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"Speeldeel Fründschaft" Die Vorsitzenden der

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Der Kratzputz in den Vierlanden<br />

Von P. Gädtgens<br />

Zu den alten Schmucktechniken des Vierlän<strong>der</strong> Bauernhauses<br />

gehörte auch de.r Kratzputz. Er wurde vornehmlich<br />

im 18. Jahrhun<strong>der</strong>t am Außeren und im Inneren <strong>der</strong> Häuser<br />

angebracht. <strong>Die</strong> älteste datierte Ausführung im Kratzputz­<br />

Verfahren zeigt die Jahreszahl 1776 an einem Wandherd<br />

o<strong>der</strong> Ding'n in Curslack. <strong>Die</strong>se seltene und heute ausgestorbene<br />

Kunst, die im hamburgischen Staatsgebiet in dieser<br />

Ausführung nur in den Vierlanden zu finden ist und die in<br />

ähnlicher Art in Italien als "Sgraffito" o<strong>der</strong> Kratzmalerei<br />

bekannt ist, wurde von <strong>der</strong> bäuerlichen Bevölkerung kurz<br />

als "Bunte Wand" bezeichnet. <strong>Die</strong> Kratzputzfel<strong>der</strong> sind<br />

zumeist an beson<strong>der</strong>s wirkungsvollen Stellen des Hauses<br />

angebracht, entwe<strong>der</strong> im oberen, vorgekragten Teil des<br />

Deichgiebels o<strong>der</strong> auch an <strong>der</strong> Seitenfront neben <strong>der</strong><br />

Haustür. Zuweilen findet man sie auch im Inneren des<br />

Hauses und zwar gewöhnlich an einer Seite des Wandherds<br />

im Flett.<br />

Der Vierlän<strong>der</strong> Kratzputz unterscheidet sich von den in<br />

an<strong>der</strong>en Landstrichen angewandten Kratztechniken dadurch,<br />

daß er neben freihändig angetragenen Verzierungen<br />

wie Blumen, Sc;hrift o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Schmuckelementen<br />

überwiegend mit Zirkeln ausgeführte geometrische und<br />

kreisförmige Ornamente in Weiß und Rot zeigt. Oft hat das<br />

Kratzputzmuster eine kreisförmige Umrahmung, <strong>der</strong>en<br />

Innenfläche viele kleine, ineinan<strong>der</strong> verschlungene Kreise<br />

o<strong>der</strong> auch Schrift mit den Namen <strong>der</strong> <strong>der</strong>zeitigen Besitzer<br />

des Hauses ausweist. In den Ecken des Putzfeldes sind<br />

stilisierte Blumen, Strahlensterne o<strong>der</strong> sonstige Schmuck­<br />

Elemente angebracht.<br />

<strong>Die</strong> Erfindung <strong>der</strong> Kratzputztechnik ist aller Wahrscheinlichkeit<br />

nach dem Kunstsinn <strong>der</strong> Vierlän<strong>der</strong> selbst zuzuschreiben.<br />

Vermutlich ist sie eine Fortentwicklung <strong>der</strong><br />

Ziegelmuster-Technik, die in beson<strong>der</strong>s reichem Maße an<br />

den Vor<strong>der</strong>giebeln <strong>der</strong> Vierlän<strong>der</strong> Bauernhäuser des 17.<br />

und 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts zu finden ist. <strong>Die</strong>ser aus kleinen<br />

Handstrich-Steinen gemauerte Zierverband <strong>der</strong> Gefache<br />

zeigt unter an<strong>der</strong>em sogenannte Teppich-, Flecht- und<br />

Fischgrätenmuster in den verschiedenen Ausführungen.<br />

Einige Ziegelgefache mit ihrer mosaikartigen Steinsetzung<br />

b.ilden mit ihren rosettenartigen Mustern geradezu den<br />

Ubergang <strong>der</strong> reinen Ziegelvermauerung zu den Zirkelschlägen<br />

<strong>der</strong> Kratzputztechnik, so daß fast von einer<br />

lückenlosen Entstehung des Kratzputzes aus <strong>der</strong> Ziegel­<br />

Vermauerung gesprochen werden kann. <strong>Die</strong> komplizierten<br />

Ziegelmuster mit dem vielen Behau <strong>der</strong> Steine und <strong>der</strong>en<br />

