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Dezember - SFMM

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echanischer usik<br />

Ausgabe Nr. 112 • <strong>Dezember</strong> 2011<br />

Schrift: Bernhard Modern Std, Roman<br />

Überarbeitete Variante, eingemittet<br />

4. Juli 2011<br />

chweizer reunde<br />

Journal<br />

<strong>SFMM</strong><br />

■ Spieldosen, eine französische Erfindung ? ■ Herbstliche Reise in den Jura<br />

■ Zu Besuch bei Martin Zumbach ■ Retonio hat geheiratet !


2<br />

echanischer usik<br />

VORsTAND<br />

Schrift: Bernhard Modern Std, Roman<br />

Überarbeitete Variante, eingemittet<br />

4. Juli 2011<br />

IMPREssuM<br />

chweizer reunde<br />

Präsident<br />

André Ginesta<br />

Seestrasse 356, 8708 Männedorf<br />

Tel. 044 920 38 57<br />

E-mail: info@ginesta.ch<br />

Vizepräsident<br />

Max Gautschi<br />

Erlenweg 1, 5503 Schafisheim<br />

Tel. 062 891 96 07<br />

E-mail: max.gautschi@kakteen.ch<br />

Aktuar<br />

Edi Niederberger<br />

Rankweg 13, 4410 Liestal<br />

Tel. 061 921 48 64<br />

E-mail: info@drehorgel-werkstatt.ch<br />

Kassiererin<br />

Barbara Bürgler<br />

Zehntenstr. 31, 8800 Thalwil<br />

Tel. 044 720 78 09<br />

E-mail: barbara.buergler@bluewin.ch<br />

Redaktion<br />

Irina Selivanova, Hansjörg Surber<br />

Hunyadi köz 28, HU-8315 Gyenesdiás<br />

Tel. 0036 83 311 376<br />

E-mail: redaktion@sfmm.ch<br />

info@musikautomaten-ungarn.eu<br />

Druck<br />

Gutenberg Druck AG<br />

Mittlere Bahnhofstrasse 6<br />

8853 Lachen SZ<br />

Tel. 055 451 28 11<br />

Fax 055 451 28 12<br />

E-mail: info@gutenberg.ag<br />

Adressverwaltung<br />

Markus Bürgler<br />

Zehntenstr. 31, 8800 Thalwil<br />

Tel. 044 720 78 09<br />

E-mail: info@drehorgel.ch<br />

www.sfmm.ch<br />

Postadresse<br />

c/o André Ginesta<br />

Seestrasse 356, 8708 Männedorf<br />

Tel. 044 920 38 57<br />

E-mail: info@sfmm.ch<br />

Internet / E-mail<br />

Markus Bürgler<br />

Zehntenstrasse 31, 8800 Thalwil<br />

Tel. 044 720 78 09<br />

E-mail: info@drehorgel.ch<br />

1. Beisitzer<br />

Paul Fricker<br />

Rummelring 8, 5610 Wohlen<br />

Tel. 056 621 97 01<br />

E-mail: pmfricker@bluewin.ch<br />

2. Beisitzer<br />

Raphael Lüthi<br />

Kirchstrasse 7, D-79183 Waldkirch<br />

Tel. 0049 7681 493 70 27<br />

E-mail: dingdong5378@gmx.de<br />

Ehrenpräsident<br />

Fredy Künzle<br />

Bürgistrasse 5, 9620 Lichtensteig<br />

Tel. 071 988 37 66<br />

E-mail: musikmuseum@gmx.ch<br />

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Postcheckkonto : 85-667192-3<br />

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15.3.; 15.7.; 15.11.<br />

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Privatinserate für Mitglieder : gratis<br />

