Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
<strong>Die</strong> <strong>Afs<strong>ch</strong>aren</strong><br />
Den diesjährigen Sommereinkauf im Iran wollte i<strong>ch</strong> mit<br />
einem Besu<strong>ch</strong> der Afs<strong>ch</strong>arnomaden in ihren Sommerweiden<br />
verbinden. I<strong>ch</strong> fragte daher unseren Händler in Shiraz,<br />
ob er hierfür eine Mögli<strong>ch</strong>keit sähe.<br />
Bei unserer Ankunft in Shiraz war<br />
das Nötige vorbereit<strong>et</strong>.<br />
Na<strong>ch</strong> unseren Einkäufen fuhren wir<br />
komfortabel in einem mit Kühlanlage<br />
eingeri<strong>ch</strong>t<strong>et</strong>en Vierradantrieb-<br />
Fahrzeug von Shiraz aus Ri<strong>ch</strong>tung<br />
Kirman. In Sirjan besu<strong>ch</strong>ten wir<br />
Ruhol Amini, selber Afshar und Teppi<strong>ch</strong>händler.<br />
Er und seine Freunde<br />
vermittelten mir viel Wissenswertes<br />
über die <strong>Afs<strong>ch</strong>aren</strong>. Zwis<strong>ch</strong>en Tee,<br />
t o r b a R E P O R T<br />
Frü<strong>ch</strong>ten und einem fürstli<strong>ch</strong>en<br />
Na<strong>ch</strong>tessen tippte i<strong>ch</strong> fleissig die<br />
vermittelten Informationen in mein<br />
Laptop:<br />
Einer der im Iran am weitesten<br />
verstreuten Turkstämme ist der der<br />
<strong>Afs<strong>ch</strong>aren</strong>. Sie sind no<strong>ch</strong> heute sehr<br />
zahlrei<strong>ch</strong> in Aserbeids<strong>ch</strong>an, Chorasan,<br />
Kerman, Chusestan, Varamin,<br />
Zanjan, Hamadan und Mazandaran<br />
vertr<strong>et</strong>en. In man<strong>ch</strong>em dieser Ge-<br />
bi<strong>et</strong>e werden ihre Arbeiten gewöhnli<strong>ch</strong><br />
ri<strong>ch</strong>tig identifiziert, in anderen<br />
werden sie jedo<strong>ch</strong> irrtümli<strong>ch</strong>erweise<br />
Stämmen zugeordn<strong>et</strong> wie den<br />
Luren, Kurden, S<strong>ch</strong>us<strong>ch</strong>taren und<br />
Beluts<strong>ch</strong>en, da sie neben ihren stammeseigenen<br />
au<strong>ch</strong> typis<strong>ch</strong> gebi<strong>et</strong>sgebundene<br />
Charakteristika aufweisen.<br />
Angesi<strong>ch</strong>ts der ausgedehnten<br />
Verbreitung der <strong>Afs<strong>ch</strong>aren</strong>, ihrer<br />
erfolgrei<strong>ch</strong>en Anpassung an die<br />
10 t o r b a 2/97
vers<strong>ch</strong>iedensten örtli<strong>ch</strong>en Gegebenheiten<br />
und ihrer Vers<strong>ch</strong>melzung mit<br />
jeweiligen Na<strong>ch</strong>barvölkern ist diese<br />
Verwirrung, was die Zuordnung b<strong>et</strong>rifft,<br />
keineswegs überras<strong>ch</strong>end.<br />
<strong>Die</strong> verhältnismässige Glei<strong>ch</strong>förmigkeit<br />
der Muster und Te<strong>ch</strong>niken<br />
bei den Knüpfarbeiten anderer individueller<br />
Stämme wie den Turkmenen,<br />
Luren, Gas<strong>ch</strong>gai und S<strong>ch</strong>ahsavannen,<br />
die diese Arbeiten so lei<strong>ch</strong>t<br />
identifizierbar ma<strong>ch</strong>t, trifft auf die<br />
