Als es bei uns noch Wölfe gab - Der Kreis Schlawe in Pommern
Als es bei uns noch Wölfe gab - Der Kreis Schlawe in Pommern
Als es bei uns noch Wölfe gab - Der Kreis Schlawe in Pommern
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<strong>Als</strong> <strong>es</strong> <strong>bei</strong> <strong>uns</strong> <strong>noch</strong> <strong>Wölfe</strong> <strong>gab</strong><br />
Von Chr. Splittgerber – Event<strong>in</strong><br />
Unter allen Raubtieren, die früher <strong>uns</strong>ere heimatlichen Gefilde <strong>uns</strong>icher machten, waren die<br />
Bären und <strong>Wölfe</strong> am weit<strong>es</strong>ten verbreitet und auch am meisten gefürchtet. Jetzt er<strong>in</strong>nern nur<br />
<strong>noch</strong> manche Orts- und Flurnamen an ihr e<strong>in</strong>stig<strong>es</strong> Vorkommen, z. B. Bärwalde, die<br />
Bärw<strong>in</strong>kelmühle <strong>bei</strong> Bütow, Wolfsdorf <strong>bei</strong> Franzburg, Wolfshorst im <strong>Kreis</strong>e Randow, das<br />
Wolfsmoor <strong>in</strong> dem Schutzbezirke Göritz der Oberförsterei Neukrakow. Die Bären s<strong>in</strong>d zuerst<br />
ausgerottet. Am längsten haben sie sich im Osten <strong>Pommern</strong>s, der früher zu dem Gebiete d<strong>es</strong><br />
deutschen Ritterordens gehörte, gehalten. So wird <strong>uns</strong> <strong>in</strong> der G<strong>es</strong>chichte der Lande Lauenburg<br />
und Bütow berichtet, daß e<strong>in</strong>st e<strong>in</strong> Hochmeister d<strong>es</strong> Ordens <strong>in</strong> die Gegend von Bernsdorf zur<br />
Jagd gekommen sei und e<strong>in</strong>en Bauer gebeten habe, ihm e<strong>in</strong> paar junge Bären für den Zw<strong>in</strong>ger<br />
auf der Marienburg e<strong>in</strong>zufangen. <strong>Der</strong> Bauer brachte die gewünschten Bi<strong>es</strong>ter und erhielt dafür<br />
das ger<strong>in</strong>ge Tr<strong>in</strong>kgeld <strong>in</strong> G<strong>es</strong>talt e<strong>in</strong><strong>es</strong> „Firdungs“, etwa 50 Pfennige nach <strong>uns</strong>erm Gelde.<br />
Hiernach müssen die Bären um das Jahr 1400 <strong>noch</strong> ziemlich häufig gew<strong>es</strong>en se<strong>in</strong>. Über die<br />
Jagdzüge pommerscher Herzöge, die von dem Schlosse Friedrichswalde <strong>bei</strong> Altdamm aus<br />
unternommen wurden, haben wir manche Berichte; wohl wird dort mancher Wolf, aber ke<strong>in</strong><br />
Bär mehr zur Strecke gebracht.<br />
Heute kann man <strong>es</strong> sich kaum vorstellen, daß <strong>noch</strong> im W<strong>in</strong>ter 1816 zu 17 <strong>in</strong> den Wäldern d<strong>es</strong><br />
Regierungsbezirk<strong>es</strong> Kösl<strong>in</strong> 163 <strong>Wölfe</strong> getötet worden s<strong>in</strong>d. Nur ganz strenge W<strong>in</strong>ter führen<br />
ab und zu Streifwölfe aus den russischen Grenzbezirken nach H<strong>in</strong>terpommern, wie <strong>es</strong> 1870 zu<br />
71 der Fall war. Di<strong>es</strong>e verschw<strong>in</strong>den aber ebenso plötzlich wie sie gekommen s<strong>in</strong>d. <strong>Der</strong> letzte<br />
Wolf ist im Jahre 1855 <strong>in</strong> dem Forstbezirk L<strong>in</strong>ichen <strong>bei</strong> Tempelburg g<strong>es</strong>chossen worden und<br />
kurz vorher e<strong>in</strong> gleicher Räuber im Gollenberge, wo e<strong>in</strong> Gedenkste<strong>in</strong> die Stätte bezeichnet.<br />
