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Nachdem wir im letzten Kapitel topologische Räume eingeführt ...

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2. StetigeAbbildungen 11<br />

2. STETIGE ABBILDUNGEN<br />

<strong>Nachdem</strong><strong>wir</strong><strong>im</strong><strong>letzten</strong><strong>Kapitel</strong><strong>topologische</strong><strong>Räume</strong><strong>eingeführt</strong>haben,wollen<strong>wir</strong>nunAbbildungen<br />

zwischen solchen<strong>Räume</strong>n untersuchen.Wie schon in der Einleitungerwähnt sind in der Topologie<br />

vor allem die stetigen Abbildungen wichtig — in der Tat ist die Definition eines <strong>topologische</strong>n<br />

Raumes gerade so gemacht, dass man damit das Konzept von stetigen Abbildungen formulieren<br />

kann.<br />

Definition 2.1(Stetigkeit). Essei f :X →Y eineAbbildungzwischen<strong>topologische</strong>n<strong>Räume</strong>n.<br />

(a) f heißt stetig in einem Punkt a∈X, wenn zu jeder UmgebungU von f(a) inY das Urbild<br />

f −1 (U)eineUmgebungvonain X ist.<br />

(b) f heißtstetig,wenn f injedemPunkta∈X stetigist.<br />

X<br />

f −1 (U)<br />

a<br />

f<br />

Bemerkung 2.2. In der Tat genügt es in Definition 2.1 (a), für jede offene UmgebungU von f(a)<br />

nachzuprüfen,dass f −1 (U)eineUmgebungvonaist.Ist dannnämlichV einebeliebigeUmgebung<br />

von f(a), so enthält diese nach Definition 1.17 (a) eine offene UmgebungU von f(a). Wissen <strong>wir</strong><br />

nun,dass f −1 (U)danneineUmgebungvonaist,soistdamitnatürlichauch f −1 (V)⊃ f −1 (U)eine<br />

Umgebungvona.<br />

Wir wollen nun zuerst nachprüfen, dass Definition 2.1 für metrische <strong>Räume</strong> äquivalent zum euch<br />

bekannten ε-δ-KriteriumfürStetigkeitist.<br />

Lemma 2.3 (Stetigkeit in metrischen <strong>Räume</strong>n). Es sei f : X →Y eine Abbildung zwischen metrischen<strong>Räume</strong>n.Dannsindfüralle<br />

a∈X diefolgendenbeidenAussagenäquivalent:<br />

(a) f ist stetig ina(<strong>im</strong> SinnevonDefinition2.1);<br />

(b) ∀ε >0∃δ >0∀x∈X : d(x,a) 0. Für alle x ∈ X mit d(x,a) < δ, also x ∈U δ(a), gilt dann also auch<br />

x∈ f −1 (Uε(f(a))), d.h. f(x)∈Uε(f(a)) unddamitd(f(x), f(a)) < ε.<br />

” (b) ⇒ (a)“: Es sei U eine Umgebung von f(a). Dann enthält U eine ε-Kugel Uε(f(a)). Wir<br />

wählen nun gemäß (b) zu diesem ε ein passendes δ. Dann ist U δ(a) ⊂ f −1 (Uε(f(a))), denn für<br />

alle x ∈U δ(a) gilt ja d(x,a) < δ, also auch d(f(x), f(a)) < ε und damit f(x) ∈Uε(f(a)), d.h.<br />

x ∈ f −1 (Uε(f(a))). Also ist f −1 (Uε(f(a))) und damit auch die noch größere Menge f −1 (U) eine<br />

Umgebungvona.NachDefinitionist f daherstetig ina. �<br />

Möchte man von einer Abbildung nicht unbedingt genau wissen, in welchen Punkten sie stetig ist<br />

undinwelchennicht,sondernnur,obsieinallen Punktenstetigist, sogibteshierfüreinKriterium,<br />

dasoftvieleinfacheranzuwendenistalsDefinition2.1.AuchdiesesKriterium,das<strong>wir</strong><strong>im</strong>folgenden<br />

