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RheinReden 2010 - Melanchthon-Akademie

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Hans Theodor Goebel: Gott, Staat und Kirche bei Johannes Calvin<br />

Eine andere Überlegung betrifft die Frage der Urteilsfähigkeit bzw. Irrtumsmöglichkeit<br />

bei der Ausübung der Kirchenzucht. Calvin folgert aus Jesu Übertragung<br />

der Schlüsselgewalt an seine Jünger, dass der Urteilsspruch der Gläubigen des Herrn<br />

eigener Urteilsspruch sei.<br />

„Irren aber können sie nicht, auch können sie nicht im Widerspruch zu Gottes<br />

eigenem Urteil stehen; denn sie urteilen allein auf Grund des Gesetzes Gottes, und<br />

das ist keine ungewisse oder irdische Meinung, sondern Gottes heiliger Wille und<br />

himmlisches Offenbarungswort!“ (IV,11,2).<br />

Man kann aus Calvins Äußerungen eine Tendenz zur Sakramentalisierung der<br />

Kirche, ihrer Verkündigung und Kirchenzucht im Vollzug herauslesen. In deren Ausübung<br />

wird die Kirche dann zum unfehlbaren Heilsmittel.<br />

Jedoch setzt Calvin der Kirchendisziplin eine unübersehbare Grenze: Der Ausschluss<br />

aus der Gemeinde gilt auf Zeit und nicht für die Ewigkeit. Die Gemeinde<br />

bittet und hofft für den durch die Kirchenzucht Ausgeschlossenen. Das Verdammungsurteil<br />

gilt nicht der Person, sondern ihrer Tat. Die Kirchendisziplin darf nicht<br />

eingreifen wollen in die Freiheit der göttlichen Erwählung und Barmherzigkeit, die<br />

auch mit Fremden und mit denen, die jetzt draußen stehen, ihre eigenen uns verborgenen<br />

Wege geht (IV,12,9).<br />

Was ihre Wirkung für das Himmelreich betrifft, ist also Jesus Christus selbst die<br />

Einschränkung der von ihm der Kirche verliehenen Binde- und Lösegewalt 32 .<br />

Auch muss man, wenn man von Sakramentalisierung bei Calvin redet, sofort mithören,<br />

dass er die Ausübung der gültigen Schlüsselgewalt streng an die vorangehende<br />

Gabe des Heiligen Geistes gebunden hat (III,4,20). Gott aber ist nicht gebunden an<br />

den äußeren Vollzug durch die Kirche und wird mit ihm nicht identisch, wie er nach<br />

Calvin auch nicht an den äußeren Sakramentsvollzug gebunden oder in die Elemente<br />

eingeschlossen ist (s. IV, 14,17; IV,15,14; 17,12).<br />

Von daher wird für Calvin auch die Kritik an der Papstkirche ja überhaupt erst<br />

möglich – und ist als geistliche Kritik selber angewiesen auf den Heiligen Geist!<br />

In Verkündigung und Kirchenzucht gibt Christus die Vollmacht seiner Schlüsselgewalt<br />

nicht an die Kirche und die Diener ab. Sie ist und bleibt die seines eigenen<br />

Wortes (s. IV,11,1 und IV,3,1).<br />

Darum kann die Kirche sich nicht selbst absolut setzen. Als wahre Kirche streckt<br />

sich die Kirche eben nach der Wahrheit aus, die sie selbst nicht ist und die sie wie<br />

Christi eigenes Wort selbst nicht hat. Wenn wir also von einer Sakramentalisierung<br />

32) Vgl. K. Barth, Die Theologie Calvins 247ff vgl. 242.<br />

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