BERLiN fREiBuRg BaRBados - Sixt Mietwagen Blog Deutschland
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GO hi-end<br />
70 gO sixt My way<br />
Opeople<br />
OPtimist<br />
Joop<br />
Modeschöpfer, Schriftsteller, weltbürger.<br />
„wunderkind“-erfinder wolfgang Joop spürt<br />
in einem Regine <strong>Sixt</strong> gewidmeten Brief*<br />
seiner Jugendzeit in potsdam nach und zeigt:<br />
Haltung zählt statt pose. Glücksfall Joop.<br />
FOtO: schwarz/weiss POrtrait- by Dieter eikelPOth<br />
*erstveröFFentlichung: 2007 erstmals unter Dem titel „haltung anstelle vOn POsen“ in Dem buch „kein rinDvieh – blOss kein rinDvieh“ im lanDwirschaFtsverlag erschienen. herausgeberin ist ulrike siegel ; autOr: wOlFgang JOOP.<br />
Für meine Regine Wunderkind<br />
Es heißt, das Jahr 1944 sei ein reiches Jahr für die<br />
Bauern und den Tod gewesen. Im November<br />
dieses Jahres gab es dennoch Anlass zu großer<br />
Freude. Der erste und einzige männliche Stammhalter<br />
einer Gärtnerfamilie in Bornstedt bei Potsdam<br />
war geboren, oder hatte genauer gesagt im<br />
städtischen Krankenhaus gegen zwei Uhr mittags<br />
das fahle Licht einer chaotischen Welt erblickt. Charlotte, die<br />
mittlere von drei Töchtern, hatte mich, diesen ihren Sohn<br />
gleich nach der Geburt in den Luftschutz-Keller des Krankenhauses<br />
bringen müssen.<br />
Verängstigt warteten dort andere Mütter mit ihren Neugeborenen<br />
darauf, dass der Bombenlärm verebben würde. Bisher<br />
hatte man in Potsdam geglaubt, dass der Bombenterror nur<br />
Berlin, die nahe Hauptstadt treffen und Potsdam, die Perle<br />
Preußens, mit seinen Schlössern und Gärten verschont bleiben<br />
würde. Extreme Kälte verschlimmerte die Lage. Insbesondere<br />
für Menschen ohne Obdach. Aber auch die Neugeborenen<br />
im Luftschutzkeller waren dem Tod näher als dem<br />
Leben.<br />
Meine Mutter presste mich an sich. Ein schlimmer Keuchhusten<br />
schüttelte mich. Im Gutshof in der Ribbeckstraße warteten<br />
meine Großeltern und ihre beiden anderen Töchter<br />
Elisabeth und Ursula ungeduldig auf die Ankunft von Charlotte<br />
und mir.<br />
Zeitgleich mit uns beiden erreichte den Hof ein Pferdewagen<br />
mit Flüchtlingen. Unter ihnen eine junge Mutter. In ihren Armen<br />
hielt sie Zwillinge. Fest in Decken gewickelt waren sie<br />
ohne Anzeichen von Leben. Blaugefroren die kleinen Gesichter.<br />
Das Wohnhaus des Hofs war bereits überbelegt. Man<br />
hatte Freunde und Bekannte aufgenommen, deren Wohnungen<br />
ausgebombt waren. Unter ihnen Elli Michael, Freundin<br />
von Ursula. Meiner geliebten Tante Ulla. Elli war weißblond<br />
gefärbt und zu jeder Zeit geschminkt wie ein Ufa-Star.<br />
Sie war Berlinerin und dort Couture-Schneiderin gewesen.<br />
Äußerlich hob sie sich auffällig ab von den eher natürlichländlich<br />
wirkenden Frauen, die den Hof bewirtschafteten. Ihr<br />
Wesen jedoch war von ähnlich praktischer Veranlagung. Jetzt<br />
begann sie im Haus nach einem Pappkarton zu suchen. Auf<br />
die Frage, was die hastige Suche denn solle, antwortete Elli:<br />
„Die toten Kinder brauchen doch einen Sarg!“<br />
Meine Großmutter hatte mich inzwischen entkleidet und in<br />
eine Wanne mit warmem Wasser gesetzt. Aus einem Instinkt<br />
heraus oder aus Verzweiflung, keinen Karton gefunden zu haben,<br />
warf Elli die noch immer reglosen Zwillinge zu mir in die<br />
Wanne. Im warmen Wasser kam plötzlich wieder Leben in die<br />
kleinen Körper. Welch Wunder! Später fanden die beiden<br />
Mädchen mit ihren Angehörigen Unterkunft in einer Zwei-<br />
Zimmer-Wohnung nebenan. „Nebenan“ war das viergeschossige<br />