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1 Seite : CHF 180.–<br />

1/2 Seite : CHF 100.–<br />

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Beilagen : CHF 180.–<br />

Jährliche Mitgliederbeiträge<br />

Einzelmitglieder CHF 60.–<br />

Doppelmitglieder CHF 80.–<br />

Aufnahmebeitrag CHF 50.– / 60.–


Liebe Mitglieder<br />

Schon neigt sich wieder ein Jahr dem Ende<br />

zu, dabei hat es doch eben erst so richtig<br />

begonnen ! Geht es Euch manchmal auch<br />

so? Die Jahre scheinen immer mehr zu<br />

fliegen, je älter man wird, desto schneller.<br />

Dies hängt sicher damit zusammen, dass<br />

ein einzelnes Jahr in Relation des erlebten<br />

Lebens immer einen kleineren Prozentsatz<br />

ausmacht. Aber seien wir ehrlich, wir<br />

haben auch immer so viel vor, haben dauernd<br />

Termine, aber auch immer neue<br />

Ideen, die wir unbedingt verwirklichen<br />

müssen!<br />

Nun, hoffentlich geben die Feiertage uns<br />

die Möglichkeit, einen Moment innezuhalten<br />

und uns am Erreichten zu freuen. War<br />

da dieses Jahr nicht die erste Ausgabe des<br />

neuen Journals, die GV im Rebberg, viele<br />

Drehorgeltreffen bei tollem Wetter im<br />

Frühjahr und Herbst? Konnte der Vorstand<br />

Eure Erwartungen erfüllen? Wenn ja, dann<br />

ist dies Ansporn, auch das nächste Jahr<br />

mit Elan in Angriff zu nehmen.<br />

Nicht vergessen sei der Fernsehfilm der<br />

SRG in der Reihe NZZ Format. Frau<br />

Bischof schreibt mir, dass am 23. <strong>Dezember</strong><br />

2010 139 000 Personen die Sendung<br />

gesehen haben, was beachtlich sei, erfolgte<br />

die Ausstrahlung doch knapp vor<br />

Mitternacht. Auf 3Sat wurde die Sendung<br />

von 100 000 Deutschen und 20 000 Österreichern<br />

mitverfolgt!<br />

Der Vorstand ist gewillt, das Journal auszubauen,<br />

d. h. vermehrt Fachbeiträge zu<br />

publizieren. Ganz besonders wollen wir<br />

das Augenmerk auch auf Musikdosen richten.<br />

Es ist doch erstaunlich, wie in den<br />

USA, in Frankreich und vor allem in Grossbritannien<br />

geforscht wird hinsichtlich<br />

Schweizer Musikdosen. Zahlreiche Artikel<br />

und Bücher wurden über dieses Thema<br />

schon geschrieben. Und in der Schweiz ?<br />

Hier gibt es kaum eine Publikation neueren<br />

Datums, geschweige denn eine Diskussion.<br />

Editorial<br />

Wir haben uns bewusst die Erlaubnis geben<br />

lassen, einen Artikel, der dieses Jahr im<br />

Journal des englischen Vereins erschienen<br />

ist, zu übersetzen und in dieser Ausgabe<br />

abzudrucken. Er ist sicher etwas kontrovers,<br />

aber gerade dies sollte uns dazu bringen,<br />

uns mit der Materie zu beschäftigen<br />

und eine Diskussion auszulösen.<br />

Seit Jahren beobachte ich, dass sich die<br />

Engländer wirklich intensiv mit den Musikdosen<br />

befassen, aber auch einen Komplex<br />

haben, weil sie als Land der Ingenieure<br />

wirklich nichts mit der Erfindung und<br />

Entwicklung der Musikdose zu tun hatten.<br />

Sie waren wohl die besten Kunden, können<br />

es aber offenbar nicht verwinden, dass die<br />

kleine Schweiz hier führend war. Daher<br />

wird immer wieder versucht zu beweisen,<br />

dass nicht ein Schweizer der Erfinder gewesen<br />

sei, vor allem daher nicht Antoine<br />

Favre! Dabei wird von den Engländern ein<br />

ganz kleines Detail vergessen, nämlich<br />

dass Genf erst 1815 zur Schweiz kam, also<br />

Favre logischerweise Franzose war und<br />

die Musikdose tatsächlich keine « Schweizer<br />

Erfindung » war! Man rennt also offene<br />

Türen ein, ganz abgesehen davon, dass die<br />

Frage der Nationalität wohl das Uninteressanteste<br />

ist an der Geschichte und Entwicklung<br />

dieses schönen Instruments.<br />

Bei dieser Gelegenheit möchte ich Sie<br />

gerne über ein neues Buch informieren,<br />

das eben in Ste-Croix herausgekommen ist<br />

über die Sammlung Hr. Dr. Wyss. Er sammelte<br />

nicht Musikdosen, sondern die Apparate,<br />

die für deren Herstellung benutzt<br />

wurden. Diese Sammlung muss einmalig<br />

sein und ausserordentlich wertvoll für die<br />

Geschichte der Musikdose. Das Buch beschreibt<br />

sehr klar und verständlich die<br />

Herstellung der Musikdosen, in diesem Zusammenhang<br />

natürlich auch deren Entwicklungsgeschichte<br />

und vor allem die<br />

verschiedenen Fabrikations-Apparate, die<br />

ja meinst speziell für Musikdosen hergestellt<br />

wurden. Das Buch ist ausserordentlich<br />

informativ und für Liebhaber von Walzenmusikdosen<br />

ein « Muss », leider aber<br />

nur in französischer Sprache erhältlich<br />

3


4<br />

(L’atélier du Dr. Wyss, Edition : Mon Village<br />

S. A., Case Postale 126, Ste-Croix,<br />

Tel. +41 24 454 46 80, CHF 25.–, ISBN<br />

2-88194-213-X).<br />

In Seewen fand Ende Oktober die Eröffnung<br />

der neuen Sonderausstellung über<br />

« 100 Jahre Welte-Philharmonie-Orgel »<br />

statt. Die Veranstaltung verlief im üblichen<br />

Rahmen mit interessanten Ansprachen,<br />

welchen viele neue und interessante Informationen<br />

entnommen werden konnten.<br />

Etwas enttäuschend waren die Vorführungen<br />

der Instrumente im Orgelsaal. Diese<br />

waren kaum hörbar, was wohl nicht nur<br />

auf die zahlreichen Besucher zurückzuführen<br />

war. Mir scheint, dass dieser Saal ein<br />

akustisches Problem hat. Vielleicht am<br />

eindrucksvollsten waren die über 1500<br />

Musikrollen der Welte Philharmonie, die<br />

für die Besucher attraktiv aufgebaut wurden.<br />

Als sensationell möchte ich die begleitende<br />

Publikation « Wie von Geisterhand »<br />

bezeichnen. Noch hatte ich nicht die Mög-<br />

13. Internationales Karussell- und<br />

Drehorgel-Festival in Winterthur<br />

vom 29. september bis 1. Oktober 2011<br />

Winterthur verfügt über eine sehr geeignete<br />

Altstadt für ein Orgeltreffen. Sie ist<br />

flach und hat nicht so enge Gassen wie<br />

viele andere Städte. Natürlich gibt es Gässchen,<br />

aber die Hauptgassen sind sehr breit.<br />

Zusammen mit dem ebenfalls grosszügigen<br />

Kirchenplatz könnte man am Graben<br />

und an der Steinberggasse daher gut je vier<br />

bis sechs Karussellorgeln gruppieren, welche<br />

nacheinander je 1 Stück (wirklich nur<br />

ein Stück) spielen würden. Dies wäre sicher<br />

im Sinne der Besucher, die Abwechslung<br />

lieben und den Klang der Orgeln vergleichen<br />

könnten.<br />

Leider waren die 11 Grossorgeln doch sehr<br />

verstreut aufgestellt und forderten die Besucher<br />

zum vielen Gehen. Irgendwie kam<br />

durch diese Entfernungen keine richtige<br />

lichkeit, dieses Buch im Detail zu lesen,<br />

aber mir scheint, dass wohl für Welte noch<br />

nie so ein umfassendes Wert erschienen<br />

ist mit Schwergewicht auf der Musikinterpretation<br />

und nicht so sehr auf den reinen<br />

historischen Daten. Freunde von Orchestrionen,<br />

Konzertorgeln und Reproduktionsklavieren<br />

müssen dieses Buch erwerben<br />

oder es sich zu Weihnachten schenken lassen<br />

! (Bezug im Museum für Musikautomaten,<br />

Seewen SO, Tel. +41 61 915 98 80,<br />

CHF 39.–)<br />

Allen Mitgliedern wünsche ich ein schönes,<br />

von mechanischer Musik begleitetes Weihnachtsfest,<br />

einige ruhige, erholsame Feiertage<br />

im Kreise der Familie und auch Lust,<br />

das Jahr 2012 dynamisch in Angriff zu<br />

nehmen.<br />

Euer Präsident<br />

André Ginesta<br />

Stimmung auf, mindestens am Samstag,<br />

als zudem die Stadt das Spielen über die<br />

Mittagszeit verbot! Dies bedeutet im<br />

Herbst dann doch eine gesamthaft kurze<br />

Spielzeit.<br />

Erfreulicherweise zog das schöne Karussell<br />

viele Zuschauer an. Es war toll zu beobachten,<br />

wie viele junge Familienväter<br />

ihren Zöglingen das Karussellfahren beibrachten!<br />

In der Altstadt könnten sicher 40 bis 50<br />

Drehorgelspieler in Grüppchen aufspielen,<br />

ohne einander musikalisch « auf die Füsse<br />

zu treten ». Erstaunlicherweise waren nur<br />

17 oder 19 Teilnehmer anwesend, davon 12<br />

Teilnehmer aus Berlin. Diese spielten zusammen<br />

in einer Gruppe, so dass leider die


Drehorgeln von der Bevölkerung kaum<br />

wahrgenommen wurden. Schade, auch hier<br />

kaum Stimmung.<br />

Aber es war schön, die alten Freunde aus<br />

Berlin zu treffen, vor allem auch Margot<br />

Wolf, die es sich trotz ihres hohen Alters<br />

von 96 Jahren nicht nehmen liess, in die<br />

« Schweizer Provinz » zu reisen und ihre<br />

20er-Holl zu spielen. Herzlichen Dank<br />

Margot!<br />

Wie könnte dieses Festival zum wahren<br />

Event und prägend für die Bevölkerung<br />

werden? Mir scheint, das konzentrierte,<br />

abwechselnde Spielen der Karussellorgeln<br />

an einem bis drei Standorten und mehr<br />

Drehorgelspieler mit vielen verschiedenen,<br />

interessanten Instrumenten würden den<br />

Anlass eher zum Fest der Bevölkerung machen<br />

und Stimmung vermitteln. Auch<br />

sollte man eventuell den Sonntag einbeziehen,<br />

dann kommen nämlich im Allgemeinen<br />

wirklich die Besucher an ein Treffen,<br />

die mechanische Musik hören wollen!<br />

Wenn die meisten Festivals zu viele Teil-<br />

nehmer in Relation zur Grösse der Stadt<br />

haben, trifft in Winterthur das genaue Gegenteil<br />

zu. Schade!<br />

Dies sind die gut gemeinten<br />

Betrachtungen des Zaungastes,<br />

André Ginesta<br />

5


6<br />

Zum Titelbild :<br />

Wiener Rahmenuhr mit spielwerk<br />

Hansjörg Surber<br />

Kürzlich konnten wir in Keszthely, Ungarn,<br />

diese schöne Wiener Rahmenuhr mit<br />

Musik erwerben.<br />

Wiener Rahmenuhren galten als luxuriöse<br />

Uhren und waren in der Zeit ab etwa 1830<br />

bis 1865 sehr populär. Der Aufbau der<br />

Uhrwerke war immer ähnlich: 24 Stunden<br />

Laufwerk, 4/4 Schlagwerk mit Angabe der<br />

Stunden auf zwei Tonfedern, sogenannter<br />

Beispiel einer Wiener Portaluhr mit Musik (Sammlung Irina und Hansjörg<br />

Surber)<br />

Wienerschlag. Von der gleichen Art waren<br />

die Werke der Wiener Portaluhren, welche<br />

auch etwa im gleichen Zeitraum hergestellt<br />

wurden. Vereinzelt wurden sowohl<br />

die Rahmen- wie auch die Portaluhren mit<br />

Musikwerken ausgestattet, welche jede<br />

volle Stunde ausgelöst wurden.<br />

Bei den Musikwerken handelte es sich<br />

durchwegs um solche österreichischer<br />

Herkunft. Die bekanntesten Hersteller<br />

waren Rebícek in Prag (Tschechien gehörte<br />

damals zu Österreich) und die Gebrüder<br />

Olbrich in Wien.<br />

Wiener Portal- und Rahmenuhren wurden<br />

jedoch nicht nur in Wien hergestellt. Es<br />

gab auch zahlreiche Produzenten dieser<br />

Uhren in Prag, Pressburg (Bratislava) und<br />

Budapest. Naheliegender Weise aus geographischen<br />

Gründen findet man in den in<br />

Prag hergestellten Uhren mit Musikwerken<br />

fast nur Werke von Rebícek, Uhren aus<br />

Wien sind mit Musikwerken von Rebícek,<br />

Olbrich und anderen ausgerüstet. In Uhren<br />

aus Budapest hingegen findet man praktisch<br />

ausnahmslos Musikwerke von Olbrich.<br />

Die meisten österreichischen Kammspielwerke<br />

wurden für den Einbau in Uhren gebaut.<br />

Die Mehrzahl davon hat zwei Melodien.<br />

Die Werke sind von guter Qualität,<br />

die Geschwindigkeit der Walzen ist langsamer<br />

als bei den Schweizer Spielwerken,<br />

so dass die Bestiftung äusserst präzise erfolgen<br />

musste. Österreichische Musikwerke<br />

mit mehr als zwei Melodien sind<br />

heute selten zu finden.<br />

Unsere Rahmenuhr misst 47 x 69 cm und<br />

ist teilweise blattvergoldet. Durch die<br />

kleine Öffnung sieht man das schöne Sonnenpendel.<br />

Auf dem Emailzifferblatt findet<br />

man die Aufschrift « Martin Niederlander<br />

in Pesth ». Pest ist die östlich der Donau<br />

gelegene Stadthälfte von Budapest. Der<br />

Name des Uhrmachers lässt auf österreichische<br />

oder Wiener Herkunft schliessen.<br />

In der auf den Holzrahmen aufgeschraubten<br />

Halterung für die Tonfedern ist der


Spieldose mit 4 Melodien von Gustav Rebícek in Prag (Sammlung Irina und Hansjörg Surber)<br />

Name « F. Kunz in Wien » eingraviert. Die<br />

Tonfedern wurden meistens nicht von den<br />

Uhrmachern hergestellt sondern von spezialisierten<br />

Produzenten bezogen.<br />

Das Kammspielwerk umfasst 83 Tonzungen,<br />

wovon leider eine im Bassbereich abgebrochen<br />

ist. Aussergewöhnlich ist die<br />

Walze mit drei Melodien, deren Titel ich<br />

nicht eruieren konnte, sowie die auf dem<br />

Tonkamm eingravierte Schrift « In Wien<br />

Jos. Olbrich ». Auf der Gussplatte ist die<br />

Fabrikationsnummer « No. 3647 19395 »<br />

eingraviert.<br />

Josef Olbrich betrieb zusammen mit seinem<br />

Bruder Anton ab den zwanziger Jahren<br />

des 19. Jahrhunderts in Wien an verschiedenen<br />

Adressen eine « Stahlfedern-<br />

Spielwerk-Fabrik ». Anton Olbrich verstarb<br />

7


8<br />

wohl um 1860 herum, worauf sein Sohn<br />

Anton jr. die Fabrik weiterführte. 1864 zog<br />

Josef Olbrich an die Mariahilferstrasse 103,<br />

was bedeuten könnte, dass er nach dem<br />

Tod seines Bruders umgezogen ist. Josef<br />

arbeitete bis zu seinem Tod im Jahre 1875.<br />

Nicht bekannt ist, ob er lediglich als Uhrmacher<br />

oder auch als Spielwerkefabrikant<br />

so lange gearbeitet hat. (Quelle: Luuk<br />

Goldhoorn: Die Österreichische Spielwerkemanufaktur<br />

im 19. Jahrhundert). Ebenso<br />

wenig kann ich aus der Fabrikationsnummer<br />

irgendwelche Schlüsse ziehen. Das<br />

Spielwerk ist nicht nachträglich eingebaut<br />

worden, die Uhr ist mit einem originalen<br />

Auslöser für die Musik versehen. Sicher ist<br />

somit nur, dass das Spielwerk nach 1864<br />

hergestellt wurde, die Uhr möglicherweise<br />

später als das Spielwerk.<br />

Dies ist bereits die zweite blattvergoldete<br />

Wiener Rahmenuhr mit Musik, welche wir<br />

in Ungarn erwerben konnten. Beide Stücke<br />

funktionieren tadellos.


