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Das Konzept der Station für Menschen mit Mehrfachbehinderung

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<strong>Konzept</strong> einer geschützten <strong>Station</strong> <strong>für</strong> <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> geistiger und mehrfacher Behin<strong>der</strong>ung<br />

im Krankenhaus Rummelsberg<br />

Hintergrund:<br />

Im Krankenhaus Rummelsberg werden <strong>der</strong>zeit ca. 250 <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> geistiger und mehrfacher<br />

Behin<strong>der</strong>ung p.a. behandelt. Traditionell handelt es sich hier in erster Linie um Patienten, die<br />

wg einer Spastik (z. B. bei Z.n. frühkindlichem Hirnschaden) in <strong>der</strong> Abteilung <strong>für</strong><br />

Neuroorthopädie (CA Dr. Manolikakis) behandelt werden. Dazu kommt eine zunehmende Zahl<br />

an Patienten, die wegen des epileptologischen Schwerpunktes <strong>der</strong> Neurologieschen Klinik<br />

zugewiesen werden.<br />

Aktuelle Versorgungssituation<br />

Im Zeiten des DRG Vergütung nimmt die Regelverweildauer in Kliniken immer mehr ab,<br />

wirtschaftliche Zwänge geben das Zeil vor, auf einzelnen <strong>Station</strong>en ein möglichst homogenes,<br />

nach seinen Bedürfnissen abgestimmtes Patientengut zu behandeln. Typische Beispiele hier<strong>für</strong><br />

sind <strong>Station</strong>en <strong>für</strong> Schlaganfallbehandlung, Endoprothetik, Wirbelsäulenchirurgie etc., wie Sie<br />

auch in unserer Klink entstanden. Die hier normierten Abläufe werden behin<strong>der</strong>ten <strong>Menschen</strong><br />

in den seltensten Fällen gerecht. Wurden früher solche Patienten in den „Debilenstationen“<br />

<strong>der</strong> Psychiatrischen Bezirkskrankenhäuser nach medizinischen Eingriffen nachbehandelt, so<br />

muss man heute feststellen, dass in <strong>der</strong> Folge <strong>der</strong> Psychiatriereform auch diese<br />

Versorgungsmöglichkeit weitgehend weggefallen ist.<br />

In einzelnen Bundeslän<strong>der</strong>n entstanden in den letzten Jahren Son<strong>der</strong>einrichtungen <strong>für</strong><br />

<strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> Behin<strong>der</strong>ung, im wesentlichen <strong>mit</strong> neuropsychiatrischem und epileptologischem<br />

Schwerpunkt (z. B. NRW-Bethel, BW-Kehl-Kork, Sachsen - Radeberg).<br />

Im Krankenhaus Rummelsberg ist seit Jahrzehnten bereits eine <strong>Station</strong> <strong>für</strong> die orthopädische<br />

Behandlung von Patienten <strong>mit</strong> spastischen Zuständen, vorwiegend infantile Zerebralparese<br />

(IZP) etabliert. Die <strong>Station</strong> hat nach dem Umzug vom Laurentiushau ins Wichernhaus durch<br />

den Umbau Modellcharakter und erfeut sich einer sehr großen Akzeptanz sowohl von den<br />

Patienten, als auch von den Eltern und Betreuern. Die <strong>Station</strong> hat einen bundesweiten Zulauf.<br />

Diese kann Basis <strong>für</strong> die Entwicklung einer interdisziplinären <strong>Station</strong> <strong>für</strong> <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong><br />

mehrfacher und geistiger Behin<strong>der</strong>ung sein. Diese soll zunächst <strong>mit</strong> neuroorthopädischoperativem<br />

und epileptologisch-konservativem Schwerpunkt etabliert werden, jedoch auch<br />

behin<strong>der</strong>ten Patienten <strong>mit</strong> internistischen Leiden und unfallchirugisch-orthopädischen<br />

Eingriffen offenstehen.<br />

Künftiger Bedarf an Behandlungsplätzen / Krankenhausbetten <strong>für</strong> <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong><br />

geistiger und mehrfacher Behin<strong>der</strong>ung<br />

Bei Zusammenfassung <strong>der</strong> Patienten <strong>der</strong> Neurolgischen und Orthopädischen Klinik sehen wir<br />

aktuell (bei den Patientenzahlen des Hauses in 2008) einen Bedarf von 14 Betten. Da eine<br />

