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Dokumentation Kurden In Hessen (PDF) - Barbara Cárdenas

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Im Einzelnen:<br />

Die Betreuungsangebote für kurdische Frauen müssen ausgebaut<br />

werden. So sind mehr Beratungsstellen nötig, um traumatisierte<br />

weibliche Flüchtlinge bedarfsgerecht betreuen zu können. Es<br />

gibt zu wenig Hilfe von deutscher Seite. Eine sinnvolle Maßnahme<br />

wäre, die Beratungsstellen mit kurdischen Frauen besetzt anzubieten.<br />

Bei der Beratung sind Respekt und Verständnis wichtig. Kritisiert<br />

wurden türkische Psychologen. Sie erzeugen oft Widerstände,<br />

wenn es um das türkische Militär geht. Ein gutes Beispiel aus<br />

Bonn: Die Beratungsstelle Utamara beschäftigt Psychologen und<br />

Übersetzer mit politischem Verständnis.<br />

Einig war man sich in dem Forum darüber, dass Vorurteile gegenüber<br />

jungen Frauen und Jugendlichen abgebaut werden müssen.<br />

Diskutiert wurde auch die Kriminalisierung von kurdischen Vereinen<br />

und Verbänden. Sie kann sich negativ bei jungen Frauen und<br />

Mädchen, aber auch Jungen auswirken. Besonders Jugendliche, so<br />

die Referentin, seien dabei Spannungen ausgesetzt, die sich ungünstig<br />

auf die Identitätsfindung auswirken könnten. Ein Musikprojekt<br />

in Stuttgart arbeitet mit türkischen und kurdischen Jugendlichen.<br />

Ein gutes Beispiel zum Aufbau von gegenseitigem Respekt.<br />

Kurdische und türkische Männer in Bezug auf patriarchale Strukturen<br />

verändern, aber wie?<br />

Wie lassen sich die alten Einstellungen gegenüber der Rolle der<br />

kurdischen Frau ändern? Sollten es alle zusammen versuchen?<br />

Was müssen Männer selbst dafür tun? Auf diese Fragen gab es<br />

keine eindeutigen Antworten.<br />

Umgang mit Ehrenmorden und Zwangsheirat: Ehrenmorde resultieren<br />

aus archaischen und patriarchalen Vorstellungen. Dabei<br />

sind Motive wie Eifersucht oder gekränkte Ehre wichtig. Wie soll<br />

damit umgegangen werden? Die Beantwortung dieser Frage erwies<br />

sich als schwierig, da der Ehrbegriff überall wichtig erscheint, egal,<br />

ob bei politisch Aktiven oder nicht Aktiven.<br />

Einig war sich das Forum darüber, dass Gesetzesänderungen zur<br />

Bekämpfung der Zwangsheirat umgesetzt werden müssen. Zum<br />

Schutz der Betroffenen muss auch das Bewusstsein der Öffentlichkeit<br />

für das Unrecht, das in jeder Zwangsheirat liegt, geschärft<br />

werden. Dazu wäre ein wichtiger Schritt, dass kurdische Vereine<br />

das Thema bei der regulären Familienbetreuung ansprechen.<br />

Die Auswirkungen von politischen Betätigungsverboten für Kurdinnen<br />

und <strong>Kurden</strong> und das Gefühl vieler kurdischer Migrantinnen und<br />

Migranten, in Deutschland institutionell diskriminiert zu werden,<br />

war ebenfalls Gegenstand der Diskussion. Die Erfahrung, dass die<br />

politische oder kulturelle Betätigung im Rahmen der kurdischen<br />

Demokratiebewegung zur Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft<br />

oder des Asylstatus führen kann – mit der Folge der Abschiebung<br />

in die Türkei – schränkt das Streben nach Selbstbestimmung<br />

der Kurdinnen sehr ein.<br />

Das Forum diskutierte wiederholt den behördlichen Umgang mit<br />

der kurdischen Demokratiebewegung. Deren Anerkennung sei unerlässlich.<br />

Ziel dabei muss die Möglichkeit einer offenen, exilpolitischen<br />

Betätigung sein. Dabei würde auch der Einfluss der kurdischen<br />

Frau auf die kurdische Minderheit insgesamt wachsen – frei<br />

von Angst vor Verurteilung.<br />

18<br />

Protokoll zu Forum 3<br />

Kurdische Flüchtlinge – Problemfelder und Erwartungen<br />

mit Ludwig Müller-Volck, Rechtsanwalt<br />

von Thomas Aleschewski, Hessischer Flüchtlingsrat<br />

Schwerpunkt der Diskussion war die Situation für Kurdinnen und<br />

<strong>Kurden</strong> in der Türkei bzw. in der Bundesrepublik Deutschland. Folgende<br />