Satz beweisen wollen, ist euch vermutlichzumindestzum Teil schon für den Fall von Abbildungen<br />

zwischenTeilmengendesR n ausdenGrundlagenderMathematikbekannt.<br />

Satz 2.4 (Kriterien für Stetigkeit). Für eine Abbildung f :X →Y zwischen <strong>topologische</strong>n<strong>Räume</strong>n<br />

sinddie folgendenAussagenäquivalent:<br />

(a) f ist stetig.<br />

(b) FüralleoffenenTeilmengenU ⊂Y ist f −1 (U) offeninX.<br />

Y<br />

U<br />

f(a)


12 Andreas Gathmann<br />

(c) FüralleabgeschlossenenTeilmengenA⊂Y ist f −1 (A) abgeschlosseninX.<br />

(d) FüreineBasis B derTopologieauf Y ist f −1 (U) offenin X füralleU ∈ B.<br />

Beweis. ” (a)⇒(b)“:Esseien f stetig,U ⊂Y offenunda∈ f −1 (U),also f(a)∈U.DannistU eine<br />

Umgebung von f(a), und damit ist f −1 (U) nach Definition 2.1 (a) eine Umgebung von a. Es gibt<br />

also eine offeneMengeVa in X mit a∈Va ⊂ f −1 (U). Vereinigen<strong>wir</strong> nun diese MengenVa für alle<br />

a∈ f −1 (U), soerhalten<strong>wir</strong><br />

f −1 (U)⊂ �<br />

a∈f −1 (U) Va (denna∈Va fürallea∈ f −1 (U))<br />

⊂ f −1 (U) (wegenVa ⊂ f −1 (U)).<br />

Also gilt hierdie Gleichheit,und f−1 (U)ist alsVereinigungoffenerMengenoffen.<br />

” (b)⇒(a)“:Esseiena∈X beliebigundU eineUmgebungvon f(a) inY.Danngibteseineoffene<br />

Menge V in Y mit f(a) ∈V ⊂U. Da Urbilder offener Mengen unter f nach Voraussetzung offen<br />

sind,ist f−1 (V)nunoffeninX.Wegena∈ f−1 (V)⊂ f−1 (U)ist f−1 (U)damiteineUmgebungvon<br />

a inX.Also ist f stetig ina.<br />

” (b)⇔(c)“:Diesergibtsich sofortdurchÜbergangzumKomplement,da<br />

f −1 (Y\U)=X\f −1 (U)<br />

fürjede(offene)TeilmengeU vonY gilt.<br />

” (b) ⇔ (d)“: Nach Definition 1.10 hat eine Basis B ja gerade die Eigenschaft, dass jede offene<br />

MengeU inY VereinigungvonMengenUi ∈ B füri∈I miteinerIndexmengeI ist.Diebehauptete<br />

ÄquivalenzfolgtdamitsofortausderBeziehung<br />

f −1 (U)= f −1� � �<br />

= �<br />

f −1 (Ui),<br />

i∈I<br />

da VereinigungenoffenerMengenwiederoffensind. �<br />

Bemerkung 2.5. In vielen Büchern über Topologie <strong>wir</strong>d die Stetigkeit von Abbildungen über das<br />

KriteriumvonSatz2.4(b)definiert.DiesistzwareinfacherhinzuschreibenalsunsereDefinition2.1,<br />

hat aber den entscheidendenNachteil, dass man dieser Definitionnicht ansieht, dass Stetigkeit eine<br />

lokaleEigenschaftist, d.h.dassmanStetigkeit ineinemPunkt definierenkannundeineAbbildung<br />

damitgenaudannstetigist, wennsie injedemPunktstetig ist.<br />

Beispiel 2.6. AufgrundvonLemma2.3übertragensichnatürlichalleBeispieleundGegenbeispiele<br />

fürstetige AbbildungenaufTeilmengenvon R n , die ihrausdenGrundlagenderMathematikkennt,<br />

sofortaufunsereneueDefinition.HiersindnocheinpaarweitereBeispieleinanderen<strong>topologische</strong>n<br />