Gegen Ende d<strong>es</strong> fünfzehnten Jahrhunderts, zur Zeit Bogislaw X, fand man <strong>in</strong> Vor- und<br />
H<strong>in</strong>terpommern die <strong>Wölfe</strong> <strong>noch</strong> haufenweise. Durch die zusammenhängenden Waldungen<br />
und unzugänglichen Brüche, sowie die großen an <strong>Pommern</strong> grenzenden Haiden, wurde die<br />
Erhaltung und Vermehrung di<strong>es</strong>er Raubtiere sehr günstig bee<strong>in</strong>flußt. Aus Polen und der<br />
Neumark, aus Mecklenburg-Schwer<strong>in</strong> und -Strelitz wechselten sie regelmäßig. In w<strong>in</strong>dstillen<br />
Nächten hörten die Fischer auf der Oder und dem Papenwasser das Wolfsgeheul von <strong>bei</strong>den<br />
Seiten. Die <strong>Wölfe</strong> durchliefen an e<strong>in</strong>em Tage oft e<strong>in</strong>e Strecke von 20 – 30 Meilen. Daher<br />
tauchten sie auch nicht selten <strong>in</strong> wenigen Tagen an dem entgegeng<strong>es</strong>etzten Ende der Prov<strong>in</strong>z<br />
auf. Wenn nun auch zu allen Zeiten ihre Vernichtung und Ausrottung eifrig betrieben und<br />
durch b<strong>es</strong>ondere Prämien die Wolfsjäger belohnt wurden, so begünstigten doch die vielen<br />
Kriege der vergangenen Jahrhunderte mit ihren Verheerungen und Verwüstungen e<strong>in</strong>e<br />
Vermehrung der Raubtiere.<br />
B<strong>es</strong>onders zeigte sich di<strong>es</strong> nach dem 30jährigen Kriege, sodaß die E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er eigenen<br />
Wolfssteuer von den pommerschen Landständen b<strong>es</strong>chlossen wurde. Auch die Stadt<br />
Rügenwalde sah sich <strong>in</strong> di<strong>es</strong>er Zeit gezwungen, die Mittel für Anschaffung und Unterhaltung<br />
von Wolfsnetzen <strong>in</strong> den Etat e<strong>in</strong>zustellen, da sich die <strong>Wölfe</strong> bis an die Stadtmauer wagten und<br />
namentlich <strong>in</strong> den Kämmereidörfern viel Unheil anrichteten. In Vorpommern gelang <strong>es</strong>, sie<br />
bald auszurotten, sodaß nach dem Jahre 1740 ke<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>heimischen <strong>Wölfe</strong> dort mehr<br />
vorkommen. Aus <strong>uns</strong>erer Gegend aber wissen die Kirchenbücher fort und fort von ihnen zu<br />
berichten, namentlich als durch die Schrecken d<strong>es</strong> siebenjährigen Krieg<strong>es</strong> <strong>uns</strong>ere Heimat von<br />
neuem verwüstet wurde. So erzählt die Event<strong>in</strong>er Chronik 1758 aus Wandhagen: „David<br />
Simon Beltz, auf die Wolfsjagd gegangen und im Schnee erfroren, da er nach Hause hat<br />
gehen wollen, unterwegs ermüdet und d<strong>es</strong> Morgens darauf Tod gefunden.“ Ferner schreibt<br />
Pastor Schmid im Jahre 1789 über e<strong>in</strong>en außerordentlich langen und kalten W<strong>in</strong>ter und<br />
berichtet da<strong>bei</strong>: „<strong>Der</strong> Wolf wurde aus Heißhunger verwegen, tötete wilde und zahme Tiere,<br />
schien Menschen anfallen zu wollen, und soll auch wirklich nach <strong>Schlawe</strong> h<strong>in</strong> verschiedene<br />
reisende Personen zerrissen und aufgefr<strong>es</strong>sen haben.“ Sehr gefürchtet war <strong>in</strong> di<strong>es</strong>en Zeiten die
sogenannte Mösse, e<strong>in</strong> groß<strong>es</strong> Torfmoor zwischen den Dörfern Kleist und Schwer<strong>in</strong>stal und<br />
