Grosse Schule als kleine Stadt - Baublatt
Grosse Schule als kleine Stadt - Baublatt
Grosse Schule als kleine Stadt - Baublatt
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Vor vier Jahren kam Leben ins Affoltemer<br />
Quartier Ruggächer. Dam<strong>als</strong> wurde die<br />
Siedlung der Zürcher Wohngenossenschaft<br />
ABZ mit 282 Wohnungen fertiggestellt.<br />
Die vier kubischen roten Mehrfamilienhäuser<br />
stammen von Baumschlager Eberle Architekten.<br />
Es sind die unmittelbaren Nachbarsgebäude<br />
des neuen Schulhauses. Doch noch ist es nicht<br />
so weit. Und noch müssen viele Kinder aus<br />
diesem Teil von Zürich-Affoltern ihre Rechnungsaufgaben<br />
in einer provisorischen Containeranlage<br />
lösen.<br />
Die Schulhäuser platzen aus allen Nähten, weil<br />
im Zürcher <strong>Stadt</strong>teil seit Jahren nicht nur die ABZ,<br />
sondern Dutzende andere Bauherren Wohnungen<br />
im grossen Stil gebaut haben. Ähnlich wie Oerlikon<br />
hat sich auch Affoltern von einer ehemaligen<br />
ländlichen Randzone zu einem neuen, dichten<br />
Siegerprojekt Schulhaus ZürichAffoltern<br />
<strong>Grosse</strong> <strong>Schule</strong> <strong>als</strong> <strong>kleine</strong> <strong>Stadt</strong><br />
400 Kinder werden dereinst die Schulbank im Blumenfeld drücken. Und sich in einem Bau bewegen,<br />
der nach aussen kompakt ist, nach innen hingegen eine spannende Welt mit Licht- und Vorhöfen offenbart.<br />
Entworfen wurde das Gebäude von AGPS Architekten, deren Projekt sich gegen 14 andere durchsetzte.<br />
Von Katrin Ambühl<br />
1 Turnhalle<br />
2 Gymnastikraum<br />
3 Zuschauer<br />
4 Kraftraum<br />
5 Foyer<br />
6 Mehrzweckraum<br />
1<br />
pROJEktE<br />
7 Werken<br />
8 Bibliothek<br />
9 Grundstufe<br />
10 Primarstufe<br />
11 Garage<br />
8<br />
7<br />
4<br />
3<br />
2 5 6<br />
10<br />
9<br />
11<br />
Längsschnitt<br />
<strong>Stadt</strong>teil mit eigener Identität gewandelt. Mit den<br />
Tausenden neuen Zuzügern kamen auch viele<br />
Kinder. «Ich freue mich sehr, dass das Quartier<br />
nun endlich ein neues Schulhaus erhält,» sagt<br />
Gerold Lauber, Vorsteher des Schul- und Sportdepartements<br />
Zürich. Auch andere Vertreter der<br />
<strong>Stadt</strong> und die Bewohner von Zürich-Affoltern sind<br />
erleichtert über den Etappensieg bei der dringend<br />
benötigten Schulanlage. Denn nun ist der<br />
10<br />
9<br />
Option Erweiterung<br />
10 m<br />
5<br />
0<br />
Projektwettbewerb, den die <strong>Stadt</strong> durchführte,<br />
entschieden. 15 Teams reichten auf Einladung<br />
ihre Entwürfe ein. Jener der AGPS Architekten<br />
hat sich gegen starke Konkurrenz etwa von<br />
Gigon Guyer oder EM2N durchgesetzt. Das<br />
Zürcher Architekturbüro hat 2008 bereits das<br />
Gebäude der Zurich International School in<br />
Adliswil gebaut, das <strong>als</strong> Vorzeigeobjekt gilt.<br />
Sanfter Drache<br />
Für das Schulhaus Blumenfeld in Zürich-Affoltern<br />
hat das Team einen ruhigen, flachen Bau vorgesehen.<br />
Imposant wie ein sanfter, langgestreckter<br />
Drache wirkt das Gebäude. Die Projektverfasser<br />
haben denn ihre Arbeit auch Fuchur getauft nach<br />
dem Glücksdrachen aus der «Unendlichen» Geschichte<br />
von Michael Ende. Der Drache auf dem<br />
Blumenfeld ist ebenfalls ein Kinderfreund, denn<br />
Auf baublatt.ch/blumenfeld finden Sie<br />
weitere Pläne.<br />
26 baublatt Nr. 26, Freitag, 1. Juli 2011 Nr. 26, Freitag, 1. Juli 2011 baublatt 27<br />
linktipp<br />
0 10 20 30 40 50<br />
➣<br />
Eigentumswohnungen<br />
Arealbebauung in der<br />
Planungsphase<br />
Blumenfeldstrasse<br />
Option<br />
Erweiterung<br />
EmilSpillmannWeg<br />
Mühlackerstrasse<br />
NettiSutroStrasse<br />
ABZSiedlung Ruggächer<br />
Bilder: zvg<br />
Der flache, lange<br />
Baukörper wird von<br />
Sockeln umspielt.<br />
Im Hintergrund die<br />
Siedlung Ruggächer<br />
von der Wohngenossenschaft<br />
ABZ.<br />
Das Schulhaus liegt zwischen der ABZÜberbauung (Architektur Baumschlager Eberle) und den neuen<br />
Eigentumswohnungen (Pool Architekten).