<strong>Afs<strong>ch</strong>aren</strong>erzeugnisse ni<strong>ch</strong>t zu.<br />
Der Ursprung der <strong>Afs<strong>ch</strong>aren</strong><br />
Islamis<strong>ch</strong>en Historikern zufolge war<br />
Aws<strong>ch</strong>ar oder Afs<strong>ch</strong>ar der Name des<br />
ältesten Sohnes von Jidiz Khan, dem<br />
dritten Sohn des fast legendären<br />
Oghuz Khan. Der Name bedeut<strong>et</strong><br />
entweder «ges<strong>ch</strong>ickter Jäger» oder<br />
bezei<strong>ch</strong>n<strong>et</strong> jemanden, der eine Sa<strong>ch</strong>e<br />
prompt erledigt.<br />
<strong>Die</strong> Herkunft der <strong>Afs<strong>ch</strong>aren</strong> kann<br />
auf eine Stammesgruppe der turkis<strong>ch</strong>en<br />
Oghuzen zurückverfolgt wer-<br />
den, die zu Beginn des 12. Jahrhunderts<br />
aus der Qibts<strong>ch</strong>agebene in<br />
Turkestan na<strong>ch</strong> Iran wanderten.<br />
Man<strong>ch</strong>e von ihnen kamen bis Syrien<br />
und Kleinasien. Viele von ihnen<br />
blieben jedo<strong>ch</strong> in Chuzestan im südli<strong>ch</strong>en<br />
Iran.<br />
Anfängli<strong>ch</strong> waren sie re<strong>ch</strong>t unbedeutend.<br />
Mit dem Anführer S<strong>ch</strong>umla<br />
(1148–1174) gewannen sie zunehmend<br />
an Einfluss.<br />
S<strong>ch</strong>umla war ein mä<strong>ch</strong>tiger und<br />
ehrgeiziger Stammeshäuptling, der<br />
der Herrs<strong>ch</strong>aft von Malek S<strong>ch</strong>ah<br />
Selds<strong>ch</strong>uk in Chuzestan ein Ende<br />
s<strong>et</strong>zte. Er wurde Gouverneur von<br />
Lurestan.<br />
Einige Zeit na<strong>ch</strong> S<strong>ch</strong>umlas Tod<br />
entsandte der Kalif von Bagdad<br />
Truppen na<strong>ch</strong> Chuzestan und nahm<br />
die Urgrossenkel des Verstorbenen<br />
gefangen. Das bedeut<strong>et</strong>e das Ende<br />
der Dynastie. Während der nä<strong>ch</strong>sten<br />
drei Jahrhunderte blieb es<br />
relativ still um diesen Stamm. Der<br />
Aufstieg der Safawiden zu Beginn<br />
<strong>Die</strong>se Afs<strong>ch</strong>ar Nomadin s<strong>ch</strong>lägt<br />
mit dem Kamm die S<strong>ch</strong>ussfäden<br />
zusammen.<br />
des 16. Jahrhunderts führte zu<br />
einem Aufleben der Ma<strong>ch</strong>t der<br />
<strong>Afs<strong>ch</strong>aren</strong> im Iran, denn sie waren<br />
einer der sieben Stämme der Qizilbas<strong>ch</strong>-Föderation,<br />
die bei der<br />
Thronübernahme von S<strong>ch</strong>ah Ismail<br />
(1499–1529) eine wi<strong>ch</strong>tige Rolle<br />
spielen.<br />
Afs<strong>ch</strong>ar Shahr-i-Babak, 160 x 212 cm, Dorfarbeit. Afs<strong>ch</strong>ar Dorfarbeit, K<strong>et</strong>te aus Wolle, 141 x 199 cm.<br />
t o r b a 2/97 11
<strong>Die</strong>se beiden Frauen weben ein Fla<strong>ch</strong>gewebe<br />
in Umwicklungste<strong>ch</strong>nik.<br />
Zu diesem Zeitpunkt hatten bedeutende<br />
Gruppen des Stammes wieder<br />
zu wandern begonnen. S<strong>ch</strong>ah Ismail<br />
ernannte die Anführer der Qizilbas<strong>ch</strong><br />