4<br />

Der Giebel am Kirchenstgel in Altengamme erfreut immer<br />

wie<strong>der</strong> die Betrachter. Foto: Peter von Essen<br />

Eine Tafel mit Kratzputz-Technik im Museum .<br />

SChwierige Vermauerung ließen sich natürlich mittels <strong>der</strong><br />

Kratzputztechnik weit bequemer und gen au er herstellen.<br />

Außerdem konnte mit den weißen und roten Mustern ein<br />

noch größerer Effekt erzielt werden. Vermutlich werden<br />

beim Kratzputz zuerst nur weiße Linien und einfache<br />

Flächenmuster ausgekratzt, aber mit <strong>der</strong> Weiterentwicklungwurden<br />

die Ornamente immer komplizierter und<br />

reicher, ähnlich den Mustern bei <strong>der</strong> Intarsienkunst, die<br />

ebenfalls in den Vierlanden im 18. Jahrhun<strong>der</strong>t zu höchster<br />

Vollendung gelangt war.<br />

<strong>Die</strong> Vierlän<strong>der</strong> Kratztechnik kann man als den echten<br />

Kratzputz bezeichnen. Auf einem fast quadratischen o<strong>der</strong><br />

rechteckigen Ziegelgefach wurde hier durch zwei einan<strong>der</strong><br />

deckende dünne Putzschichten, rot auf weißem Grund, mit<br />

nachträglichem Auskratzen einzelner Ornamente <strong>der</strong><br />

oberen roten Schicht die Verzierung bzw. das Muster in <strong>der</strong><br />

weißen Grundschicht erreicht. Für den Grundputz nahm<br />

man einen Kalkmörtel, <strong>der</strong> zu einem Teil aus gut<br />

abgelöschtem Fett- o<strong>der</strong> Weißkalk und drei Teilen feinem,<br />

reingewaschenen Sand bestand. An<strong>der</strong>e Zusätze, etwa<br />

Zement o<strong>der</strong> Gips, durften nicht beigemengt werden.<br />

<strong>Die</strong>ser erste Bewurf wurde in etwa fünf Millimeter Stärke<br />

auf die sorgfältig gereinigte und angenäßte Wandfläche<br />

aufgetragen und mit einem hölzernen Reibe-Brett nicht zu<br />

glatt abgezogen. Nachdem <strong>der</strong> weiße Grundputz erhärtet<br />

war, erfolgte darauf die zweite, rote Putzschicht in etwa<br />

zwei bis drei Millimeter Stärke. Sie bestand aus einer<br />

Mischung von Weißkalk, feinem Sand und zu feinem roten<br />

Ziegelmehl zerstoßenen Ziegelbrocken. Nachdem auch<br />

diese rote Putzfläche mit dem Reibebrett eben und glatt<br />

gerieben war, wurde vor dem Erhärten des Putzes das<br />

vorher auf grobem Papier entworfene Muster mit Kohle<br />

o<strong>der</strong> Kreide in einfachen Umrissen auf die rote Fläche<br />

aufgetragen bzw. markiert. Da es sich gewöhnlich um<br />

kreisförmige Ornamente handelte, wurden diese mit<br />

großen und kleinen Zirkeln in den noch nicht erstarrten<br />

Putz eingeritzt. Anschließend wurden einige rote Muster<br />

bis auf den weißen Untergrund herausgekratzt. Man<br />

konnte so die verschiedensten und reizvollsten Ornamente<br />

in Rot und Weiß herstellen, wobei die Verzierung in den<br />

Ecken o<strong>der</strong> die Beschriftung freihändig eingekratzt wurde.<br />

Wenn die Muster dann nach einigen Jahren verschmutzten<br />

o<strong>der</strong> unansehnlich geworden waren, hat man sie wohl auch<br />

in entsprechen<strong>der</strong> Weise mit weißer <strong>der</strong> roter Farbe wie<strong>der</strong><br />

aufgefrischt bzw. übermalt. Heute sind diese echt Vierlän<strong>der</strong><br />

Schmuck-Ornamente lei<strong>der</strong> nur noch an wenigen<br />

Fachwerkhäusern erhalten. Es wird wohl kaum noch<br />

Handwerker geben, die diese Kratztechnik noch beherrschen.

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