<strong>Räume</strong>n:<br />

Ui<br />

(a) EineAbbildung f :X →Y zwischen<strong>topologische</strong>n<strong>Räume</strong>nist<strong>im</strong>mer stetig,wennX diediskreteTopologiehat—denndannistjajede<br />

TeilmengevonX offenundsomitdasKriterium<br />

von Satz 2.4 (b) <strong>im</strong>mer erfüllt. Ebenso ist f <strong>im</strong>mer stetig, wennY die indiskrete Topologie<br />

hat, denn dann sind ja /0 undY die einzigen offenen Mengen in Y, und somit ist auch hier<br />

wegen f −1 (/0)= /0 und f −1 (Y)=X dasKriteriumausSatz 2.4(b)<strong>im</strong>mererfüllt.<br />

(b) Es sei Y eine Teilmenge eines <strong>topologische</strong>n Raumes X. Wie üblich fassen <strong>wir</strong> Y mit der<br />

Teilraumtopologieaus Konstruktion1.6 selbst wieder als <strong>topologische</strong>nRaum auf. Wir betrachtendieInklusionsabbildung<br />

i∈I<br />

i:Y →X, a↦→a.<br />

Ist U ⊂X offen, so ist natürlich i −1 (U) =Y ∩U, und diese Menge ist nach Definition der<br />

Teilraumtopologie offen in Y. Also ist i nach Satz 2.4 ” (b) ⇒ (a)“ stetig. In der Tat sind<br />

genau die Mengen dieser Form offen inY — was man auch so formulieren kann, dass die<br />

Teilraumtopologiediegröbste TopologieaufY ist,fürdiedieInklusionsabbildungi:Y →X<br />

stetigist.


2. StetigeAbbildungen 13<br />

(c) Sind f :X →Y und g:Y →Z stetige Abbildungenzwischen <strong>topologische</strong>n<strong>Räume</strong>n, so ist<br />

auch die Verkettungg◦ f :X →Z stetig — diesergibtsich z.B. sofort ausdem StetigkeitskriteriumausSatz2.4(b).<br />

Aufgabe 2.7. In dieser Aufgabe wollen <strong>wir</strong> verschiedene Stetigkeitsbegriffe der Analysis untersuchen<br />

und sehen, wie man sie auf unsere in Definition 2.1 <strong>eingeführt</strong>e Stetigkeit von Abbildungen<br />

zwischen<strong>topologische</strong>n<strong>Räume</strong>nzurückführenkann.<br />

Essei dazu T die Sorgenfrey-TopologieausAufgabe1.13.<br />

(a) EineFunktion f :R→R heißtina∈R rechtsseitigstetig,wenn<br />

l<strong>im</strong><br />

x→a<br />

x≥a<br />

f(x)= f(a).<br />

Was bedeutet das anschaulich? Zeige, dass diese Bedingung der rechtsseitigen Stetigkeit<br />

in a äquivalent ist zur Stetigkeit in a als Abbildung (R,T ) → R zwischen <strong>topologische</strong>n<br />

<strong>Räume</strong>n (wobei <strong>im</strong> Zielraum die Standardtopologie von R verwendet <strong>wir</strong>d). Analog kann<br />

mannatürlichdielinksseitigeStetigkeit einführenundbehandeln.<br />

(b) Beschreibe alle stetigen Funktionen f : R → (R,T ) (mit der Standardtopologie <strong>im</strong> Startraum).<br />

(c) EineFunktion f :R→R heißtina∈R halbstetigvonoben,wenngilt<br />

∀ε >0∃δ >0∀x∈R: |x−a|


14 Andreas Gathmann<br />

f :[0,2π) →<br />

�<br />

(x,y)∈R 2 : x 2 +y 2 �<br />

=1<br />

t ↦→ (cos(t),sin(t)),<br />

0 2π<br />

die das halboffene Intervall von 0 bis 2π in R stetig und bijektiv auf den Rand des Einheitskreises<br />

abbildet. Für diese Abbildung ist f −1 nicht stetig, da das Bild einer kleinen<br />

