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Trailritt durch das Tien Shan Gebirge - Cranio-kelm.de

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PRAXIS<br />

Kirgistan – Land voller Extreme<br />

<strong>Trailritt</strong> <strong>durch</strong><br />

<strong>das</strong> <strong>Tien</strong> <strong>Shan</strong> <strong>Gebirge</strong><br />

Kirgistan ist ein Binnenstaat in Zentralasien und liegt im Hochgebirge<br />

<strong>Tien</strong> <strong>Shan</strong>. Viele Menschen ziehen hier noch wie ihre Vorfahren als Noma<strong>de</strong>n<br />

<strong>durch</strong>s Land. Zwei Wochen lang streifte unsere Autorin auf <strong>de</strong>ren Spuren<br />

<strong>durch</strong> eine völlig an<strong>de</strong>re Welt.<br />

Noch eine Schale Kymys?“,<br />

fragt die Kirgisin in ihrer<br />

Jurte. Kymys ist vergorene<br />

Stutenmilch – hier ein Natio-<br />

nalgetränk. „Rachmat toidum“<br />

– danke genug, antworte ich ihr<br />

und steige nach zwei Schalen<br />

dieser rauchig schmecken<strong>de</strong>n<br />

Flüssigkeit lieber auf schwarzen<br />

Tee um. Meistens wird <strong>de</strong>r<br />

Kymys in <strong>de</strong>r Wärme <strong>de</strong>r Jurte<br />

vergoren, <strong>de</strong>nn Stutenmilch ist<br />

die einzige Milch, die beim Gären<br />

nicht gerinnt. Ein Drittel<br />

Kymys bleibt übrig und wird<br />

mit frischer Milch aufgegossen.<br />

Mit einem großen Holzschlegel<br />

wird alles immer wie<strong>de</strong>r <strong>durch</strong>gemischt.<br />

Einen speziellen Geschmack<br />

nimmt die Milch von<br />

<strong>de</strong>n geräucherten Pfer<strong>de</strong>fellen<br />

an, in <strong>de</strong>nen sie aufbewahrt<br />

wird. Je länger <strong>das</strong> dauert, <strong>de</strong>sto<br />

intensiver kommt er <strong>durch</strong>. Kymys<br />

schmeckt da<strong>durch</strong> rauchig,<br />

ein wenig prickelnd (wie Kohlensäure)<br />

und säuerlich. Mein<br />

diesbezüglich ungeübter Magen<br />

braucht jetzt erst einmal eine<br />

Pause.<br />

Wir sitzen am ersten Abend unseres<br />

Trails in <strong>de</strong>r Jurte von Asat<br />

und seiner Familie am warmen<br />

Ofen, <strong>de</strong>r mit Dung befeuert wird.<br />

Es ist En<strong>de</strong> Juni und draußen<br />

schneit es. Die Temperaturunterschie<strong>de</strong><br />

sind in Kirgistan zu <strong>de</strong>m<br />

88 BAYERNS PFERDE 10/2009 www.bayernspfer<strong>de</strong>.<strong>de</strong>


www.bayernspfer<strong>de</strong>.<strong>de</strong><br />

Fotos: Kelm<br />

Zeitpunkt schon extrem. Als wir in<br />

Bishkek, <strong>de</strong>r Hauptstadt ankamen,<br />

erwarteten uns 38° C. Danach<br />

fuhren wir mit einem Taxi in<br />

sechs Stun<strong>de</strong>n an <strong>de</strong>n Issyk Kul,<br />

<strong>de</strong>n zweitgrößten Hochgebirgssee<br />

<strong>de</strong>r Welt und <strong>de</strong>n bekanntesten<br />

See <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s, <strong>de</strong>r auf 1608 m<br />

liegt. Hier zeigte <strong>das</strong> Thermometer<br />

schon 14° C weniger an.<br />

Und hier startete unsere Tour<br />

<strong>durch</strong> <strong>das</strong> <strong>Tien</strong> <strong>Shan</strong> <strong>Gebirge</strong>,<br />