6 Forderungen werden hiermit an die Bundes- und die hessische<br />

Landesregierung sowie an die Bundes- und Landespolitik<br />

herangetragen:<br />

1. Über 2.000 Kurdinnen und <strong>Kurden</strong> sind in letzter Zeit in Gewahrsam<br />

genommen und davon 510 anschließend inhaftiert worden<br />

unter dem Vorhalt, der PKK zuzugehören oder mit ihr in Verbindung<br />

zu stehen. Weitere über 150 Kurdinnen und <strong>Kurden</strong>, darunter<br />

kommunale Abgeordnete, werden derzeit strafrechtlich<br />

verfolgt und sind vor Gericht gestellt (KCK-Prozess). Dies wird in<br />

der deutschen Öffentlichkeit in der Regel nicht beachtet - wohl<br />

aus übergeordnetem <strong>In</strong>teresse an einer positiven Darstellung<br />

der nationalen <strong>In</strong>nenpolitik der türkischen Regierung. Es spricht<br />

jedoch nichts gegen eine stärker realitätsbezogene öffentliche<br />

Darstellung nicht nur dieses die bürgerlichen Rechte von Kurdinnen<br />

und <strong>Kurden</strong> stark einschränkenden Sachverhalts.<br />

2. Jegliche exilpolitische Betätigung in Deutschland für die Sache<br />

der Kurdinnen und <strong>Kurden</strong> aus der Türkei ist vom derzeit bestehenden<br />

PKK-Verbot belastet, wovon aber auch die exilpolitische<br />

Betätigung PKK-ferner Gruppierungen mittelbar betroffen<br />

ist. Der „deutsche“ Umgang mit der PKK ist dringend zu überdenken<br />

und zeitnah zu überarbeiten, damit einer friedlichen exilpolitischen<br />

Betätigung wie auch der Berichterstattung zu kurdischen<br />

Themen keine Bestrafung folgt.<br />

3. Bei Asyl-Widerrufsverfahren (hiervon sind ca. 80% aller bislang<br />

anerkannten kurdischen Flüchtlinge betroffen) ist zu beachten,<br />

dass traumatische Erlebnisse in der Türkei oftmals nicht im früheren<br />

Asylverfahren benannt wurden, sondern erst bei drohender<br />

Gefahr der erzwungenen bzw. „erzwungenermaßen freiwilligen“<br />

Rückkehr in die Türkei vorgebracht werden. Gleichwohl<br />

handelt es sich in aller Regel um Schilderungen eines tatsächlichen<br />

Geschehens, welches bei Asylwiderruf, Ausreiseaufforderung<br />

und Abschiebungsandrohung unbedingt zu beachten<br />

und zu berücksichtigen ist (Gefahr der Re-Traumatisierung, evtl.<br />

auch der Selbstschädigung).<br />

4. Auch spontane, nicht auf einen Rückkehr-Anlass bezogene Re-<br />

Traumatisierungen treten unter Umständen erst längere Zeit<br />

nach der Einreise in das Bundesgebiet auf und sind dann unabhängig<br />

vom aufenthaltsrechtlichen und sozialen Status als<br />

fachärztlich und ggf. medikamentös zu behandelnde Ereignisse<br />

zu bewerten (Problem der eingeschränkten Leistungen der Gesundheitshilfe<br />

nach dem Asylbewerberleistungsgesetz!).<br />

5. Traumatisierte Personen dürfen grundsätzlich nicht in die Türkei<br />

zurückgeschickt werden – auch dann nicht, wenn sie ihren<br />

Lebensunterhalt nicht bzw. nicht vollständig durch Erwerbseinkommen<br />

sichern können. Dies gilt für kurdische Flüchtlinge jeden<br />

Lebensalters – auch Minderjährige können traumatisiert<br />

sein oder werden und sind dann fachärztlich und ggf. medikamentös<br />

zu behandeln. Der Verweis auf fachärztliche Behandlungsmöglichkeiten<br />

in der Türkei führt regelmäßig in die Irre,<br />

weil er diese gesundheitlichen Probleme nicht nur negiert, sondern<br />

sie missachtet und geradezu verhöhnt.<br />

6. Das Problem der Weigerung des türkischen konsularischen<br />

Dienstes in Deutschland, für im Bundesgebiet geborene Kinder<br />

mit kurdischem Vornamen ein Reisedokument auszustellen, ist

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