dem Jamunder See. Auch <strong>in</strong> den abgelegenen Wäldern am Strande, z. B. im Event<strong>in</strong>er<br />
„Knaster“, fand Isegrimm sichere Schlupfw<strong>in</strong>kel.<br />
Auch e<strong>in</strong>ige G<strong>es</strong>chichten, die der Volksmund erzählt, möchte ich hier mitteilen. Ehe <strong>es</strong> e<strong>in</strong>e<br />
geordnete Postverb<strong>in</strong>dung auf den Dörfern <strong>gab</strong>, waren die Kossäten (Kle<strong>in</strong>bauern) verpflichtet,<br />
die amtlichen Schreiben von den Dorfschulzen an die Behörden zu befördern, und<br />
wenn <strong>es</strong> sich um eilige Berichte handelte, mußten die Kossätenknechte sie zu Pferde<br />
b<strong>es</strong>orgen. So passierte <strong>es</strong> dem Knechte d<strong>es</strong> Kossäten Fock aus Event<strong>in</strong>, daß er auf dem Wege<br />
zum Domänenrentamt nach Rügenwalde von e<strong>in</strong>em Wolfe angefallen wurde. Das Pferd warf<br />
den Reiter, der sich durch schleunige Flucht retten konnte, ab, wurde vom Wolf schwer am<br />
Halse verwundet, konnte sich aber nach heftiger Verfolgung auf se<strong>in</strong>en Hof und <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en<br />
Stall flüchten. In jenen Zeiten vor 100 Jahren war die Viehweide <strong>noch</strong> geme<strong>in</strong>schaftlich.<br />
Jed<strong>es</strong> Dorf hatte se<strong>in</strong>en Pferde-, R<strong>in</strong>der- und Schwe<strong>in</strong>ehirten, die ihre Herde auf den Weideanger<br />
d<strong>es</strong> Dorf<strong>es</strong> oder <strong>in</strong> die Königliche Forst trieben. Auch di<strong>es</strong>e Hirten hatten manche<br />
Kämpfe mit den <strong>Wölfe</strong>n zu b<strong>es</strong>tehen.<br />
Zu ihrem Schutze hatten sie die Wolfshunde, die auf Kosten d<strong>es</strong> Dorf<strong>es</strong> ang<strong>es</strong>chafft und<br />
unterhalten wurden, und als Waffe die Wolfslanze oder Pieke, von der weiter unten die Rede<br />
se<strong>in</strong> wird. <strong>Als</strong> um das Jahre 1800 die große Poststraße nach Danzig angelegt wurde, die von<br />
Kösl<strong>in</strong> über den Gollenberg und Pankn<strong>in</strong> nach <strong>Schlawe</strong> führte, g<strong>in</strong>gen auch die Event<strong>in</strong>er<br />
jungen Leute dorth<strong>in</strong> auf Ar<strong>bei</strong>t. Da ermahnte sie der alte Küster Peter Plate, sie sollten wegen<br />
der vielen <strong>Wölfe</strong> nicht e<strong>in</strong>zeln sich auf den Weg zur Ar<strong>bei</strong>tsstätte machen, sondern zu zweien<br />
oder dreien wandern. Dazu fügte er den guten Rat: „Immer frisch geredet, dann verzieht er<br />
sich.“<br />
Ja, bis <strong>in</strong> die Dörfer selbst wagten sich die <strong>Wölfe</strong>. Und daß Isegrimm auch e<strong>in</strong>mal ausnahmsweise<br />
den G<strong>es</strong>chmack se<strong>in</strong><strong>es</strong> Vetters Re<strong>in</strong>icke Voß geteilt hat, davon erzählte Gastwirt Saß –<br />
Event<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e G<strong>es</strong>chichte, die er von se<strong>in</strong>en Eltern gehört. Di<strong>es</strong>e hatten ihre Gänse <strong>in</strong> der Nähe<br />
d<strong>es</strong> Backhaus<strong>es</strong> e<strong>in</strong>gebuchtet und waren gerade <strong>bei</strong>m Backen b<strong>es</strong>chäftigt, als der Wolf vor<br />