<strong>de</strong>ssen Siebentausen<strong>de</strong>r sich gleich<br />

hinter <strong>de</strong>m See majestätisch in die<br />

Höhe schwingen.<br />

In <strong>de</strong>r Wetterküche<br />

<strong>de</strong>s <strong>Tien</strong> <strong>Shan</strong> <strong>Gebirge</strong>s<br />

Die Route unseres zweiwöchigen<br />

Rittes <strong>durch</strong> die Berge nahe <strong>de</strong>r<br />

chinesischen Grenze führt über<br />

mehrere Pässe und <strong>durch</strong> viele Täler<br />

zwischen 2500 und ca. 4000m.<br />

Uns erwartet Eis und Schnee. An<br />

vielen Tagen ist morgens <strong>de</strong>r<br />

Inhalt unserer Wasserflaschen<br />

gefroren.<br />

Der Issyk Kul mit 180 km Länge<br />

und 60 km Breite ist die Wetterküche<br />

<strong>de</strong>s <strong>Tien</strong> <strong>Shan</strong> <strong>Gebirge</strong>s, <strong>de</strong>nn<br />

die verdunstete Feuchtigkeit <strong>de</strong>s<br />

Sees schlägt sich in <strong>de</strong>n Bergen nie<strong>de</strong>r<br />

– mal als Nebel, mal als Regen,<br />

Graupel o<strong>de</strong>r Schnee. Das Wetter<br />

kann sich <strong>durch</strong> die aufsteigen<strong>de</strong>n<br />

Win<strong>de</strong> blitzschnell än<strong>de</strong>rn.<br />

Alles Notwendige in <strong>de</strong>r<br />

Neun-Kilo-Packtasche<br />

Am ersten Tag nach <strong>de</strong>m Transfer<br />

ist in <strong>de</strong>r Jurte <strong>de</strong>r Familie<br />

Obolbekov in Barskoon, einem<br />

kleinen Ort am Südufer <strong>de</strong>s Issyk<br />

Kul Sees, Lagebesprechung. Wir<br />

erhalten unsere Packtaschen, in<br />

<strong>de</strong>nen Schlafsack und Wäsche<br />

Platz fin<strong>de</strong>n sollen. Gar nicht so<br />

einfach, sich bei <strong>de</strong>n zu erwarten<strong>de</strong>nTemperaturunterschie<strong>de</strong>n<br />

auf maximal 9 kg Gepäck<br />

zu beschränken. Da wir nur zwei<br />

Reitgäste (mein Mann und ich)<br />

sind, fährt kein Begleitfahrzeug<br />

mit, wie es bei größeren Gruppen<br />

üblich ist. Wir müssen alles auf<br />

unseren Pfer<strong>de</strong>n transportieren:<br />

Zelt, Isomatten, Schlafsack, Essen<br />

und persönliches Gepäck. XV<br />

Gewöhnungsbedürftig: Das<br />

kirgisische Nationalgetränk heißt<br />

Kymys und besteht aus vergorener<br />

Stutenmilch. Sie wird in<br />

einem Sack aus geräuchertem<br />

Pfer<strong>de</strong>fell aufbewahrt.<br />

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Allemann<br />

BAYERNS PFERDE 10/2009<br />

89


PRAXIS<br />

Begleitet wer<strong>de</strong>n wir von Kapta,<br />

unserem Gui<strong>de</strong>, Masra, <strong>de</strong>m Horseman<br />

und Suchra, unserer Köchin<br />

und Dolmetscherin.<br />

„Tschuu“ – Vorwärts!<br />

Unsere Pfer<strong>de</strong> sind ein Rassemix<br />

aus kirgisischem Pony und Don<br />

Pfer<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r Orlow Trabern mit<br />

einem Stockmaß um die 155 cm.<br />

Rash Obolbekov setzt nur Wallache<br />

für seine Touren ein. So<br />

vermei<strong>de</strong>t er unterwegs Ärger mit<br />

<strong>de</strong>n freilaufen<strong>de</strong>n Pfer<strong>de</strong>her<strong>de</strong>n.<br />

