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26 misericordia 10/12 · Kirche und Gesellschaft Der Rosenkranz Eine geistliche Kraftquelle neu entdecken Der Monat Oktober ist dem Rosenkranzgebet gewidmet. Papst Leo XIII. führte vor 130 Jahren das tägliche Rosenkranzgebet in allen Pfarreien ein. Doch Rosenkranzbeten, ist das noch zeitgemäß? Und ist der Rosenkranz für uns eine Kette, die in den Himmel hinaufzieht? Wollen wir das überhaupt? Läuft das mechanische Plappern von religiösen Formeln nicht vielmehr dem Bedürfnis nach Geborgenheit und religiöser Erfahrung unserer Zeit entgegen, die die Ängste des Diesseits zu meistern versucht? Wenn man in ihm nur einen Andachtsgegenstand besonders frommer Leute oder gar vergangener Zeiten sieht, der die Seele des Menschen heute nicht zu berühren vermag, dann gewiss. Aber es lohnt sich ein genauerer Blick auf diesen Jahrhunderte alten Gebetsschatz. Betrachtung des Lebens Jesu In seinen wesentlichen und kleinsten Bestandteilen, dem Vaterunser und dem Ave Maria, begegnen uns im Ro- Schwester M. Marina Dirks, Dominikanerin senkranz Worte aus der Heiligen Schrift. Das Vaterunser erlaubt uns, Gott in vertrauter Weise als Abba, als liebenden Vater anzureden. Im Ave Maria wird Maria als die angerufen, die sie durch ihren Sohn ist: Gesegnete unter den Frauen, wie ihr der Engel verkündet hat, und Mutter des Herrn, wie ihr ihre Cousine Elisabeth im Lukasevangelium zujubelt. Der Rosenkranz ist also ein zutiefst biblisches Gebet. Von Perle zu Perle erschließen sich dem Haben Sie schon mal einen Rosenkranz in der Hand gehalten? Wann zuletzt?
Beter in den in das Ave Maria eingeflochtenen Betrachtungssätzen, auch freudenreiche, lichtreiche, schmerzhafte oder glorreiche Geheimnisse genannt, die verschiedenen Etappen des Lebens Jesu. Im Rahmenvers des Ave Maria wird der Beter eingeladen, das Leben Christi mit den Augen Mariens zu betrachten und so Christus in das Zentrum seines Lebens zu stellen. Wer den Rosenkranz mit offenem Her zen betet und dabei nicht auf der Oberfläche stehen bleibt, kann ihn als Quelle des Friedens entdecken. Beim innerlichen Anschauen des Lebens Jesu kann er Stationen seines eigenen Lebens, das von Freude und Leid geprägt ist, erkennen. Perle christlicher Meditation Durch die 50-fache Wiederholung des Ave Maria beim Gleiten der Perlen durch die Hand gewinnt das Rosenkranzgebet einen meditativen Rhythmus. Die Anfänge des wiederholenden Gebetes liegen im frühen Mönchtum. Im unablässigen Gebet sucht der betende Mönch die bleibende Verbundenheit mit Gott. Die Spuren der heute gebräuchlichen Form des Rosenkranzes führen ins 15. Jahrhundert in die Kartause nach Trier zu dem jungen Kartäusermönch Dominikus von Preußen, der durch die Meditation des Lebens Jesu beim Rosenkranzbeten zur Entstehung der 15 Rosenkranzgeheimnisse beitrug, die Papst Johannes Paul II. durch fünf weitere Geheimnise erweiterte. Vor allem die Dominikaner förderten und verbreiteten durch ihre intensive Predigttätigkeit und die Gründung von Bruderschaften dieses meditative Volksgebet. Der Rosenkranz ist eine Perle christlicher Meditation, weit entfernt von inhaltslosen Wiederholungen traditioneller Gebetsworte. Indem er Raum für Gotteserfahrung schenkt, geht er weit über alle Meditationstechniken