Umgebungvon 0∈[0,2π) unter f (wie <strong>im</strong> Bild oben dick eingezeichnet)keine Umgebung<br />

des Bildpunktes f(0) ist und f −1 damit nicht das Kriterium aus Definition 2.1 (a) erfüllt.<br />

(Natürlichistauchanschaulichklar,dasseinIntervalldurchaustopologischvoneinerKreislinieunterscheidbarundsomit<br />

f keinHomöomorphismusseinsollte.)<br />

Wir werden in Folgerung 4.15 allerdings noch ein einfaches hinreichendesKriterium dafür<br />

kennenlernen,wanneinestetigeundbijektiveAbbildungbereitseinHomöomorphismusist.<br />

Beispiel 2.10(Beispielehomöomorpher<strong>Räume</strong>).<br />

(a) In R n ist die offene EinheitskugelU1(0) homöomorphzum gesamten Raum R n : die offensichtlichstetigenAbbildungen<br />

f :U1(0)→X, x↦→ x<br />

1−||x||<br />

leisten das Gewünschte, denn f−1 bildet wegen ||x||<br />

1+||x||<br />

Einheitskugelab,esist<br />

f −1 (f(x))=<br />

x<br />

1−||x|| ·<br />

1<br />

1+ ||x||<br />

1−||x||<br />

und f −1 :X →U1(0), x↦→ x<br />

1+||x||<br />

=<br />

f<br />

f(0)<br />

< 1 für alle x ∈ X <strong>wir</strong>klich in die<br />

x<br />

=x füralle x∈U1(0)<br />

1−||x||+||x||<br />

und genauso f(f −1 (x)) =x für alle x ∈X. Anschaulich streckt f einfach jeden Vektor x∈<br />

U1(0) mit einem Faktor, der nur von ||x|| abhängt (f bildet also Kreise um 0 wieder auf<br />

Kreiseum0ab)undgegenUnendlichstrebt,wennxsichdemRandderEinheitskugelnähert.<br />

Wir schließen daraus, dass die Topologie in diesem Sinne nicht zwischen ” unterschiedlich<br />

großen“ <strong>Räume</strong>n unterscheiden kann, auch nicht zwischen solchen ” mit endlicher und unendlicherAusdehnung“.<br />

(b) Bezeichnet || · ||2 die euklidische Norm und || · ||∞<br />

die Max<strong>im</strong>umsnorm auf R n , so ist die (z.B. abgeschlossene)Einheitskugel<br />

X ={x∈R n : ||x||2 ≤1}<br />

homöomorphzum(abgeschlossenen)Einheitswürfel<br />

mitHilfederAbbildung<br />

Y ={x∈R n : ||x||∞ ≤1}<br />

f :X →Y, x↦→ ||x||2<br />

·x bzw. f<br />

||x||∞<br />

−1 :Y →X, y↦→ ||y||∞<br />

·y.<br />

||y||2<br />

Beachtedabei,dassbeideAbbildungenauch<strong>im</strong> Nullpunkt(woihrFunktionswertzu0defi-<br />

niert<strong>wir</strong>d)stetig sind,dennfüralle x,y∈R n \{0}gilt<br />

||x||2<br />

=<br />

||x||∞<br />

�<br />

x 2 1 +···+x2 n<br />

||x||∞<br />

≤ √ n und<br />

X<br />

||y||∞ ||y||∞<br />

= �<br />

||y||2 y2 1 +···+y2 ≤1,<br />

n<br />

f<br />

Y


2. StetigeAbbildungen 15<br />

da ||x||∞ bzw. ||y||∞ nach Definition ja der größte Betrag einer Koordinate von x bzw. y<br />

ist. Aufgrund der Konstruktion der Abbildungen ist klar, dass f und f −1 <strong>wir</strong>klich invers<br />

zueinandersind,unddasssie wie behauptetX undY aufeinanderabbilden.<br />

Wir können dieses Ergebnis so interpretieren, dass die Topologie ” keine Ecken sieht“: ein<br />

