Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Johann Gottfried Seume und mehr<br />
Ein Gespräch in neun Fragen mit dem Schriftsteller Jan Decker (Leipzig)<br />
Das Seume-Jahr 2013 rückt näher, Zeit also, einmal bei einem Schriftsteller<br />
nachzufragen, welche Bedeutung denn Seume heute noch haben kann. Die Fragen stellte<br />
Thorsten Bolte schriftlich. Geantwortet hat Herr Decker mit sehr klugen Bemerkungen<br />
über Seume und das eigene Schreiben, hier ungekürzt wiedergegeben.<br />
1. Friedrich Nietzsche bezeichnete es als das beste<br />
deutsche Buch: „Die Gespräche mit Goethe in den<br />
letzten Jahren seines Lebens“, geschrieben von Johann<br />
Peter Eckermann (1792-1854). Eckermann ist trotzdem<br />
eher als traurige Gestalt in die Literaturgeschichte<br />
eingegangen, als der „übertreue“ Goethe-Begleiter.<br />
Herr Decker, Sie haben ausgerechnet Eckermann zum<br />
Antihelden Ihres letzten Buchprojekts gemacht, dessen<br />
Titel lautet: „Eckermann oder die Geburt der<br />
Psychoanalyse aus dem Geist Goethes.<br />
Theatermonolog in drei Bildern“. Wie sind Sie auf<br />
das Thema gestoßen?<br />
Jan Decker: Ich habe Eckermann wie Seume<br />
relativ früh kennengelernt, jedenfalls bevor ich<br />
mich dem Autorenberuf zuwandte. Es muss in den<br />
ersten Semestern meines Germanistikstudiums gewesen sein, um 1999 herum. Zu dieser<br />
Zeit war ich von der Universität reichlich ernüchtert, wie auch sonst? Ich wollte zum<br />
eigenen Schreiben finden, befand mich aber noch in der langen Zeit vor dem ersten Text,<br />
die für viele Autoren besonders qualvoll ist. Ich schwänzte die Seminare und hörte mir<br />
lieber im Radio Lesungen von Klassikern an. Heute kommt mir das lustig vor. Ich hätte<br />
ebenso gut in die Universität gehen können, um etwas über die Klassiker zu erfahren. In<br />
dieser Zeit verschlang ich die „Gespräche mit Goethe“, erst akustisch, dann auf<br />
gedrucktem Papier. Wenn ich mich heute Eckermann zuwende, dann geht es mir auch<br />
um diese Zeit. Der „übertreue“ Begleiter ist ein Nichtprivilegierten-Kind, das sich seinen<br />
Weg zu den Olympiern lang erarbeiten muss und dabei – siehe Eckermann –<br />
charakterlich untergeht. Ersteres ist mir vertraut, letzteres soll mir<br />
nicht passieren.<br />
Der Vertraute Goethes:<br />
Johann Peter Eckermann<br />
(1792-1854)<br />
Jan Decker, geboren 1977 in Kassel,<br />
lebt als freier Autor in Leipzig.<br />
Er schrieb mehrere Theaterstücke mit<br />
Uraufführungen am Staatstheater<br />
Nürnberg und dem Theater Vorpommern.<br />
Zahlreiche Hörspiele und Features.<br />
Zuletzt: „Die große Weltreise“ (SWR 2011),<br />
„Jaco Pastorius’ Gang durch<br />
den Schnee von Rheidt nach Havona“<br />
(D Kultur 2011). Zahlreiche<br />
Auszeichnungen, u.a. von der Filmstiftung<br />
NRW und der Kulturstiftung des Freistaates<br />
Sachsen.<br />
Sein Theatermonolog<br />
„Eckermann oder die Geburt der<br />
Psychoanalyse aus dem Geist Goethes“<br />
erschien <strong>2012</strong> in bibliophiler<br />
Ausstattung in der Edition Ornament.<br />
2. Nun gehört Eckermann mit seinen Werken nicht unbedingt zu den<br />
bedeutendsten Literaten der deutschen Sprache, auch wenn einige seiner<br />
Gedichte zumindest über das Mittelmaß hinausgehen. Ganz anders ist das<br />
natürlich bei Goethes Werk. So schwierig oftmals Goethes Charakter –<br />
Göschen hat da auch seine Erfahrungen gemacht –, seine literarischen<br />
Leistungen sind überragend. Herr Decker: Welche Bedeutung hat der<br />
Dichterfürst aus Weimar für einen Schriftsteller von heute?<br />
Jan Decker: Erst als ich anfing zu schreiben – und ich meine damit<br />
das kontinuierliche, tägliche Schreiben, das ich seit dem Beginn<br />
4 © <strong>Göschenhaus</strong> Grimma-Hohnstädt und Seume-Verein „ARETHUSA“ e. V. Grimma <strong>2012</strong>