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Herbert Pichler: Unterrichtsbeispiel: Wie wird man ÖsterreicherIn?

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Migration – ein Thema im Unterricht<br />

Hrsg.: Gertraud Diendorfer | Irene Ecker | <strong>Herbert</strong> <strong>Pichler</strong> | Gerhard Tanzer<br />

?!<br />

www.demokratiezentrum.org


Bezug zur<br />

Onlineausstellung:<br />

HERBERT PICHLER | <strong>Unterrichtsbeispiel</strong><br />

<strong>Wie</strong> <strong>wird</strong> <strong>man</strong> <strong>ÖsterreicherIn</strong>?<br />

Zuwanderung oder Asyl, Integration<br />

und Einbürgerung<br />

Didaktische Konzeption<br />

Vorwissen<br />

Vorkenntnisse zu den aktuellen Trends der<br />

Migration nach Österreich und zum Rahmen<br />

der europäischen Migrationspolitik sind vorteilhaft,<br />

um sich näher mit der Frage auseinandersetzen<br />

zu können, wie <strong>man</strong> denn Öster-<br />

Vertiefung<br />

Nach der Beschäftigung mit der Geographie<br />

der Migration auf unterschiedlichen Maßstabsebenen<br />

erfolgt in einem weiteren Schritt<br />

die Fokussierung auf die aktuellen Zuwanderungs-,<br />

Asyl- und Integrationsdebatten in<br />

Österreich. Dieser Beitrag schafft formale und<br />

rechtliche Basisinformationen, die es ermögli-<br />

LERNZIELE<br />

Station 8 „Aufenthaltsund<br />

Arbeitsrecht“<br />

Station 5 „Asyl – ein<br />

Menschenrecht“<br />

Station 12 „Integration –<br />

Eine gemeinsame Aufgabe“<br />

reicherIn werden kann/<strong>wird</strong>. Es empfiehlt sich<br />

daher, im Vorfeld zumindest auszugsweise<br />

Aufgaben aus dem <strong>Unterrichtsbeispiel</strong> „<strong>Wie</strong><br />

macht Migration Geographie?“ bearbeiten zu<br />

lassen.<br />

chen, Argumentationen in den laufenden Debatten<br />

zu verstehen und zu beurteilen. Die vier<br />

Module verfolgen weiters das wichtige Ziel, die<br />

Begriffe und Phänomene (Bsp.: Zuwanderung<br />

und Asyl) klarzustellen, und sollen der häufigen<br />

Vermengung und Verwechslung dieser<br />

entgegenwirken.<br />

t Ich kann erklären, welche Personengruppen nach Österreich einwandern dürfen.<br />

t Ich kann mich über die Praxis der österreichischen Asylvergabe informieren.<br />

t Ich weiß, unter welchen Umständen Asyl gewährt werden müsste, und kenne die österreichische<br />

Praxis.<br />

t Ich kenne verschiedene Konzepte von Integration und kann diese bewerten.<br />

t Ich weiß, unter welchen Bedingungen die Staatsbürgerschaft verliehen <strong>wird</strong>, und kann meine eigene<br />

Position dazu formulieren.<br />

t Ich kann die derzeitige politische Praxis der Zuwanderung, Integration und Einbürgerung begründet<br />

bewerten, ich kann eventuell eigene Reformvorstellungen formulieren.<br />

Station 9 „Einbürgerung<br />

und Staatsbürgerschaft<br />

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UNTERRICHTSVORSCHLAG <strong>Wie</strong> <strong>wird</strong> <strong>man</strong> <strong>ÖsterreicherIn</strong>?<br />

Einstieg<br />

Steckbrief: Das bin ich!<br />

E1 Das ist meine momentane Einstellung<br />

Nehmen Sie sich ein paar Minuten lang Zeit und überlegen Sie, wie Sie zu den in den Statements<br />

(M1) angesprochenen Themen stehen. Verorten Sie Ihre Einstellung oder Meinung mit einem<br />

Kreuz. Werten Sie die Umfrage in der Klasse durch Handaufzeigen (Häufigkeitsverteilung) aus.<br />

Diskutieren Sie kurz die Spannweite sowie die Trends der vorläufigen Ergebnisse.<br />

Hinweis: Spannend ist auch, wenn Sie nach der Beschäftigung mit dem Thema die gleichen Statements<br />

noch einmal bewerten. Ob sich dabei etwas an Ihrer Einschätzung verändert?<br />

M1 Statements<br />

Zustimmung zu folgenden Aussagen: ++ + – ––<br />

Vielfalt in Österreich ist eine Bereicherung.<br />

Österreich braucht Zuwanderung.<br />

Die österreichische Asylpolitik ist zu wenig streng.<br />

Integration bedeutet, dass beide Seiten aufeinander<br />

zugehen müssen.<br />

Die Staatsbürgerschaft <strong>wird</strong> zu leichtfertig vergeben.<br />

Arbeitsteilige Gruppenarbeit<br />

Der Themenkomplex „<strong>Wie</strong> <strong>wird</strong> <strong>man</strong> <strong>ÖsterreicherIn</strong>“ lässt sich in vier zentralen Fragen zusammenfassen,<br />

mit denen eine Reihe weiterer spannender Fragestellungen verknüpft ist:<br />

A) Wer darf nach Österreich (nicht) zuwandern?<br />

B) Wer erhält in Österreich (nicht) Asyl?<br />

C) <strong>Wie</strong> kann Integration (in der österreichischen Gesellschaft) funktionieren?<br />