Die Kurzeinführung für die Pfer<strong>de</strong><br />

lautete: „Tschuu“ heißt vorwärts<br />

o<strong>de</strong>r schneller und „Drrr“ heißt<br />

anhalten. Dazu nimmt man die<br />

Zügel an. Ganz einfach also… Mal<br />

sehen. Ich frage nach <strong>de</strong>m Namen<br />

meines Pfer<strong>de</strong>s und höre, <strong>das</strong>s<br />

hier alle Pfer<strong>de</strong> nach <strong>de</strong>r Farbe<br />

(ein Brauner heißt Toro) benannt<br />

wer<strong>de</strong>n. Mein Pferd hat allerdings<br />

noch <strong>de</strong>n Zusatznamen Ishenbek,<br />

<strong>de</strong>r Name seines Vorbesitzers.<br />

Die erste Hür<strong>de</strong> für mich ist, mit<br />

<strong>de</strong>m Bein hoch genug zu kommen,<br />

damit ich beim Aufsteigen<br />

nicht am Gepäckberg hinter <strong>de</strong>m<br />

Sattel hängen bleibe und die Felle<br />

vom kirgisischen Sattel fege, auf<br />

<strong>de</strong>nen man sitzen soll. Die Sättel<br />

sehen schon etwas gewöhnungsbedürftig<br />

aus, sind aber sehr<br />

bequem – offensichtlich auch für<br />

die Pfer<strong>de</strong>.<br />

Bei keinem sehen wir Scheuerstellen<br />

o<strong>de</strong>r weiße Haare, die auf<br />

einen alten Satteldruck hinweisen<br />

könnten. Und <strong>das</strong> bei zu überwin<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />

Höhenunterschie<strong>de</strong>n<br />

von teilweise 2500m pro Tag. Die<br />

Pfer<strong>de</strong> bewegen sich bei so einem<br />

Trail fast ausschließlich im sehr<br />

steilen, steinigen Gelän<strong>de</strong>. Sie sind<br />

unglaublich! Sie können klettern<br />

wie die Ziegen, gehen munter<br />

vorwärts, auch <strong>durch</strong> tiefe<br />

Bäche und bewältigen enorme<br />

Der Issyk Kul ist <strong>de</strong>r zweitgrößte Gebirgssee <strong>de</strong>r Welt.<br />

Hier, 1608m über <strong>de</strong>m Meeresspiegel, startete <strong>de</strong>r <strong>Trailritt</strong>.<br />

Ein kirgisischer Sattel besteht zum großen Teil aus Fellen.<br />

Steigungen. Dabei fressen sie<br />

nur <strong>das</strong> Gras <strong>de</strong>r Hochwei<strong>de</strong>n und<br />

trinken aus <strong>de</strong>n Bächen. Von extra<br />

Kraftfutter keine Spur!<br />

Auch unsere Pfer<strong>de</strong> sind Profis und<br />

überraschen uns immer wie<strong>de</strong>r.<br />

Einmal versinken die Pfer<strong>de</strong> von<br />

Kapta und meinem Mann bis zum<br />

Mittags gab es meistens ein Satteltaschenpicknick mit Brot, Fisch aus<br />

<strong>de</strong>r Dose, Käse, Wurst und Trockenfrüchten.<br />

90 BAYERNS PFERDE 10/2009 www.bayernspfer<strong>de</strong>.<strong>de</strong><br />

Fotos: Kelm


Bauch im Schlamm – und <strong>das</strong> auf<br />

einem Pass in über 4000m Höhe.<br />

Aber die Vierbeiner meistern <strong>das</strong><br />

Problem und alle überstehen heil<br />

diese kniffelige Situation.<br />

Sicher – ohne Netz<br />

und doppelten Bo<strong>de</strong>n<br />

Vom ersten Tag an geht es stetig<br />

bergan, zuerst <strong>durch</strong> einen Tannenwald,<br />

dann wird es immer<br />

lichter. Wir treffen auf die ersten<br />

Hochwei<strong>de</strong>n mit Rin<strong>de</strong>rn, Pfer<strong>de</strong>n<br />