Evelyne Ginesta<br />

Reto Breitenmoser, Gründungsmitglied<br />

unseres Vereins hat in 2. Ehe seine langjährige<br />

Lebenspartnerin Nathalie am Freitag,<br />

den 11. November 2011 geheiratet! Mit<br />

einem rauschenden Fest in der Dreamfactory<br />

mit vielen Freunden, Bekannten und<br />

Verwandten wurde die Ehe besiegelt.<br />

Reto war schon immer sehr aktiv im Show<br />

Business, aber auch in der mechanischen<br />

Musik tätig. Unvergessen sind seine Auktionen,<br />

Ausstellungen und das einmalige<br />

Magic Casino, mit dessen Realisation er<br />

der Zeit weit voraus war.<br />

Auch heute sprüht er immer noch voller<br />

Ideen und in der Dreamfactory in Degersheim<br />

sind Innovationen und Überraschungen<br />

immer wieder anzutreffen. Ihm und<br />

Nathalie wünschen wir alles Gute bei der<br />

Realisation ihrer vielen Träume!<br />

Retonio hat geheiratet !<br />

9


10<br />

Die Verhunzung der Bahnhofautomaten<br />

Etienne Blyelle, CH-1205 Genf<br />

(Übersetzung aus dem Französischen)<br />

Im Jahr 2005 hat Herr Christoph E. Hänggi<br />

im Namen des Schweizerischen Nationalmuseums<br />

und in Zusammenarbeit mit der<br />

SBB eine sehr gute, illustrierte, dreisprachige<br />

Broschüre publiziert. Diese begleitete<br />

eine Ausstellung von Bahnhofautomaten<br />

in Seewen.<br />

Erinnern wir uns daran, dass im Deutschen<br />

alle Apparate mit Münzeinwurf als Automaten<br />

bezeichnet werden. Notieren wir<br />

auch einen Fehler des Artikels: das Plakat<br />

der Seite 5 konnte nicht 1890 publiziert<br />

worden sein, da der Simplontunnel erst<br />

1906 eingeweiht wurde.<br />

Andererseits hat Herr Hänggi sicher recht,<br />

wenn er glaubt, dass die 1883 eingeweihte<br />

Bahnlinie Yverdon-Ste. Croix die Idee<br />

gebar, Musikdosen in den Wartesälen der<br />

Bahnhöfe der Romandie zu installieren,<br />

danach aber auch in anderen Bahnhöfen<br />

und an weiteren öffentlichen Orten wie<br />

Cafés, Restaurants und Souvenirläden, mit<br />

dem Ziel, reiche Privatpersonen zu animieren,<br />

Musikdosen zu kaufen.<br />

Durch die Verkehrszunahme hatten die<br />

Schalterbeamten in den Bahnhöfen keine<br />

Zeit mehr, die Musikdosen in den Wartesälen<br />

regelmässig aufzuziehen. In der Folge<br />

haben die SBB die Bahnhofautomaten elektrifiziert.<br />

So wurde einerseits die Beleuchtung<br />

der Automaten installiert und andererseits<br />

die Walzen mit Strom betrieben.<br />

Aber dadurch wurde der Gang der Walze<br />

so verändert, dass der musikalische Rhythmus<br />

unnatürlich wurde. Man hätte einen<br />

kleinen Motor installieren können, der mit<br />

einem Riemen die Steuerung hätte antreiben<br />

können (und eventuell gleichzeitig den<br />

Windregulator eliminieren können).<br />

Dadurch hätte man einen regelmässigen<br />

Gang erreicht, ohne abhängig zu sein von<br />

der Kraft, welche die Zähne hebt und vor<br />

allem nicht durch den Exzenter, der die<br />

Puppen tanzen lässt. Aber es hätte natürlich<br />

ein Risiko des Reissens dieses Riemens<br />

bestanden. Dazu kommt, dass man<br />

so kleine Motoren erst noch finden musste.<br />

Allerdings hatte man ja schon gute Motoren<br />

bei Grammophonen, denen man ein<br />

Reduktionsventil anhängte.<br />

Hätte man diesen Typ Motor akzeptiert,<br />

hätte man ihn über das Rad des Zylinders<br />

arbeiten lassen können, aber es war leider


einfacher, diesen Antrieb über das Zahnrad<br />

des Zylinders zu installieren, trotz der musikalischen<br />

Nachteile! Ich höre noch Fredy<br />

Baud sagen: « man ist ja nicht in einem<br />

Konzert, es geht nur darum, die Kinder zu<br />

amüsieren ». Oh, wenn Vidoudez, der Konstrukteur<br />

dieser Musik, dies gehört hätte,<br />

er hätte sich im Grab umgedreht!<br />

Man hat also die Arretierung, die Aufziehvorrichtung<br />

und die Schnecke, sowie den<br />

Windregulator abmontiert, ohne daran zu<br />

denken, dass man den alten Zustand je<br />

wieder herstellen könnte oder möchte. Ausserdem<br />

kam dazu, dass die automatische<br />

Abstellvorrichtung nicht mehr richtig<br />

funktionierte. So kam es, dass die Musik<br />

manchmal während Stunden spielte, was<br />

die Stifte und vor allem die Zähne abnützte,<br />

die so zu oft spielten. Nämlich so oft, dass<br />

heute Reparaturarbeiten nötig sind, um<br />

den Originalzustand wiederherzustellen.<br />

Was für ein Unsinn!<br />

Um die Musikdosen zudem zu « verjüngen<br />

», wurden die schwarz lackierten Holzteile<br />

mit grünem Filz bedeckt, wie ein<br />

Glasschrank für Ostereier! Andererseits ist<br />

festzustellen, dass die Puppen mit « Tutus »<br />

bekleidet wurden, die aber zum Glück, obschon<br />

sie der Sonne nie ausgesetzt waren,<br />

durch ein halbes Jahrhundert gealtert sind.<br />

Hoffentlich findet man die Mittel, um wenigstens<br />

den einen oder anderen dieser Automaten<br />

– Repräsentanten unserer Vergangenheit<br />

– korrekt zu restaurieren!<br />

11


Fig. 1.: Musikalische Gleichungsuhr<br />

von Janvier. Der<br />

Musikteil ist mit 1775<br />

datiert. (Foto von Hayard<br />

mit Erlaubnis des Verlages.)<br />

12<br />

Die Erfindung der Musikdose<br />

Paul Bellamy, Joint Vice-President der<br />

« Musical Box Society of Great Britain »<br />

(Übersetzung aus dem Englischen)<br />

Vorwort<br />

Die Erfindung der Musikdose ist immer<br />

noch umstritten. Die allgemeine Meinung,<br />

dass Antoine Favre der Erfinder der « Musikwerke<br />

ohne Glocken und Hämmer » sei,<br />

wird angezweifelt !<br />

Favre benutzte seine « Erfindung » bei kleinen<br />

Schnupftabakdosen und es dauerte<br />

etwa zehn weitere Jahre, bevor Andere<br />

diese Entwicklung für eine Vielzahl von<br />

musikalischen Neuheiten wie z. B. Uhrenschlüssel,<br />

Siegelringe, usw. gebrauchten.<br />

Favres Erfindung mag indirekt die Entwicklung<br />

der Schweizer Spieluhrenindustrie<br />

beeinflusst haben, da Uhrmacher ihre<br />

Aufmerksamkeit auf musikalische Neuheiten<br />

richteten, wie die musikalisch anspruchsvollen<br />

Schnupftabakdosen und<br />

dann auch auf grössere, in Kaminuhren<br />

verwendete Zylindermusikdosen, die als<br />

« Cartels » bekannt wurden.<br />

Die Verwendung des Wortes « Cartel » ist<br />

nicht überraschend, weil es von der Uhrenmanufaktur<br />

hergeleitet wurde. Heutzutage<br />

wird es nur für französische Wanduhren<br />

verwendet. In der Vergangenheit, als<br />

die Uhrenherstellung einen wichtigen<br />

Wirtschaftszweig darstellte, hatten sich die<br />

Fabrikanten mit gemeinsamen wirtschaftlichen<br />

Interessen vereint und sich « Cartels »<br />

genannt. Für Glockenspieluhren wurde<br />

ganz einfach der Beiname « Cartel » gebraucht.<br />

Alfred Chapuis schrieb, dass die Entwicklung<br />

der Musikdosen zwei Wege nahm. Der<br />

erste war eine Bereicherung der Uhrenindustrie<br />

mit musikalischen Taschenuhren,<br />

Novelties, sowie kleinen Schnupftabakdosen<br />

(alles ziemlich unmusikalische Produkte).<br />

Der andere war ein Nebenzweig<br />

dieser Industrie mit Fabrikanten wie François<br />

Nicole, François Lecoultre mit seinen<br />

Söhnen David und Henri Lecoultre sowie<br />

andere frühe Musikdosenproduzenten.<br />

Die Musikwerke in den Tabatièren besassen<br />

einen ganz anderen Aufbau als die<br />

Musikwerke der Cartels (zum Einbau in<br />

eine Wanduhr). Der wesentliche Unterschied<br />

lag in der Anordnung der Federwerke<br />

(senkrechte Achsen für Tabakdosen,<br />

waagrechte Antriebsfeder für den Einbau<br />

in Wanduhren). Die Bauart der « Cartels »<br />

ersetzte bald diejenige der Tabatièren, sie<br />

kam ungefähr um 1828 in Mode. Es bleibt<br />

die Frage: Gab es eine separate Entwicklung<br />

für Cartel-Werke, welche sich zum<br />

Einbau in Wanduhren eigneten und waren<br />

diese die Vorgänger der Zylinder-Musikdosen?<br />

Christian Eric und viele andere<br />

glauben, dass dies der Fall war. Sein Artikel<br />

: « Carillon, Immediate predecessor of<br />

the musical Box ? » (Carillon, unmittelbarer<br />

Vorgänger der Musikdose?) ist nachstehend<br />

zusammengefasst :<br />

« Musikwerke mit direkt gezupften, einzeln<br />

aufgeschraubten Zähnen, welche durch<br />

einen gestifteten Zylinder zum Klingen ge-


acht werden, vergleichbar mit der Beschreibung<br />

der Favre-Erfindung, scheinen<br />

viel früher existiert zu haben als jene von<br />

Nicole und Lecoultre. Es ist jedoch nicht<br />

bewiesen, ob diese vor oder nach der<br />

Favre-Erfindung existierten. Es gibt allerdings<br />

eine Ausnahme, nämlich eine vom<br />

Franzosen Antide Janvier hergestellte<br />

Spieluhr, die ein datiertes Spielwerk aufweist<br />

mit einem Kamm, der direkt von einer<br />

gestifteten Walze gezupft wird. » Wenn das<br />

Datum stimmt, wäre dieses Werk um etwa<br />

21 Jahre älter als die Favre-Erfindung.<br />

Genau an diesem Punkt beginnt der Streit<br />

und dies ist auch der Grund, weshalb dieser<br />

Artikel publiziert wurde.<br />

Warum? Das Janvier-Spielwerk wurde von<br />

mehreren Publizisten erwähnt, inklusive<br />

Chapuis und Tardy. Natürlich könnte der<br />

eine Bericht vom anderen kopiert worden<br />

sein, aber keiner bezog sich auf das eingravierte<br />

Datum auf dem Spielwerk – mit<br />

einer Ausnahme, nämlich Hayard. In seiner<br />

ersten Publikation berichtete dieser<br />

über die Details der Janvier-Uhr und hielt<br />

diese fest. Durch einen eigenartigen Zufall<br />

liess sich Hayard durch einen anderen, bedeutenden<br />

und angesehenen Historiker<br />

überzeugen, diese Details in einer 2. Edition<br />

nicht mehr zu erwähnen, da ja Chapuis<br />

den unumstösslichen Beweis erbracht<br />

habe, dass Favre 1796 der Erfinder war!<br />

Der Autor glaubt, dass es falsch ist, Informationen<br />

auf diese Weise zu unterdrücken.<br />

Diese müssen einem grösseren Kreis von<br />

Fachleuten bekannt gemacht werden. Wenn<br />

die Datierung von Janvier falsch war,<br />

braucht es Erklärungen. Wenn sie stimmt,<br />

muss sie erhärtet werden.<br />

Wenn Darwin überredet worden wäre, der<br />

religiösen Rechtgläubigkeit nachzugeben,<br />

hätte sein Werk « Die Entstehung der<br />

Arten » nicht das Licht der Welt erblickt,<br />

aber er hätte dann vielleicht ein ruhigeres<br />

Leben geführt!<br />

Beim Schreiben dieses Artikels habe ich<br />

mich deshalb auf die Werke von anderen<br />

Spieldosen-Historikern bezogen, indem<br />

ich ihre Beobachtungen und ihre Daten zusammengetragen<br />

habe, um meine Zweifel<br />

ebenso wie diejenigen von anderen aufzuzeigen<br />

hinsichtlich der Erfindung von<br />

Favre. Antworten mit nachprüfbaren Informationen,<br />

welche diese Zweifel unterstützen<br />

oder entkräften, sind willkommen.<br />

Falls keine solchen Informationen vorliegen,<br />

lassen wir doch die Janvier-Daten als<br />

ungeklärte Tatsache bestehen.<br />

Paul Bellamy<br />

Es bestreiten heute wenige den durch Alfred<br />

Chapuis erbrachten Beweis, dass Antoine<br />

Favre (1734–1820), der Glocken durch<br />

gestimmte Stahlfedern ersetzt hat, als der<br />

Erfinder der Musikdose angesehen werden<br />

kann. Chapuis nannte dies « mit einem<br />

Kamm gespielte Musik ». Favre ist in Genf<br />

geboren. Seine Gattin war Marie Salomon<br />

und er übernahm den Familiennamen seiner<br />

Frau als Favre-Salomon. Im Verzeichnis<br />

der « Société des Arts de Genève », datiert<br />

vom Februar 1796, erscheinen Details<br />

seiner Erfindung, zitiert als Musikwerke<br />

ohne Glocken und Hämmer. Das passt zur<br />

Beschreibung von einem direkt gezupften<br />

Stahlzahn (d. h. nicht durch einen Hammer<br />

oder Klöppel geschlagen wie in den Glockenspielen).<br />

Trotz der klaren Aussage<br />

von Chapuis ist es offensichtlich, dass der<br />

Fig. 2.: Englische Konsolenuhr<br />

mit Spielwerk von<br />

Stephen Rimbault, London,<br />

etwa 1790. (Foto mit<br />

Erlaubnis des Ashmoleon<br />

Museums Oxford.)<br />

Fig. 3.: Walze einer<br />

Konsolenuhr mit musikalischem<br />

Glockenspiel<br />

mit 12 Glocken und 10<br />

verschiedenen Melodien<br />

von Thwaites und Reed,<br />

London, etwa 1802.<br />

(Foto mit Erlaubnis der<br />

Herausgeber.)<br />

13


Fig. 4 a.: Glockenspielwerk<br />

mit 10 Glocken und<br />

9 Melodien, unsigniert,<br />

etwa 1790.<br />

(Foto mit Erlaubnis von<br />

Christian Eric.)<br />

Fig. 4 b.: Das Melodien-<br />

Wechselsystem des<br />

musikalischen Werkes mit<br />

9 Melodien. (Foto<br />

mit Erlaubnis von Christian<br />

Eric.)<br />

14<br />

gestimmte Stahlkamm, der direkt von<br />

einem gestifteten Zylinder gezupft wurde,<br />

bereits in einem früheren Musikwerk verwendet<br />

worden war. Es scheint, dass nur<br />

ein einziges datiertes Exemplar erfasst<br />

wurde, das einem Franzosen, Antide Janvier,<br />

wie in Fig. 1 illustriert, zugeschrieben<br />

ist. Dieser war der Sohn von Claude<br />

Etienne Janvier und wurde 1751 in Lavanslez-St-Claude<br />

im französischen Jura geboren,<br />

nur ungefähr 60 km von Genf entfernt.<br />

Das Werk von Janvier ist weiter unten beschrieben.<br />

Chapuis deutet an, dass Pierre Jaquet-<br />

Droz und sein Sohn Henri-Louis wahrscheinlich<br />

die ersten waren, die um etwa<br />

1753 Spieluhren in La Chaux-de-Fonds<br />

produziert hatten. Das mag vielleicht für<br />

die Schweiz zutreffen, aber Chapuis bestätigt<br />

auch, dass andere, wie Nicholas Vallin<br />

von London, Musikwerke bauten. überra-<br />

schenderweise bezieht er sich in seinem<br />

Text auf kein Datum, jedoch scheint die<br />

Illustration (Piquet, MBSI Version, Seiten<br />

14 und 15) 1578 dies zu zeigen. Diese<br />

13-Glocken-Uhr befand sich zu einem früheren<br />

Zeitpunkt in der Ilbert Kollektion,<br />

heute im British Museum. Sie ist illustriert<br />

in « A book of English Clocks » von<br />

R. W. Symonds, Penguin 1947, unter anderen<br />

Quellen.<br />

Englische Glockenspieluhren waren somit<br />

Spitzenprodukte. Ein anderes feines Beispiel<br />

bezieht sich auf eine Uhr von Stephen<br />

Rimbault 3, Fig. 2. Das effektive Datum ist<br />

unbekannt, aber er war Uhrmacher zwischen<br />

1744 und 1835. Diese Uhr enthält<br />

alle Elemente der Zylindermusikdose (Typ<br />

Cartel), aber mit 12 abgestimmten Glocken,<br />

jede mit zwei Klöppeln (Hämmern),<br />

angetrieben mittels einer gestifteten Messingwalze,<br />

welche 12 Stücke spielte. Die<br />

Walze (unsichtbar) ist ziemlich identisch<br />

in Durchmesser und Länge mit den Standard<br />

« 13-Inch-Modellen », die in der<br />

Schweiz so populär wurden. Darüber hinaus<br />

ist bekannt, dass praktisch alle in der<br />

Schweiz gebauten Uhren aus englischem<br />

Stahl angefertigt wurden und man kann<br />

berechtigterweise davon ausgehen, dass<br />

die Schweizer Musikkämme auch aus englischem<br />

Stahl gefertigt waren. Andere<br />

Engländer, wie Thwaites & Reed aus London,<br />

fabrizierten gleichartige 12-Glocken-<br />

Glockenspielen 3, etwa 1802, Fig. 3.<br />

Die Geschichte von anderen als englischen<br />

Glockenspielen, welche durch gestiftete<br />

Trommeln funktionieren, beginnt um Mitte<br />

1300. Es handelte sich um riesige Instrumente<br />

mit dem Tonumfang einer Tonleiter,<br />

welche vor allem für religiöse Zwecke in<br />

Kirchenuhren Verwendung fanden. Um<br />

1600 kamen die ersten englischen Glockenspiele<br />

in Mode. Durch ihre Entwicklung<br />

wurden sie in England, Nordfrankreich<br />

und der ehemaligen Grafschaft Flandern<br />

(heute zwischen Belgien, Frankreich<br />

und Holland aufgeteilt) bekannt. Die Skala<br />

war nicht unbedingt chromatisch, jedoch<br />

abgestimmt auf die Folge einer Melodie<br />

oder einer Auswahl von Melodien. Glockenspieluhren<br />

waren ebenfalls mit anderen<br />

Musikinstrumenten bestückt, wie Orgelpfeifen<br />

(bekannt als Flötenuhren) und<br />

Saiteninstrumenten.


