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„City: Der unwahrscheinlichste aller Orte“ - Hamburger Bildungsserver

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Projekt 2006<br />

„Nine Eleven“<br />

Gesellschaft mit, eventuell sogar als Paradebeispiel eines wirtschaftlich erfolgreichen<br />

und trotzdem glücklichen Verbunds. Doch hinter der Fassade lauert Unzufriedenheit<br />

und Hilflosigkeit. Jaspers Mutter verdient gutes Geld, doch es ist nicht ihr Traumjob,<br />

sie wird ebenfalls eingeengt, sie verfällt einer Routine. Routine tötet; sie tötet die<br />

Liebe, die Träume und den Spaß. Jasper will sich nicht immer anpassen, will die<br />

Statussymbole der heutigen Kapital-Gesellschaft umstürzen und die Fassade<br />

entblößen, doch ist er nur zu schüchtern und schwächlich, ein Jugendlicher im<br />

Mainstream, ohne Profil, ohne Hintergrund. Hinter dem Leben steckt viel mehr als<br />

das, was heute als perfekt und vorbildlich dient, das Leben beinhaltet auch Angst,<br />

Rückschläge und Einzelgänger. „Wieso bin ich heute so unsicher, wieso macht mich<br />

eine Radio-Meldung nervös?“ Jasper merkt kaum, wie sich Steffi in der Schule kurz<br />

verabschiedet und zu ihren Freundinnen geht. „Störungen an den Gleisen“……<br />

[……..Schultag, Nachmittag bei Marc……]<br />

Jasper schließt die Tür auf, völlig erschöpft von diesem Tag, von seiner innerlichen<br />

Unruhe, er bemerkt gar nicht, dass um 16 Uhr schon der BMW seines Vaters auf dem<br />

Hof steht. Er geht in die Küche, irgendetwas stimmt nicht, seine Mutter scheint zu<br />

weinen. „Hey Mama, was ist los?“ Jaspers Vater hält seine Mutter im Arm, stiert mit<br />

glasigem Blick ins Nichts, Jasper hat seine Eltern so noch nicht gesehen. Plötzlich<br />

wieder das unheilvolle Radio, dieses nervtötende Medium, was unter der Macht von<br />

Fernsehen und Internet immer noch nicht untergegangen ist. „Bei einem Anschlag im<br />

U-Bahn-Bahnhof Jungfernstieg heute Nachmittag gegen 15 Uhr ist vermutlich eine<br />

auf Gleisen montierte Bombe explodiert. Ein kompletter Zug der Linie U1 wurde<br />

dabei wahrscheinlich in die Luft gesprengt. Vermutlich handelt es sich bei diesem<br />

Anschlag auf die <strong>Hamburger</strong> U-Bahn um das Werk der al Qaeida . Nach<br />

Schätzungen der <strong>Hamburger</strong> Innenbehörde und des HVV war der Zug mit vielen<br />

Menschen besetzt, die das traumhafte Wetter für einen Stadtbesuch nutzen wollten.<br />

<strong>Der</strong> HVV spricht von möglichen 500 Opfern….“<br />

Entsetzen, Lähmung, Realisierung. „Steffi?“ „Sie geht nicht an ihr Handy ran.“<br />

Jaspers Welt taumelt, er fühlt sich leer, verängstigt, hilflos. „Wieso denn in<br />

Deutschland? Wieso denn in Hamburg? Wieso Steffi?“ „Jasper, wir wissen es nicht.“<br />

Auf einmal sehnt sich Jasper nach den schützenden Händen seines Vaters, nach<br />

einem Cappuccino seiner Mutter, vor allem nach seiner Schwester, die ihn doch<br />

heute Morgen wieder so genervt hatte. War Jasper sich bewusst, dass es eventuell<br />

keine Fassade gab? Dass seine Welt glücklich ist und er nur den Wert eines solchen<br />

Lebens nicht erkannt hat? Kann eine gehobene Mittelklassenfamilie nicht neben dem<br />

Geld, den Statussymbolen und dem prächtigen Haus auch Liebe und Vertrauen<br />

beinhalten. Ist seine Familie nicht im Grunde der Stabilisator in einer von Hass und<br />

Neid erfüllten Gesellschaft? Stellen diese ordinären Klischees die Wahrhaftigkeit des<br />

Seins im Jahr 2006 dar? Medienmacht und gefühlskalte Zwischenmenschlichkeit, so<br />

simpel und vorausschaubar, und doch so real.<br />

Terrorismus und Krieg waren bisher nur belanglose Dinge, die in den Nachrichten<br />

vorkamen, aber Jasper nicht persönlich betrafen. War er zu naiv oder zu intolerant?<br />

Das kann er sich vorwerfen, die Oberflächlichkeit des Denkens muss er bei sich<br />

selbst suchen, eine gewisse Art von Selbstkritik kam Jasper noch nie in den Sinn. Die<br />

Gedanken sprudeln plötzlich in Jaspers Kopf, und dass im Moment des möglichen<br />

Todes seiner Schwester. „Ich liebe euch!“ sagt Jasper plötzlich, zum ersten Mal seit<br />

zwei Jahren, zu seinen Eltern. Muss denn erst ein Extremfall und eine persönliche<br />

Gymnasium Buckhorn - S4 – Deutsch LK – Herr Burke, Frau Giese 7

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