Stämme zu Statthaltern der<br />
vers<strong>ch</strong>iedenen Gebi<strong>et</strong>e.<br />
<strong>Die</strong> ernannten Statthalter nahmen<br />
einige ihrer Stammesangehörigen<br />
mit si<strong>ch</strong>. So kam es zu einer no<strong>ch</strong><br />
weiteren Verbreitung der <strong>Afs<strong>ch</strong>aren</strong><br />
innerhalb des Irans. Später war die<br />
Ausdehnung die Folge von Strafmassnahmen.<br />
Rebellis<strong>ch</strong>e Elemente aus den Reihen<br />
der <strong>Afs<strong>ch</strong>aren</strong> wurden von<br />
späteren Safawiden S<strong>ch</strong>ahs in abgelegene<br />
Gebi<strong>et</strong>e verbannt. In einigen<br />
dieser Gebi<strong>et</strong>e haben die <strong>Afs<strong>ch</strong>aren</strong><br />
an ihren Traditionen festgehalten,<br />
in andern wiederum wurden sie von<br />
dort ansässigen Stämmen assimiliert.<br />
<strong>Die</strong> <strong>Afs<strong>ch</strong>aren</strong> von Chuzestan<br />
Wie s<strong>ch</strong>on gesagt, war Chuzestan<br />
zu Beginn des 12. Jahrhunderts die<br />
erste Heimat der <strong>Afs<strong>ch</strong>aren</strong> im Iran.<br />
Na<strong>ch</strong> der Safawidenepo<strong>ch</strong>e unterminierten<br />
arabis<strong>ch</strong>e Stämme in<br />
Chuzestan die Ma<strong>ch</strong>t der <strong>Afs<strong>ch</strong>aren</strong><br />
und zwangen viele von ihnen zur<br />
Abwanderung in andere Gebi<strong>et</strong>e.<br />
Der einzige Clan der <strong>Afs<strong>ch</strong>aren</strong>, der<br />
seine Identität in Chuzestan bis zum<br />
heutigen Tag bewahrt hat, ist der<br />
Stamm der Günduzlü, die im Gebi<strong>et</strong><br />
von S<strong>ch</strong>ustar und an den Ufern<br />
des Gargaflusses leben.<br />
Afs<strong>ch</strong>ar Farsi Madan, div. Umwicklungste<strong>ch</strong>niken, sehr feine Arbeit,<br />
K<strong>et</strong>te aus Wolle, 175 x 352 cm.<br />
12 t o r b a 2/97
Afs<strong>ch</strong>ar Kuhi Baft, K<strong>et</strong>te aus Wolle, 148 x 232 cm.<br />
Sie spre<strong>ch</strong>en den S<strong>ch</strong>us<strong>ch</strong>tar-Dialekt<br />
und haben keinerlei Kenntnisse der<br />
turkis<strong>ch</strong>en Spra<strong>ch</strong>e ihrer Vorfahren.<br />
<strong>Die</strong> S<strong>ch</strong>us<strong>ch</strong>tari <strong>Afs<strong>ch</strong>aren</strong> weben<br />
Fla<strong>ch</strong>gewebe mit K<strong>et</strong>tbindung, die<br />
meistens zu Sofreh verarbeit<strong>et</strong><br />
werden.<br />
t o r b a 2/97<br />
<strong>Die</strong> <strong>Afs<strong>ch</strong>aren</strong> aus Aserbeids<strong>ch</strong>an<br />
Bei der Ma<strong>ch</strong>tergreifung der Safawiden<br />
spielten die aserbeids<strong>ch</strong>anis<strong>ch</strong>en<br />
<strong>Afs<strong>ch</strong>aren</strong> eine grosse Rolle. Sie<br />
nahmen während der ganzen Safawidenepo<strong>ch</strong>e<br />
wi<strong>ch</strong>tige Positionen<br />
ein. Ihre Ma<strong>ch</strong>t und ihr Rebellen-<br />
<strong>Die</strong> Weberin arbeit<strong>et</strong> in einer<br />
Umwicklungste<strong>ch</strong>nik.<br />