Fig. 5 a.: Kaminuhr aus der Empire-Periode<br />

mit abnehmbarer Taschenuhr und Musikwerk<br />

von Breguet. (Foto « La Pendule<br />

Française », Tardy, 1965)<br />

Christian Erics Artikel 2 zeigt den Übergang<br />

von den Glockenspieluhren mit Hämmern<br />

zu solchen mit einem direkt gezupften,<br />

abgestimmten Stahlkamm. Er legt dar,<br />

wie die grundlegenden Komponenten eines<br />

Musikwerkes mit 9 Melodien eines unbekannten<br />

Herstellers mit 10 Glocken, etwa<br />

1790, dem Basisaufbau eines gleichwertigen<br />

Kamm-Spielwerkes entsprachen,<br />

Fig. 4 A. Die Glocken waren folgendermassen<br />

gestimmt, vom Bass bis zu den hohen<br />

Tönen: C, D, E, F, G#, A, B, C#, D#, F. Jede<br />

Glocke hat zwei Schläger, mit Ausnahme<br />

vom Bass C mit nur einem Schläger. Der<br />

Motor ist schneckenförmig angeordnet,<br />

was einen konstanten Antrieb gewährt,<br />

während das Federwerk abläuft. Die kettengetriebene<br />

Aufwickeltrommel hat ein<br />

Stirnradgetriebe, das mittels eines grösseren<br />

Zahnrades den Zylinder antreibt. Der<br />

Geschwindigkeitsregler ist charakteristisch<br />

für spätere Cartelwerke, verfügt er<br />

doch über einen Regulator mit 2 Weinblättern.<br />

Die Neigung der Flügel ist verstellbar,<br />

was eine grobe Abstimmung der Rotation<br />

ermöglicht und damit die Drehgeschwindigkeit<br />

der Walze beeinflusst. Die Walze<br />

ist mit Messingstiften versehen, während<br />

spätere Cartelwerke mit Stahlstiften bestückt<br />

waren. Die seitliche Verschiebung<br />

der Walze zum Melodienwechsel wurde<br />

durch eine abgestufte Schnecken-Nocken-<br />

Steuerung, ähnlich derjenigen in späteren<br />

Musikdosen, ermöglicht. Ein federbetätigter<br />

Hebel dreht dabei die Nockenwelle in<br />

9 Schritten, was einen unmittelbaren Melodienwechsel<br />

bei den Stellrillen (der ungestiftete<br />

Bereich, wo der Zylinder an die<br />

nächste Melodienstelle fährt) bewirkt.<br />

Dies entspricht nicht der späteren Praxis,<br />

wo der Melodienschalthebel entweder gelöst<br />

ist (um die Melodie zu wiederholen)<br />

oder fest bleibt (langsames Drehen der<br />

Nocke bis zur nächsten Tonspur, jedoch im<br />

Bereich der Zylinderlücke). Der Vorgang<br />

des Melodienwechsels ist in den zwei Ansichten<br />

Fig. 4 B dargestellt. Er wird gegen<br />

die Federkraft mittels eines Rades mit vier<br />

Stiften ausgeführt. Beim Drehen des Rades<br />

hebt dieses einen Nocken am Hebel (linkes<br />

Bild) und führt diesen dann unmittelbar in<br />

die nächste Stellrille (rechts). Der Hebel<br />

Fig. 5 b.: Das Musikwerk<br />

der Breguet-Kaminuhr.<br />

(Foto « La Pendule<br />

Français », Tardy, 1965.)<br />

15


Fig. 5 c.: Das Schlag- und<br />

Repetierwerk der Breguet-<br />

Kaminuhr. (Foto « La<br />

Pendule Française », Tardy,<br />

1965.)<br />

16<br />

rastet ein, in einen der 9-eckigen Ausschnitte<br />

des Kronrädchens, um die nächste<br />

Melodienspur zu starten. Nachdem der gestiftete<br />

Zylinder eine volle Umdrehung getätigt<br />

hat, beginnt der nächste Stift auf dem<br />

4-stiftigen Rad den Nocken anzuheben.<br />

David Evans brachte die Aufmerksamkeit<br />

des Autors auf den Franzosen Antide Janvier<br />

(1751–1835). Er produzierte die musikalische<br />

« Kammregulator-Uhr » 4 , wie in<br />

Fig. 1 oben dargestellt. Diese verzichtet auf<br />

Glocken und Schläger, da sie über einen<br />

gestimmten Kamm verfügt, der direkt von<br />

einem gestifteten Zylinder aktiviert wird.<br />

Es handelt sich um sein Werk 181, 1775 in<br />

Verdun begonnen und kurz vor seinem<br />

Umzug nach Paris vervollständigt. Es ist<br />

datiert und signiert, wie all seine Anfertigungen:<br />

Janvier No. 181 9/1784 (d. h. September<br />

1784) auf der rückwärtigen Platte<br />

des Uhrwerks und Janvier 1775 am Fusse<br />

des Musikwerkes. Das Spielwerk entspricht<br />

dem Stil der Cartel-typischen<br />

Spieluhren und sein Kamm verfügt über<br />

75 Zähne in 8 Sektionen, wobei die Anzahl<br />

der Zähne von einigen wenigen bis zu ungefähr<br />

16 variiert. Janvier hat dem Spielwerk<br />

keine Seriennummer zugeteilt, da er<br />

vermutlich (wie aus den beiden leicht abweichenden<br />

Daten ersichtlich) zu jenem<br />

Zeitpunkt noch nicht die ganze Uhr gefertigt<br />

hatte. Das Spielwerk wird bei Bedarf<br />

aktiviert oder aber dem Stundenschlag der<br />

Uhr überlassen, der zwischen 8 Uhr vormittags<br />

und 10 Uhr abends arbeitet. Es<br />

werden abwechselnd zwei Musikstücke<br />

gespielt. Die beiden Datierungen auf der<br />

Uhr zeigen auf, dass diese Uhr ein in Verdun<br />

hergestelltes Jugendwerk war und<br />

1784 (kurz vor seiner Ankunft in Paris) fertiggestellt<br />

wurde, vielleicht um das Uhrwerk<br />

an eine Zylindermusikdose anzupassen,<br />

für die er vorher noch keine Verwendung<br />

hatte. Es ist wichtig festzuhalten, wie<br />

genau das Datum angegeben ist, mit dem<br />

Monat (September) und auch dem Jahr.<br />

Das Datum auf dem Werk liegt somit um<br />

21 Jahre vor Favres « Erfindung »! Falls<br />

diese Datierung stimmt, dürfte es schwierig<br />

sein, diese mit dem Bericht von Chapuis<br />

über Favre in Einklang zu bringen.<br />

Janvier lernte die Grundlagen der Mechanik<br />

von seinem Vater und setzte seine Studien<br />

bei Abbot Tournier in Besançon fort.<br />

Die Familie zog 1762 nach Besançon,<br />

kehrte aber um 1771 nach Lavans zurück.<br />

Im Alter von 15 Jahren baute er eine astronomische<br />

Kugel, die an der Akademie der<br />

Wissenschaften in Besançon präsentiert<br />

wurde, als er 17 war. Zu diesem Zeitpunkt<br />

war er in der Lehre als Uhrmacher und zog<br />

später um 1771 nach Paris, wo er ein grosses<br />

Planetarium baute, welches König<br />

Ludwig XV. im Jahre 1773 präsentiert<br />

wurde. Im Jahre 1774 kehrte er nach Verdin<br />

im französischen Jura zurück, wo er<br />

alsdann astronomische Werke konstruierte.<br />

Er war vermutlich der weltweit wichtigste<br />

und innovativste Uhrmacher, sozusagen<br />

das Pendant zu Abraham-Louis Breguet für<br />

Taschenuhren.<br />

Janvier hatte eine höhere Bildung in Latein,<br />

Griechisch, Mathematik und Astronomie.<br />

Er erntete grosses Ansehen für sei-


nen Einfallsreichtum was astronomische<br />

Uhren und die Entwicklung von einwandfrei<br />

klingenden Doppel-Pendeluhren betraf.<br />

Janvier war Royalist, der von Louis<br />

XVI. zum königlichen Uhrmacher ernannt<br />

wurde, und wurde somit ein Opfer der<br />

Französischen Revolution, während der er<br />

gefangen genommen wurde. Nach seiner<br />

Freilassung litt er unter Armut und Not.<br />

Seine Frau verstarb 1792 und in der Folge<br />

verkaufte er seine Waren, Geräte und Pläne<br />

an Breguet. Nachdem die Monarchie wieder<br />

hergestellt war, wurde er mit einer kleinen<br />

Pension belohnt, starb jedoch in Armut<br />

und Vergessenheit.<br />

Sein Lebenswerk ging jedoch nicht verloren,<br />

sondern überlebte durch seine schriftlichen<br />

Arbeiten:<br />

– Essai sur les horloges publiques, pour les<br />

Communes de la campagne, publiziert<br />

durch Doublet in Paris 1811.<br />

– Des revolutions des corps célséstes par le<br />

mécanisme des rouages, wurde durch<br />

P. Didod der Ältere 1812 publiziert.<br />

– « Manuel Chronometrique ou précdis de<br />

ce qui conerne le temps, ses divisions,<br />

ses mesures, leurs usages, usw. », publiziert<br />

1821 durch Firmin Didot von Paris.<br />

– « Recueil des machines composées et<br />

executées » publiziert durch Jules Didot<br />

der Ältere 1828.<br />

Kopien all dieser Publikationen befinden<br />

sich in der Bibliothek der « Worshipful<br />

Company of Clockmakers » in der Guildhall<br />

in London.<br />

Ord-Hume 5 schrieb, dass in Paris die Verwendung<br />

von « Stahlfedern » in Musikwerken<br />

schon mindestens seit 50 Jahren bekannt<br />

war, bevor Favre diese bei Uhren<br />

anwandte. Er konnte aber keine Quellenangabe<br />

liefern, um diese Aussage zu untermauern.<br />

In der Tat schrieb er auch einen<br />

Artikel: Wer erfand die Musikdose 6 ? Er<br />

wies richtigerweise darauf hin, dass die gestifteten<br />

Zylinder « das natürliche Mittel<br />

waren, um ein musikalisches Programm zu<br />

programmieren ». Es gibt Verweise zu<br />

Tardy, indem er bei zwei Uhren Bemerkungen<br />

anbrachte, welche in « La Pendule<br />

Française « abgebildet sind. Bei der ersten<br />

Uhr, im Louis XVI.-Abschnitt beschrieben,<br />

handelt es sich effektiv um Janvier<br />

No. 181, obschon Tardy sie weder Janvier<br />

zugeschrieben hat noch ihre Daten genannt<br />

hat. Bei der zweiten schrieb er, sie datiert<br />

ohne Zweifel aus dem Empire (etwa 1804–<br />

05), eine verglaste Uhr von Breguet. Sie<br />

wird durch eine abnehmbare Taschenuhr<br />

gesteuert, welche Szenen eines türkischen<br />

Marktes zeigt. Fig. 5 A, Fig. 5 B zeigen den<br />

Tonkamm mit 50 Zähnen, jedes Segment<br />

mit 2 Zähnen. Fig. 5 C zeigt den Uhrenmechanismus.<br />

Es ist unwahrscheinlich, dass<br />

Breguet das Spielwerk gemacht hat, denn<br />

er war absolut unmusikalisch, selbst seine<br />

Repetitionsglocken sind verstimmt und er<br />

erhob nie Anspruch darauf, Musikwerke<br />

produziert zu haben. Offenbar stellte er<br />

auch keine Musikdosen her. Ord-Hume argumentiert,<br />

möglicherweise richtig, dass<br />

Favre wohl der erste war, der die Stahlfedern<br />

so verkleinern konnte, dass sie in eine<br />

Uhr oder ein anderes Objekt ähnlicher<br />

Grösse passten.<br />

Es stellen sich die folgenden Fragen:<br />

Warum hat es so viele Jahre gedauert, bis<br />

die Hämmer und Glocken der glockenspielenden<br />

Musikwerke durch den gestimmten<br />

Kamm ersetzt wurden und geschah dies<br />

vor 1796, dem Datum von Favres Erfindung?<br />

Die Einführung des gestimmten (sektionalen)<br />

Stahlkamms gegen Ende des 18. Jahrhunderts,<br />

ob durch Favre oder jemand anderen,<br />

war vielleicht nicht allgemein bekannt<br />

oder es war nicht klar, dass ein Markt<br />

bestand für diese « verbesserte » Version<br />

von Glockenspielen. Die Idee, dass ein<br />

« verbessertes Glockenspiel » ein Eigenleben<br />

als Musikinstrument und eine eigene<br />

Daseinsberechtigung entwickeln könnte,<br />

scheint von den frühen Herstellern von<br />

Cartels während vieler Jahre ignoriert<br />

worden zu sein. War die Verwendung von<br />

Gewichten für die Basstöne und von Federdämpfern<br />

eine unerlässliche Voraussetzung<br />

für die Entwicklung der Musikdose?<br />

Falls die Erfindung einer Person zugeschrieben<br />

werden kann, sagen wir Janvier,<br />

war die Tatsache, dass er Franzose und<br />

praktisch mittellos war, ein Hindernis für<br />

die Schweizer, das Marktpotenzial auszunutzen?<br />

All jene, die damals behaupteten,<br />

dass Favre der Erfinder war, hatten sicherlich<br />

ein wesentliches, wirtschaftliches Interesse,<br />

damit « Musique de Genève » zu<br />

einem weltweit bekannten Marketingbe-<br />

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17


18<br />

