>den</strong> zweifellos wichtigen MINT-Fächern<br />

dürfe aber Geschichte mit durchschnittlich nur 1,3 Wochenstun<strong>den</strong><br />

nicht vernachlässigt wer<strong>den</strong>. Das Fach Geschichte<br />

müsse in allen Bundesländern wieder eigenständiges, zweistündiges<br />

Fach wer<strong>den</strong>. Bezogen <strong>auf</strong> <strong>den</strong> derzeitigen Kom-<br />

petenzendiskurs betonte er, wie wichtig gerade in Geschichte konkretes, kanonisches Fachwissen sei,<br />

auch im Fach Geschichte solle es deshalb Jahresstufentests bzw. standadisierte Wissenstests geben. Er<br />

rief die Lehrkräfte dazu <strong>auf</strong>, <strong>den</strong> pädagogischen Freiraum zu nutzen, um in Verbindung mit aktuellen Ereignissen<br />

auch in anderen Fächern <strong>den</strong> <strong>Schüler</strong>n einen Bezug gerade zur neueren Geschichte zu vermitteln,<br />

um historischen Analphabetismus zu verhindern.<br />

Medienportal DeineGeschichte.de bietet zahlreiche Anregungen<br />

Drei Abiturientinnen stellen die Ergebnisse ihrer<br />

Projektarbeit vor<br />

Klaus Gronau Carla<br />

Ottmann<br />

Oliver Baumann stellte das Medienportal www.deinegeschichte.de vor, das <strong>den</strong> Wettbewerb gemeinsam<br />

mit der Stiftung ausgeschrieben hatte. Dort fin<strong>den</strong> Lehrkräfte und Schulklassen in verschie<strong>den</strong>en medialen<br />

Formen Unterrichtseinheiten und inhaltliche Anregungen zur deutschen<br />

Geschichte. Es bietet zudem technische Anleitungen und<br />

Ideen, wie sie das Thema ihres aktuellen Geschichtsunterrichtes in<br />

Interviews mit Passanten und Zeitzeugen, Reportagen und Berichten<br />

direkter erleben und das Erfahrene umsetzen können. Außerdem<br />

können <strong>Schüler</strong>innen und <strong>Schüler</strong> dort auch ihre Beiträge veröffentlichen<br />

und diskutieren. Baumann betonte, wie wichtig es sei,<br />

für die <strong>Schüler</strong> eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart<br />

zu schlagen.


Als Würdigung ihrer Wettbewerbsbeiträge waren die <strong>Schüler</strong>innen und<br />

<strong>Schüler</strong> nach Berlin eingela<strong>den</strong> wor<strong>den</strong>. Rainer Eppelmann, Vorsitzender<br />

der Stiftung Aufarbeitung, überreichte ihnen Bücher und Medien, mit<br />

<strong>den</strong>en sie ihre historischen Interessen auch in Zukunft verfolgen können.<br />

Außerdem erhielt jeder der Teilnehmen<strong>den</strong> die zum 50. Jahrestag des<br />

17. Junis im Jahr 2003 geprägte Ge<strong>den</strong>kmünze, eine Sondermarke und<br />

<strong>den</strong> Sonderdruck <strong>einer</strong> Landkarte, die alle Städte und Gebiete zeigte, in<br />

<strong>den</strong>en es am 17. Juni zu Aufstän<strong>den</strong> und Demonstrationen gekommen<br />

war. Rainer Eppelmann lobte die Jugendlichen für ihr Engagement und<br />

forderte sie <strong>auf</strong>, auch in Zukunft Salz in der Suppe und Leuchttürme in<br />

Rainer Eppelmann<br />

der Gesellschaft zu sein. In <strong>einer</strong> Demokratie, so Eppelmann, sei es<br />

zwar leichter, sich selbst treu zu sein, als in <strong>einer</strong> Diktatur. Dennoch<br />

gebe es im Alltag, in der Schule, unter Freun<strong>den</strong>, <strong>auf</strong> der Arbeit, genug Situationen, in <strong>den</strong>en man sich –<br />

auch wenn negative Konsequenzen drohten – für Gerechtigkeit und Entscheidungsfreiheit einsetzen sollte.<br />

Im Anschluss an die Veranstaltung tauschten die Gäste der Veranstaltung sich bei einem Glas Wasser,<br />

Wein oder Saft über <strong>den</strong> Abend aus.<br />

Zur Information:<br />

Anne Schirrmacher/Deutscher Lehrerverband<br />

Fotos: Carolin Ries/Stiftung Aufarbeitung der SED-Diktatur<br />

Die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur hat <strong>den</strong> gesetzlichen Auftrag, die umfassende<br />

Aufarbeitung der Ursachen, Geschichte und Folgen der Diktatur in SBZ und DDR zu fördern, <strong>den</strong><br />

Prozess der Deutschen Einheit zu begleiten und an der Aufarbeitung von Diktaturen im internationalen<br />

Maßstab mitzuwirken. Die friedlichen <strong>Revolution</strong>en des Jahres 1989 sollen als herausragende<br />

Ereignisse in der deutschen und europäischen Demokratiegeschichte verankert und gewürdigt<br />

wer<strong>den</strong>, um so dazu beizutragen, die Folgen der Teilung Deutschlands und Europas zu überwin<strong>den</strong>.<br />

Die Bundesstiftung Aufarbeitung wurde 1998 vom Deutschen Bundestag per Errichtungsgesetz<br />

gegründet.<br />

Anstoßen und fördern, informieren und vernetzen sind die Leitmotive der Stiftungsarbeit. Für <strong>den</strong><br />

Bereich der schulischen Bildungsarbeit bietet die Stiftung mit ihren Kooperationen umfangreiches<br />

Unterrichtsmaterial in verschie<strong>den</strong>en medialen Formen <strong>auf</strong> ihrer Webseite www.stiftung<strong>auf</strong>arbeitung.de<br />

an, ein Bildungskatalog ermöglicht die Recherche von Bildungsmaterialien<br />

verschie<strong>den</strong>ster Anbieter für unterschiedliche Themen nach Jahrgangsstufen. Des Weiteren wer<strong>den</strong><br />

Informationen zu Zeitzeugenvermittlung, zu Publikationen, Konferenzen, Ausstellungen und<br />

Wettbewerbe angeboten.<br />

Ein Projekt, das u.a. von der Stiftung gefördert wird, ist www.DeineGeschichte.de, ein Medienportal,<br />

das <strong>auf</strong> die aktive Mitarbeit und <strong>den</strong> Einsatz neuer Medien setzt, um Jugendlichen <strong>auf</strong> zeitgenössische<br />

Geschichte neugierig zu machen. Neben der Steigerung des Geschichtsbewusstseins sollen die<br />

Jugendlichen so auch für einen differenzierten Umgang mit Medien und Informationen sensibilisiert<br />

wer<strong>den</strong>.

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