Kreisist z.B.topologischäquivalentzueinemViereck.<br />

Aufgabe2.11. EsseienDeinDreieckundK ein(abgeschlossener)KreisinR 2 mitderStandardtopologie.Zeige,dassDundK<br />

homöomorphsind.<br />

Beispiel 2.12(Beispielenicht-homöomorpher<strong>Räume</strong>).<br />

(a) Zwischen Q und Z gibt es zwar bekanntlich bijektive Abbildungen (da beides abzählbar<br />

unendliche Mengen sind), als Teilmengen von R mit der Teilraumtopologiebetrachtet sind<br />

sie jedochnicht homöomorph:angenommen,<strong>wir</strong> hätten einen Homöomorphismus f :Q→<br />

Z.DaZnachBeispiel1.8(b)diediskreteTopologieträgtunddieeinelementigeMenge{0}<br />

damit offen in Z ist, müsste die ebenfallseinelementige Menge f −1 ({0}) nach Satz 2.4 (b)<br />

dann auch offen in Q sein — was ein Widerspruch ist, da Punkte in Q nicht offen sind. Es<br />

gibtalso nichteinmaleinestetige undbijektiveAbbildung f :Q→Z.<br />

(b) Man kann zeigen, dass die Topologie D<strong>im</strong>ensionen unterscheiden kann“: bezeichnet z.B.<br />

”<br />

In :=[0,1] n ⊂Rn denn-d<strong>im</strong>ensionalenEinheitswürfel,sosindalledieseI n topologischverschieden,<br />

also paarweise nicht zueinander homöomorph.Dies ist jedoch schon ein schwierigesResultat<br />

deralgebraischenTopologie,von dem<strong>wir</strong> in dieser Vorlesungin Beispiel 3.9<br />

(a)nurdeneinfachenSpezialfallbeweisenkönnen,dassdassEinheitsintervallI 1 nichtzueinemanderenI<br />

n mitn>1homöomorphist.DieSituationistdabeideutlichkomplizierterals<br />

man zunächst annehmen würde: dass z.B. das Einheitsintervall I1 ⊂ R nicht homöomorph<br />

zum Einheitsquadrat I2 ⊂ R2 ist, liegt nicht etwa daran, dass I2 ” zu groß“ ist, um mit einer<br />

stetigen AbbildungdurchI 1 ausgefülltzu werden.Es gibtnämlichdurchausstetige und<br />

surjektive Abbildungenvon I1 nach I2 , wie <strong>wir</strong> gleich zeigen werden. In der Tat macht die<br />

Existenz derartig wilder“ stetiger Abbildungen einige Beweise in der Topologie deutlich<br />

”<br />

schwieriger,alsmansichdaswünschenwürde.<br />

Satz 2.13(Peano-Kurve). Esgibt einestetige undsurjektiveAbbildungvom EinheitsintervallI 1 :=<br />

[0,1] ⊂ R in das Einheitsquadrat I 2 := [0,1] 2 ⊂ R 2 . Man bezeichnet eine solche Abbildung, also<br />

eine ” flächenfüllendeKurve“,alsPeano-Kurve.<br />

Beweisskizze. Da die Peano-Kurven für uns eigentlich nur als ” abschreckendes Beispiel“ dienen,<br />

werden<strong>wir</strong> denBeweis diesesSatzeshier nurskizzieren,so dassman dieIdeehinterder Konstruktionsieht.<br />

Wir konstruieren die gesuchte stetige surjektive Funktion f : I 1 → I 2 als Grenzwert einer rekursiv<br />

definiertenFunktionenfolge fn :I 1 →I 2 .Dabeiist f0 einfachdieGerade<br />

f0 :I 1 →I 2 , t ↦→(t,t),<br />

diedasEinheitsquadratmitkonstanterGeschwindigkeitvonlinksuntennachrechtsobendurchläuft.<br />