Jugendstil-Mietshaus, das mein Urgroßvater erbaut hatte.<br />
Dort, in dem nach Kohle und Kohl riechenden Hausflur, hielt<br />
ich mich gern stundenlang auf. Denn hinter jeder Wohnungstür<br />
warteten spannende Geschichten und aufregende Schicksale<br />
auf mich. Die stickige Enge in den Räumen, die einfachen<br />
GO people<br />
Speisen, die mit mir geteilt wurden, gaben mir das Gefühl von<br />
Zusammengehörigkeit. Die Spiele, die wir spielten, entstanden<br />
allein aus unserer Phantasie und waren oft Zuflucht,<br />
wenn meine eigene Familie allzu beschäftigt gewesen war. Geschwister<br />
hatte ich keine.<br />
Meine Vorfahren mütterlicherseits stammten von den so genannten<br />
„langen Kerls“ des Großen Kurfürsten ab. Er hatte sie<br />
aus Oranien (Holland) per Kahn über die Spree kommen lassen,<br />
so wie auch seine 18-jährige Gemahlin mit Hochzeitsgesellschaft<br />
im Gefolge. Hatten die „langen Kerls“ aus seiner<br />
persönlichen Leibgarde dann irgendwann abgedankt, bekamen<br />
sie ein Stück Ackerland zugewiesen.<br />
„Mein Vater war ein Mann des wortes<br />
und der Gedanken. Meine Mutter und<br />
ihre Schwestern eher amazonen.“<br />
Väterlicherseits kamen meine Vorfahren ebenfalls aus Holland.<br />
Sie waren Calvinisten, eine protestantische Religionsgemeinschaft.<br />
So wie die Hugenotten waren sie nach dem 30jährigen<br />
Krieg ins menschenleere Preußen geflohen. Das<br />
Gutshaus in der Ribbeckstraße liegt gegenüber dem „Kron-<br />
Gut“. Kaiserin Victoria, die sich dort vor der Bespitzelung<br />
Bismarcks sicher fühlte, hatte es nach ihren Vorstellungen<br />
direkt am Bornstedter See errichten lassen. Victoria war die<br />
Tochter von Queen Victoria und Gattin des Deutschen 99-<br />
Tage-Kaisers. Den Zeitgeist um 1845 könnte man „Italoman“<br />
nennen und irgendwie ist mit diesem Geist das Licht Italiens<br />
in das Preußische Dorf gefallen und bis heute geblieben. Im<br />
Winter, wenn der Bornstedter See zugefroren war, traf sich<br />
dort zum Schlittschuhlaufen die Jugend aus dem benachbarten<br />
Bornim mit den Bornstedtern. So traf dort mein Vater<br />
meine Mutter. Sieben Jahre soll sie dann aber gezögert haben,<br />
den blonden Gerhard Joop zu heiraten. Kamen beide trotz geografischer<br />
Nähe doch aus sehr verschiedenen Welten. Mein<br />
Vater mit Ausbildung zum Journalisten war ein Mann des<br />
Wortes und der Gedanken. Meine Mutter und ihre Schwestern<br />
eher Amazonen. Hoch zu Pferde hatten sie sich eine Zukunft<br />
auf Gütern im Osten <strong>Deutschland</strong> vorgestellt. Waren ausgebildet<br />
zu planen, zu wirtschaften und zu befehlen. Im Geiste<br />
des so genannten „Reichs-Nähr-Standes“, der Ursache für<br />
Stolz und Hochmut der deutsche Landjugend war. „ Wolfjang,<br />
ich will dir mal wat sagen…“, sprach Opa Paul zu mir „für mich<br />
zählen nur zwee Sorten Männer. Soldaten oder Bauern. Die<br />
eenen verteidigen das Volk, die anderen ernähren es.“ Mit dieser<br />
Ansicht hatte Gerhard Joop wenig Chancen bei ihm.<br />
Auf unseren Hof kamen allerdings die unterschiedlichsten<br />
Menschen in oft seltsamer Verkleidung: alte Haudegen in<br />
Reithosen und Stiefeln, Kumpels meines Großvaters aus dem<br />
1. Weltkrieg. Aber auch zurückhaltende Intellektuelle, Künstler<br />
und Maler, die Eier für ihre Temperafarben brauchten.<br />
Besonders aber beeindruckten mich die Frauen von russischen<br />
Offizieren, die sich in die lange Schlange einreihten,<br />
die für Kartoffeln oder Gurken vor der so genannten Gemüsekammer<br />
anstand. Die Gemüsekammer war eine notdürftige<br />
My way gO sixt 71