Programmheft - Junge Symphoniker Hamburg
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Robert Schumanns Kindheit war durch seinen<br />
Vater, den Autor und Verlagsunternehmer<br />
August Schumann, geprägt. Sein Einfluss und<br />
seine hohe literarische Bildung führten dazu,<br />
dass sich Schumann ebenfalls als Schriftsteller<br />
von Erzählfragmenten versuchte, die<br />
wechselseitig wiederum viele seiner Kompositionen<br />
prägten. Auch die Manfred-Ouvertüre<br />
zeigt die poetische Qualität von Schumanns<br />
musikschriftstellerischer Arbeit. Die Musik zu<br />
Lord Byrons Manfred entstand in den Jahren<br />
1848-1849. Mit diesem dramatischen Gedicht<br />
wollte Schumann etwas „ganz Neues und Unerhörtes“<br />
schreiben. Obwohl das Werk neben<br />
der Ouvertüre noch 15 weitere Stücke für Orchester,<br />
Chor und Solisten umfasst, hat es nur<br />
die Ouvertüre zu Bekanntheit gebracht. Diese<br />
wurde im März 1852 unter der Leitung des<br />
Komponisten in Leipzig uraufgeführt; der gesamte<br />
Stückereigen wurde drei Monate später<br />
von Franz Liszt in Weimar inszeniert.<br />
In einem düsteren Alpenschloss sucht Manfred<br />
vergeblich seine Ruhe. Er beschwört Geister,<br />
die ihm die Vision einer Frauengestalt vorgaukeln.<br />
Von Sehnsucht erfasst, fällt Manfred in<br />
Ohnmacht. Die Geister sprechen den Bann aus:<br />
Er soll weder durch Schlaf noch durch den Tod<br />
von seinen Qualen erlöst werden. Wieder bei<br />
Bewusstsein findet sich Manfred in einer Gebirgswelt<br />
wieder. Ein Jäger reißt ihn im letzten<br />
Augenblick vom Tod versprechenden Abgrund<br />
zurück. Der Grund des Fluchs wird im Gespräch<br />
offenbart: eine verbotene, inzestuöse<br />
Liebe, mit der Manfred die geliebte Astarte ins<br />
Verderben stürzte. Die Hilfe des Jägers schlägt<br />
er aus. Eine Fee verspricht ihm Erlösung, wenn<br />
er sich unterordnet. Manfred jedoch wehrt<br />
heftig und vermessen ab.<br />
Dafür ruft er Nemesis und Ariman an, die<br />
Robert Schumann<br />
(1810 – 1856)<br />
Manfred-Ouvertüre Es-Dur<br />
op. 115<br />
ihm die tote Astarte zeigen. Ihr Scheinbild<br />
verkündet seinen Tod.<br />
Auf der Burg wartet Manfred in einem Gefühl<br />
des Friedens auf sein Ende. Der Abt eines<br />
Klosters erscheint, um ihn zum Glauben<br />
zurückzuführen. Manfred weist ihn und auch<br />
den Geist, der sich als Manfreds Genius ausgibt,<br />
ab: «Wie ich lebte, sterbe ich – allein!»<br />
Die Ouvertüre gestaltet intensiv die tiefe Verzweiflung<br />
aus Byrons Werk: Auf drei außergewöhnliche<br />
Akkorde folgt die schmerzerfüllte,<br />
chromatische Melodie der Oboen und<br />
zweiten Violinen. Durch Dopplungen baut<br />
Schumann mithilfe des ganzen Orchesters<br />
eine düstere Stimmung auf, bis Manfreds<br />
Leidenschaft nicht länger zurückgehalten<br />
werden kann und er sich der Verzweiflung ergibt.<br />
Diese wird nur gelegentlich durch kurze<br />
lyrische Fragmente in Dur durchbrochen –<br />
gibt es trotz der unerbittlichen Situation noch<br />
Hoffnung? Manfreds Energie ist schließlich<br />
erschöpft: Choral-ähnliche Fragmente in der<br />
Bassstimme und isolierte Holzbläserakkorde<br />
werden durch einen gedrängten Kommentar<br />
der tieferen Streicher begleitet. Während die<br />
schmerzvolle Jagd anhält, wird die der Ouvertüre<br />
zu Grunde liegende Tonart es-Moll<br />
(die Vorzeichnung Es-Dur wird eigentlich nie<br />
beachtet) durch eine lange Aufeinanderfolge<br />
von es-Moll Akkorden wiederhergestellt, gegen<br />
die das unruhige Violinenmotiv am Ende<br />
seine Energie verliert, als die Oboenmelodie<br />
des Anfangs wiederkehrt.<br />
Nach den Proben saß so mancher der <strong>Junge</strong>n<br />
<strong>Symphoniker</strong> Manfreds sehnenden Ruf<br />
„Astarte!“ summend in der Kneipe – können<br />
auch Sie ihn in der musikalischen Dichtung<br />
diese Silben seufzen hören?<br />
Nicola Otten