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<strong>Friedrich</strong> <strong>Schiller</strong> <strong>Universität</strong> <strong>Jena</strong> 18.06.2010<br />

Philosophische Fakultät<br />

Kunsthistorisches Seminar und Kustodie<br />

Lehrstuhl für Geschichte und Ästhetik der Medien<br />

Sommersemester 2010<br />

Seminar: Filmtheorie<br />

Dozent: Robert Geib<br />

Referenten: Christoph Hanstein, Martin Prade<br />

Theorie des filmischen Raums<br />

Vorbetrachtungen<br />

- Unterscheidung zwischen dem auf der Leinwand abgebildeten<br />

„filmischen Raum“ und dem außerhalb und vor den Bildern<br />

existierenden „Wahrnehmungsraum“<br />

- filmischer Raum kann innerhalb einer Einstellung durch<br />

Koordination von Gegenständen und Figuren, mittels Licht und<br />

Bewegung erzeugt werden<br />

- Beleuchtung, Lichteffekten, Veränderung der Tiefenschärfe, sowie<br />

Kamera- und Figurenbewegung können eine Raumillusion erzeugen<br />

- filmischere Raum kann aber auch durch Montage erzeugt werden:<br />

mehrere zusammengehörige Einstellungen können einen<br />

verbundenen Raum ergründen<br />

- der Ton ist eine wichtige Ergänzung für die Raumkonstruktion<br />

Der filmische Raum in der Filmtheorie<br />

- eine dezidiert ausformulierte Theorie zum filmischen Raum existiert<br />

erst seit den 50er Jahren<br />

- die frühe Filmtheorie war sich trotzdem der Raumtiefe des neuen<br />

Mediums bewusst, die junge Disziplin der Filmforschung war vor<br />

allem an etablierten kunstwissenschaftlichen Disziplinen orientiert,<br />

sie bezog sich verstärkt auf die Skulptur als eheste Entsprechung<br />

einer Entfaltung von Raumwirkung im Vergleich zum Film (Elie<br />

Faures: „Cinéplastique“, 1922)<br />

- die „Klassiker“ der Filmforschung können zwei später aus-<br />

formulierten, idealtypischen Raumparadigmen zugeordnet werden:<br />

dem „totalen ästhetischen Raum“ (Hugo Münsterberger, Jean<br />

Epstein, Louis Deluc) und den „Räumen sozialer Verantwortung“<br />

(Walther Benjamin, André Bazin), „Raumvorstellungen“ von<br />

Balázs, Kracauer und Arnheim lassen sich zwischen den Idealtypen<br />

einordnen<br />

- erst im Zuge systematischer und empirischer Filmbetrachtungen,<br />

sowie der Einführung des filmimmanenten diegetischen Raums,<br />

entstehen ebenfalls systematische Raumtheorien in den 50er Jahren<br />

- in den 60er und 70er Jahren entstehen aus einer Debatte zwischen<br />

Noël Burch (der erstmals den Begriff des nichtsichtbaren Raumes in<br />

die Filmtheorie einbringt), Pascal Bonitzer (der auf den Herstellungsort<br />

des Films als nichtsichtbaren Raum hinweist) und Stephen<br />

Heath (der aus der Diskussion den Begriff des „narrative space“<br />

destilliert) neue Ansichten über den filmischen Raum<br />

- in den beiden Folgejahrzehnten wird der filmische Raum jedoch<br />

durch Gilles Deleuze, der in seinen Werken die Zeit im Film stark<br />

macht, und Lev Malovich, der ausgehend von den Neuen Medien<br />

den Raum vor der Leinwand wieder in die filmtheoretische<br />

Diskussion bringt, dekonstruiert und in Frage gestellt<br />

- erst André Gardies bringt in den 90ern den filmischen Raum durch<br />

eine umfassende Ausweitung von Raumtheorien wieder in die filmtheoretische<br />

Diskussion<br />

- im Zuge transnationaler und transkultureller Diskussionen, gewinnt<br />

der filmische Raum (wie die Raumtheorie insgesamt) neuerdings<br />

große Bedeutung, da sie in der Lage ist, die Prinzipien filmischer<br />

Raumorganisation verschiedenster Kinokulturen, zu beschreiben<br />

und zu verknüpfen<br />

Filmischer Raum in den Werken „früher“ Regisseure (Keaton,<br />

Eisenstein, Murnau) bei Eric Rohmer<br />

- das wichtigste Element des Films ist die Bewegung, diese muss<br />

durch einzelne Einstellungen eingefangen und durch die Montage<br />

verknüpft werden


- daher ist für Rohmer die Filmkunst vor allem eine Kunst der<br />

Raumorganisation, deren ideale Verwirklichung er in der<br />

