Unehrliche Mitarbeiter – was tun? - Sabine Olschner
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Wirtschaft und Politik Wirtschaftskriminalität<br />
<strong>Unehrliche</strong> <strong>Mitarbeiter</strong> <strong>–</strong> <strong>was</strong> <strong>tun</strong>?<br />
Das Verschwinden von Kugelschreibern aus dem Materialbestand mag ja noch<br />
harmlos sein. Sobald es allerdings um Geldbeträge oder Waren in grösserem Umfang geht,<br />
besteht dringend Handlungsbedarf.<br />
Vor Wirtschaftskriminalität ist keiner<br />
gefeit <strong>–</strong> kleine und mittelständische<br />
Unternehmen ebenso wenig wie Grosskonzerne.<br />
Der Schaden, welcher der Schweizer<br />
Wirtschaft durch kriminelle Delikte entsteht,<br />
wird nach dem «Bericht der inneren<br />
Sicherheit der Schweiz» aus dem Jahre<br />
2003 auf zwei bis vier Prozent des<br />
Bruttoinlandsproduktes geschätzt. Dies<br />
entspricht mehr als acht Milliarden<br />
Schweizer Franken. Keine Peanuts also,<br />
die den Unternehmern Jahr für Jahr verloren<br />
gehen. Dabei trifft es bei weitem<br />
nicht immer nur «die anderen», wie eine<br />
Vielzahl von Firmeninhabern glaubt.<br />
Wirtschaftskriminalität ist ein Risiko, das<br />
viele unterschätzen <strong>–</strong> und oft sitzt der<br />
Verursacher in den eigenen Reihen: In<br />
84 Prozent aller Fälle sind laut einer Studie<br />
der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft<br />
KPMG Schweiz die Täter in der Belegschaft<br />
zu finden.<br />
Bestechung und Korruption vor<br />
Datendiebstahl<br />
Schecks werden gefälscht, Forschungsergebnisse<br />
an Wettbewerber verkauft, Kundendaten<br />
bei Ausscheiden eines <strong>Mitarbeiter</strong>s<br />
entwendet ... Die Liste der<br />
Straftaten, die von den eigenen <strong>Mitarbeiter</strong>n<br />
begangen werden und ein Unternehmen<br />
schwer schädigen können, ist<br />
lang. Am häufigsten kommt es laut<br />
KPMG Forensic, die sich mit dem Thema<br />
Wirtschaftskriminalität befassen, zu<br />
Betrugsdelikten, wie der Veruntreuung<br />
von Unternehmenswerten oder der Fälschung<br />
von Unternehmensergebnissen.<br />
An zweiter Stelle stehen Bestechung und<br />
Korruption, gefolgt von Datendiebstahl<br />
und der Verletzung von Urheberrechten.<br />
«In kleineren Unternehmen geht es meist<br />
um Unterschlagung von Geld», so die<br />
Erfahrung von Anne van Heerden, Leiter<br />
der KPMG-Abteilung Forensic Schweiz.<br />
«Im Einkauf oder in der Buchhal<strong>tun</strong>g ist<br />
meist nur eine Person tätig, die nicht <strong>–</strong><br />
wie in grösseren Unternehmen via Funk-<br />
22 kmu business<br />
tionentrennung <strong>–</strong> von einem Kollegen<br />
oder einem Team kontrolliert wird. Die<br />
Möglichkeit zu betrügen, ist bei solchen<br />
Strukturen grösser.»<br />
Kontrollsysteme einführen<br />
Vor allem für Inhaber kleiner und mittelständischer<br />
Unternehmen ist es daher<br />
besonders wichtig, Schwachstellenanalysen<br />
für ihre Firma zu erstellen: Wo liegen<br />
die grössten Risiken? Inwiefern beeinflussen<br />
Unternehmenskultur und Organisationsstruktur<br />
das Betrugsrisiko? Welche<br />
Kontrollsysteme können eingeführt<br />
werden, um Betrügereien zu minimieren?<br />
Welche Kommunikationswege gibt<br />
es für die <strong>Mitarbeiter</strong>, um einen Verdacht<br />