und Schafen. Unsere Pfer<strong>de</strong> erklimmen<br />

Felsen, sind dabei leicht<br />

zu dirigieren und vermitteln uns<br />

damit eine unglaubliche Sicherheit.<br />

Selbst wenn sie mit einer<br />

<strong>de</strong>r Packtaschen leicht am Felsen<br />

hängen bleiben, balancieren sie<br />

sich sofort wie<strong>de</strong>r aus.<br />

Am Abend fallen gleich zehn<br />

Zentimeter Neuschnee, vor <strong>de</strong>m<br />

wir in <strong>de</strong>r Jurte von Asats Familie<br />

Unterschlupf fin<strong>de</strong>n. Doch<br />

am nächsten Morgen weckt uns<br />

wie<strong>de</strong>r strahlend blauer Himmel<br />

und Sonnenschein, eine traum-<br />

www.bayernspfer<strong>de</strong>.<strong>de</strong><br />

hafte Landschaft mit einem tollen<br />

Blick auf <strong>de</strong>n Issyk Kul. Es geht<br />

weiter bergauf <strong>durch</strong> Wiesen voller<br />

Blumen, von <strong>de</strong>nen ich nur wenige<br />

mit Namen kenne. Über uns<br />

kreisen Adler mit enormen Spannweiten<br />

vor <strong>de</strong>n Schneegipfeln <strong>de</strong>r<br />

Berge – ein majestätischer Anblick.<br />

Dann unser erster Pass, <strong>de</strong>r Tosor<br />

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Faszination Pferd<br />

Pass auf 3900m Höhe, über <strong>de</strong>n<br />

gera<strong>de</strong> zahllose Rin<strong>de</strong>r und Schafe<br />

getrieben wer<strong>de</strong>n. Das Frühjahr<br />

ist sehr regnerisch gewesen und<br />

hat <strong>de</strong>n Beginn <strong>de</strong>r Wei<strong>de</strong>saison<br />

verzögert.<br />

Klamme Finger, heißer Tee<br />

Ein paar Tage später sitzen wir<br />

Wissenswertes<br />

zum Land<br />

Kirgistan (5,26 Mio. Einwohner)<br />

wird Kyrgyz Republikasy, Kirgisische<br />

Republik, Kirgisistan o<strong>de</strong>r Kyrgysstan<br />

genannt. Die Amtssprache ist<br />

Kirgisisch (Russisch).<br />

Seit <strong>de</strong>m 31.8.1991 ist <strong>das</strong> Land unabhängig<br />