griff wurde. Wer hätte es gewagt, diesen<br />

bedeutenden Schweizer Fabrikanten zu<br />

widersprechen? Hat Favre damals von<br />

Janvier’s Kamm-Glockenspiel Kenntnis<br />

gehabt? Schliesslich lebten sie nur wenige<br />

Kilometer von einander entfernt. Hätte in<br />

diesem Fall Favre das Registre de la Société<br />

des Arts de Genève informiert und behauptet,<br />

es wäre seine Idee gewesen? Die<br />

Spieluhren, wie auch andere kleine, aber<br />

kostbare musikalische Neuheiten hatten<br />

damals bestimmt Marktpotential und<br />

könnten ihn, wie Ord-Hume vermutete,<br />

dazu gebracht haben, sie in miniaturisierter<br />

Art zu verwenden, eher als sie als eigenständige<br />

Musikinstrumente zu betrachten?<br />

Können wir überdies spekulieren, dass die<br />

Cartel-Werke einen ganz anderen Ursprung<br />

hatten? Die Cartel-Spielwerke in Uhren erscheinen<br />

sehr früh als eine separate Art, die<br />

sich abhebt von den früheren Kaminuhren<br />

mit Glockenspiel und die Entwicklung<br />

scheint parallel zu den Werken der Tabatièren<br />

zu verlaufen. Aber es dauerte nicht<br />

lange, bis der Aufbau der Cartel-Werke<br />

verändert wurde, um den Zweck einer Musikdose<br />

zu erfüllen. Damit wurde der sehr<br />

musikalische, aber viel kleinere und leisere<br />

Vetter, die Schnupftabakdose, konkurrenziert.<br />

Musikarran gements für Glockenspielwerke<br />

waren generell viel einfacher<br />

als z. B. jene Arran gements für die gleich<br />

grossen « Standard-13-Inch »-Musikdosen.<br />

Vielleicht war es notwendig, Erfahrungen<br />

Zum Gedenken : Jan van Dinteren<br />

An seinem Wohnort Geleen ist Jan L. M. van<br />

Dinteren am 22. November 2011 im 81. Lebensjahr<br />

verstorben.<br />

Jan van Dinteren war von grosser Bedeutung<br />

für den Erhalt der Drehorgelkultur in<br />

Holland. Seine grosse Vorliebe waren die<br />

Kirmesorgeln. Für die Erhaltung dieser<br />

Ins trumente hat er sich speziell eingesetzt.<br />

mit der Entwicklung der Tabatièrenwerke<br />

zu sammeln, um dadurch die Programmierkenntnisse<br />

zu verbessern. Aber es wurden<br />

auch sehr komplizierte Stücke für Orgeluhren<br />

geschaffen, so dass dieser Gedanke<br />

eher fallen gelassen werden kann. War es<br />

also eine Sache des technologischen Fortschrittes<br />

und nicht die Geschicklichkeit<br />

des Arrangeurs? Bedurfte es der Entwicklung<br />

grösserer Schneidemaschinen und<br />

Antriebe für Bohrmaschinen zum Bau dieser<br />

grossen Cartel-Werke? Die Idee passt<br />

gut zu François Nicoles einzigartigem, mit<br />

Linien überzogenen Zylinder und zu der<br />

Tatsache, dass er wahrscheinlich der erste<br />

war, der die musikalischen Möglichkeiten<br />

von Cartel-Spielwerken voll ausnutzte.<br />

Man kann hier nur spekulieren, bis weitere<br />

Tatsachen bekannt werden. Also lassen wir<br />

Janvier und seine Daten neben all diesen<br />

Fragen so stehen, bis vernünftige und einleuchtende<br />

Erklärungen mehr Klarheit<br />

bringen.<br />

Literaturhinweise<br />

1 Chapuis, The History of the Musical box<br />

and of Mechanical Music, MBSI version,<br />

Seiten 128–131.<br />

2 Eric, MBSI Journal Vol. XXXVI/2.<br />

3 The Music Box, Vol. 23/8, Seiten 253/4.<br />

4 La Pendule Français’ durch Tardy<br />

5 Ord-Hume, The Musical Clock – 1995<br />

S. 199.<br />

6 Ord-Hume, The Music Box Vol. 7/2.<br />

Vierzig Jahre lang war er im Vorstand des<br />

« Kring van Draaiorgelvrienden ». Lange 21<br />

Jahre war er Redaktor des Quartalsblattes<br />

« Het Pierement ». Er hat dieses Blatt zu<br />

einer, auch international, massgebenden<br />

periodischen Fachzeitschrift gemacht.<br />

Sein Hinschied ist ein grosser Verlust für<br />

die Drehorgelwelt.


Hansjörg Surber<br />

Auf der Rückreise von der Sammlerbörse<br />

in Rüdesheim nahm ich die Gelegenheit<br />

wahr, dem Museum mechanische Klangfabrik<br />

in Haslach einen Besuch abzustatten.<br />

Haslach liegt in Oberösterreich in einem<br />

landschaftlich wunderschönen Teil des<br />

Böhmerwaldes. Leider sah ich auf der Anreise<br />

am Sonntagabend von der Landschaft<br />

gar nichts, da es bereits stockdunkel war.<br />

Ohne Navi hätte ich wohl das in dieser Jahreszeit<br />

verschlafene Haslach bis zum Morgengrauen<br />

nicht gefunden.<br />

Frau Marianne Kneidinger vom Tourismusbüro<br />

Haslach und Frau Else Hofer,<br />

welche die Führungen leitet, haben sich<br />

Zeit genommen, mit mir einen Rundgang<br />

durch das im Winter geschlossene Museum<br />

zu machen und all meine Fragen zu<br />

beantworten. Zufälligerweise fand gleichzeitig<br />

eine Führung einer angemeldeten<br />

Gruppe statt, so dass die Räume nicht ganz<br />

unbelebt aussahen.<br />

Seit Juni 2007 beherbergt eine ehemalige<br />

Haslacher Textilfabrik einen Teil der<br />

Sammlung des Haslachers Erwin Rechberger.<br />

Insgesamt sind 160 Objekte ausgestellt,<br />

welche fast die gesamte Bandbreite<br />

der mechanischen Musik, inklusive Grammophonen<br />

und frühen Radios, abdecken.<br />

Hervorzuheben ist die grosszügige Ausstellungsfläche<br />

von 600 m2, wodurch die<br />

einzelnen Instrumente schön zur Geltung<br />

kommen. Zu erwähnen ist auch der ansprechend<br />

gestaltete Marktplatz im Innern des<br />

Gebäudes, wo man in Schaufenster einiger<br />

« Geschäfte » gucken kann und zum Beispiel<br />

Kinderspielzeuge, Grammophone<br />

oder Uhren entdeckt. Auf dem Marktplatz<br />

selbst steht eine holländische Strassenorgel<br />

und ein Drehorgelspieler hinter einer –<br />

leider unrestaurierten – grossen Molzer<br />

Drehorgel. Erwin Rechberger selbst betreibt<br />

nun seine « Mechanische Wunderwelt<br />

», wo nebst mechanischen Musikinstrumenten<br />

auch mechanisches Spielzeug,<br />

mechanische Reklame, Marionettentheater<br />

und vieles mehr bewundert werden kann.<br />

Museum Mechanische Klangfabrik,<br />

Haslach an der Mühl, Österreich<br />

Eine interessante Xylophonuhr von 1680<br />

Ein schönes Exemplar einer Schwarzwälder<br />

Flötenuhr<br />

19


20<br />

Das Museum ist professionell gestaltet, einige<br />

Instrumente werden vorgeführt. Frau<br />

Hofer gibt sehr gute und unterhaltsam vorgetragene<br />

Informationen zu den Instrumenten<br />

ab. An den Wänden findet man Informationstafeln<br />

zur mechanischen Musik.<br />

Meines Erachtens zu bemängeln ist die<br />

dürftige und zum Teil falsche Beschriftung<br />

der Instrumente. Es fehlt auch ein wenig<br />

das Drum und Dran, das Ambiente, wie<br />

z. B. historische Bilder, Stiche, passendes<br />

Mobiliar. Dies ist aber meine persönliche<br />

Ansicht. Das Museum und auch Haslach<br />

selbst sind auf jeden Fall einen Besuch<br />

wert. Man kann noch weitere Museen besichtigen,<br />

einiges ist noch im Aufbau.<br />

Museum mechanische Klangfabrik<br />

Marktplatz 45, 4170 Haslach, Österreich<br />

Tel. +43 7289 71557 oder +43 7289 72300<br />

www.mechanischeklangfabrik.at<br />

www.haslach.at<br />

Öffnungszeiten: 1. April bis 31. Oktober,<br />

Dienstag bis Sonntag, 10.30 bis 15.00 Uhr<br />

Führungen um 11.00 Uhr und 14.00 Uhr,<br />

für Gruppen nach Voranmeldung<br />

1. November bis 30. März,<br />

Führungen nach Voranmeldung<br />

Blick in die Grammophon Ausstellung<br />

Harmonika Orchestrion von Louis Cecovi,<br />

Frankreich<br />

Kalliston Organette Orchestrion Kuhl und Klatt von 1925 Interessantes automatisches Glockenspiel<br />

Im Vordergrund ein Lösche<br />

Orchestrion<br />

Blick in das Spielzeuggeschäft<br />

Der Marktplatz


Herbstreise 2011<br />

Hansjörg Surber<br />

Einen Reisebericht schreibt man ja immer<br />

für Leser, die nicht dabei waren. Die Teilnehmer<br />

brauchen ja keinen Bericht zum<br />

Selbsterlebten. Da an dieser sehr interessanten<br />

Schweizer Reise lediglich 24 Mitglieder<br />

teilgenommen haben, lohnt es sich<br />

besonders, einen Bericht zu verfassen.<br />

Damit auch die 24 Teilnehmer etwas davon<br />

haben, hole ich diesmal etwas weiter aus:<br />

Die diesjährige Herbstreise führte uns am<br />

Wochenende vom 17. und 18. September in<br />

den Jura. Die Wetteraussichten waren<br />

nicht gerade rosig, zum Glück hielten sich<br />

dann zumindest die Niederschläge in<br />

Grenzen. Treffpunkt war der Bahnhof Biel,<br />

wo die 24 Teilnehmer in einen Reisebus<br />

umstiegen.<br />

Auf dem Programm standen diesmal Uhren,<br />

vor allem natürlich Musik- und Automatenuhren,<br />

und am Sonntag als Höhepunkt<br />

die sensationellen Automaten aus dem<br />

18. Jahrhundert von Pierre Jaquet-Droz,<br />

welche im Musée d’art et d’histoire in<br />

Neuchâtel ausgestellt sind.<br />

Château des Monts<br />

Nach dem Mittagessen führte uns der Reisebus<br />

in die Anhöhen von Le Locle zum<br />

Château des Monts aus dem Jahre 1790,<br />

welches das Musée d’Horlogerie du Locle<br />

beherbergt. Hier konnte man während der<br />

sachkundigen Führung die wahren Schätze<br />

der Schweizer Automaten-, Spieldosen-<br />

und Uhrmacherkunst vom 16. bis ins<br />

19. Jahrhundert bestaunen, viele davon aus<br />

der Sammlung Sandoz. Wenn Sie die Bilder<br />

betrachten, verstehen Sie, wie ich das<br />

meine.<br />

Spitzenklöpplerin<br />

21


22<br />

Interessant und wahrscheinlich nicht so<br />

bekannt ist die Geschichte von le Locle:<br />

Die Stadt entwickelte sich im frühen<br />

18. Jahrhundert vom Bauerndorf zur Industriegemeinde.<br />

Sie gilt als Wiege der<br />

schweizerischen Uhrenindustrie, die ab<br />

1705 hier ihren Anfang nahm. Auch die<br />

Spitzenklöppelei hatte zu dieser Zeit eine<br />

wichtige Bedeutung im Neuenburger Jura.<br />

Einige Stücke werden auch im Château des<br />

Monts gezeigt. Während mehr als 250 Jahren<br />

war die Wirtschaft von Le Locle zur<br />

Hauptsache auf die Uhrenindustrie ausgerichtet,<br />

weswegen die Stadt von der Krise<br />

in dieser Branche um 1970 besonders<br />

schwer getroffen wurde. Seither fand eine<br />

Diversifizierung der Industrie statt. Noch<br />

immer hat die Uhrenindustrie jedoch eine<br />

gewisse Bedeutung in Le Locle. Dabei<br />

sind insbesondere die Unternehmen Certina,<br />

Tissot, Ulysse Nardin und Zenith zu<br />

nennen. Das Stadtbild von Le Locle ist<br />

durch den von Charles-Henri Junod entworfenen<br />

Schachbrettgrundriss mit zahlreichen<br />

modernen Industrie-, Gewerbe-<br />

und Geschäftsbauten, Wohnblöcken und<br />

den typischen kubischen Mietshäusern aus<br />

dem 19. Jahrhundert geprägt.<br />

Anschliessend fuhren wir nach La Chauxde-Fonds<br />

ins Musée internationale de<br />

l’Horlogerie. In diesem unterirdisch gebauten<br />

Museum liegt der Schwerpunkt der<br />

Ausstellung in der Entwicklung der Zeitmessung.<br />

Von der Sonnen- und Wasseruhr<br />

bis zum modernsten Zeitmessgerät fürs<br />

Handgelenk bietet das Museum für jede<br />

Zeitepoche einige interessante Ausstellungsstücke.<br />

Uns interessierten natürlich<br />

auch hier die Musik- und die Automatenuhren,<br />

mich persönlich auch die schöne<br />

Sammlung von mechanischen Singvögeln<br />

in Käfigen und schmucken Döschen.