zu äussern, und wie kann das Management<br />
diesem Verdacht effektiv auf den<br />
Grund gehen?<br />
«Es ist Aufgabe der Unternehmensführung,<br />
sich zu überlegen, welche Anreize<br />
im Betriebsalltag gegeben sind,<br />
sich falsch zu verhalten», so Professor Josef<br />
Wieland, Leiter des Konstanz Instituts<br />
für Wertemanagement, im Unternehmermagazin<br />
ProFirma. «Das können<br />
Abrechnungsprozesse sein, die nicht<br />
kontrolliert werden, oder Provisionssysteme,<br />
die falsches Verhalten der <strong>Mitarbeiter</strong><br />
belohnen.» Denn Gelegenheit<br />
macht bekanntlich Diebe. «Die wenigsten<br />
Täter handeln aus einer Notsituation<br />
heraus», ist auch die Erfahrung von Anne<br />
van Heerden. «Vielmehr sind es zum<br />
grossen Teil Bereicherungstäter, die nach<br />
Anerkennung streben oder ihre Frustration<br />
<strong>–</strong> zum Beispiel weil sie bei einer<br />
Beförderung übergangen worden sind <strong>–</strong><br />
an der Firma auslassen.» KPMG Forensic<br />
empfiehlt in diesem Zusammenhang,<br />
einen Notfallplan, den so genannten<br />
Fraud Response Plan, und einen Verhaltenskodex<br />
im Unternehmen einzuführen,<br />
der sich mit unehrlichem und unredlichem<br />
Verhalten auseinandersetzt<br />
und allen <strong>Mitarbeiter</strong>n kommuniziert<br />
wird. Kriminalität darf nicht zum Tabuthema<br />
gemacht werden.<br />
Ehrlichkeit demonstrieren<br />
Wichtig ist auch, dass der Firmeninhaber<br />
seinen <strong>Mitarbeiter</strong>n ein ehrliches Verhalten<br />
vorlebt: «Wer als Chef ständig seine<br />
Gattin auf Geschäftsreisen mitnimmt, regelmässig<br />
seinen Garten von <strong>Mitarbeiter</strong>n<br />
bestellen lässt und nur in teuren Hotels<br />
absteigt, darf sich nicht wundern, wenn<br />
<strong>Mitarbeiter</strong> ebenfalls eine ,grosszügige‘<br />
Hal<strong>tun</strong>g gegenüber dem Firmeneigentum<br />
einnehmen», so Josef Wieland. Ein<br />
nettes Betriebsklima, gute Kundenbeziehungen<br />
und ein <strong>–</strong> vermeintlich <strong>–</strong> sicheres<br />
EDV-System sind eben noch kein Garant<br />
für die Ehrlichkeit der <strong>Mitarbeiter</strong>.<br />
Prävention beginnt schon bei der<br />
Auswahl der <strong>Mitarbeiter</strong>. Bevor ein neuer<br />
Kollege eingestellt wird, sollte die Personalabteilung<br />
seinen Hintergrund überprüfen:<br />
Eine einfache Google-Recherche<br />
im Internet bringt manchmal unerwartete<br />
Informationen an den Tag. Referenzen,<br />
die in der Bewerbung genannt sind, sollte<br />
man auch nutzen <strong>–</strong> nämlich um weitere<br />
Auskunftspersonen zu finden, die der<br />
Kandidat nicht genannt hat. Erneut <strong>Mitarbeiter</strong><br />
zu rekrutieren, wenn sich herausstellt,<br />
dass sich hinter dem neuen Kollegen<br />
ein schwarzes Schaf verborgen hat, ist<br />
teurer, als von vornherein bei der Personalauswahl<br />
Vorsicht walten zu lassen.<br />
Der vertrauliche Umgang mit Passwörtern<br />
sollte ebenso zur Selbstverständlichkeit<br />
werden wie die Wahrung von<br />
Geschäftsgeheimnissen. Plaudern <strong>Mitarbeiter</strong><br />
auf dem Nachhauseweg in der<br />
Bahn über Interna aus ihrem Unternehmen,<br />
können Informationen schnell in<br />
falsche Hände geraten. Spesenabrechnungen<br />
enthalten gern auch mal private<br />
Ausgaben <strong>–</strong> daher muss die Buchhal<strong>tun</strong>g<br />