Der flache, stattliche<br />
Baukörper markiert klare<br />
Präsenz in der urbanen<br />
Umgebung. Oben im Bild<br />
die Wohnüberbauung<br />
der ABZ.<br />
1 Werken<br />
2 Musik<br />
3 Hort<br />
4 Hof<br />
5 Kindergarten<br />
6 Aussenbereich Grundstufe<br />
pROJEktE<br />
1. Obergeschoss / Grundstufe<br />
➣<br />
3<br />
3<br />
1 1 2 2<br />
0 10 20 30 40 50 m<br />
4<br />
4<br />
4<br />
4<br />
4<br />
5<br />
5<br />
6<br />
er schafft abwechslungsreiche Aussenräume und<br />
offenbart im Innern eine gut organisierte, spannende<br />
Welt mit zahlreichen Lichthöfen. Die grosse<br />
Stärke des Projekts, da war sich die Jury einig,<br />
besteht in dieser Dualität von klarer, kompakter<br />
Aussenansicht einerseits und intelligenter Innenorganisation<br />
andererseits. «Die <strong>Schule</strong> erscheint<br />
nach aussen <strong>als</strong> eigenständiger Baukörper von<br />
öffentlichem Charakter», erläutert Julia Rubin von<br />
«Ich freue mich sehr,<br />
dass das Quartier nun<br />
endlich ein neues<br />
Schulhaus erhält.»<br />
Gerold Lauber, Vorsteher<br />
des Schul- und Sportdepartements Zürich<br />
AGPS Architekten. «Im Innern entstehen verschiedene<br />
Welten für die unterschiedlichen Nutzer.<br />
Das Schulhaus wird zu einem Cluster von Häusern.»<br />
So bilden mehrere Schulzimmer eine<br />
Gemeinschaft und deren Aneinanderreihung wiederum<br />
grössere Einheiten mit unterschiedlicher<br />
Atmosphäre. Zum Beispiel die in Zweiergruppen<br />
gegliederten Kindergärten. Sie öffnen sich gegen<br />
einen eigenen Aussenraum auf die eine Seite und<br />
gegen den Betreuungsbereich auf die andere. Mit<br />
einer Treppenanlage, an die wiederum die öffentlichen<br />
Nutzungen des Schulhauses angegliedert<br />
sind, sind die Kindergärten ans Obergeschoss mit<br />
der Primarschule angebunden.<br />
Hohe Räume für Dreikäsehochs<br />
Kleine Höfe und Oberlichter holen Tageslicht von<br />
zwei Seiten in die Schulzimmer. Im Erdgeschoss<br />
in der Grundstufe ist die Raumhöhe am grössten,<br />
um auch hier genügend Licht in die Zimmer zu<br />
holen. «Mit diesem Massstabsprung haben die<br />
Kleinsten die höchsten Räume», sagt Rubin. Die<br />
Schulzimmer sind die zentralen Elemente der Anlage<br />
und haben besondere Beachtung erhalten<br />
von den Planern. «Sie sind <strong>als</strong> <strong>kleine</strong> Häuser konzipiert,<br />
die in einem Gefüge von innen liegenden<br />
Gassen, Höfen und Vorplätzen eingebettet sind»,<br />
so die Architektin. Reiht man die einzelnen «Häuser»,<br />
<strong>als</strong>o die Schulzimmer, aneinander, so entsteht<br />
eine <strong>kleine</strong> <strong>Stadt</strong>, und <strong>als</strong> solche definieren<br />
die Architekten ihre Schulanlage.<br />
Auch die Qualität der Aussenräume fand Anklang<br />
bei der Jury. Durch die Positionierung des Baukörpers<br />
ergeben sich ganz unterschiedliche Freizonen:<br />
Während zur Blumenfeldstrasse Sockel,<br />
Eingangsgeschoss<br />
1 Krafttraining<br />
2 Gymnastikraum<br />
3 Mehrzweckraum<br />
4 Garderobe<br />
5 Technik / Hauswart<br />
6 Waschküche<br />
7 Lager<br />
8 Werkstatt / Mehrzweckraum<br />
1. Untergeschoss / Luftraum Turnhalle<br />
0 5 10 15 20 25 m<br />