Die Geschichte von La Chaux-de-Fonds ist<br />

ähnlich derjenigen von Le Locle:<br />

Der eigentliche wirtschaftliche Aufschwung<br />

begann auch hier im 18. Jahrhundert mit der<br />

Einführung der Spitzenklöppelei, die sich<br />

neben dem traditionellen Handwerk etablierte.<br />

Ebenfalls im frühen 18. Jahrhundert<br />

fasste die Uhrmacherei, die im nahe gelegenen<br />

Le Locle begründet wurde, in La<br />

Chaux-de-Fonds Fuss. Sowohl die Spitzenherstellung<br />

als auch die Fertigung der Uhrenteile<br />

geschah zunächst überwiegend in<br />

Heimarbeit. Mit den neuen technischen<br />

Möglichkeiten entwickelte sich La Chauxde-Fonds<br />

Ende des 18. Jahrhunderts rasch<br />

zu einer Industriegemeinde. Es entstanden<br />

zahlreiche Fabriken. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts<br />

stieg La Chaux-de-Fonds zum<br />

Zentrum der blühenden Uhrenindustrie auf.<br />

Anders als Le Locle, das in einem engen<br />

Talkessel liegt, hatte La Chaux-de-Fonds<br />

genügend Möglichkeiten zur Ausdehnung.<br />

Auch das Stadtbild von La Chaux-de-Fonds<br />

ist geprägt durch das Schachbrettmuster.<br />

Nach dem Dorfbrand von 1794 wurde Platz<br />

frei, um diesen Stadtgrundriss nach Plänen<br />

von Moïse Perret-Gentil einzuführen. Die<br />

grossen Stadterweiterungen von 1835 bis<br />

1841 erfolgten wie in Le Locle nach einem<br />

Plan des Architekten Charles-Henri Junod.<br />

Aus diesem Grund wurde La Chaux-de-<br />

Fonds, wie Le Locle und auch Glarus, eine<br />

Reissbrettstadt, das heisst, die Strassen<br />

verlaufen parallel und rechtwinklig. Die<br />

zentrale Achse bildet die breite Hauptstrasse,<br />

die gemäss der Orientierung des Hochtals<br />

von Südwesten nach Nordosten ausgerichtet<br />

ist. Parallel dazu verlaufen etwa 15<br />

Längsstrassen unterschiedlicher Länge.<br />

Senkrecht dazu und damit quer zur Talrichtung<br />

sind rund 20 Querstrassen orientiert,<br />

die an den Hängen zum Teil starke Steigungen<br />

aufweisen. Die Strassenzüge werden<br />

von Jugendstilhäusern und wie in Le Locle,<br />

den typischen kubischen Mietshäusern aus<br />

dem 19. Jahrhundert geprägt.<br />

Im Jahr 2009 wurden La Chaux-de-Fonds<br />

und Le Locle zum UNESCO-Weltkulturerbe<br />

erklärt.<br />

Zum Zimmerbezug und Nachtessen führte<br />

uns der Reisebus wieder zurück nach Le<br />

Locle ins Hotel Trois Rois, einem interes-<br />

santen Bau wohl aus den 70er-Jahren.<br />

Nach dem feinen Nachtessen blieb noch<br />

Zeit, um zu plaudern und Erfahrungen auszutauschen.<br />

In Anbetracht der frühen Abfahrt<br />

am Sonntagmorgen zogen sich jedoch<br />

die meisten Teilnehmer relativ früh<br />

auf ihre Zimmer zurück.<br />

Hotel Trois Rois<br />

Am Sonntagvormittag war eine Schifffahrt<br />

entlang der französischen Grenze auf dem<br />

Doubs zu den Wasserfällen geplant. Als<br />

man jedoch vor dem Hotel auf die Strasse<br />

trat, hatte man den Eindruck, die Wasserfälle<br />

wurden nach Le Locle ausgelagert.<br />

Auf dem Doubs<br />

23


Gruppenbild ohne Wasserfall<br />

24<br />

Beim Aufwärmen<br />

Das Wetter besserte sich dann aber zusehends<br />

und als wir am Doubs anlangten,<br />

konnten wir das Schiff trockenen Fusses<br />

erreichen. Auf der Fahrt zu den Wasserfällen<br />

erklärte uns der Kapitän die Geographie<br />

und Geschichte dieses interessanten<br />

Landstriches und ergänzte beides mit Anekdoten.<br />

Ein kurzer Fussmarsch zu den<br />

Wasserfällen, ein paar Fotoaufnahmen,<br />

und schon zog es alle Teilnehmer zurück<br />

ins warme Restaurant bei der Schiffsanlegestelle.<br />

Nach äusserer und innerer Erwärmung<br />

ging die Fahrt mit dem Schiff wieder<br />

zurück nach Les Brenets, wo wir auch das<br />

Mittagessen einnahmen.<br />

Über den Vue des Alpes (1283 m ü. M.)<br />

fuhren wir auf der gut ausgebauten Strasse<br />

hinunter nach Neuchâtel zum Musée d’art<br />

et d’histoire, wo uns die berühmten Androiden<br />

des genialen Konstrukteurs Pierre<br />

Jaques-Droz ausführlich und detailliert<br />

vorgeführt wurden. Die drei Androiden<br />

gelangten 1909 in den Besitz des Museums.<br />

Dort stellen sie seither trotz ihres<br />

Alters von über 200 Jahren nach wie vor<br />

ihre Fähigkeiten unter Beweis. Trotz des<br />

Verschleisses und der Nachlässigkeit,<br />

unter der sie manchmal während ihren<br />

Aufenthalten und ihrer Reisen durch ganz<br />

Europa zu leiden hatten, funktionieren sie,<br />

nicht zuletzt wegen der fachkundigen und<br />

liebevollen Betreuung nach der Rückkehr<br />

in ihr Geburtsland, noch fast wie am ersten<br />

Tag.<br />

Pierre Jaquet-Droz wurde als Sohn eines<br />

Bauern und Uhrmachers 1721 in La Chauxde-Fonds<br />

geboren und starb 1790 in Biel.<br />

Er war einer der bedeutendsten Schweizer<br />

Uhren- und Automatenbauer, der Stutzuhren<br />

und Prunk-Pendeluhren herstellte und<br />

spezialisiert war auf Automaten wie Singvogeluhren,<br />

Tabakdosen mit Singvögeln<br />

und Luxusuhren. Er entwickelte u. a. einen<br />

automatischen Aufzug für Taschenuhren.<br />

Die Brüder Jaquet-Droz und ihre Mitarbeiter<br />

Jean-Frédéric Leschot, Henri Maillardet<br />

und Jacob Frisard begannen 1770<br />

mit dem Bau von drei Androiden, die 1774<br />

dem Publikum vorgestellt wurden. Der<br />

Erfolg muss unglaublich gewesen sein,<br />

zumindest schreibt ein Zeitgenosse, dass<br />

die Menschen regelrecht dorthin pilgerten<br />

und Gärten und Plätze voller Kutschen<br />

waren. Während mehr als einem Jahrhundert<br />

reisten die Androiden durch Europa<br />

und konnten gegen Eintrittsgeld besichtigt<br />

werden.<br />

Die Figuren sind etwa 70 cm hoch, Köpfe,<br />

Arme und Augen sind beweglich. Sie wirken<br />

sehr jung, fast wie Kinder. Sie gehören<br />

wahrscheinlich zu den schönsten Androiden<br />

die je geschaffen wurden. Jacques de<br />

Vaucanson, selbst ein Pionier und Meister<br />

des Automatenbaus, soll nach ihrer Besichtigung<br />

gegenüber Henri-Louis Jaquet-<br />

Droz ausgerufen haben: « Junger Mann,<br />

Sie beginnen dort, wo ich abzuschliessen<br />

gedenke! »