ihren Augen <strong>in</strong> die Gänsebucht e<strong>in</strong>drang und mit e<strong>in</strong>er Gans als Beute abzog.<br />
Nach den Freiheitskriegen g<strong>in</strong>g man an e<strong>in</strong>e geregelte Vertilgung d<strong>es</strong> Wolf<strong>es</strong>. Hatten doch<br />
auch die Bauern, die nun als freie Leute auf ihren Höfen saßen, das größte Inter<strong>es</strong>se daran,<br />
di<strong>es</strong>e Räuber loszuwerden. Ebenso wurde von Obrigkeitswegen alle erdenkliche Sorgfalt<br />
angewendet, den Wolf vollständig auszurotten. Di<strong>es</strong>e Bemühungen waren endlich mit Erfolg<br />
gekrönt; denn die letzten Treibjagden <strong>in</strong> H<strong>in</strong>terpommern wurden im W<strong>in</strong>ter 1849 – 50 <strong>in</strong> der<br />
Oberförsterei Borntuchen <strong>bei</strong> Bütow abgehalten, wo<strong>bei</strong> <strong>noch</strong> fünf <strong>Wölfe</strong> zur Strecke gebracht<br />
wurden.<br />
Uns <strong>in</strong>ter<strong>es</strong>siert b<strong>es</strong>onders der Vertilgungskampf, wie er im Rügenwalder Amte <strong>in</strong> den<br />
zwanziger Jahren d<strong>es</strong> vorigen Jahrhunderts unternommen wurde, und me<strong>in</strong>e Bemühungen,<br />
aus alten Akten Material hierüber zu erhalten, s<strong>in</strong>d nicht vergeblich gew<strong>es</strong>en. Herr Sekretär<br />
O. Welsow <strong>in</strong> Neukrakow hat sich der großen und dankenswerten Mühe unterzogen, die<br />
Akten der dortigen Oberförsterei durchzusehen und all<strong>es</strong> Wissenswerte aufzuzeichnen.<br />
Hiernach g<strong>in</strong>g man dem Wolf <strong>in</strong> zweifacher Weise zu Leibe, nämlich durch „Aufsuchen der<br />
jungen N<strong>es</strong>twölfe“ und durch „Treibjagden <strong>bei</strong> frisch gefallenem Schnee.“<br />
So verfügt die Königliche Regierung den 17. April 1820 an die Landräte und Oberförster:<br />
„Mir Bezugnahme auf die rücksichtlich der Wolfsjagden von <strong>uns</strong> gegebenen B<strong>es</strong>timmungen<br />
fordern wir Sie auf, die Wolfsjäger d<strong>es</strong> dortigen <strong>Kreis</strong><strong>es</strong> von der Mitte d<strong>es</strong> künftigen Monats<br />
an zur Aufsuchung der N<strong>es</strong>twölfe zu veranlassen. Di<strong>es</strong> kann am füglichsten durch öfter<strong>es</strong><br />
Durchtreiben derjenigen Waldbezirke g<strong>es</strong>chehen, wo man vorzugsweise junge <strong>Wölfe</strong><br />
erwartet, so wie denn auch verschiedene mit der Lokalität vertraute Männer aus den Dörfern<br />
zu wählen s<strong>in</strong>d, welche die Nachsuchung mit Erfolg vornehmen können. Alle übrigen dah<strong>in</strong><br />
führenden zweckmäßigen Maßregeln, welche von örtlichen Verhältnissen abhängen, s<strong>in</strong>d den<br />
Wolfsjägern zu überlassen, denen die ung<strong>es</strong>äumte Ausführung di<strong>es</strong>er B<strong>es</strong>timmung recht
angelegentlich zu empfehlen ist. Wir haben di<strong>es</strong>e B<strong>es</strong>timmung durch das Amtsblatt zur<br />
Kenntnis d<strong>es</strong> Publikums gebracht und die Jagdpflichtigen angewi<strong>es</strong>en, für zweckmäßige<br />
Ausführung vorstehender Maßregeln kräftigst mitzuwirken, wovon das eigene B<strong>es</strong>te der<br />
Viehb<strong>es</strong>itzer abhängt. E<strong>in</strong>e derartig sorgfältige Aufsuchung der jungen <strong>Wölfe</strong> ist erfolgreicher<br />