von <strong>de</strong>r Sowjetunion. Es<br />

wird im Nor<strong>de</strong>n von Kasachstan, im<br />

Westen von Usbekistan, im Sü<strong>de</strong>n<br />

von Tadschikistan und im Südosten<br />

von China begrenzt.<br />

Bishkek, früher Frunse, ist die<br />

Hauptstadt. Hier leben eine Mio.<br />

Einwohner.<br />

Kirgistan erstreckt sich über eine<br />

Fläche von 198.500 Quadratkilometer,<br />

<strong>das</strong> ist etwa fünfmal so<br />

groß wie die Schweiz (Nord -Süd<br />

Aus<strong>de</strong>hnung: 435 km; West- Ost<br />

Aus<strong>de</strong>hnung: 900 km). Das <strong>Tien</strong><br />

<strong>Shan</strong> <strong>Gebirge</strong> nimmt zwei Drittel<br />

<strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s ein.<br />

Das Land ist vorwiegend muslimisch<br />

geprägt (Sunniten). Viele<br />

Shepherds glauben aber an die<br />

Naturkräfte und Naturgötter. Etwa<br />

10 bis 20 % <strong>de</strong>r Menschen sind<br />

russisch- orthodox.<br />

Lei<strong>de</strong>r leben in Kirgistan auch heute<br />

noch 52 % <strong>de</strong>r Einwohner unterhalb<br />

<strong>de</strong>r Armutsgrenze.<br />

Mittags bei einer Pause noch im<br />

Sonnenschein. Doch kurz nach<br />

unserem Aufbruch beginnt es so<br />

BAYERNS PFERDE 10/2009<br />

91


PRAXIS<br />

stark zu regnen, <strong>das</strong>s die Pfer<strong>de</strong><br />

sich immer wie<strong>de</strong>r rückwärts<br />

in <strong>de</strong>n Wind drehen. Nach drei<br />

Stun<strong>de</strong>n haben wir dann unseren<br />

Lagerplatz erreicht und bauen bei<br />

Regen und starkem Wind <strong>das</strong> Zelt<br />

auf. Natürlich ist alles klatschnass<br />

und wir versuchen mit Handtüchern<br />

<strong>das</strong> Innenzelt soweit trocken<br />

zu bekommen, <strong>das</strong>s wenigstens<br />

die Schlafsäcke keine Feuchtigkeit<br />

ziehen. Es ist übrigens gar nicht so<br />

einfach, in einem Igluzelt für zwei<br />

Personen mit nassem Gepäck zu<br />

übernachten, ohne an <strong>de</strong>r nassen<br />

Zeltwand zu kleben.<br />

Als dann <strong>de</strong>r Regen in Hagel übergeht,<br />

fragen wir uns, was wir hier<br />

eigentlich tun? Ein Aufenthalt<br />

am sonnigen Strand wäre doch<br />

„Tschuu“ heißt vorwärts: Die<br />

kirgisischen Pfer<strong>de</strong> sind absolut<br />

trittsicher und haben eine<br />

unglaubliche Kondition.<br />

Über <strong>de</strong>n Tosor-Pass wur<strong>de</strong>n in 3900m Höhe gera<strong>de</strong> Rin<strong>de</strong>r- und<br />

Schafher<strong>de</strong>n getrieben.<br />

auch schön. Jetzt muss <strong>de</strong>r heiße<br />

Tee reichen, an <strong>de</strong>m wir wenigstens<br />

die klammen Finger wärmen<br />

können.<br />

Irgendwann in <strong>de</strong>r Nacht hört <strong>de</strong>r<br />

Regen auf, und am nächsten Morgen<br />

weckt uns ein blauer Himmel.<br />

Wir stellen fest, <strong>das</strong>s wir mitten auf<br />

einer Wiese voller E<strong>de</strong>lweiss übernachtet<br />

haben. Die Murmeltiere<br />

pfeifen und unsere Pfer<strong>de</strong> rupfen<br />

Gras, dazu die atemberauben<strong>de</strong><br />

Aussicht. Jetzt wissen wir wie<strong>de</strong>r<br />

ganz genau, wofür man solche<br />

Reisen macht...<br />

Zu Gast bei <strong>de</strong>n<br />

kirgisischen Noma<strong>de</strong>n<br />

Unsere Crew singt unterwegs viel.<br />

Da können wir nicht mithalten,<br />

<strong>de</strong>nn uns geht peinlicherweise<br />

bei <strong>de</strong>n Lie<strong>de</strong>rn, die wir kennen<br />

und für unsere Gastgeber singen<br />

wollen, meistens schon nach<br />

<strong>de</strong>r ersten Strophe <strong>de</strong>r Text aus.<br />

Unvergesslich bleiben die Besuche<br />

bei vielen Shepherds die Noma<strong>de</strong>n<br />

in Kirgistan, die uns in ihre Jurten<br />

einla<strong>de</strong>n. Suchra, unsere Köchin,<br />

muss dabei fleißig hin und her<br />

übersetzen.<br />

Fast in je<strong>de</strong>r Jurte gibt es für uns<br />

Kymys. Die Stuten wer<strong>de</strong>n dafür im<br />

Das Wetter in <strong>de</strong>r Höhe kann sehr schnell umschlagen. Dann wird es<br />