geist war für die Safawiden eine<br />
e<strong>ch</strong>te Gefahr. Mit der Zeit wurden<br />
viele von ihnen verstreut.<br />
Dadur<strong>ch</strong> verloren sie sehr an Einfluss.<br />
Denno<strong>ch</strong> lebt no<strong>ch</strong> heute eine bea<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e<br />
Zahl in ihren ursprüngli<strong>ch</strong>en<br />
Niederlassungen südli<strong>ch</strong> des<br />
Urumiasees zwis<strong>ch</strong>en Maragheh<br />
und Miandoab. Sie wandern immer<br />
no<strong>ch</strong> zwis<strong>ch</strong>en den Sommerweiden<br />
in den Vorbergen des Sahand und<br />
den Winterdörfern am Ostufer des<br />
Sees.<br />
<strong>Die</strong> bedeutendsten Stammesgruppen<br />
der aserbeids<strong>ch</strong>anis<strong>ch</strong>en <strong>Afs<strong>ch</strong>aren</strong><br />
sind die Inulü, die Alplü,<br />
die Günduzlü, die Aras<strong>ch</strong>lü, die<br />
Qasemlü sowie die Kuhgilü.<br />
<strong>Die</strong> meisten der in Aserbeids<strong>ch</strong>an<br />
lebenden <strong>Afs<strong>ch</strong>aren</strong> sind heute sesshafte<br />
Dorfbewohner, die vorwiegend<br />
Fla<strong>ch</strong>gewebe produzieren.<br />
<strong>Die</strong> <strong>Afs<strong>ch</strong>aren</strong> von Chamseh<br />
<strong>Die</strong> sesshaften <strong>Afs<strong>ch</strong>aren</strong> von<br />
Chamseh leben in Zanjan, Hamadan,<br />
Abhar und vielen umliegenden<br />
Dörfern.<br />
Sie haben si<strong>ch</strong> dort mit anderen<br />
Turkstämmen wie den S<strong>ch</strong>ahsawanen,<br />
den Bayaten und den Quaraguzlü<br />
vermis<strong>ch</strong>t.<br />
Ihre Erzeugnisse bestehen grösstenteils<br />
aus Teppi<strong>ch</strong>en, die in den<br />
Basaren unter der Bezei<strong>ch</strong>nung<br />
Hamadan oder Zanjan angeboten<br />
werden.<br />
13
Blick ins Innere eines Afs<strong>ch</strong>ar Farsi<br />
Madan Zeltes.<br />
<strong>Die</strong> Frau webt ein Fla<strong>ch</strong>gewebe.<br />
Sehr s<strong>ch</strong>ön ist der typis<strong>ch</strong>e Afs<strong>ch</strong>ar<br />
Djadjim, wel<strong>ch</strong>er den Hausrat<br />
und die Lebensmittel abdeckt.<br />
Afs<strong>ch</strong>ar Farsi Madan (Rosen), K<strong>et</strong>te aus Baumwolle,<br />
ca. 80 Jahre alt, 155 x 210 cm.<br />
14<br />
<strong>Die</strong> <strong>Afs<strong>ch</strong>aren</strong> von Chorasan<br />
<strong>Die</strong> <strong>Afs<strong>ch</strong>aren</strong> von Chorasan wurden<br />
unter der Herrs<strong>ch</strong>aft von S<strong>ch</strong>ah<br />
Abbas dem Grossen gezwungen, aus<br />
Aserbeidjan und Kurdistan in dieses<br />
Gebi<strong>et</strong> abzuwandern, um als Puffer<br />
gegen die ständigen Angriffe usbekis<strong>ch</strong>er<br />
und turkmenis<strong>ch</strong>er Stämme<br />
auf die Grenzen des Safawidenrei<strong>ch</strong>es<br />
zu agieren.<br />
<strong>Die</strong> bedeutendsten <strong>Afs<strong>ch</strong>aren</strong>stämme<br />
in Chorasan sind die Qasemlü,<br />
die Bakes<strong>ch</strong>lü und die Qiriglü. Zu<br />