28 baublatt Nr. 26, Freitag, 1. Juli 2011 Nr. 26, Freitag, 1. Juli 2011 baublatt 29<br />
6<br />
1<br />
3 4<br />
5<br />
7<br />
8<br />
1 Allwetterplatz<br />
2 Spielwiese<br />
3 gedeckter Eingangsbereich<br />
4 Mehrzweckraum<br />
5 Büro<br />
6 Küche<br />
7 Parking<br />
8 Haustechnik<br />
0 10 20 30 40 50 m<br />
Das Eingangsgeschoss ist der Hauptzugang der Anlage.<br />
Von der Halle gehts hinunter zum Sport, hinauf zur Primarschule.<br />
2<br />
7<br />
4<br />
4<br />
3. Untergeschoss / Turnhalle<br />
2 2 2<br />
1 Teleskoptribüne<br />
2 Lehrergarderobe<br />
7<br />
3<br />
1<br />
2<br />
5<br />
6<br />
1 1<br />
1<br />
1 1<br />
1<br />
4 4<br />
3 Foyer<br />
4 Eingänge<br />
3<br />
4<br />
4<br />
5<br />
5<br />
5
pROJEktE<br />
Terrassen und Gebäude den Strassenraum<br />
urbanisieren, wird der östliche Bereich freigespielt<br />
für Aussenzonen der Grundstufe. Zudem wurde<br />
für jede Klasse eine eigene Terrasse <strong>als</strong> Freiluftschulraum<br />
vorgesehen. Auch das Dach dient <strong>als</strong><br />
Nutzfläche: Dort ist eine Terrasse für Aufenthalt,<br />
Pause und Unterricht geplant.<br />
Stimmbürger entscheiden<br />
Das Raumangebot der Anlage umfasst neben<br />
Schulzimmern für die Grundstufe, Primarschule<br />
und Horträume auch eine Dreifachturnhalle.<br />
Zudem mussten die Projekte eine Erweiterungsoption<br />
aufzeigen. Die erste Etappe soll 71 Millionen<br />
Franken kosten. Ein stattlicher Betrag,<br />
der im Gemeinderat auf Kritik gestossen ist von<br />
bürgerlicher Seite. Die Mehrheit winkte das<br />
Bauvorhaben schliesslich durch. Das letzte Wort<br />
hat das Zürcher Stimmvolk, das im Herbst dem<br />
Kredit zustimmen muss. Wenn es nicht den<br />
Rotstift ansetzt, kann mit dem Bau begonnen<br />
werden. Und in vier Jahren können Kindergärtner,<br />
Primarschüler, Lehrer und Betreuerinnen ihr<br />
neues Schulhaus in Beschlag nehmen und ihre<br />
eigene <strong>kleine</strong> <strong>Stadt</strong> gestalten. n<br />
nachGEfRaGt … bEi Julia Rubin<br />
Julia Rubin ist<br />
Architektin bei den<br />
AGPS Architekten und<br />
Projektverantwortliche<br />
für die Schulanlage<br />
Blumenfeld.<br />
Die Anforderungen an <strong>Schule</strong>n haben sich<br />
verändert. Welche Lösungen bietet Ihr<br />
Projekt?<br />
Für das Blumenfeld wurde das Modell der<br />
Grundstufe gefordert. Deshalb war die Auseinandersetzung<br />
mit verschiedenen Schulmodellen<br />
und den heutigen pädagogischen Anforderungen<br />
zentral. Heute findet der Unterricht nicht<br />
mehr nur in einem Klassenzimmer statt. Zudem<br />
sind heute oft mehrere Lehrer für eine Klasse<br />
verantwortlich. Im Grundriss zeigt sich die<br />
Vielzahl der Möglichkeiten, <strong>kleine</strong> Gruppen zu<br />
betreuen. Generell ist die <strong>Schule</strong> heute nicht<br />
mehr nur Bildungsstätte, sondern ein sozialer<br />
Raum, der zum Mittelpunkt für die Kinder wird.<br />
Was meinen Sie genau mit der<br />
clusterartigen Raumorganisation?<br />
Die Zimmer sind unhierarchisch organisiert, und<br />
die Anordnung bietet maximale Flexibilität für<br />
Eine intelligente<br />
Raumerfindung<br />
charakterisiert<br />
die Schulanlage.<br />