als die W<strong>in</strong>terjagden, wo<strong>bei</strong> im Fall d<strong>es</strong> Gel<strong>in</strong>gens nur e<strong>in</strong>zelne <strong>Wölfe</strong> erlegt, – hier aber im<br />
glücklichsten Fall ganze Familien di<strong>es</strong>er Raubtiere vernichtet werden. Durch die von den<br />
Landräten d<strong>es</strong> hi<strong>es</strong>igen Departements mit so vielem Eifer geförderten Wolfsjagden, sowie<br />
durch die Tätigkeit d<strong>es</strong> Königlichen Forstpersonals s<strong>in</strong>d die <strong>Wölfe</strong> seit e<strong>in</strong>igen Jahren schon<br />
w<strong>es</strong>entlich verm<strong>in</strong>dert worden, und <strong>es</strong> s<strong>in</strong>d daher nur <strong>noch</strong> e<strong>in</strong>ige Anstrengungen <strong>in</strong> di<strong>es</strong>er<br />
H<strong>in</strong>sicht nötig, um die Viehheerden d<strong>es</strong> Land<strong>es</strong> von solchen Fe<strong>in</strong>den völlig zu sichern.“ Die<br />
<strong>in</strong> den letzten Worten ausg<strong>es</strong>prochene Erwartung ist aber nicht e<strong>in</strong>getroffen. Denn zwei Jahre<br />
später, im Juli 1822, erlaßt die Regierung an den Forst<strong>in</strong>spektor Bartikow folgende<br />
energischere Verfügung: „Wir fordern Sie auf, unausg<strong>es</strong>etzt und schleunigst alle nur möglichen<br />
Maßregeln anzuwenden, um die <strong>in</strong> den Rügenwald<strong>es</strong>chen Forsten und Umgegend sich<br />
jetzt häufig e<strong>in</strong>gefundenen <strong>Wölfe</strong> zu vertilgen, damit die Viehheerden der dortigen Landleute<br />
nicht dem ihr so gefährlichen Raubzeuge preisgegeben werden. Wo nur irgend die <strong>Wölfe</strong><br />
vermutet werden, s<strong>in</strong>d Jagden anzustellen, und ist all<strong>es</strong> aufzubieten, um e<strong>in</strong>en glücklichen<br />
Erfolg her<strong>bei</strong>zuführen, so schwierig di<strong>es</strong> <strong>in</strong> der gegenwärtigen Jahr<strong>es</strong>zeit se<strong>in</strong> wird, wo der<br />
Wolf im Getreide Schutz f<strong>in</strong>det. B<strong>es</strong>onders ist dort das Aufsuchen der jungen <strong>Wölfe</strong> zu<br />
versuchen und die Nachstellung derselben eifrig zu betreiben. B<strong>in</strong>nen vier Wochen wird Ihre<br />
Anzeige erwartet, was di<strong>es</strong>erhalb <strong>in</strong> jedem Revier g<strong>es</strong>chehen ist.“ E<strong>in</strong>e gleiche Verfügung<br />
erhielt auch der Oberförster We<strong>in</strong>reich <strong>in</strong> Neubuckow mit dem Bemerken, daß bis Ende Juli<br />
im Althäger Revier, wo die <strong>Wölfe</strong> <strong>in</strong> der Regel ihren Wechsel haben, wenigstens drei Jagden<br />
abgehalten werden sollen. Leider s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e Aufzeichnungen über den Erfolg di<strong>es</strong>er Jagden<br />
auf N<strong>es</strong>twölfe zu f<strong>in</strong>den gew<strong>es</strong>en. Zu groß ist er jedenfalls nicht gew<strong>es</strong>en, denn am 2. Juni<br />
1825 ergehen ähnliche strenge Verfügungen.<br />
Aus e<strong>in</strong>er Reihe mir vorliegender Verfügungen und Reglements können wir <strong>uns</strong> e<strong>in</strong> genau<strong>es</strong><br />
Bild machen, wie die w<strong>in</strong>terlichen Treibjagden vor sich g<strong>in</strong>gen.<br />
Die Jagd wurde auf verschiedene Weise ausgeübt. Sehr beliebt war die Anwendung d<strong>es</strong><br />