hinaus, die zur Ruhe und Entspannung anleiten. In seiner Schlichtheit und Tiefe hat er seine Faszination bis heute behalten. Man findet ihn in den Händen von Großen und Kleinen, von Gesunden und Kranken, von Betriebsleitern und Angestellten, und gerade unter jungen Menschen erlebt er einen neuen Früh- ling. Im Rosenkranzgebet darf man sich verbunden wissen mit vielen Millionen Menschen auf der ganzen Erde, die dieses Gebet als geistliche Kraftquelle entdeckt haben. Lebenshilfe aus dem Glauben Eine Frau, die ihren krebskranken Bruder einige Wochen vor seinem Heimgang auf der Palliativstation im Krankenhaus besuchte, legte ihm etwas verlegen und unbeholfen ihren Rosenkranz in die Hand. Tut man das noch? Bis heute spürt sie seinen dankbaren Händedruck. Der Rosenkranz, das ist ein Zeichen, das auch ohne Worte verstanden wird, und ein Gebet, das durch alle Lebensstationen begleiten kann. Da ist die unerwartete Diagnose, die alle Lebenspläne durchkreuzt, die plötzliche Behinderung, der tragische Verlust des Lebenspartners. Vor allem in schicksalsschweren Situationen kann es uns Trost und Hoffnung geben, die schmerzhaften Geheimnisse Jesu anzuschauen, der unsere Krankheiten getragen und unsere Schmerzen auf sich geladen hat. Doch auch die frohen Ereignisse unseres Le- Kirche und Gesellschaft · misericordia 10/12 27 Neue Heftserie informiert über katholischen Glauben Paderborn (KNA) Glaubensinhalte gibt es jetzt zum Mitnehmen: Das Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken veröffentlicht die Heftserie „Kirche im Kleinen“. Was das Osterfest bedeutet oder wie Kirchenräume aufgebaut sind, sei in großen Teilen der Bevölkerung nicht mehr bekannt, erklärte der Generalsekretär des Bonifatiuswerks, Monsignore Georg Austen, am 13. September in Paderborn. Mit den Heften im Taschenformat sollten neben Gottesdienstbesuchern auch kirchenferne Menschen erreicht werden. Kirchengemeinden können die kostenlose Serie über Grundlagen des Glaubens, Liturgie, Sakramente und kirchliche Feiertage beim Bonifatiuswerk bestellen. – Die Hefte erscheinen anlässlich des „Jahrs des Glaubens“, das Papst Benedikt XVI. ausgerufen hat und das am 11. Oktober eröffnet wird. bens, wie die Geburt eines Kindes oder der erfolgreiche Abschluss einer Therapie, lassen sich mit dankbarem Blick in einen größeren Horizont stellen. „Wer betet, vertut nicht seine Zeit“, schreibt Papst Benedikt XVI in seiner Enzyklika „Gott ist die Liebe“. Er vertut sie auch dann nicht, wenn er betet, obwohl Aktivitäten ihn vereinnahmen wollen und Hektik sein Leben bestimmt. Vielleicht sind gerade solche Zeiten besonders geeignet, nach dem Rosenkranz zu greifen, um die verborgene Kraft, die von diesem schlichten Gebet ausgeht, zu erfahren. Im betenden Verweilen in der Gegenwart Gottes, der es gut mit den Menschen meint, verlieren Sorgen und Nöte ihre beängstigende Macht. Der Rosenkranz ist ein vorzüglicher Weg, um wie Maria von Magdala nach der Auferstehung Jesu dem Herrn zu begegnen und seine heilende Nähe im Leben konkret zu erfahren. Wäre es nicht einen Versuch wert, damit zu beginnen, einen Teil des Rosenkranzes zu beten? Der Oktober lädt dazu ein. Schwester M. Marina Dirks OP Kloster Heilig Kreuz, Regensburg
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