den l<strong>et</strong>zteren gehört Nadir S<strong>ch</strong>ah<br />
Afs<strong>ch</strong>ar, der na<strong>ch</strong> dem Fall der Safawiden<br />
(1736) zum S<strong>ch</strong>ah gekrönt<br />
und 1747 ermord<strong>et</strong> wurde.<br />
Heute leben die meisten der Chorasan<br />
<strong>Afs<strong>ch</strong>aren</strong> am Fuss des Hezar<br />
Masjed Gebirges, zwis<strong>ch</strong>en Dareh<br />
Gaz und Kalat Naderi.<br />
Ein Grossteil ihres Territoriums<br />
wurde während der Kriege zwis<strong>ch</strong>en<br />
Iran und Russland zu Ende des<br />
19. Jahrhunderts von den Russen<br />
erobert. Abiward, ihr Kerngebi<strong>et</strong>,<br />
gehört heute zu Turkmenistan. Ihre<br />
Erzeugnisse bestehen meistens aus<br />
Djadjim, Chords<strong>ch</strong>ins, Salztas<strong>ch</strong>en<br />
und Sofreh Ardi.<br />
<strong>Die</strong> <strong>Afs<strong>ch</strong>aren</strong> von Kirman<br />
<strong>Die</strong> grösste und bedeutendste <strong>Afs<strong>ch</strong>aren</strong>gruppe<br />
lebt in der Provinz<br />
Kirman.<br />
<strong>Die</strong> ersten dieser <strong>Afs<strong>ch</strong>aren</strong> wanderten<br />
um 1510 in Kirman ein. <strong>Die</strong>s<br />
ges<strong>ch</strong>ah während der Herrs<strong>ch</strong>aft<br />
S<strong>ch</strong>ah Ismails, zu Beginn der Safawidenepo<strong>ch</strong>e,<br />
unter der Anführung<br />
von Baram Beg ein.<br />
Später im selben Jahrhundert deportierte<br />
S<strong>ch</strong>ah Tahmasp als Strafe<br />
für ihre Revolte no<strong>ch</strong> andere Afs<strong>ch</strong>argruppen<br />
na<strong>ch</strong> Kirman.<br />
Kirman ist eine riesige Provinz. Der<br />
Grossteil ist unfru<strong>ch</strong>tbare Wüste. In<br />
den Bergen, von denen man<strong>ch</strong>e über<br />
4500 m ho<strong>ch</strong> sind, herrs<strong>ch</strong>t ein kühles<br />
Sommerklima.<br />
Das Tiefland, das si<strong>ch</strong> bis an die Küste<br />
des persis<strong>ch</strong>en Golfes erstreckt,<br />
Afs<strong>ch</strong>ar, K<strong>et</strong>te aus Wolle, ca. 100 Jahre alt,<br />
156 x 222 cm.<br />
t o r b a<br />
2/97
ist warm genug, um den Nomaden<br />
als Winterlager zu dienen. Jahrhunderte,<br />
bevor die <strong>Afs<strong>ch</strong>aren</strong> in Kirman<br />
einwanderten, war das Gebi<strong>et</strong><br />
von vers<strong>ch</strong>iedenen Persis<strong>ch</strong>, Türkis<strong>ch</strong><br />
und Arabis<strong>ch</strong> spre<strong>ch</strong>enden<br />
Stämmen bewohnt.<br />
Statistiken zufolge leben über 30<br />
vers<strong>ch</strong>iedene Stämme und Stammesgruppen,<br />
die mit den <strong>Afs<strong>ch</strong>aren</strong><br />
ni<strong>ch</strong>t verwandt sind, in dieser Provinz.<br />
<strong>Die</strong> bedeutendsten von ihnen<br />
sind die Abdoughi sowie der einheimis<strong>ch</strong>e<br />
Kirman Stamm Raini.<br />
Im Sommer leben sie in den Bergen<br />
von Balvard, im Winter in Haji<br />
Abad. <strong>Die</strong> Sippe hat 5 Familien mit<br />
ca. 500 Zelten.<br />