<strong>der</strong>artige Einrichtung in Bayern jedoch bislang nicht existiert und <strong>der</strong> Bedarf aus o.g. Gründen<br />

weiter zunehmen wird, sehen wir auf Grund einer Befragung und Analyse von Lebenshilfe und<br />

Behin<strong>der</strong>teneinrichtungen <strong>mit</strong>telfristig (ca. 4 Jahre) einen Bedarf <strong>für</strong> eine spezialisierten<br />

<strong>Station</strong> <strong>mit</strong> 20 Betten.<br />

Modellprojekt:


Im Gegensatz zu bisherigen Einrichtungen vergleichbarer Art in an<strong>der</strong>en Bundeslän<strong>der</strong>n bietet<br />

sich hier erstmalig die Chance eine interdisziplinäre, hochqualifizierte Versorgungsstruktur <strong>für</strong><br />

<strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> mehrfacher Behin<strong>der</strong>ung zu entwickeln und umzusetzten. Die geplante<br />

Einrichtung sollte deshalb als Modellprojekt „Mehrfachbehin<strong>der</strong>ung im Krankenhaus“<br />

geför<strong>der</strong>t werden.<br />

Synergieeffekte und Wirtschaftlichkeit<br />

Der vermehrte Aufwand, <strong>der</strong> durch Tagestruktur und Pflegekompetenz entsteht, wird durch<br />

folgende Faktoren gerechtfertigt:<br />

- Vermin<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Notwendigkeit von Aufenthalten in verschiedenen Fachabteilungen<br />

durch Interdisziplinarität<br />

- Min<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Inanspruchnahme von Konsiliarsleistungen<br />

- Min<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Komplikationsrate bei <strong>der</strong> Behahandlung von <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong><br />

Behin<strong>der</strong>ung (Vermeidung von Hospitalismus, Aggression, Sedierung und Fixierung)<br />

- Beispielhafter menschlicher Umgang <strong>mit</strong> <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> Behin<strong>der</strong>ung im Sinne des<br />

diakonischen Gedankens<br />

Indikationen <strong>für</strong> eine Behandlung auf <strong>der</strong> <strong>Station</strong> <strong>für</strong> <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> mehrfacher<br />

und geistiger Behin<strong>der</strong>ung sind:<br />

-<br />

- Epilepsie<br />

o Syndromdiagnose<br />

o Exazerbation eines Anfallsleiden<br />

o Differentialdiagnose Epilepsie<br />

o Differentialgnose und Therapie von Bewegungsstörungen<br />

- Spastische Zustände (ICP, Syndrome, Hypoxischer Hirnschaden etc)<br />

o Konservative Behandlung und Evaluation <strong>für</strong> Operative Eingriffe<br />

(interdisziplinär)<br />

o Operative Eingriffe (neuroorthopädisch-funktionell, Korrektur von sekundären<br />

und tertiären Defor<strong>mit</strong>äten, Prophylaxe von Folgedefor<strong>mit</strong>äten, Verbesserung<br />

<strong>der</strong> Pflege und Transfer durch palliative Eingriffe, Lin<strong>der</strong>ung von Schmerzen,<br />

gelengerhaltende Eingriffe, Gelenkersatz Gelenkerhaltende Eingriffe)<br />

o Hilfs<strong>mit</strong>telversorgung<br />

- Internistische Indikationen<br />

o Z. B. gastroenterologische Indikationen.<br />

o Zunehmende Häufigkeit auf Grund des zunehmenden Alters <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ten.<br />

- Interdisziplinär:<br />

o Abklärung von Schmerzen (aufwendig, da Pat. nicht anamnesefähig)<br />

o Neuroorthopädische Abklärung<br />

o Akute Verschlechterung des AZ


Kennzeichen und Qualitätsmerkmale <strong>der</strong> <strong>Station</strong> <strong>für</strong> <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> Behin<strong>der</strong>ung<br />