ein gutes Auge haben und die Abrechnungen<br />
streng kontrollieren. Auch bei<br />
neuen Lieferanten sollte sichergestellt<br />
sein, dass sie nicht über persönliche Beziehungen<br />
ausgewählt wurden, sondern<br />
über ein ordentliches Ausschreibungsverfahren.<br />
Denn, wer garantiert dem Firmenchef,<br />
dass der Lieferant und sein<br />
<strong>Mitarbeiter</strong> und Firmeninhaber sollten aufmerksam werden, wenn sich ein Kollege auffällig verhält.<br />
Wirtschaftskriminalität Wirtschaft und Politik<br />
Freund im Unternehmen nichts Kriminelles<br />
im Schilde führen <strong>–</strong> oder dass sich<br />
hinter dem Lieferanten vielleicht sogar<br />
eine Unterfirma des eigenen <strong>Mitarbeiter</strong>s<br />
verbirgt?<br />
Aufschluss über Missverhältnisse im<br />
Unternehmen können auch Gespräche<br />
mit ausscheidenden <strong>Mitarbeiter</strong>n geben.<br />
Eventuell kommen dadurch wichtige Informationen<br />
ans Licht, von dem der Unternehmer<br />
bisher nichts geahnt hat: Fehlverhalten<br />
von Kollegen, schlechtes<br />
Arbeitsklima in einer Abteilung oder<br />
Unregelmässigkeiten, die sich der <strong>Mitarbeiter</strong><br />
zuvor nicht zu melden getraut hat.<br />
Alle Branchen betroffen<br />
Dass Wirtschaftskriminalität ein Problem<br />
über alle Branchen hinweg ist,<br />
zeigt eine Umfrage der PricewaterhouseCoopers<br />
Forensic Services. Demnach<br />
ist der Gross- und Einzelhandel am<br />
häufigsten betroffen, gefolgt von Unternehmen,<br />
die in der Finanzdienstleis<strong>tun</strong>g<br />
tätig sind. Wo Waren- und Geldtransaktionen<br />
an der Tagesordnung sind, scheint<br />
die Versuchung der <strong>Mitarbeiter</strong>, sich zu<br />
bereichern, besonders gross. Auch Produktions-,<br />
Technologie- und Dienstleis<strong>tun</strong>ternehmen<br />
sind häufig Opfer von<br />
Wirtschaftskriminalität <strong>–</strong> in der Schweiz<br />
allerdings weniger als im weltweiten<br />
Durchschnitt, wie die Pricewaterhouse-<br />
Coopers-Studie herausfand.<br />
Der finanzielle Verlust, den ein Unternehmen<br />
durch kriminelle Delikte erleidet,<br />
ist jedoch nur das eine. Das andere<br />
ist der Imageschaden, der durch solche<br />
Delikte entsteht und ein Unternehmen<br />
unter Umständen in noch viel grösserem<br />
Ausmass belasten kann. Wenn es<br />
sich erst einmal unter den Kunden herumgesprochen<br />
hat, dass in einer Firma<br />
nicht alles mit rechten Dingen zugeht,<br />
ist es unter Umständen bis zum Ende<br />
des Geschäftsverhältnisses nicht mehr<br />
weit. Der gute Ruf ist schnell dahin,<br />
ebenso wie die Arbeitsmoral der <strong>Mitarbeiter</strong>,<br />
die an ihrem Arbeitgeber und<br />
kmu business 23
Wirtschaft und Politik Wirtschaftskriminalität<br />
Die Liste der Straftaten, die von den eigenen <strong>Mitarbeiter</strong>n begangen werden und ein Unternehmen schwer<br />
schädigen können, ist lang.<br />
vielleicht auch an sich selbst zweifeln,<br />
weil sie den Verstoss nicht früher erkannt<br />
haben. Alles zusammen kann ein kleineres<br />
Unternehmen schnell an die Grenzen<br />
seiner Belastbarkeit bringen.<br />
Was <strong>tun</strong>, wenn der Verdacht aufkommt,<br />
dass ein <strong>Mitarbeiter</strong> betrügerisch<br />
gehandelt hat? «Der Unternehmer sollte<br />
nicht versuchen, selber Beweismittel zu<br />