<strong>Die</strong> Kirman <strong>Afs<strong>ch</strong>aren</strong> bestehen aus<br />
einer Anzahl von Stammessippen.<br />
<strong>Die</strong> bedeutendsten von ihnen, die<br />
no<strong>ch</strong> heute mit Zelten unterwegs<br />
sind, heissen:<br />
Bo<strong>ch</strong>aqh<strong>ch</strong>i<br />
Im Sommer leben sie in Chargombad,<br />
im Winter in Baghad (zwis<strong>ch</strong>en<br />
Bandar-E Abas und Sirjan). <strong>Die</strong> Bo<strong>ch</strong>aqh<strong>ch</strong>i<br />
sind eine sehr grosse<br />
Sippe. <strong>Die</strong> meisten von ihnen leben<br />
in Dörfern und Städten. Na<strong>ch</strong> Ruhol<br />
Amini hat es no<strong>ch</strong> ca. 200 Zelte.<br />
Farsi Madan<br />
(ni<strong>ch</strong>t Farsi spre<strong>ch</strong>end)<br />
Im Sommer leben sie in der Umgebung<br />
von Dehsajer Baft, im Winter<br />
in Hozeluk in der Nähe von Baghat.<br />
D<strong>et</strong>ail aus Afs<strong>ch</strong>ar<br />
(Seite 14, unten re<strong>ch</strong>ts).<br />
t o r b a 2/97<br />
<strong>Die</strong> Frauen der Farsi Madan sind<br />
sehr gute Knüpferinnen. No<strong>ch</strong> ca.<br />
200 Familien sind mit ihren Zelten<br />
unterwegs.<br />
Jamebozorgi<br />
Im Sommer leben sie in Chah-e-<br />
Chaghul, im Winter in der Nähe<br />
von Baghat.<br />
Leider besteht die Sippe nur no<strong>ch</strong><br />
aus 30 Zelten. <strong>Die</strong> meisten leben in<br />
Dörfern und in der Stadt Sirjan.<br />
<strong>Die</strong> Aga Janni und die Safipur mit<br />
je 150 Zelten sind no<strong>ch</strong> weitere<br />
Türkis<strong>ch</strong> spre<strong>ch</strong>ende <strong>Afs<strong>ch</strong>aren</strong>.<br />
<strong>Die</strong> textilen Erzeugnisse der Kirman<br />
<strong>Afs<strong>ch</strong>aren</strong> sind zweifellos die<br />
vielfältigsten aller Iranis<strong>ch</strong>en Stammes-<br />
und Nomadenarbeiten.<br />
Sie umfassen sowohl Teppi<strong>ch</strong>e,<br />
Fla<strong>ch</strong>gewebe, Tas<strong>ch</strong>en in div. Grössen<br />
als au<strong>ch</strong> Säcke und Bänder.<br />
<strong>Die</strong> <strong>Afs<strong>ch</strong>aren</strong> benützen ni<strong>ch</strong>t nur<br />
viele vers<strong>ch</strong>iedene Muster, sondern<br />
sie sind au<strong>ch</strong> Meister vielfältiger<br />
Knüpf- und Webte<strong>ch</strong>niken.<br />
Dur<strong>ch</strong> die Jahrhunderte und als Resultat<br />
der Vermis<strong>ch</strong>ung der vers<strong>ch</strong>iedenen<br />
Stämme begannen si<strong>ch</strong><br />
die Arbeiten der <strong>Afs<strong>ch</strong>aren</strong> und<br />
ni<strong>ch</strong>t afs<strong>ch</strong>aris<strong>ch</strong>en Gruppen anzuglei<strong>ch</strong>en.<br />
Von den vers<strong>ch</strong>iedensten textilen<br />
Arbeiten mö<strong>ch</strong>te i<strong>ch</strong> nur einige wenige<br />
näher vorstellen:<br />
Ein neuer Rosenafs<strong>ch</strong>ar (verglei<strong>ch</strong>e Abbilung<br />
Seite 14, unten links).<br />
Sofreh Ardi (Brotteigtu<strong>ch</strong>)<br />
<strong>Die</strong> Nomaden s<strong>ch</strong>ätzen es, wenn sie<br />