FürdienächsteFunktion f1 teilen<strong>wir</strong>I 2 in9gleichgroßeTeilquadrateentlangderhorizontalenund<br />

vertikalenLinienbei 1 3 und 2 3 , unddurchlaufennun diese 9 TeilquadratederReihe nachentlangih-<br />

rer Diagonalenwie <strong>im</strong> Bild unten dargestellt.Die Abbildung f1 besteht also aus 9 Geradenstücken,<br />

die alle mit gleicher Geschwindigkeit durchlaufen werden — ihr Bild unten ist an den Ecken nur<br />

deswegen abgerundet eingezeichnet, damit den Verlauf besser erkennen kann. Beachte, dass die<br />

zurückgelegte Strecke von f1 dre<strong>im</strong>al so lang ist wie bei f0 und der Weg daher mit dreifacher Geschwindigkeitdurchlaufen<strong>wir</strong>d.


16 Andreas Gathmann<br />

1<br />

f0(0)<br />

0<br />

0<br />

f0(1)<br />

1<br />

2<br />

3<br />

1<br />

3<br />

1<br />

0<br />

0<br />

0<br />

1 0 1 2 1 0 1 1 0 1<br />

3 3 9<br />

1<br />

f0 f1 f2 27 f3<br />

DienächsteAbbildung f2 entstehtnunaus f1,indem<strong>wir</strong>wie<strong>im</strong>Bildobenjedesder9Geradenstücke<br />

von f1 (z.B. das in dem dunkel eingezeichneten Teilquadrat) durch einen Weg ersetzen, der selbst<br />

wiederwie f1 aussieht.Entsprechendersetzen<strong>wir</strong>dannjedesderGeradenstückevon f2 durcheinen<br />

Weg wie f1, um f3 zu erhalten. Setzen <strong>wir</strong> dieses Verfahren fort, so erhalten <strong>wir</strong> eine Folge von<br />

Abbildungen fn :I 1 →I 2 .Wirbehauptennun,dass f(t):=l<strong>im</strong>n→∞ fn(t)wiegewünschteinestetige<br />

undsurjektiveAbbildungvonI 1 nachI 2 ist.<br />

Um erst einmal zu sehen, dass die Grenzfunktion f überhaupt existiert, seien t ∈ I 1 und n0 ∈ N.<br />

Dann liegt fn0 (t) auf einem Geradenstück, das in einem Teilquadrat von I2 mit Seitenlänge 3 −n0<br />

verläuft.Für alle späteren n≥n0 ändertsich dieser Teil der Kurvenach Konstruktionnun nurnoch<br />

innerhalb dieses Teilquadrats.Insbesondereliegen fn(t) und fm(t) für alle n,m≥n0 also in diesem<br />

Teilquadrat,und<strong>wir</strong> erhalten<br />

||fn(t)− fm(t)||∞ ≤3 −n0 ,<br />

wobei || · ||∞ die Max<strong>im</strong>umsnorm auf R 2 bezeichnet. Diese Abschätzung besagt aber gerade, dass<br />

(fn(t))n∈N für alle t eine Cauchy-Folge ist und damit gegen ein f(t) ∈ I 2 konvergiert. Da die<br />

rechte Seite dieser Abschätzung nicht von t abhängt, ist die Funktionenfolge (fn) darüber hinaus<br />

gleichmäßigkonvergentunddie Grenzfunktion f daherbekanntlichstetig.<br />

Esbleibtalsonurnochzuzeigen,dass f surjektivist.Dazuerinnern<strong>wir</strong>unsausdenGrundlagender<br />

Mathematik daran, dass das Bild der kompakten Teilmenge I 1 von R unter der stetigen Abbildung<br />

f nach R 2 kompakt und damit insbesondere abgeschlossen sein muss (siehe auch Satz 4.13). Das<br />

KomplementdesBildes f(I 1 )istdemnachalsooffen.Wäre f nichtsurjektiv,müsstealsosogareine<br />

ganze ε-Kugelunddamitinsbesondereauchfüreingeeignetesn0 einesderobigenTeilquadratemit<br />