Nach Schätzungen in <strong>der</strong> Literatur (Westerinen H et al. Prevalence of intellectual disability: a<br />

comprehensive study based on national registers. J Intellect Disabil Res 2007;51:715) erleiden<br />

während eines Klinikaufenthaltes bis zu 40 % <strong>der</strong> mehrfachbhin<strong>der</strong>ten <strong>Menschen</strong><br />

Komplikationen als Folge des Hospitalisierung. Die Versorgung dieser Patienten bedarf deshalb<br />

einer beson<strong>der</strong>en fachlichen und auch räumlichen Kompetenz.<br />

Folgende Voraussetzungen <strong>für</strong> eine spezialisierte Versorgung und Behandlung <strong>der</strong> Patienten<br />

<strong>mit</strong> mehrfacher Behin<strong>der</strong>ung sind bereits gegeben:<br />

- qualifizierte Pflege <strong>mit</strong> Erfahrung in <strong>der</strong> Betreuung behin<strong>der</strong>ter <strong>Menschen</strong><br />

- qualifizierte Therapie <strong>mit</strong> ebensolcher Erfahrung<br />

- spezifische neuroorthopädische Expertise<br />

- spezifische epileptologische Expertise<br />

Hierzu werden folgende Behandlungskomponenten weiterentwickelt:<br />

- Angebot einer Tagesstruktur <strong>für</strong> <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> geistiger Behin<strong>der</strong>ung <strong>mit</strong><br />

ausreichen<strong>der</strong> körperlicher und kreativer Betätigung. Diese wird unter psychologischheilpädagogischer<br />

Leitung an die gemeinsamen und individuellen Bedürfnisse<br />

behin<strong>der</strong>ter <strong>Menschen</strong> angepasst. Oberster Ziel dieser Tagesstruktur ist die<br />

Verhin<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> bislang nicht seltenen Deprivation und Hospitalisation <strong>der</strong> Patienten<br />

<strong>mit</strong> all Ihren Konsequenzen (Aggression, Rückzug, Verhaltensän<strong>der</strong>ung, non-<br />

Compliance).<br />

- Therapie und Pflege <strong>mit</strong> heilpädagogischer Kompetenz<br />

- Vorhaltung beson<strong>der</strong>er Räumlichkeiten <strong>für</strong> <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> Behin<strong>der</strong>ung<br />

Es entsteht ein beson<strong>der</strong>er, zusätzlicher Raumbedarf:<br />

1. Therapieraum <strong>für</strong> Ergotherapie und Krankengymnastik<br />

2. 2 DiagnostikRäume <strong>mit</strong> Video EEG Langzeit Monitoring (Patientenzimmer)<br />

3. 1 Untersuchungszimmer (EMG, NLG, EP, EEG, klinisch-neurologisch)<br />

4. Aggressionsraum / Time out Raum<br />

5. Snoozelen Raum<br />

6. Raum <strong>für</strong> Hilfs<strong>mit</strong>tel ( Aufbewahrung, gemeinsame Beratung <strong>für</strong> Än<strong>der</strong>ungen,<br />

Neuanpassungen,Anprobe, Vorführen)<br />

7. Gemeinsames Essen in Essensraum<br />

8. Raum <strong>für</strong> Psychologe / Angehörigengespräche<br />

9. Besprechungsraum / Teamraum


Erste Schritte <strong>der</strong> Umsetzung (in 2009)<br />

Räumlichkeiten<br />

Ab dem 1.9.2009 wird die Behin<strong>der</strong>tenstation im ersten Stock des Wichernhauses (<strong>Station</strong> 13)<br />

<strong>für</strong> Patienten <strong>mit</strong> Neurologischer Hauptdiagnose geöffnet. Zunächst werden 2 Betten<br />

kontinuierlich von <strong>der</strong> Neurolgischen Klinik <strong>mit</strong> Patienten <strong>mit</strong> Epilepsie und<br />

Mehrfachbehin<strong>der</strong>ung belegt. Aktuell sehen wir einen Bedarf von 4-5 belegbaren Betten, <strong>der</strong><br />