zum Essen fris<strong>ch</strong> gebackenes Brot<br />
geniessen können. Damit nun die<br />
Nomadin ni<strong>ch</strong>t bei jeder Mahlzeit<br />
neuen Teig kn<strong>et</strong>en muss, legt sie si<strong>ch</strong><br />
einen ca. viertägigen Vorrat an. Damit<br />
der Teig ni<strong>ch</strong>t austrockn<strong>et</strong>, wird<br />
er in die Rückseite eines quadratis<strong>ch</strong>en<br />
Tu<strong>ch</strong>es eingewickelt. <strong>Die</strong><br />
Rückseite des gewobenen Sofreh<br />
Ardi ist zusätzli<strong>ch</strong> mit einem feinen<br />
Baumwolltu<strong>ch</strong> gefüttert. <strong>Die</strong>ses mit<br />
Teig gefüllte Tu<strong>ch</strong> wird nun an einer<br />
kühlen Stelle im Zelt aufbewahrt.<br />
Afs<strong>ch</strong>ar Doppeltas<strong>ch</strong>e, geknüpft und div. Webte<strong>ch</strong>niken, 70 x 131 cm.<br />
15
Afs<strong>ch</strong>ar Jabal-Barez, Sofreh Ardi (Brotteigtu<strong>ch</strong>),<br />
div. Webte<strong>ch</strong>niken, 142 x 150 cm.<br />
Namakdan (Salztas<strong>ch</strong>e)<br />
Namakdan ist eine Tas<strong>ch</strong>e, in<br />
wel<strong>ch</strong>er die Nomaden das Salz aufbewahren.<br />
Sie besteht aus einem<br />
Hauptkörper und einem Hals. Im<br />
Hauptteil wird das Salz aufbewahrt;<br />
der Hals verhindert, dass das Salz<br />
vers<strong>ch</strong>ütt<strong>et</strong> wird. Das Salz ist sehr<br />
wertvoll und ni<strong>ch</strong>t immer lei<strong>ch</strong>t<br />
erhältli<strong>ch</strong>. Im Zelt wird die Salztas<strong>ch</strong>e<br />
in der Nähe der Ko<strong>ch</strong>stelle<br />
aufgehängt. Der Hirt trägt diese<br />
Afs<strong>ch</strong>ar Namakdan (Salztas<strong>ch</strong>e),<br />
div. Webte<strong>ch</strong>niken, auf Baumwolle,<br />
43 x 44 cm.<br />
16<br />
Tas<strong>ch</strong>e an einen Stock gebunden<br />
über der S<strong>ch</strong>ulter, wenn er mit seiner<br />
Herde unterwegs ist. Bei den<br />
Wasserstellen streut er Salz auf die<br />
umliegenden Steine oder Felsen,<br />
damit die Tiere na<strong>ch</strong> dem Wassertrinken<br />
davon lecken können. Da sowohl<br />
das Brot wie das Salz im Leben<br />
der Nomaden eine wi<strong>ch</strong>tige Rolle<br />
spielen, geben si<strong>ch</strong> die Frauen bei<br />
der Herstellung dieser Gebrau<strong>ch</strong>sgegenstände<br />
besondere Mühe.<br />
Afs<strong>ch</strong>ar Namakdan (Salztas<strong>ch</strong>e),<br />
geknüpft auf Wolle,<br />
45 x 47 cm.<br />
Afs<strong>ch</strong>ar Soleimani, Sofreh Ardi (Brotteigtu<strong>ch</strong>),<br />
div. Webte<strong>ch</strong>niken, 140 x 136 cm.<br />
Leider hat au<strong>ch</strong> hier der Plastik<br />
Einzug gehalten. Erfreuli<strong>ch</strong>erweise<br />
trafen wir bei unserem diesjährigen<br />
Besu<strong>ch</strong> Weberinnen an, wel<strong>ch</strong>e<br />
no<strong>ch</strong> Sofreh Ardi webten.<br />
Text und Fotos: Edi Kistler<br />
Afs<strong>ch</strong>ar Namakdan (Salztas<strong>ch</strong>e),<br />
geknüpft auf Wolle,<br />
48 x 63 cm.<br />
t o r b a<br />
2/97