Stummfilmzeit von etwa 1925-30 sieht<br />

- er lobt Buster Keaton für seinen Umgang mit dem Raum, den er von<br />

Chaplin abgrenzt, dieser braucht den Raum vor allem für seine<br />

emotionalen Gesten, diese wiederum geben den Raum erst seine<br />

Bedeutung; Keatons Raumorganisation funktioniert hingegen<br />

anders, der Raum steht für sich, Keatons Bewegungen sind an ihm<br />

ausgerichtet, er bedarf nicht seiner Geste um Bedeutung zu<br />

gewinnen<br />

- Auch Eisenstein nutzt den Raum jenseits seiner eigentlichen<br />

Erzählung, seine Raumvorstellungen sind rein ästhetischer Natur<br />

(Zentralperspektive, Ausrichtung der Handlung bzw. der handelnden<br />

Massen anhand von einstellungsübergreifenden Vektoren)<br />

- Murnaus Verständnis der Raumorganisation ist von einer<br />

Konzentration auf wesentliche Elemente, die eine bestimmte<br />

Reaktion hervorrufen sollen, geprägt; er vermeidet unnötige Details<br />

und richtet alles an der für ihn wesentlichen Aussage bzw.<br />

Stimmung aus<br />

- Der Tonfilm und der damit verbundene Bedeutungsverlust der<br />

Rezeption visueller Elemente im Film, führt nach Rohmer zu einem<br />

Niedergang der Kunst der Raumorganisation<br />

Bordwells Verortung des filmischen Raumes<br />

- Bordwell lenkt die Aufmerksamkeit der Rezeption von der<br />

Narration auf das Aussehen (den look) der Filmbilder<br />

- Er versucht eine Geschichte des visuellen Stils von Filmen zu<br />

schreiben (1960er bis 1990er), er erkennt vor allem eine<br />

Abgrenzung des europäischen Kinos vom Hollywood Kino<br />

- Er kritisiert die sogenannte top down perspective (Aufdrücken<br />

bestimmter Elemente auf das Einzelwerk von einer Großtheorie aus)<br />

- Gegenvorschlag: middle-level phenomena, ausgehend von der<br />

formalen Ebene des Films (anhand konkreter Beispiele) versucht er<br />

bestimmte Trends in der Filmästhetik aufzuspüren, damit wird eine<br />

größere Offenheit gegenüber dem einzelnen Filmes erreicht<br />

- Er erkennt im Autorenfilm der 60er Jahre das Phänomen der<br />

Planimetrie (der Begriff wurde durch Heinrich Wölfflin geprägt) als<br />

eine neue Art Raumtiefe zu etablieren, die wichtigsten Vorreiter<br />

sind Godard und Antonioni<br />

- Depth cues weisen auf unterschiedliche Positionen der Dinge bzw.<br />

Protagonisten im eigentlich flach wirkenden Raum, trotz der vorerst<br />

flachen Wirkung repräsentieren solche Einstellungen dennoch Raum<br />

und erzeugen Tiefe (Raumtiefe durch Hintereinanderschachteln von<br />

Bildebenen parallel zur meist im rechten Winkel zur Kamera<br />

verlaufenden Bildachse)<br />

- Dieses Prinzip der Raumorganisation ist vor allem der technischen<br />

Innovation des Farbfilms geschuldet, bei dem sich nur schwer<br />

Tiefenschärfe herstellen lässt, neue Objektive begünstigten diese<br />

Entwicklung<br />

- Diese filmischen Mittel wurden zur ästhetischen Norm des Autorenkinos<br />

der 70er und 80er Jahre, Bordwell erkennt darin einen eigenständigen<br />

Stil<br />

Literatur:<br />

- Bordwell, David: Modelle der Rauminszenierung im<br />

zeitgenössischen europäischen Kino, in: Rost, Andreas (Hrsg.):<br />

Zeit, Schnitt, Raum, München 1997, S. 17 – 42.<br />

- Burch, Noël: Nana, or the Two Kinds of Space, in: Ders.: Theory of<br />

film practice, Princeton 1981, S. 17 – 31.<br />

- Heath, Stephen: Narrative Space, in: Ders.: Questions of Cinema,<br />

Indiana 1976, S. 19 – 75.<br />

- Lange, Siegrid: Bild und Raum, in: Dies.: Einführung in die<br />

Filmwissenschaft, Darmstadt 2007, S. 49 – 53.<br />

- Sierek, Karl: Filmwissenschaft, in: Günzel, Stephan (Hrsg.):<br />

Raumwissenschaften, Frankfurt am Main 2009, S. 242 – 250.<br />

- Rohmer, Eric: Film, eine Kunst der Raumorganisation, in: Dünne,<br />

Jörg/ Günzel, Stephan (Hrsg.): Raumtheorie. Grundlagentexte aus<br />

Philosophie und Kulturwissenschaften, Frankfurt am Main 2006, S.<br />

515 – 528.

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