„Wolfszeug<strong>es</strong>“, welch<strong>es</strong> aus m<strong>in</strong>d<strong>es</strong>tens sechs Netzen und vierzig Bündeln Lappen b<strong>es</strong>tand.<br />
Das Wild wurde <strong>in</strong> die Netze getrieben und dann getötet. Demselben Zwecke dienten die<br />
Wolfsgruben, die man <strong>noch</strong> hier und da, z. B. im Revier Altkrakow f<strong>in</strong>det. Die Jagden<br />
nahmen ihren Anfang, wenn der erste Schnee im Dezember gefallen war. Dann erschien bald<br />
<strong>noch</strong> Mitternacht – so haben <strong>uns</strong>ere Leute von ihren Großvätern gehört – der Haideläufer<br />
(Förster), klopfte an das Hoftor und rief: „ Aufstehen ! Antreten zur Wolfsjagd auf der<br />
Oberförsterei !“Waren die Mannen g<strong>es</strong>ammelt, dann übernahm der „Wolfsjäger“ die Leitung<br />
d<strong>es</strong> ganzen großartigen Apparat<strong>es</strong>. Er hatte schon vorher angeordnet, wie viel Leute, Pferde<br />
und Wagen für die Jagd zur Stelle se<strong>in</strong> müßten. Die nötigen Meldungen über den Aufenthalt<br />
der <strong>Wölfe</strong> wurden dem Wolfsjäger durch die „Spurreiter“ überbracht. Mit di<strong>es</strong>em Amte<br />
wurden meist die Dorfschulzen betraut. Den Wolfsjäger hatten ferner <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie die<br />
Forstbeamten d<strong>es</strong> Bezirk<strong>es</strong>, welche ebenfalls beritten waren, mit Rat und Tat zu unterstützen.<br />
Die umliegenden Ortschaften stellten 6 – 12 „Jagdläufer“, die sich mehrere Tage mit Mundvorrat<br />
zu versehen hatten. <strong>Als</strong> Waffen führte man allerhand Mordwerkzeuge mit sich, wie<br />
Mist<strong>gab</strong>eln, Spieße, Säbel und Eisz<strong>in</strong>ken. Aber <strong>es</strong> <strong>gab</strong> auch Waffen, die nur der Wolfsjagd<br />
dienten und auf jedem Bauernhofe vorhanden se<strong>in</strong> mußten. So zeigte mir der Altsitzer<br />
Ferd<strong>in</strong>and Lau <strong>in</strong> Event<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e richtige „Wolfaxt“, die sich unter altem Hausrate vorgefunden.<br />
Sie war so e<strong>in</strong>gerichtet, daß sie zugleich als Waffe und als „Krückstock“ dienen konnte. In<br />
den Stiel waren die Buchstaben C H L d. h. Christian Lau e<strong>in</strong>g<strong>es</strong>chnitzt. Sonst war die Axt<br />
auffallend kle<strong>in</strong>, die Schneide kaum 12 Zentimeter lang.<br />
Die Pieke, etwa 30 Zentimeter lang, hatte ungefähr die Form der alten Nachtwächterspieße<br />
mit langer scharfer Spitze. Mit all solchen Waffen ausgerüstet erschienen etwa 130
Jagdläufer, um Isegrimm <strong>in</strong> die Netze zu treiben. Nachdem alle Leute namentlich aufgerufen,<br />
be<strong>gab</strong> man sich unter dem größten Stillschweigen zum Jagdgebiete. <strong>Der</strong> Wolfsjäger umritt<br />
zunächst das Waldstück, <strong>in</strong> dem die <strong>Wölfe</strong> f<strong>es</strong>tliegen sollten, um sich nach frischen Spuren<br />
umzusehen. Waren solche nicht beobachtet worden, also der Wolf <strong>noch</strong> <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Lager, so<br />
hatten die Jagdläufer unter dem W<strong>in</strong>de mit Lappen den Bezirk e<strong>in</strong>zuspannen. Darauf wurden<br />
die Netze g<strong>es</strong>tellt und die Treiber und Schützen nahmen den angewi<strong>es</strong>enen Platz e<strong>in</strong>. E<strong>in</strong><br />