Die Androiden<br />

Eine kurze Beschreibung der drei Automaten:<br />

Der Schreiber : Wird der Schreiber in Gang<br />

gesetzt, taucht er die Feder in die Tinte,<br />

schüttelt sie leicht ab, legt seine Hand oben<br />

auf die Seite und hält an. Wenn ein weiterer<br />

Hebel bedient wird, beginnt er zu schreiben.<br />

Dabei setzt er wie ein richtiger Schreiber<br />

ab, beachtet die Auf- und Abstriche,<br />

die Leerzeichen und die Zeilen, setzt einen<br />

Punkt an das Ende und hält wieder an. Der<br />

Schreiber kann dabei jeden beliebigen<br />

Text mit bis zu 40 Zeichen schreiben. Dieser<br />

wird auf einer Scheibe mit auswechselbaren<br />

Nocken eingegeben.<br />

Der Zeichner : Der Mechanismus des<br />

Zeichners wird durch einen Satz von Nockenscheiben<br />

gesteuert, auf dem sich das<br />

Programm der Zeichnungen befindet. Mit<br />

drei auswechselbaren Nockenscheibensätzen<br />

können vier verschiedene Zeichnungen<br />

angefertigt werden:<br />

• ein Porträt von Louis XV. und der Hund<br />

« Toutou » (beide Bilder auf den gleichen<br />

Scheibensätzen),<br />

• König Georg von England und seine Gemahlin,<br />

• das romantische Motiv des von einem<br />

Schmetterling gezogenen Wagens<br />

Die Organistin : Die Musikerin wird von<br />

einer Stiftwalze und von damit verbundenen<br />

Nockenscheiben gesteuert, mit der die<br />

Finger der Hände bewegt werden. Die Finger<br />

schlagen die Tasten der Orgel an. Damit<br />

wird die Orgel wirklich von Hand gespielt<br />

und nicht wie oft üblich, durch eine Stiftwalze<br />

gesteuert. Sie kann fünf verschiedene<br />

Stücke spielen, die eigens für sie<br />

Die Organistin Der Zeichner<br />

Fingerbewegungen<br />

komponiert wurden. Im Körper ist ein Mechanismus<br />

eingebaut, der die Brust bewegt,<br />

so dass es aussieht, als atme sie.<br />

Weniger bekannt ist, dass die Jaquet-Droz<br />

und ihr Geschäftspartner Jean-Frédéric<br />

Leschot offenbar zusätzlich begannen,<br />

Prothesen für amputierte Gliedmassen herzustellen.<br />

Jean-Frédéric Leschot spezialisierte<br />

sich auf diese Aktivität und sein Ruf<br />

in diesem Bereich brachte ihm zahlreiche<br />

Aufträge auch aus dem Ausland ein. Anders<br />

als die damals üblichen Prothesen die<br />

mehr ästhetischen Wert hatten, waren diese<br />

anscheinend sogar funktionstüchtig, d.h.<br />

Knie konnten gebeugt und Gegenstände<br />

gehalten werden.<br />

Die anschliessende Fahrt nach Biel haben<br />

wohl verschiedene Teilnehmer nicht mitbekommen,<br />

da man sich von den erlebnisreichen<br />

zwei Tagen bei einem kleinen<br />

Schläfchen erholte. Am Bahnhof Biel fand<br />

unsere Herbstreise ein Ende und es ist zu<br />

hoffen, dass viele gute Erinnerungen geblieben<br />

sind. Die Organisation hat reibungslos<br />

funktioniert, den Organisatoren<br />

wird empfohlen, auch die Herbstreise 2012<br />

wiederum so erlebnisreich zu gestalten.<br />

Der Schreiber<br />

Mechanismus des Schreibers<br />

25


Lydia Baur mit der<br />

Violinopan<br />

26<br />

Martin Zumbach<br />

Walzenorgelbauer und Hersteller von stiftwalzen<br />

Paul Fricker<br />

Fotos: Madeleine und Paul Fricker<br />

Die Entdeckung<br />

An der Ecke eines kleinen Strässchens in<br />

Carouge unweit von Genf hörte ich von<br />

weitem schöne, bunte Drehorgeltöne, die<br />

ein grosses Interesse in mir weckten. Es<br />

war « Unter den Brücken von Paris », dieses<br />

unsterbliche Musikstück, von einer Drehorgel<br />

mit Panflöte und Violine gespielt,<br />

fantastisch arrangiert und von Bässen begleitet.<br />

Die schöne, elegante Lydia drehte<br />

strahlend die Kurbel vor einem begeisterten<br />

Publikum dieses kleinen Strassenkonzerts.<br />

Sie bat mich ein Stück ihrer schönen<br />

Musik zu wählen, welche die drei Repertoirezettel<br />

im Innern der Orgel vorschlagen,<br />

und welch grosse Überraschung, ich<br />

entdeckte im Innern des Instruments eine<br />

Walze mit Schneckenrad sowie einer grossen<br />

Anzahl von kleinen Drahtstiften und<br />

-Bögen, die über den Walzenumfang systematisch<br />

angeordnet sind und diese fantastischen<br />

Töne steuern!<br />

Der aufgeklappte Deckel gibt den Blick frei auf die Pfeifen des Registers<br />

Violine. Die tiefsten Pfeifen sind aus Platzgründen gedeckt, die grössten<br />

offenen sind gekröpft.<br />

Unter 24 Musiktiteln, die auf drei Walzen<br />

geschlagen sind, konnte ich wählen. Die<br />

Walzen sind einfach auszuwechseln, eine<br />

ist in Spielposition, zwei sind in dem kleinen<br />

Wagen untergebracht und warten auf<br />

ihren Einsatz. « Wenn der weisse Flieder<br />

wieder blüht » von Franz Doelle erklang,<br />

wundervolle Technik und harmonische<br />

Töne, ungewohnt für eine moderne Drehorgel!<br />

Ein reines Vergnügen – Verzückung<br />

für den Ingenieur!<br />

Martin Zumbach, Walzenorgelbauer<br />

und Musiker aus Leidenschaft<br />

Wer kann solch ein musikalisches und<br />

handwerkliches Meisterwerk professionell<br />

verwirklichen? Martin Zumbach, geboren<br />

1932, ein leidenschaftlicher Orgelbauer<br />

und ein Virtuose an der Kirchenorgel. Er<br />

wohnt in einer schönen Gegend der<br />

Schweiz, in der Nähe der Berge und des<br />

Zuger Sees. Von Jugend an bis heute begleitet<br />

er die Pfarrgemeinde seines Dorfes<br />

an der Kirchenorgel.<br />

Martin Zumbach hat eine Möbelschreinerlehre<br />

absolviert und diese Ausbildung bei<br />

dem Kirchenorgelbauer Walter Graf in<br />

Sursee ergänzt. Ab 1959 bis zu seiner Pensionierung<br />

arbeitete er als Schreiner bei<br />

den Wasserwerken von Zug. Diesen Beruf<br />

hat er 40 Jahre ausgeübt, aber seine Leidenschaft<br />

für die Musik und für den Bau<br />

von kleinen Drehorgeln ist während seiner<br />

Freizeit aufgelebt. Geeignete technische<br />

Dokumente über den Drehorgelbau fehlten<br />

und so hat sich Martin selbst geholfen und<br />

alles autodidaktisch gelernt. Diese moderne<br />

Arbeitsmethode ist in der Industrie<br />

bestens unter dem Schlagwort « learning<br />

by doing » bekannt.<br />

Anfang 1958 restaurierte Martin erstmals<br />

eine Drehorgel und errichtete eine kleine<br />

Werkstatt in seinem neuen Haus. Der Antiquitätenhändler<br />

Paul Döbeli fragte ihn<br />

nämlich zu dieser Zeit, ob er Drehorgeln<br />

restaurieren und reparieren könne. Martin<br />

hat mit solchen Aufträgen seine besten<br />

Lehrstunden erhalten und Bacigalupo,


Zwei Austauschwalzen sind im Sockel des<br />

Orgelwagens geschützt aufbewahrt.<br />

Frati, Bruder, Holl, usw. wurden seine Vorbilder.<br />

Sein Ziel war immer, die Orgeln in<br />

ihren ursprünglichen Zustand zu versetzen.<br />

Es ist nicht selbstverständlich, wenn es gelingt,<br />

wieder Leben in die alten Instru-<br />

mente zu bringen, und zu erreichen, dass<br />

die Pfeifen wieder in tadellosem Zusammenklang<br />

spielen.<br />

1975 zeichnete und bestiftete Martin Zumbach<br />

seine erste Walze, sie war jedoch für<br />

eine Wandflötenuhr. Bestärkt durch seine<br />

gewonnenen Erfahrungen und angetrieben<br />

von seiner grossen Begeisterung baute er<br />

1982 seine erste Walzenorgel. Auf der<br />

Grundlage eines Instruments des Meisters<br />

Bacigalupo baute er selbständig alle notwendigen<br />

Einzelteile, einschliesslich der<br />

Pfeifen und der Walze. Sein Streben nach<br />

Perfektion machte ihn schnell zu einem<br />

grossen Handwerker. Fast noch wichtiger<br />

als seine Handwerkskunst ist aber seine<br />

Virtuosität als Organist, die ihm beim Arrangieren<br />

der Musik und beim Bestecken<br />

der Walzen seiner Drehorgeln zu gute<br />

kommt. Seine Musikarrangements differenzieren<br />

insbesondere die Begleitung, die<br />

Bässe und Tremolos. Man könnte glauben,<br />

Die Werkstatt des Künstlers mit einer Orgel, deren Walze gezeichnet werden soll.<br />

27


Martin Zumbach überträgt Musik auf eine Walze<br />

Der Spielsteller<br />

28<br />

die Anzahl der Pfeifen habe sich erhöht.<br />

Das ist eine besondere Qualität von Martin<br />

Zumbach, das Erkennungszeichen eines<br />

sehr ruhigen und sorgenfreien Mannes, der<br />

sein Wesen in die warmen Töne seiner Instrumente<br />

und in seine Arrangements überträgt.<br />

In ihm entdeckt man die Seele des<br />

Musikuhrmacherhandwerks von damals<br />

wieder, das die wunderschönen Musikdosen<br />

der Jura-Region hervorgebracht hat.<br />

Der Walzenmusikzeichner<br />

Treten wir in die kleine Werkstatt von Martin<br />

ein. Welch ein Leckerbissen, welch<br />

eine Begeisterung! Alles ist ruhig und hell,<br />

jedes Werkzeug hat seinen Platz. Auf der<br />

Werkbank eine Walze, montiert in einer<br />

alten Drehorgel, vorbereitet für das Musikzeichnen<br />

nach der « direkten Teilung » mit<br />

Teilscheibe auf der Walzenachse. Ein langer<br />

auf der Teilscheibe befestigter Hebel<br />

erhöht die Auflösung der Teilung. Nach<br />

jedem Takt wird dieser Hebel entsprechend<br />

versetzt. Die Walze ist dabei in der Orgel<br />

platziert. Bei dieser Methode gibt es keinen<br />

Computer und keine Musiksoftware,<br />

es gibt keine Möglichkeit, die Musik vor<br />

dem Bestecken der Walze zu hören! Es<br />

gibt auch keine computergesteuerte Maschine,<br />

um die Stifte und Bügel auf der<br />

Walze exakt zu platzieren. Hier wird alles<br />

handwerklich gemacht, mit der Hand des<br />

Musikzeichners und Walzenstechers.<br />

Martin arrangiert seine Musik zunächst auf<br />

Notenpapier und spielt sie zur Überprüfung<br />

auf seiner grossen Orgel mit 566 Pfeifen<br />

und 10 Registern eigener Produktion.<br />

Anschliessend muss die Musik « berechnet<br />

» werden, das bedeutet, die Noten in<br />

Zahlenwerte umzuwandeln, um diese<br />

Werte über den Umfang der Walze von<br />

200 mm Durchmesser in entsprechende<br />

Strecken aufzuteilen. Jedes Musikstück,<br />

Note für Note, Takt für Takt, wird mit<br />

höchster Präzision über den Walzenmantel<br />

positioniert. Jedes Musikstück dauert bei<br />

72 Kurbeldrehungen etwa 1½ Minuten.<br />

Und Martin hört im Geiste jeden Ton bereits<br />

während er die Musik auf die Walze<br />

zeichnet. Welch ein Künstler!<br />

Die Länge der Töne wird durch die Dicke<br />

und Höhe von Drahtstiften bestimmt, bis<br />

zur Achtelnote reichen Stifte, für längere<br />

Notenwerte benutzt man Drahtbügel (Brücken),<br />

welche jeweils über Clavis und Stecher<br />

ihr Tonventil mehr oder weniger lang<br />

öffnen. Pro Walze sind etwa 10 000 bis<br />

15 000 Messingdrahtstifte und -Bügel zu<br />

setzen und Martin, der diese hochpräzise<br />

Arbeit perfekt beherrscht, braucht mehr als<br />

einen Monat, um einen solchen Toninformationsträger<br />

zu verwirklichen. Dabei<br />

muss die Bestiftung Ton für Ton exakt auf<br />

dem Umkreis erfolgen, dem die Clavis auf<br />

der Walzenoberfläche folgt. Durch die 8


Violinopan « Zumbach #11 » mit Walzenschlitten und Blick auf die Panflöte<br />

Musikstücke, die auf der Walze zwischen<br />

zwei Claves nebeneinander notiert werden,<br />

ergeben sich regelmässige Abstände von<br />

nur 1,7 mm zwischen den Spuren, Präzision<br />

ist also oberstes Gebot!<br />

Nach Engramelle 1 , Dom Bédos 2 und Ignaz<br />

Blasius Bruder 3 hat meines Wissens kein<br />

Walzenzeichner Literatur zu dieser Kunst<br />

hinterlassen. Weil man sein Know-How<br />

leider nicht an andere weitergeben wollte,<br />

hat jeder seine eigene Methode und seine<br />

Herstellungsgeheimnisse lieber mit ins<br />

Grab genommen. Glücklicherweise erstellt<br />

Martin für jede Walze eine sehr gute Dokumentation<br />

zur musikalischen Ausführung.<br />

Die Violinopan<br />

Martin Zumbach hat in den 90er-Jahren 11<br />

Violinopan-Orgeln hergestellt. Er ist der<br />

Auffassung, dass eine Orgelkonzeption mit<br />

36 Claves für Drehorgelspieler, die kleine<br />

Konzerte geben, ein guter Kompromiss<br />

zwischen musikalischen Möglichkeiten,<br />

Grösse und Gewicht des Instruments darstellt.<br />

Dementsprechend besitzt die Violinopan-<br />

Orgel 36 Claves und 72 Pfeifen, davon 20<br />

gedeckte zylindrische Panflöten-Pfeifen in<br />

8'-Lage aus Bambus, angeblasen wie die<br />

klassische Panflöte, und 26 Violin-Pfeifen<br />

in 4'-Lage. Aus dieser Diskantregister-<br />

Kombination leitet sich der Name Violinopan<br />

ab. Im Sockel liegen unter dem Bodenbrett<br />

16 Bourdon 8'-Pfeifen und die drei<br />

tiefsten gedeckten Pfeifen der 4'-Lage, die<br />

wegen ihrer Grösse im Kasten nicht unterzubringen<br />

sind. Daraus ergibt sich folgender<br />

Aufbau:<br />

29


30<br />

36 Pfeifen in 8’-Lage :<br />

F, G, ab c° diatonisch (mit b°) bis c' und<br />

chromatisch weiter bis f ' = 16 gedeckte<br />

Bourdonpfeifen, als Bodenpfeifen montiert,<br />

fis' bis c''' chromatisch und d''' = 20<br />

gedeckte Panflöten auf der Lade in der Fassade<br />

stehend.<br />

36 Pfeifen in 4’-Lage :<br />

F, G und e° = 3 gedeckte Bodenpfeifen, c°<br />

und d° = 2 gedeckte Pfeifen, liegend über<br />

dem Balg montiert, f°, g°, a°, b° und h° = 5<br />

gedeckte Pfeifen, auf der Lade stehend, c'<br />

bis c''' chromatisch und d''' = 26 offene Violinpfeifen,<br />

auf der Lade stehend, die 6<br />

längsten gekröpft.<br />

Der tiefste Ton ist F, der höchste d''', die<br />

Tonleiter ist von a° bis c''' chromatisch<br />

(cis''' fehlt). Der Stimmton a' ≈ 490 Hz liegt<br />

etwa einen Ganzton über dem heutigen<br />

Kammerton (440 Hz). Ein Winddruck von<br />

145 mm Wassersäule sorgt für sehr laute<br />

Töne, wie sie für ein Strasseninstrument<br />

erforderlich sind. Die Orgel hat einen tragenden<br />

Klang, der für das Publikum oft<br />

überraschend wirkt. Sie zeichnet sich aus<br />

durch die Qualität und Originalität der<br />

Zumbach-Arrangements und durch die<br />

schillernden Töne der Panflöte, ergänzt<br />

durch die Violine. Für den Zuhörer ist dieses<br />

Instrument ein artistisches Zusammenspiel<br />

von Violine, Panflöte und Bourdon.<br />

Heute beschäftigt sich Martin Zumbach in<br />

erster Linie mit der Restaurierung von<br />

Walzenorgeln und mit der Walzenherstellung,<br />

Fertigkeiten, die er meisterhaft beherrscht!<br />

Seine Restaurationen geben den<br />

historischen Instrumenten neues Leben<br />

und erstaunen die glücklichen Eigentümer.<br />

Es ist nach getaner Arbeit für Martin immer<br />

ein Erfolgserlebnis der Drehorgel zuzuhören<br />

und eine grosse Freude, wenn er die<br />

Bestätigung seiner zufriedenen Kunden<br />

erhält.<br />

Martin Zumbach glaubt, dass man mit<br />

einer gut klingenden Drehorgel auch in<br />

Zukunft den Leuten Freude bereiten kann.<br />

Er stellt immer wieder fest, dass Senioren,<br />

aber auch junge Eltern mit Kindern, von<br />

individuell arrangierter Musik aus einer<br />

anderen Zeit fasziniert sind.<br />

schlusswort<br />

Oh, ich höre den « Frühlingsstimmenwalzer<br />

» von J. Strauss, natürlich ist es eine<br />

VIOLINOPAN! Und man glaubt eine Bacigalupo<br />

zu hören! Mit welch fantastischer<br />

musikalischer und handwerklicher Leidenschaft<br />

widmet sich Martin dieser besonderen<br />

Drehorgelmusik und erfreut<br />

damit nicht nur seine persönlichen Freunde,<br />

sondern auch die Passanten auf der Strasse,<br />

die eine kurze Zeit in der Nähe des Drehorgelspielers<br />

innehalten! Martin Zumbach<br />

ist ein grosser Künstler mit zahlreichen<br />

Facetten, der in unserer Zeit – nur zu seiner<br />

und unserer Freude und Zufriedenheit – in<br />

unermüdlichem Einsatz aussergewöhnliches<br />

leistet!<br />

Anmerkungen<br />

1 Père Marie Dominique Joseph Engramelle,<br />

Physiker und Musiker, Mitglied<br />

am Hof von König Stanislaus von<br />

Nancy, beschreibt in seinem Buch La tonotechnie<br />

où l’art de noter les cylindres,<br />

Paris 1775, drei sehr interessante Musikzeichnungsmethoden.<br />

2 Der Benediktiner Dom Bédos de Celles<br />

beschreibt im vierten Band (Paris 1778)<br />

seines Standardwerks L’art du facteur<br />

d’orgues den Bau von Orgel-Sonderformen,<br />

darunter im 3. Kapitel auch Serinetten<br />

und Walzenorgeln. Das vierte Kapitel,<br />

in dem das Walzenzeichnen behandelt<br />

wird, greift ausdrücklich auf Engramelles<br />

Werk zurück.<br />

3 Ignaz Blasius Bruder hinterliess seinen<br />

Nachkommen ein Werkstattbuch (1829),<br />

in dem er seine Techniken festhielt. Eine<br />

kommentierte Fassung veröffentlichte<br />

Karl Bormann: Orgel- und Spieluhrenbau,<br />

Aufzeichnungen des Orgel- und Musikwerkmachers<br />

Ignaz Bruder von 1829<br />

und die Entwicklung der Walzenorgeln,<br />

Zürich 1968. Hermann Brommer gab<br />

2006 mit der Waldkircher Orgelstiftung<br />

in einer auf 100 Exemplare limitierten<br />

Auflage das Handbuch der Orgelbaukunst<br />

von Ignaz Blasius Bruder heraus, in<br />

dem Bruders handschriftliches Werkstattbuch<br />

für den heutigen Leser erschlossen<br />

wird.


