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Fokus<br />
Mit S<strong>ch</strong>merzen leben<br />
Wird der S<strong>ch</strong>merz vom Warnsignal zur eigentli<strong>ch</strong>en Krankheit, so ist das<br />
für die Betroffenen belastend. Verständli<strong>ch</strong>, dass die ständigen S<strong>ch</strong>merzen<br />
auf das Gemüt s<strong>ch</strong>lagen und die Lebensqualität abnimmt.<br />
«Wie gehts?» Eine freundli<strong>ch</strong> gemeinte Begrüssungsfloskel.<br />
Man<strong>ch</strong>mal bereut man diese kleine Gefälligkeit jedo<strong>ch</strong><br />
s<strong>ch</strong>on kurz na<strong>ch</strong>dem sie aus dem Mund ges<strong>ch</strong>lüpft ist.<br />
Zum Beispiel dann, wenn das Gegenüber ri<strong>ch</strong>tig loslegt<br />
und über die S<strong>ch</strong>merzen, das Leiden, ja über das ganze triste<br />
Dasein klagt. Man kann es den Betroffenen ni<strong>ch</strong>t verübeln.<br />
Wer ständig S<strong>ch</strong>merzen hat, vermag an kaum etwas<br />
anderes zu denken. S<strong>ch</strong>merzt der Körper, so leidet die Seele<br />
unweigerli<strong>ch</strong> mit. S<strong>ch</strong>merz empfinden wir meist als<br />
negative Empfindung, und denno<strong>ch</strong> ist er für Mens<strong>ch</strong> und<br />
Tier unerlässli<strong>ch</strong>. Der S<strong>ch</strong>merz ma<strong>ch</strong>t uns auf eine Verletzung,<br />
eine Funktionsstörung oder einen Krankheitsherd im<br />
Körper aufmerksam und ermögli<strong>ch</strong>t die entspre<strong>ch</strong>enden<br />
Vorkehrungen zu treffen. S<strong>ch</strong>merz hat somit eine wi<strong>ch</strong>tige<br />
Warnfunktion für den Mens<strong>ch</strong>en. Bei <strong>ch</strong>ronis<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>merzen<br />
ist dies jedo<strong>ch</strong> anders – der S<strong>ch</strong>merz wird zur eigentli<strong>ch</strong>en<br />
Krankheit. Für viele Betroffene bedeutet dies einen<br />
enormen Verlust an Lebensqualität, der bis hin zur Depression<br />
oder zur sozialen Isolation führen kann. Wer einen<br />
Kunden berät, der an dauernden S<strong>ch</strong>merzen leidet, hat<br />
einen Mens<strong>ch</strong>en vor si<strong>ch</strong>, dessen Gefühlswelt ziemli<strong>ch</strong> aus<br />
dem Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>t geraten ist.<br />
Die S<strong>ch</strong>merzwahrnehmung<br />
Das Nervensystem ermögli<strong>ch</strong>t die Wahrnehmung von<br />
S<strong>ch</strong>merzen, wobei spezialisierte Nervenzellen in der Haut<br />
und au<strong>ch</strong> in inneren Organen (Nozizeptoren) diese Reize<br />
ins Gehirn weiterleiten. Wird zum Beispiel die Haut von<br />
einem Messer, einer Hitzequelle oder einer Säure verletzt,<br />
werden sofort die Nozizeptoren aktiviert. Je na<strong>ch</strong> Art des<br />
S<strong>ch</strong>merzreizes erfolgt die Weiterleitung zum Gehirn sehr<br />
s<strong>ch</strong>nell oder eher langsam. Die sensoris<strong>ch</strong>en Nervenzellen<br />
leiten den S<strong>ch</strong>merz ins Hinterhorn des Rückenmarks. Dort<br />
erfolgt die Vers<strong>ch</strong>altung auf weitere Neurone, wobei der<br />
10 d-<strong>inside</strong> 2/2011<br />
S<strong>ch</strong>merz mittels Neurotransmitter und Aktionspotenzial<br />
am S<strong>ch</strong>luss ins Gehirn gelangt. Die S<strong>ch</strong>merzverarbeitung<br />
ist in ganz speziellen Gehirnarealen lokalisiert. Als Antwort<br />
aktiviert der Körper das antinozizeptive System und produziert<br />
körpereigene Opioide wie Noradrenalin, Serotonin<br />
und Endorphine. Diese haben einen modulierenden Effekt<br />
auf die S<strong>ch</strong>merzweiterleitung im Rückenmark und bewirken,<br />
dass die S<strong>ch</strong>merzs<strong>ch</strong>welle gehoben wird. Bleibt der<br />
S<strong>ch</strong>merzreiz allerdings dauernd bestehen, kommt es zu<br />
Veränderungen bei den nozizeptiven Neuronen im Rückenmark.<br />
Dauernde oder lang anhaltende Neuronenaktivität<br />
führt zu einer Überstimulierung der Nervenfasern, wobei<br />
die produzierten Signalmoleküle (Substanz P, Prostaglandine<br />
und Calcitonin) längerfristig zu einer S<strong>ch</strong>merzüberempfindli<strong>ch</strong>keit<br />
führen. Eine sol<strong>ch</strong>e Erregbarkeitssteigerung<br />
ist oft ein erster S<strong>ch</strong>ritt hin zum <strong>ch</strong>ronis<strong>ch</strong>en<br />
Dauers<strong>ch</strong>merz.<br />
Die S<strong>ch</strong>merzarten<br />
Bei der Einteilung der S<strong>ch</strong>merzformen muss deshalb die<br />
S<strong>ch</strong>merzentstehung berücksi<strong>ch</strong>tigt werden. Während ein<br />
akuter S<strong>ch</strong>merz irgendwann wieder vorübergeht und die<br />
Ursa<strong>ch</strong>e klar definiert werden kann, ist die Handhabung<br />
und Einteilung der <strong>ch</strong>ronis<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>merzen wesentli<strong>ch</strong><br />
komplizierter:<br />
Chronis<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>merzen lassen si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t nur dur<strong>ch</strong> eine länger<br />
anhaltende Dauer <strong>ch</strong>arakterisieren. Hustet ein Patient<br />
seit über drei Wo<strong>ch</strong>en, spri<strong>ch</strong>t man von einer <strong>ch</strong>ronis<strong>ch</strong>en<br />
Bron<strong>ch</strong>itis, do<strong>ch</strong> hat ein Patient über drei Wo<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>merzen,<br />
kann man ni<strong>ch</strong>t von <strong>ch</strong>ronis<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>merzen spre<strong>ch</strong>en.<br />
Eine Berücksi<strong>ch</strong>tigung des S<strong>ch</strong>merz<strong>ch</strong>arakters ist hierbei<br />
also zusätzli<strong>ch</strong> wi<strong>ch</strong>tig. Hier zählt ni<strong>ch</strong>t nur die Dauer, sondern<br />
au<strong>ch</strong> der S<strong>ch</strong>merz<strong>ch</strong>arakter: Ein <strong>ch</strong>ronis<strong>ch</strong>er S<strong>ch</strong>merz<br />
dauert länger als die zu erwartende Heilperiode einer ›<br />
Besonders <strong>ch</strong>ronis<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>merzen lassen si<strong>ch</strong> meistens<br />
ni<strong>ch</strong>t so einfa<strong>ch</strong> aus dem Leben s<strong>ch</strong>ieben.<br />
Die ri<strong>ch</strong>tige Therapie hilft jedo<strong>ch</strong>, sie lei<strong>ch</strong>ter zu ertragen.<br />
Fokus<br />
Foto: panthermedia.net<br />
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