Text laden als PDF - Hanni Rützler
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aus : ORF-Nachlese, Nr. 1, Jänner 2005, Seite 42 ff<br />
Food Trends<br />
Ein Biss in die Zukunft<br />
Die bekannte Ernährungswissenschaftlerin und Gesundheitspsychologin <strong>Hanni</strong> <strong>Rützler</strong> serviert in<br />
ihrem neuesten Buch „Was essen wir morgen?“ zukünftige Ernährungstrends. Gepfeffert mit<br />
vielen Fakten und gewürzt mit interessanten Studien läuft nicht nur dem Feinschmecker das<br />
Wasser im Mund zusammen. Auch Ernährungsinteressierte und Zukunftfans kommen auf den<br />
Geschmack.<br />
Von Michaela Werthmüller<br />
Braun schaut sie aus. Verpackt in ein malerisches Kunstwerk. Reißt man das grüne Meisterwerk<br />
auf, bricht ein Eck ab und beißt hinein, verschmilzt das<br />
dunkelbraune Eckerl zu feinen Geschmackswelten im Gaumen. Erst kitzelt ein Hauch von Pfeffer<br />
die Geschmacksnerven. Dann mischt sich eine frische<br />
Minzenote hinzu. So geschehen bei der handgeschöpften kleinen Schoko<strong>laden</strong>tafel „Pfefferschrot<br />
mit Minzeöl“ aus der steirischen Schoko<strong>laden</strong>manufaktur Josef Zotter.<br />
Europäische Spitzenköche schlagen Alarm<br />
Die süßen Seiten des renommiertesten österreichischen Chocolatiers haben es in sich: von A (wie<br />
Apfel-Berberitze und Ananas mit Paprika) über M (wie Moosbeer mit Thymian oder Mandeln<br />
mit Grapparosinen) bis Z (wie Zitrone mit Polenta).<br />
Gaumenreisen und Ernährungstrends der Zukunft. Bei den vielen Nasch-Variationen kommt<br />
nicht nur jeder Feinspitz auf den Geschmack. Nein, diese<br />
außergewöhnlichen Gaumenreisen entsprechen perfekt dem Sensual Food, einem Food Trend der<br />
Zukunft. Die bekannte österreichische<br />
Ernährungswissenschafterin, Gesundheitspsychologin und Expertin für Food Trends <strong>Hanni</strong><br />
<strong>Rützler</strong> hat diesen Trend des Sensual Food und zwölf andere<br />
wichtige Ernährungstrends in ihrem neuen Buch Was essen wir morgen ? aufgetischt. AIs<br />
Appetizer hier die sieben wichtigsten Ernährungstrends.<br />
Mit allen Sinnen: Sensual Food. Europäische Spitzenköche schlagen Alarm. Ihnen kommen die<br />
Gäste abhanden. Denn bei vielen Menschen liegen die Geschmacksnerven brach. Laut einer<br />
aktuellen englischen Studie können nur noch 18 Prozent der Bevölkerung süß, sauer, salzig und<br />
bitter geschmacklich unterscheiden.<br />
Schuld daran sind industriell gefertigte Nahrungsmittel und standardisierte<br />
Zubereitungsmethoden.<br />
Doch spektakuläre Ess-Events, extravagante Erlebnisgastronomie und außergewöhnliche<br />
Speisenkreationen mit exotischen Gewürzen wie Koriander, Ingwer oder Zitronengras soIlen die<br />
allgemeine Geschmacksfadesse stoppen und die Sinne wieder schärfen.<br />
Gefühlvoll schlemmen: Mood Food. Wer kennt es nicht: Man beißt in etwas und prompt tauchen<br />
Erlebnisse aus der Vergangenheit vor dem inneren Auge auf. Oder aber: Man ist traurig und
müde. Um die Stimmung zu heben, greift man zu einem kulinarischen Seelentröster. Sei es ein<br />
Stückchen Schokolade oder eine Hand voll Nüsse, um die körpereigenen Glückshormone in Fahrt<br />
zu bringen, oder eine Extraportion Ratatouille, ein südfranzösisches Gemüsegericht, um gut<br />
gelaunt weiter zu arbeiten.<br />
Laut aktuellen Studien soll mediterrane Ernährung depressiven Stimmungen und Stress<br />
vorbeugen. Heute weiß man bereits, dass Nüsse, Getreide oder Gemüse für gute Stimmung<br />
sorgen. Spezielle Mood-Food-Produkte mit Gute-Laune-Zusätzen sollen in Zukunft noch eine<br />
größere Rolle spielen.<br />
Die knackige Leichtigkeit des Kochens: Convenience Cooking. Karotten klein geschnipselt,<br />
grüner Salat Blatt für Blatt zerkleinert, geputzt und abgepackt, dazwischen ein paar saftige<br />
Gurkenscheiben: Es ist ein knackiger Markt, der Markt für verpackte Salatmischungen.<br />
Die deutsche Marktforschung schätzt ihn immerhin auf satte 639 Millionen Euro.<br />
„Es werden bereits mehr abgepackte Salate <strong>als</strong> einfache Salatköpfe gekauft“, konnte auch<br />
Autorin <strong>Hanni</strong> <strong>Rützler</strong> feststellen.<br />
Man kauft mehr abgepackte Salate <strong>als</strong> Satatköpfe<br />
Verpackte Salate sind nur der Anfang der Entwicklung zu Convenience-Produkten, um Zeit zu<br />