Seppi Arnold-Gyr<br />

Fotos: Martha Arnold-Gyr<br />

Am 13. Juni erfolgt bereits von der Marktkommission<br />

Lachen die herzliche Einladung<br />

zur 28. Drehorgelmatinee. Umgehend<br />

melde ich mich an und versende das<br />

Formular am 16. Juni 2011. Diese Anmeldung<br />

gilt als definitiv. Den Termin trage<br />

ich im Familienkalender ein.<br />

So fährt mich heute Martha im Laguna<br />

samt den Utensilien nach Lachen an die<br />

St. Gallerstrasse. Es ist 9.00 Uhr. Auf dem<br />

Parkplatz vis a vis von der Kapelle buchen<br />

wir am Automaten für den ganzen Tag,<br />

sicher ist sicher. Auf der Hinfahrt hält sich<br />

das Wetter ordentlich, es ist bewölkt, aber<br />

trocken. Rasch stellen wir gemeinsam die<br />

Drehorgel zusammen und packen vorsichtshalber<br />

zusätzlich den grossen Regenschutz<br />

für das Gefährt ein. Man kann ja<br />

nie wissen!<br />

Sind die Baden-Würtenberger wohl an<br />

ihrem richtigen Platz ?<br />

Auszug : Tagebuch einer Raffin<br />

mini Pfeifendrehorgel<br />

28. Drehorgelmatinee an der Lachner Chilbi,<br />

sonntag, 4. september 2011<br />

Aber diese zwei sind es bestimmt !<br />

Pünktlich um 9.15 Uhr treffen wir im Restaurant<br />

Schützenhaus ein. Wir werden von<br />

den zwei Delegierten der Marktkommission<br />

willkommen geheissen und erhalten<br />

den diesjährigen Spielplan, die Wagennummer<br />

17 sowie die Festplakette. Diesmal<br />

sind 23 Nummern aufgeführt. Ab<br />

10.00 Uhr darf gespielt werden. Ich bin,<br />

wie im vergangenen Jahr, am Spielort<br />

Parkplatz CS vorgesehen. Die Spielplätze<br />

Nummer 16, 17 und 18 sind wenige Meter<br />

aufeinander, dass ich mich einer Zweiergruppe<br />

anschliesse, welche ebenfalls einen<br />

Ausweichplatz sucht. Es sind dies Alice<br />

und Hans Egli aus Herrliberg. Mit ihnen<br />

musizierte ich bereits im vergangenen Jahr.<br />

Gemeinsam finden wir einen idealen Platz<br />

vor dem Zugang zur Chilbi. Martha macht<br />

sich mit der Digitalkamera auf den Weg,<br />

bevor sie auf Mittag bei Onkel und Tante,<br />

wie vereinbart, aufkreuzt. So bin ich diesmal<br />

ohne meine Assistentin!<br />

31


Walzendrehorgel –<br />

Bacigalupo Berlin<br />

26 Tonstufen, Walze von<br />

Max Gewecke mit<br />

8 Musik stücken:<br />

Erzherzog-Albrecht-Marsch,<br />

Mariechen sass weinend<br />

im Garten,<br />

Nordseewalzer,<br />

Berliner Luft,<br />

Hochzeit der Winde,<br />

Schneewalzer,<br />

Hoch auf dem gelben Wagen,<br />

So ein Tag<br />

Gehäuse im traditionellen<br />

Prospekt und Mahagonibauweise,<br />

einwandfreier Zustand<br />

Grösse 48/35/65 cm<br />

Baujahr : Ende der 70er-Jahre,<br />

Erbauer : Curt Baum<br />

Orgel aus erster Hand<br />

Walzendrehorgel –<br />

Niemuth Berlin<br />

12 Tonstufen; Walze mit<br />

10 Musikstücken; Gehäuse,<br />

Mechanik und Tonsystem<br />

speziell sorgfältige Ausführung<br />

und Verarbeitung<br />

Grösse 29.5/24.5/33.5 cm<br />

Baujahr: 1992 aus Kleinserie<br />

direkt vom Hersteller<br />

Alfred und Margrit Enz,<br />

Zürich<br />

E-Mail: a.m.enz@bluewin.ch<br />

http://www.drehorgel.ch/<br />

pinwand/<br />

32<br />

Zu VERKAuFEN<br />

Martha entdeckt diesen schönen<br />

Brunnen . . .<br />

Hier drehen wir abwechslungsweise an unseren<br />

Instrumenten, Alice an einer Göckel<br />

Violinpan, Hans an einer Heiniger und zwischen<br />

ihnen stehe ich mit einer Mini Raffin<br />

Drehorgel. Nur von Ferne hört man andere<br />

Spieler. Hier wahren wir die Festung, bis<br />

gemäss Auftritt der eine oder andere zum<br />

Eventzelt anzutreten hat. Immer wieder<br />

lauschen Passanten unseren Klängen. Kinder<br />

bleiben stehen und haben Fragen über<br />

Fragen. Und ein Tröpsli ist ihnen gewiss.<br />

Unsere Melodien kommen beim Publikum<br />

gut an. Aus einem Fenster wird gerufen.<br />

Eine ältere Dame stellt sich vor und erzählt,<br />

dass sie Handharmonika spiele. Unsere<br />

Musik gefalle ihr, darum habe sich in<br />

einem Briefumschlag sämtliches Münz<br />

eingepackt. Sie wirft mir das Couvert zu<br />

und ich bedanke mich sehr. Alice spielt<br />

Kinderlieder, bei Hans erklingen volkstümliche<br />

Melodien und bei mir ertönen<br />

alte Schlager und Gassenhauer. Bald ist es<br />

halb Zwölf Uhr. Hans fährt seine schwere<br />

Drehorgel zum Eventzelt auf dem Chilbiareal,<br />

nahe vom Riesenrad.<br />

Alice und ich drehen weitere Drehorgelkurbelrunden.<br />

Immer öfters schlendern<br />

Kilbibesucher vorbei. Sie bestaunen die<br />

hübschen mechanischen Musikinstrumente.<br />

Bereits mache ich mich auf den<br />

Weg zum Zelt, wo die einzelnen Drehorgelspieler<br />

mit ihren Instrumenten vorgestellt<br />

werden, gemäss Auftrittsplan für<br />

mich um 12.10 Uhr. Auf dem Hinweg begegnet<br />

mir Hans. Er bemerkt, dass ich<br />

mich nicht beeilen solle. Das ganze Programm<br />

sei um einiges verspätet. Wirklich,<br />

da steht eine lange Reihe von Drehorgelwagen<br />

vor dem Zelteingang. Nun geht es<br />

zügig voran. Es erklingen kurze Melodien<br />

auf den verschiedenen Instrumenten.<br />

Schon bin ich an der Reihe. Clemens<br />

Columberg stellt mich beim Publikum<br />

kurz vor und erkundigt sich nach dem zu<br />

spielenden Stück. Hierauf lasse ich meine<br />

Drehorgel erschallen. Zügig an der Kurbel<br />

drehend, erklingt, meist zusammen mit<br />

dem zweiten Register, eine volkstümliche<br />

Melodie aus Appenzell. Bereits ist Peter<br />

Bürgisser mit seiner Raffin Konzertorgel<br />

R31/100, Baujahr 1975, auf der Bühne. Ich<br />

verlasse das Zelt und durchquere den Kil-<br />

. . . und später Hildegard Oberholzers<br />

einmalig geschaffene Figurendrehorgel


Otto Furrers Standplatz, immer bei der<br />

Metzgerei<br />

biplatz Richtung Schützengarten. Das heimelige<br />

Restaurant wird heute von den<br />

hungrigen Drehorgelleuten in Beschlag<br />

genommen.<br />

Uns erwartet ein leckeres Mittagessen inkl.<br />

Mineralwasser und Wein, offeriert von der<br />

Marktkommission Lachen. Herzlichen<br />

Dank! An den Tischen wird laut diskutiert,<br />

geheimnisvoll verhandelt, munter erzählt,<br />

aufmerksam zugehört, öfters gelacht oder<br />

geschmunzelt. Eine einmalige Geräuschkulisse!<br />

Schon wird der Nachtisch offeriert.<br />

Draussen spannen die Kilbibesucher<br />

ihre Schirme auf. Am Nachmittag steht<br />

leider Dauerregen statt heiteres Drehorgelspiel<br />

auf dem Programm. Schade!<br />

Gegen 14.30 Uhr verlasse ich das Lokal,<br />

um Martha zu telefonieren. Wir vereinbaren,<br />

dass ich mit dem Drehorgelwagen<br />

zum Parkplatz fahre und sämtliche Utensilien<br />

im Laguna verstaue. Jetzt kommt mir<br />

der grosse Regenschutz zu Nutzen. So<br />

bringe ich Instrument und Wagen samt Notenbänder<br />

ins Trocken.<br />

Anschliessend kreuze ich bei Tante Anna<br />

und Onkel Karl auf. Als wir uns von ihnen<br />

verabschieden, weint der Himmel immer<br />

noch. Bei allen vergangenen Lachner<br />

Drehorgeltreffen, in denen ich teilnehmen<br />

Am Vormittag ist noch gut lachen in Lachen !<br />

durfte, erlebte ich stets eine strahlende<br />

Sonne. Aber eben, für den Kilbibetrieb ist<br />

die Marktkommission zuständig, für das<br />

Wetter der Dorfpfarrer mit seinem Wettersegen!<br />

Auf der Heimfahrt nach Emmenbrücke ist<br />

der Scheibenwischer ständig in Aktion.<br />

Aber interessant und abwechslungsreich<br />

ist das 28. Drehorgelmatinee trotzdem. Besonders,<br />

wenn man neue Teilnehmer kennenlernen<br />

darf.<br />

33


34<br />

Termine 2012<br />

22. Januar Internationales Drehorgel-Wintertreffen in Lausen BL<br />

Kontakt: Daniel Widmer, Neubadrain 2, CH-4015 Basel,<br />

Postfach 458, Telefon +41 +61 302 52 17,<br />

daniel.widmer@drehorgelfreunde.ch<br />

21./22. April 6. Int. Karussell- und Drehorgeltreffen in Waldshut-Tiengen (D)<br />

5. Mai 18. Drehorgelfestival anlässlich der 33. LUGA in Luzern<br />

13. Mai Generalversammlung des <strong>SFMM</strong> in Schafisheim<br />

3. Juni Drehorgeltreffen in Lichtensteig<br />

30. Juni Drehorgeltreffen in Burgdorf<br />

7. Juli Drehorgeltreffen auf der Engstligenalp<br />

8. Juli Drehorgeltreffen in Adelboden<br />

24. August Drehorgelkonzert in der Reformierten Kirche von Bad Zurzach<br />

25. August 24. Drehorgeltreffen in Bad Zurzach<br />

2. September Drehorgelmatinée in Lachen<br />

14./16. September Vereinsreise nach Paris<br />

14. Oktober 24. Drehorgeltreffen in Laufenburg CH anlässlich der HELA<br />

Wiederkehrende Anlässe<br />

Am letzten Sonntag Leichte Klassik am Sonntagnachmittag jeweils um 17.00 Uhr bei<br />

im Monat Kurt und Ursula Matter. Im Osthaus Wichterheer, Oberhofen.<br />

Eintritt frei. Kollekte.<br />

Jeden 4. Donnerstag Drehorgel-Stamm. Hogg der Basler Drehorgelfreunde um 19.45 Uhr<br />

im Restaurant Ysebähnli, Utengasse 22, 4058 Basel.<br />

Wir freuen uns auf Gäste, die sich unter<br />

Tel. (+41) 61 681 71 24; Mobil Tel. (+41) 78 683 48 95 anmelden.


Walter Dahler<br />

Werkstatt für mechanische<br />

Musikinstrumente<br />

An meine geschätzte Kundschaft :<br />

Nach fast 30-jähriger Restauratorentätigkeit in Brugg, habe ich<br />

meine Werkstatt nach Unterbözberg (3 km nach Westen)<br />

verschoben.<br />

Alles Wichtige ist wieder hier :<br />

Maschinen, Werkzeuge, Material und nicht unwichtig für meine<br />

anspruchsvolle Kundschaft : meine Erfahrung, die ich in über<br />

40 Jahren mit mechanischen Musikinstrumenten erworben habe.<br />

Auch Ihre Puppenautomaten sind bei mir in guten Händen,<br />

sowohl was die Mechanik anbelangt als auch die Kleider und die<br />

Dekora tionen, die meine erfahrene Partnerin wieder zu rekonstruieren<br />

versteht.<br />

Neue Adresse: Oberer Rebhügel 427<br />

CH-5224 Unterbözberg<br />

Tel. 056 441 71 55<br />

Siehe auch:<br />

www.mechanischemusikinstrumente.ch<br />

www.musikautomatenwerkstatt.ch<br />

Die spezialisten für «Technische Antiquitäten»<br />

AuCTION TEAM BREKER<br />

Postfach 50 11 19, 50971 Köln,<br />

Otto-Hahn-Straße 10, 50997 Köln<br />

Tel. +49 2236 38 43 40, Fax +49 2236 38 43 430<br />

auction@breker.com, www.breker.com<br />

Auktionstermine 2012<br />

24. März Photographica & Film<br />

26. Mai (Pfingsten) Science & Technology<br />

Büro-Antik<br />

Fine Toys & Automata<br />

22. September Photographica & Film<br />

17. November Science & Technology<br />

Büro-Antik<br />

Fine Toys & Automata<br />

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