ungemütlich.<br />

92 BAYERNS PFERDE 10/2009 www.bayernspfer<strong>de</strong>.<strong>de</strong>


Bei <strong>de</strong>n Noma<strong>de</strong>n sind Gäste immer herzlich willkommen. Da isst, singt<br />

und re<strong>de</strong>t man miteinan<strong>de</strong>r – zur Not mit Hän<strong>de</strong>n und Füßen.<br />

www.bayernspfer<strong>de</strong>.<strong>de</strong><br />

Fotos: Kelm<br />

Sommer alle zwei Stun<strong>de</strong>n (fünfmal<br />

am Tag etwa je ein Liter) gemolken.<br />

Ihre Fohlen sind tagsüber an einem<br />

Seil angebun<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r sogenannten<br />

Tschele. So entfernen sich die Stuten<br />

nicht allzu weit von <strong>de</strong>r Jurte.<br />

Am Abend wer<strong>de</strong>n dann die Fohlen<br />

losgebun<strong>de</strong>n und ziehen mit <strong>de</strong>n<br />

Stuten umher.<br />

Darüber hinaus trinken wir viel<br />

schwarzen Tee – mal mit, mal ohne<br />

Milch – und probieren Ayran, ein<br />

leckeres Joghurtgetränk, Süsmo,<br />

eine Art Frischkäse und so manches<br />

mehr. Beson<strong>de</strong>rs <strong>das</strong> Fleisch vom<br />

Gir (wil<strong>de</strong> Ziege) schmeckt hervorragend.<br />

Je<strong>de</strong> Mahlzeit beginnt mit <strong>de</strong>m<br />

„Tamak tattu bolsun“ (Guten Appetit)<br />

und en<strong>de</strong>t mit <strong>de</strong>m Omin,<br />

einer Geste bei <strong>de</strong>r zuerst die Hän<strong>de</strong><br />

vor <strong>de</strong>r Brust eine Art Schale bil<strong>de</strong>n,<br />

dann zur Stirn erhoben wer<strong>de</strong>n und<br />

anschließend kinnwärts über <strong>das</strong><br />

Gesicht streichen.<br />

XV<br />

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Römmelt<br />

BAYERNS PFERDE 10/2009<br />

93


PRAXIS<br />

Die Fohlen wer<strong>de</strong>n am Tag an einem Seil angebun<strong>de</strong>n, damit sich ihre<br />

