GEMEINDEBRIEF - Alt-Katholiken
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Es gibt eine Geschichte, die auf keiner gut sortierten Pinnwand eines Großraumbüros<br />
fehlen darf: „Es waren einmal vier Kollegen, die hießen Jeder, Jemand, Irgendwer<br />
und Niemand. Es ging darum, eine wichtige Arbeit zu erledigen und Jeder war<br />
sicher, dass sich Jemand schon darum kümmern würde. Irgendwer hätte es auch<br />
erledigen können, aber Niemand tat es. Jemand wurde wütend, weil es Jeders<br />
Arbeit war. Jeder dachte, Irgendwer könnte es machen, aber Niemand wusste, dass<br />
Jeder es nicht tun würde. Schließlich beschuldigte Jeder Jemand, weil Niemand<br />
tat, was Irgendwer hätte tun können.“ Diese Geschichte ist wohl deswegen gerade<br />
in Großraumbüros so beliebt, weil sie kurz und knackig den Grundkonflikt auf den<br />
Punkt bringt, der über kurz oder lang überall dort auftaucht, wo mehrere für eine<br />
Sache bzw. Aufgabe verantwortlich sind.<br />
„Der Nubbel is dat schuld!“ rufen die Jecken in der Nacht vom Karnevalsdienstag<br />
auf Aschermittwoch. Der „Nubbel“ ist der Sündenbock, er trägt die Schuld an<br />
allen Sünden, die während der stürmischen Tage geschehen sind. Der Zeremonienmeister<br />
liest das Strafregister vor: da ist der leere Geldbeutel, der dicke Kopf,<br />
der betrogene Partner, das Vergessen der Arbeit. Und nach jeder vorgetragenen<br />
Missetat schreit die Gemeinde: „Der Nubbel ist dat schuld!“ oder „Dat wör der<br />
Nubbel!“.... Der „Nubbel“ ist gut rheinländisch gesprochen der „Irgendwer“. Und<br />
irgendwer ist für alles verantwortlich, was schief gelaufen ist. Es ist ein Karnevalsspaß,<br />
mit dem die närrische Zeit verabschiedet wird. Und doch kommt darin auch<br />
ein tiefes menschliches Bedürfnis zum Ausdruck, das Bedürfnis nämlich, in der<br />
Masse abzutauchen, jemand anderem die Schuld in die Schuhe zu schieben, um<br />
nicht selbst die Verantwortung übernehmen zu müssen.<br />
Wie tief dieses Bedürfnis, ja, diese Versuchung des Menschen ist, zeigt die Bibel.<br />
Schon auf ihren ersten Seiten erzählt sie von Adam und Eva, die sich vor Gott verstecken,<br />
nachdem sie verbotenerweise vom Baum der Erkenntnis gegessen haben,<br />
und die dann noch die Verantwortung für die Tat auf den anderen abwälzen.<br />
Von Anfang wirbt Gott dafür, dass wir Menschen verantwortlich leben und einstehen<br />
sollen für das, was wir tun. Und wir können das auch, nämlich aufrecht stehen,<br />
weil Gott uns so geschaffen hat. Es ist Ausdruck unserer Würde. Bei Gott sind wir<br />
angesehen. Er verurteilt uns nicht. Vor ihm müssen wir uns nicht hinter irgendwem<br />
verstecken. Auch nicht unsere Fehler und Schwächen. Das bedeutet auch, dass wir<br />
dadurch wieder frei werden, unserem Leben eine andere Richtung zu geben und<br />
für diese Welt, in der wir leben, Verantwortung zu übernehmen. Nicht Irgendwer,<br />
sondern ich ganz persönlich kann dazu beitragen, dass es Leben gibt für alle in<br />
Gerechtigkeit und Frieden.<br />
„Kehrt um!“ mit diesem Ruf beginnt die Verkündigung Jesu. „Kehrt um! Das<br />
Himmelreich ist nahe!“ Die Fastenzeit, die am Aschermittwoch beginnt, lädt uns<br />
ein, unseren Lebensstil zu überdenken und umzukehren - aufrecht und gradlinig.<br />
Die Wochen vor Ostern stehen in Sankt Cyprian unter dem Motto „Verantwortung<br />
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