suchen, sondern sofort professionelle<br />
Hilfe holen», rät Anne van Heerden. Das<br />
können zum Beispiel Forensic-Spezialisten<br />
sein, die sich mit IT auskennen, oder<br />
die Polizei. Wichtig ist, dass weder der<br />
Verdächtige noch sonst jemand die Computer<br />
des Unternehmens berührt, weil<br />
allein das Speichern oder das Herunterfahren<br />
bereits Daten verändern und damit<br />
Beweismittel zerstören kann. Vollmachten<br />
von Verdächtigen sollten<br />
widerrufen werden. Entlassungen sollte<br />
24 kmu business<br />
man jedoch nicht vorschnell ohne rechtliche<br />
und taktische Bera<strong>tun</strong>g vornehmen.<br />
Darüber hinaus müssten Unternehmen,<br />
bei denen ein grösserer Betrug ans Tageslicht<br />
kommt, damit rechnen, dass Medien<br />
Interesse an dem Fall zeigen, so van<br />
Heerden. Daher sollte die Koordination<br />
der internen und externen Kommunikation<br />
über eine einzige Stelle laufen, um<br />
das Unternehmen durch negative Berichterstat<strong>tun</strong>g<br />
nicht noch weiter in<br />
Schwierigkeiten zu bringen.<br />
Kein Unternehmer muss nun seinen<br />
<strong>Mitarbeiter</strong>n gegenüber übertriebenes<br />
Misstrauen an den Tag legen. Aber sensibel<br />
dafür zu sein, dass man grundsätzlich<br />
zum Opfer von Wirtschaftskriminalität<br />
werden könnte, und ein paar vernünftige<br />
Präventionsmassnahmen helfen bereits,<br />
das Betrugsrisiko im Unternehmen möglichst<br />
niedrig zu halten. |<br />
Ach<strong>tun</strong>g, Betrugsrisiko!<br />
Auch wenn es keine hundertprozentige<br />
Sicherheit gibt, einen Schaden zu verhin-<br />
dern, sollten <strong>Mitarbeiter</strong> und Firmeninhaber<br />
aufmerksam werden, wenn sich ein<br />
Kollege auffällig verhält.<br />
Folgende Verhaltensweisen definiert<br />
KPMG Forensic als «Red Flags», bei<br />
denen Vorsicht geboten ist:<br />
• Ein <strong>Mitarbeiter</strong> geht wenig oder nie in<br />
den Urlaub und macht unverhältnis-<br />
mässig viele Übers<strong>tun</strong>den.<br />
• Ein Kollege neigt zu Alkohol, Drogen<br />
oder Spielsucht.<br />
• Ein <strong>Mitarbeiter</strong> führt einen auffällig<br />
hohen Lebensstandard im Verhältnis zu<br />
seinem Lohn oder Gehalt.<br />
• Die Leis<strong>tun</strong>gen eines <strong>Mitarbeiter</strong>s sin-<br />
ken ohne ersichtlichen Grund.<br />
• Zwischen <strong>Mitarbeiter</strong> und Unterneh-<br />
mensführung kommt es zu Interessens-<br />
konflikten.<br />
• Akten oder Dokumentationen fehlen<br />
oder sind unvollständig.<br />
• Ein <strong>Mitarbeiter</strong> neigt zu ungewöhnli-<br />
chem Ausgabeverhalten.<br />
• In den Unterlagen gibt es unklare<br />
Buchungen, die bei Nachfrage sofort<br />
«korrigiert» werden.<br />
• Kontrollen über die Aktiven der Gesell-<br />
schaft fehlen<br />
• Es kommt zu unerklärlichen Bestands-<br />
zunahmen an Bargeld oder auf den<br />
Pendenzkonten.<br />
• Rechnungen von unbekannten Liefe-<br />
ranten gehen ein.<br />
• Bei der Inventur werden hohe Diffe-<br />
renzen festgestellt.<br />
• Kunden beschweren sich.<br />
• Angestellte, Revisoren oder andere Per-<br />
sonen warnen die Geschäftslei<strong>tun</strong>g vor<br />
bemerkten Unregelmässigkeiten.<br />
• Die Dinge im Unternehmen sehen zu<br />
gut aus, um wahr zu sein.<br />
Autorin<br />
<strong>Sabine</strong> <strong>Olschner</strong>