Mütter nicht zu weit von <strong>de</strong>n Jurten entfernen.<br />

Die Jurte –<br />

Wohnwagen <strong>de</strong>r Noma<strong>de</strong>n<br />

In einer Jurte hat alles seine Ordnung.<br />

Rechts vom Eingang ist <strong>de</strong>r<br />

Platz für <strong>das</strong> Geschirr und an<strong>de</strong>re<br />

Haushaltsutensilien, während im<br />

linken Teil Zaumzeug, Kamtschas<br />

(Reitpeitschen), Jagdmesser und<br />

Flinten aufbewahrt wer<strong>de</strong>n. Auch<br />

die Sitzreihenfolge ist festgelegt.<br />

Gegenüber <strong>de</strong>m Jurteneingang<br />

befin<strong>de</strong>t sich <strong>de</strong>r Platz für die<br />

Ehrengäste. Ansonsten sitzt dort<br />

<strong>de</strong>r Hausherr. Zu seiner Rechten<br />

nehmen die Söhne Platz, zu seiner<br />

Linken, nahe <strong>de</strong>m Eingang, die<br />

Frauen und Töchter. Wir sind<br />

beson<strong>de</strong>rs vom Tündük, <strong>de</strong>m<br />

Rauchabzugsloch <strong>de</strong>r Jurte beeindruckt.<br />

Es ist ein Fenster zum<br />

Himmel. Wenn man im warmen<br />

Inneren <strong>de</strong>r Jurte am Bo<strong>de</strong>n sitzt,<br />

kann man mit einem Blick nach<br />

oben die Sonne o<strong>de</strong>r die Sterne<br />

sehen.<br />

Hier unter <strong>de</strong>m Tündük trifft sich<br />

seit Generationen die Familie mit<br />

Gästen und Freun<strong>de</strong>n. Man sagt,<br />

<strong>das</strong>s die Naturgeister hier, wann<br />

immer sie wollen, eintreten können.<br />

Daher ist <strong>de</strong>r Tündük als<br />

Symbol für Volk und Einheit <strong>de</strong>r<br />

Kirgisen auch auf <strong>de</strong>r Flagge Kirgistans<br />

abgebil<strong>de</strong>t.<br />

Wir helfen <strong>de</strong>n Shepherds beim<br />

Treiben von Schaf- und Kuhher<strong>de</strong>n.<br />

Bei <strong>de</strong>n imposanten Yaks,<br />

<strong>de</strong>n sogenannten Grunzochsen,<br />

die ab 2500m wei<strong>de</strong>n, lassen wir<br />

aber lieber die Könner ran.<br />

Suchra, Köchin und Dolmetscherin, zauberte unter einfachsten<br />

Bedingungen je<strong>de</strong>n Tag etwas Leckeres.<br />

Kin<strong>de</strong>rsegen<br />

in kirgisischen Jurten<br />

Überall um uns herum kommen<br />

in diesen Tagen (En<strong>de</strong> Juni/Anfang<br />

Juli) Jungtiere zur Welt. Wenn<br />

wir bei Kerzenschein in eine Jurte<br />

eintreten, haben wir Angst,<br />

auf ein kleines Lamm o<strong>de</strong>r ein<br />

Kälbchen zu treten, <strong>de</strong>ren Mütter<br />

umgekommen sind. Sie wer<strong>de</strong>n<br />

nicht ihrem Schicksal überlassen,<br />

son<strong>de</strong>rn in <strong>de</strong>r Jurte aufgezogen.<br />

In einer Jurte lebt sogar ein kleines<br />

Kitz, <strong>de</strong>ssen Mutter von Wölfen<br />

gerissen wor<strong>de</strong>n ist. Die Raubtiere<br />

wagen sich im Ru<strong>de</strong>l sogar an<br />

ausgewachsene Pfer<strong>de</strong>. Eine <strong>de</strong>r<br />

kirgisischen Familien hatte in<br />

diesem Jahr so bereits sechs Stuten<br />

verloren. Wir sehen anstatt <strong>de</strong>r<br />

Wölfe allerdings nur einen Fuchs,<br />

<strong>de</strong>r ein großes Pfeifkonzert bei <strong>de</strong>n<br />

Murmeltieren auslöst.<br />

Kin<strong>de</strong>r sind ein Segen <strong>de</strong>r kirgisischen<br />

Jurten. Vor allem die<br />

Söhne sind <strong>de</strong>r ganze Stolz <strong>de</strong>r<br />

Familie. Ein Mann erzählt uns<br />

betrübt, er habe schon fünf Töchter<br />

und hoffe nun inständig auf<br />

einen Sohn. Übrigens gibt es in<br />

<strong>de</strong>n Bergen wohl heute noch <strong>de</strong>n<br />

Brauch, Frauen zu rauben. Aber<br />

darüber wird offensichtlich nicht<br />

gerne gesprochen.<br />