Kernpunkte sind das<br />
Wechselspiel von<br />
öffentlicheren und<br />
privateren Zonen sowie<br />
die Führung des<br />
Tageslichts.<br />
unterschiedliche Unterrichtskonstellationen.<br />
Denn heute geht eine Klasse für den Musik-<br />
oder Religionsunterricht für eine Stunde zu<br />
einem anderen Lehrer, für eine Projektarbeit<br />
schliessen sich zwei Klassen zusammen usw.<br />
Die Cluster organisieren sich somit nach Bedarf<br />
und sind nicht <strong>als</strong> räumliche Einheit<br />
vorgegeben.<br />
Da es ein sehr grosses Schulhaus sein wird, ist<br />
es umso wichtiger, dass die Kinder eigene<br />
Bereiche, die ihrem Massstab entsprechend<br />
definieren können. So garantieren die Fluchttreppenhäuser<br />
einerseits die freie Benutzbarkeit der<br />
Erschliessungszone. Andererseits sind sie auch<br />
die Adressen für die jeweiligen Klassenzimmer.<br />
Die Schüler haben <strong>als</strong>o «ihr» Treppenhaus und<br />
damit eine eigene Welt in der Schulanlage.<br />
Welche Funktion hat das Licht?<br />
Die unterschiedlichen Lichtführungen unterstützen<br />
das Konzept der individuellen Zonen.<br />
Jeder Bereich – von der Erschliessung bis zum<br />
Klassenzimmer – erhält so einen eigenen<br />
Charakter. Zudem werden die Geschosse nicht<br />
einfach zu einer durchgehenden Fläche, sondern<br />
eine Ebene aus ineinandergreifenden Räumen.<br />
Jedes Schulzimmer wird von zwei Seiten<br />
belichtet, wodurch unterschiedliche Zonen entstehen:<br />
eine jeweils ruhige zum konzentrierten<br />
Im Schnitt wird die raffinierte Raumanordnung sichtbar. Tageslicht<br />
dringt tief in den Gebäudekörper ein.<br />
Gruppenräume, Lernzonen und Freiluftklassenzimmer der Primarschule.<br />
Lichthöfe strukturieren jeweils den Gangbereich des Zweispänners.<br />
Links liegt die Betreuung, rechts der Kindergarten. Die Unterrichtszonen<br />
umfassen diverse Bereiche und sind wie Häuser konzipiert.<br />
Arbeiten und eine Zone mit Bezug zu den<br />
anderen Schulbereichen für Gruppenarbeiten.<br />
Es gab politische Diskussionen um die<br />
hohen Baukosten? Was hielten Sie davon?<br />
Uns war von Anfang an klar, dass es kein<br />
Prestigebau werden soll. Das Schwierige an<br />
der Aufgabenstellung war jedoch, die vielen<br />
Bedürfnisse an den Aussenraum und den<br />
vielen Räumen geforderten direkten Bezug zu<br />
diesem. So war ein ökonomischer Umgang mit<br />
den Freiflächen gefragt, was auch zu innenräumlich<br />
spannenden Themen führte, wie zum<br />
Beispiel das Querstellen der Schulzimmer. Der<br />
Innenausbau soll auf ein Minimum reduziert<br />
werden, und die Elemente immer mehrere<br />
Funktionen gleichzeitig übernehmen. Uns<br />
schwebte uns eine Art «veredelter Rohbau»<br />
ohne Schnickschnack vor.<br />
Was glauben Sie, wird den 400 Schülern<br />
dereinst gefallen im Alltag im Blumenfeld?<br />
Dass es viel Raum für Bewegung gibt und<br />
zahlreiche Möglichkeiten, eigene Welten wie<br />
Nischen oder persönliche Plätzchen zu schaffen.<br />
Vielleicht werden es auch die <strong>kleine</strong>n Dinge<br />
sein, wie der Kickboardraum, ein Durchblick in<br />
der Tür auf Kinderhöhe, das Vogelnest im<br />
Busch... (ka)<br />
30 baublatt Nr. 26, Freitag, 1. Juli 2011