Seitenlänge 3 −n0 komplett <strong>im</strong> Bild von f fehlen — was nach Konstruktion aber unmöglich ist, da<br />

alle fn fürn≥n0 unddamitauch f durchdiesesTeilquadratlaufenmuss. Alsoist f surjektiv. �<br />

Aufgabe2.14. Konstruiereeinestetige surjektiveAbbildung...<br />

(a) vonI 1 nachI 3 (wobeiwie obenI n :=[0,1] n ⊂R n dern-d<strong>im</strong>ensionaleEinheitswürfelist);<br />

(b) vonRnachR 2 .<br />

Bemerkung 2.15. Da homöomorphe<strong>Räume</strong> als topologisch gleichwertig anzusehen sind, ist es eines<br />

der wichtigsten Probleme der Topologie herauszufinden, ob zwei gegebene <strong>Räume</strong> X und Y<br />

homöomorphsindodernicht.Sinddie<strong>Räume</strong>homöomorph,so<strong>wir</strong>dmandiesinderRegelnatürlich<br />

dadurchbeweisen, dass man einen Homöomorphismus f :X →Y konkretangibt— so wie <strong>wir</strong> das<br />

in Beispiel 2.10 getan haben. Wie aber zeigt man, dass zwei <strong>Räume</strong> nicht homöomorph sind, also<br />

dass es keinen Homöomorphismus zwischen ihnen geben kann? Die Idee ist hier natürlich, dass<br />

man <strong>topologische</strong>Eigenschaftensucht (also solche,die unterHomöomorphismenunverändertbleiben),<br />

die bei den beiden <strong>Räume</strong>n verschieden sind. Was für Eigenschaften von <strong>Räume</strong>n sind also<br />

solche <strong>topologische</strong>Eigenschaften?Wir haben in Beispiel 2.10 schon gesehen, dass die Größe und<br />

eventuelle ” Ecken“ desRaumesnichtdazugehören.<br />

Wirbetrachtendazueinmaldieuntenabgebildetenfünf<strong>topologische</strong>n<strong>Räume</strong>(alsTeilräumevonR 3<br />

mitderStandardtopologieaufgefasst).Siesindalleals ” zweid<strong>im</strong>ensionaleObjekte“ zuverstehen,es<br />

handeltsichalso jeweilsnurumdieOberflächederbetrachtetenFiguren.<br />

1


(a)<br />

(b)<br />

2. StetigeAbbildungen 17<br />

(c) (d) (e)<br />

Diese <strong>Räume</strong> sind in der Tat alle nicht homöomorph zueinander. Auch wenn <strong>wir</strong> dies momentan<br />

noch nicht exakt beweisen können, sind die <strong>topologische</strong>n Eigenschaften, die bei diesen <strong>Räume</strong>n<br />

verschiedensind,anschaulichleicht einzusehen:die beidenBänder (a)und(b)haben<strong>im</strong> Gegensatz<br />

zu den anderen drei <strong>Räume</strong>n eine ” Berandung“, und diese Berandung besteht be<strong>im</strong> gewöhnlichen<br />

Band (a) aus zwei unzusammenhängendenKreislinien, während sie be<strong>im</strong> Möbiusband (b) aus nur<br />

einer Kreislinie besteht (siehe auch Beispiel 5.15 (b)). Die Vereinigung(e) von zwei Kugeln ist <strong>im</strong><br />

Gegensatz zu den anderen <strong>Räume</strong>n unzusammenhängend,und der Torus (d) hat <strong>im</strong> Gegensatz zur<br />

Kugel(c)ein ” Loch“.<br />

Wir werden <strong>im</strong> Rest dieses Skripts noch viele derartige <strong>topologische</strong> Eigenschaften kennen lernen<br />

undauchmathematischexaktformulieren.Imnächsten<strong>Kapitel</strong>beginnen<strong>wir</strong>dabe<strong>im</strong>itdemBegriff<br />

des Zusammenhangs, den <strong>wir</strong> gerade eben bei der Unterscheidung der <strong>im</strong> Bild oben dargestellten<br />

<strong>Räume</strong>ja auchschonverwendethaben.

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