Vom Geist<br />

<strong>de</strong>s Noma<strong>de</strong>ntums<br />

Für uns sind die Tage erlebnisreich<br />

und erholsam. Aber vor allem<br />

können wir noch viel vom Geist<br />

<strong>de</strong>s Noma<strong>de</strong>ntums mitbekommen<br />

und eine unglaubliche Landschaft<br />

genießen.<br />

Wir sitzen je<strong>de</strong>n Tag etwa sechs<br />

Stun<strong>de</strong>n im Sattel, meistens im<br />

Schritt <strong>durch</strong> bergiges Gelän<strong>de</strong>.<br />

Doch bei nahen<strong>de</strong>m Gewitter<br />

o<strong>de</strong>r Hagel lassen sich die Pfer<strong>de</strong><br />

trotz <strong>de</strong>r Packtaschen gerne zu<br />

einem flotten Trab o<strong>de</strong>r Galopp<br />

überre<strong>de</strong>n.<br />

Wir erfahren viel über Land und<br />

Leute. Und einen kleinen Kirgisischsprachkurs<br />

gibt es gratis<br />

bei je<strong>de</strong>m Frühstück dazu. Im<br />

Gegenzug erteilen wir unserer<br />

Crew Deutsch-Unterricht.<br />

Suchra, unsere Köchin, überrascht<br />

uns immer wie<strong>de</strong>r mit leckeren<br />

Variationen aus ihrer Satteltaschenküche.<br />

Sie zaubert am Abend<br />

Suppen, Nu<strong>de</strong>lgerichte (Lagman)<br />

Wild-West-Feeling:<br />

Den kirgisischen Hirten beim<br />

Treiben <strong>de</strong>r Schafe zu helfen, ist<br />

ein beson<strong>de</strong>res Erlebnis.<br />

94 BAYERNS PFERDE 10/2009 www.bayernspfer<strong>de</strong>.<strong>de</strong><br />

Fotos: Kelm


Wegfahrsperre auf Kirgisisch: Mit einer Beinfessel und an einem langen<br />

Seil wur<strong>de</strong>n Pfer<strong>de</strong> und Esel über Nacht „gesichert“.<br />

o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>ftige Reisgerichte (Plov).<br />

Am Morgen gibt es meistens etwas<br />

Warmes (Milchreis, Rührei,<br />

Pfannkuchen) zu Brot und Aufschnitt<br />

und am Mittag ein Satteltaschenpicknick<br />

mit Brot, Fisch<br />

aus <strong>de</strong>r Dose, Käse o<strong>de</strong>r Wurst<br />

sowie Nüssen, Trockenfrüchten<br />

und viel Tee.<br />

Am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Tour auf <strong>de</strong>r Hochebene<br />

zwischen Arabella und<br />

Barskoon Pass (3819m) fällt es<br />

uns sehr schwer, Abschied von<br />

unseren treuen Pfer<strong>de</strong>n zu nehmen.<br />

Unsere Führer Masra und<br />

Kapta bringen sie danach selbst<br />

zurück zum Stall.<br />

Wir fahren mit <strong>de</strong>m Auto im peitschen<strong>de</strong>n<br />

Regen nach unten an<br />

<strong>de</strong>n Issyk Kul, <strong>de</strong>n Ausgangspunkt<br />

unserer Reise. Hier erwartet uns<br />

strahlen<strong>de</strong>r Sonnenschein, eine<br />

„Banja“ voller heißem Wasser, um<br />

uns <strong>de</strong>n Trailstaub abzuwaschen<br />

BAYERNS PFERDE-Autorin Ute Kelm machte sich je<strong>de</strong>n Tag Notizen, um<br />

ja keinen <strong>de</strong>r zahllosen Reiseeindrücke zu vergessen.<br />

www.bayernspfer<strong>de</strong>.<strong>de</strong><br />

und ein frisch bezogenes Bett.<br />

Wir durften eine wun<strong>de</strong>rvolle<br />

Reise erleben, wie gemacht für<br />

alle Abenteurer, die gerne auf<br />

Komfort verzichten und dafür eine<br />

unbeschreibliche Natur und herzliche<br />

Menschen kennenlernenen<br />

möchten. W<br />

Ute Kelm<br />

Dieser Trail wird angeboten von:<br />

Pferd & Reiter<br />

Ra<strong>de</strong>r Weg 30 A<br />

D-22889 Tangstedt<br />

www.pferdreiter.<strong>de</strong><br />

o<strong>de</strong>r vor Ort:<br />

Shepherd´s Way Trekking<br />

P.O. Box<br />

Bishkek 720000<br />

Kyrgyz Republic<br />

www.kyrgyztrek.com<br />

Anzeige<br />

novus:hm<br />

BAYERNS PFERDE 10/2009<br />

95

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