Bedarf wird im Verlauf sicher wachsen. <strong>Das</strong> Ausmaß <strong>der</strong> Beteiligung <strong>der</strong> Neurolgischen Klinik<br />

an <strong>der</strong> Organisation und <strong>der</strong> Belegung <strong>der</strong> <strong>Station</strong> 13 wächst <strong>mit</strong> zunehmen<strong>der</strong> Patientenzahl<br />

in Abhängigkeit und umgekehrt proportional zur Auslastung <strong>der</strong> <strong>Station</strong> durch<br />

neuroorthopädische (operativ versorgte) Patienten.<br />

Technische Austattung<br />

Nach mehreren Verhandlungsrunden liegt nun eine Angebot <strong>der</strong> Fa. IT Med/Natus Europe zur<br />

Aufrüstung des bisherigen EEG Systems unter Einschluss einer Video Überwachung <strong>für</strong> die<br />

<strong>Station</strong> vor.<br />

<strong>Das</strong> Investitionsvolumen beträgt 45 T€ <strong>für</strong> die Behin<strong>der</strong>tenstation. Die Summe kann Hälftig<br />

durch Spenden aufgebracht werden. Die Technische Umsetzung kann bis Ende 8/09 erfolgen.<br />

Personelle Ausstattung und Mitarbeiterschulung<br />

Die ärztliche Versorgung erfolgt in <strong>der</strong> Aufbauphase durch Oberarzt PD Dr. Dütsch und<br />

Chefarzt. Mittelfristig (12 Monate) ist eine Besetzung <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>tenstation durch einen<br />

<strong>Station</strong>sarzt anzustreben, <strong>der</strong> sowohl den medizinischen Bedürfnissen <strong>der</strong><br />

neuroorthopädischen, wie auch <strong>der</strong> neurologischen Patienten gerecht wird.<br />

Mitarbeiter <strong>der</strong> Pflege werden seit März 09 wöchentlich geschult. Zusammen <strong>mit</strong> PDL und<br />

<strong>Station</strong>sleitung wurde ein Versogungs- und Notfallkonzept entwickelt.<br />

Die Inanspruchnahme <strong>der</strong> Therapie (Physioth., Ergo, Logopädie) entspricht dem bisherigen<br />

Umfang. Die Teilnahme <strong>der</strong> therapeutischen Bereiche an <strong>der</strong> Teambesprechung und eine<br />

Dokumentation entsprechend <strong>der</strong> Vorgaben <strong>der</strong> DRG B76A (Komplexbehandlung und<br />

Syndromdiagnose Epilepsie, <strong>mit</strong> tagesgleichen Pflegesätzen) ist obligat.<br />

Aus o.g. Gründen ist die Ergänzung <strong>der</strong> bisherigen Therapie und Pflege durch heilpädagogische<br />

Kompetenz zwingend nötig:<br />

Ab dem 1.10.2009 wird ein Schüler <strong>der</strong> Fachschule <strong>für</strong> Heilerziehungspflege (HEP, 2.<br />

Ausbildungsjahr) während eines gesamten Jahres 20 Stunden/ Woche auf <strong>der</strong> <strong>Station</strong> tätig<br />

sein. Dessen Aufgaben umfassen:<br />

- Entwicklung und Umsetzung einer Tagesstruktur<br />

- För<strong>der</strong>ung von Schwerstmehrfachbehin<strong>der</strong>ten in Zusammenarbeit <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Ergotherpie<br />

- Organisation von Ausflügen / Exkursionen<br />

- Verhaltensbeobachtung / Dokumentation<br />

Eine Supervision des HEP Schülers findet durch Lehrkräfte <strong>der</strong> Schule statt, er/ sie wird<br />

organisatorisch <strong>der</strong> Ergotherapie zugeordnet. Praktikumsplätze <strong>für</strong> Heilpädagogen werden zur<br />

Verfügung gestellt.<br />

Mit diesem interdisziplinären Versorgungsmodell mehrfachbehin<strong>der</strong>ter <strong>Menschen</strong> erhält das<br />

Krankenhaus ein Alleinstellungsmerkmal in <strong>der</strong> klinischen Versorgung Behin<strong>der</strong>ter <strong>Menschen</strong><br />

in Bayern.

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