sparen.<br />
Laut österreichischem Lebensmittelbericht 2003 kochen bereits 25 Prozent der österreichischen<br />
Haushalte zwei bis drei Tage pro Woche „schnell und<br />
unaufwendig“, bei 55 Prozent steht ein Mal die Woche die schnelle Küche mit Fertig- und<br />
Halbfertiggerichten auf dem Menüplan.<br />
Häppchen mit Fingerspitzengefühl: Hand Held Food. Tortilla, Sushi, Döner und Co.: Die<br />
Zwischendurch-Snacks aus Mexiko, Japan und der Türkei machen mittlerweile auch bei uns<br />
Appetit auf mehr.<br />
Das typische Street Food ist der ideale Happen, um Arbeit, Flexibilität und Hunger unter einen<br />
Hut bzw. in einen Wrap zu bringen. Der Lebensmittelkonzern Nestlé zahlte 2003 immerhin 2.3<br />
Milliarden Dollar an das Unternehmen Chef America, das handflächengroße Wraps herstellt.<br />
Aber es muss nicht immer exotisch sein – auch gefüllte Baguettes, Croissants und belegte<br />
Tramezzini sorgen für leckere Jausen in handlichem Format.<br />
An der Wurzel gepackt: Slow Food. „Es ist die Sehnsucht nach unseren kulinarischen Wurzeln“,<br />
erklärt <strong>Rützler</strong> den Trend zu Slow Food. „Es markiert den Gegentrend, der sich in der Sehnsucht<br />
nach authentischen, in handwerklicher Tradition hergestellten Lebensmitteln<br />
widerspiegelt.“Würzige Tomatensaucen von regionalen, kleinen Herstellern aus ltalien kontra<br />
Ketchup, Wollschweinwurst aus Ungarn gegen McDonald’s-Burger. Slow Food ist seit seinen<br />
Anfängen 1989 zu einer weltweiten Bewegung in 104 Ländern herangewachsen, um Appetit auf<br />
regionale Schmankerln und authentische Gusto-Stückerln zu machen.<br />
Wellness-Leckerbissen auf dem Teller: Health Food. Die Bewegung zu gesundem Essen gibt es<br />
schon einige Jahre. Ausgehend von der „Müslifizierung“ wie es der deutsche Trendforscher<br />
Matthias Horx nennt, stand immer mehr auch in der breiten Bevölkerung gesunde Kost auf den<br />
Esstischen. Ob Vollkorn oder Gemüse – Wellness in den Töpfen verbreitete seinen vitamin- und<br />
miner<strong>als</strong>toffreichen Duft in Küche, Ess- und Wohnzimmer.<br />
Für jede zweite Frau ist körperliches und seelisches Wohlbefinden wichtig und steht auch an
oberster Stelle beim wöchentlichen Speiseplan. Da machen Gemüse und Getreide Appetit auf<br />
Wellness und Wohlgeschmack. Doch was für die meisten Frauen schon länger eine<br />
Selbstverständlichkeit zu sein scheint, lassen sich mittlerweile auch immer öfter Männer<br />
servieren.<br />
Die Vorreiter aus der italienischen Nudel- und der asiatischen Gemüseküche kochen genau in<br />
diesem Sinne Gesundheit und Wohlbefinden auf, indem sie fettarme und leichte Gerichte<br />
auftragen. Laut dem bekannten deutschen Marktforschungsinstitut Allensbach ist das ganz im<br />
Sinne der deutschen BevöIkerung. Für die ist Gesundheit das höchste Gut. Ähnliches gilt für<br />
Österreich. Aber die Praxis tischt ein weniger schmackhaftes Ergebnis auf. Nur 40 Prozent der<br />
österreichischen BevöIkerung glaubt, dass es möglich ist, täglich Obst und Gemüse zu sich zu<br />
nehmen und nur ein Drittel kann sich vorstellen, frisch zubereitete Speisen jeden Tag zu essen.<br />
Momentan noch kein Happen, der auf der Zunge zergeht.<br />
Nichtsdestotrotz bauen Ernährungswissenschafter, Mediziner, Physiologen und Biologen auf die<br />
„richtige Ernährung“ mit mehr Vitaminen und Mineralien, aber weniger Kalorien.<br />
Denn gerade das Übergewicht vieler Menschen wird ein zentrales Zukunftsthema sein. Bereits<br />
die Hälfte aller Erwachsenen in den entwickelten Ländern leidet an Übergewicht.<br />
Übergewicht ist ein zentrales Thema der Zukunft<br />
Kein Wunder <strong>als</strong>o, dass immer mehr kalorienreduzierte Produkte, so genannte Light-Produkte, in<br />
den Regalen der Supermärkte und auf den Esstischen zu finden sind.<br />
Biologisch, natürlich, gut: Nature Food. Man stelle sich vor: 5.500 Quadratmeter Supemarkt und<br />
alles steht im Zeichen von Bio. Das ist kein<br />
Schlemmertraum eines Öko-Fans, sondern Realität in Manhattan,wo die US-Kette Whole Foods<br />
voll und ganz auf Bio setzt. Das amerikanische Öko-lmperium zeigt den Weg vor, den auch<br />
Österreich beschreitet. Immerhin hat aber Österreich <strong>als</strong> Nummer zwei nach Liechtenstein die<br />
Nase vorn, wenn es um den höchsten Bioanteil an der landwirtschaftlichen Fläche geht.