Schuß zeigte den Beg<strong>in</strong>n d<strong>es</strong> Treibens an, das die Richtung auf die Netze nahm. Die Lappen<br />
kamen den <strong>Wölfe</strong>n so unheimlich vor, daß sie sehr selten ausbrachen, dagegen <strong>in</strong> die Netze<br />
liefen, wo sie mit leichter Mühe von den Treibern erschlagen wurden. So folgte e<strong>in</strong> Treiben<br />
dem andern, bis man allen <strong>Wölfe</strong>n den Garaus bereitet hatte oder zu haben glaubte. Große<br />
Freude herrschte, wenn man alte bekannte Viehräuber zur Strecke gebracht. Die Felle mußten<br />
an das Hofjägeramt <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> abgeliefert werden. Die Wolfsjäger und Erleger d<strong>es</strong> Tier<strong>es</strong><br />
erhielten Geldprämien.<br />
Man hätte me<strong>in</strong>en sollen, daß <strong>uns</strong>ere Bauern sich mit Freude und Eifer an di<strong>es</strong>en Jagden<br />
beteiligt hätten, da <strong>es</strong> sich doch um den Schutz ihrer Heerden handelte. Da aber die<br />
Anforderungen, die an die E<strong>in</strong>zelnen g<strong>es</strong>tellt wurden, oft sehr lästig waren, und die<br />
angewandten Kosten und Mühen vielfach nicht dem ger<strong>in</strong>gen Erfolge entsprachen, so suchten<br />
sich die Ortschaften gern di<strong>es</strong>er Last unter Vorwänden aller Art zu entziehen. Daher mußte<br />
die Regierung mit strengen Strafandrohungen vorgehen. Vor mir liegt e<strong>in</strong>e Verordnung vom<br />
10. Dezember 1817, <strong>in</strong> der <strong>in</strong> 15 Paragraphen Strafen von 8 Silbergroschen bis 10<br />
Reichstalern angedroht werden, e<strong>in</strong>mal für die Säumigen und Drückeberger, aber auch für die<br />
unbefugten Neugierigen, die durch ihr Mitbummeln die Jagd stören. Da die Verordnung zu<br />
umfangreich ist, sei wenigstens e<strong>in</strong>ig<strong>es</strong> hier mitgeteilt: K<strong>in</strong>der unter 16 Jahren und Frauen<br />
s<strong>in</strong>d gänzlich ausg<strong>es</strong>chlossen; ohne Waffe – wenigstens muß <strong>es</strong> e<strong>in</strong>e „Landsturmlanze“ se<strong>in</strong> –<br />
darf ke<strong>in</strong>er ersche<strong>in</strong>en; mit e<strong>in</strong>em Schießgewehr nur die dazu Berechtigten; <strong>in</strong> der ganzen<br />
Jagdperiode darf ke<strong>in</strong> Dorfbewohner von den Waldwegen abgehen oder Holz fällen; ke<strong>in</strong>er<br />
darf im Walde so lauf sprechen, daß <strong>es</strong> auf 30 Schritte gehört werden kann; ist der Wolf<br />
erlegt, darf ke<strong>in</strong>er zustürzen, weil man sich mit den Lanzen gegenseitig aufspießen könne. Die<br />
größten Strafen treffen die Widerspenstigen, die während der Jagd den Gehorsam verweigern<br />
(bis 10 Thaler !) und die Spurreiter, die <strong>es</strong> unterlassen haben, e<strong>in</strong>e aufgefundene Spur<br />
rechtzeitig anzumelden (5 Thaler).<br />
Nun macht ke<strong>in</strong> Wolf mehr <strong>uns</strong>ere Heimat <strong>uns</strong>icher. Nur h<strong>in</strong> und wieder erzählt Großvater im<br />
Altsitzerstübchen, wie se<strong>in</strong> Vater an di<strong>es</strong>en Jagden teilgenommen, die nicht ohne Gefahr<br />
waren und darum e<strong>in</strong><strong>es</strong> gewissen Reiz<strong>es</strong> nicht entbehrten.<br />
Aus „Bote vom <strong>Pommern</strong>strand – Sonntagsblatt der Synode Rügenwalde (1911/2-6)“.