D) <strong>Wie</strong> bekommt <strong>man</strong> die österreichische Staatsbürgerschaft?<br />

Wählen Sie für die kommende Arbeitsphase in der Kleingruppe eine dieser vier zentralen Fragestellungen<br />

aus und erstellen Sie dazu eines der folgenden Produkte: Wandzeitung, Artikel für<br />

SchülerInnen-Zeitung, Informationsplakate, medial unterstützte Präsentation etc.<br />

A WER DARF NACH ÖSTERREICH (NICHT) ZUWANDERN?<br />

t <strong>Wie</strong> sind der Aufenthalt und die Beschäftigung für EU-BürgerInnen geregelt? (M2)<br />

t Was versteht <strong>man</strong> unter Übergangsbedingungen für BürgerInnen der neuen Mitgliedsstaaten<br />

und welche Konsequenzen haben diese? (M2)<br />

t Welche Sonderregelungen haben Personen, die aus dem EWR (Europäischer Wirtschaftsraum)<br />

bzw. der Schweiz kommen? Welche Staaten sind davon betroffen? (M2, M3)<br />

t Unter welchen Voraussetzungen darf <strong>man</strong> nach Österreich zuwandern? Welche Aufenthaltstitel<br />

bekommen die Personengruppen, die zuwandern dürfen, zuerkannt? (M4, M5)<br />

t Welche Aufenthaltstitel sind quotenpflichtig und wie viele Personen umfassen die Niederlassungsquoten<br />

derzeit? (M5–M7)<br />

t Was kann am Modell der Niederlassungsquoten kritisiert werden? Löst Ihrer Einschätzung<br />

nach die geplante Rot-Weiß-Rot-Card die Probleme? (M5–M7)<br />

t Welche Vorstellungen haben Sie zur zukünftigen Regelung der Zuwanderung und Niederlassung<br />

in Europa/Österreich?<br />

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UNTERRICHTSVORSCHLAG <strong>Wie</strong> <strong>wird</strong> <strong>man</strong> <strong>ÖsterreicherIn</strong>?<br />

M2 Aufenthalts- und Arbeitsrecht innerhalb der EU<br />

Am einfachsten ist es für<br />

BürgerInnen aus einem Mitgliedsland<br />

der Europäischen Union, nach Österreich zu<br />

kommen und hier zu leben. Denn innerhalb der EU<br />

gilt für jeden Unionsbürger und jede Unionsbürgerin<br />

die freie Wahl des Wohnortes und des Arbeitsplatzes.<br />

Für Drittstaatsangehörige<br />

gelten<br />

zusätzliche Anforderungen:<br />

Soll der Aufenthalt<br />

in Österreich länger<br />

als ein Jahr dauern, muss sich<br />

die betreffende Person im Rahmen der<br />

Integrationsvereinbarung dazu verpflichten,<br />

einen Deutschkurs zu besuchen. Für einen kurzen Aufenthalt<br />

in Österreich, z.B. Urlaub oder Verwandtenbesuch, reicht jedoch ein Visum.<br />

Quelle: Ausstellung „Migration on Tour“, Station 8<br />

Nicht alle<br />

EuropäerInnen<br />

haben die<br />

gleichen<br />

Rechte:<br />

UnionsbürgerInnen<br />

aus den<br />

neuen EU-Mitgliedsstaaten<br />

Estland, Lettland,<br />

Litauen, Malta, Polen,<br />

der Slowakei, Slowenien,<br />

Tschechien, Ungarn sowie<br />

Bulgarien, Rumänien und<br />

Zypern benötigen weiterhin<br />

eine Bewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz.<br />

Spätestens<br />

sieben Jahre nach dem EU-Beitritt, also 2011<br />

bzw. 2014, haben sie aber das Recht auf freien<br />

Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt.<br />

M3 Europäischer Wirtschaftsraum (EWR)<br />

Der Europäische Wirtschaftsraum ist 1994 durch ein Abkommen zwischen der Europäischen<br />

Union (EU) und den sogenannten EFTA-Staaten Island, Liechtenstein und Norwegen entstanden.<br />

Die EWR-Mitglieder bilden einen gemeinsamen Markt. Vertragsstaaten des EWR sind die<br />

27 EU-Staaten (Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich,<br />

Griechenland, Großbritannien, Irland, Italien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, die Niederlande,<br />

Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, die Slowakei, Slowenien, Spanien,<br />

Tschechien, Ungarn, Zypern) sowie Island, Liechtenstein und Norwegen.<br />

Hinweis: Die Schweiz ist weder EU- noch EWR-Mitglied, sie ist aber durch eine Reihe von<br />

bilateralen Verträgen mit der EU verbunden. In vielen Bereichen sind Schweizer Staatsangehörige<br />

daher EU-BürgerInnen gleichgestellt.<br />

(Quelle: http://www.help.gv.at/Content.Node/99/Seite.991094.html, letzter Zugriff 27.8.2010)<br />

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UNTERRICHTSVORSCHLAG <strong>Wie</strong> <strong>wird</strong> <strong>man</strong> <strong>ÖsterreicherIn</strong>?<br />

M4 Arbeits- und Niederlassungsbewilligung nach Zuwanderungsformen<br />

EWR/SCHWEIZ Anmeldung bei der zuständigen Behörde (z.B. Magistrat) innerhalb der ersten drei Monate nach Zuzug („Anmeldebescheinigung“), kein Aufenthaltstitel notwendig<br />

DRITTSTAATEN<br />

VORAUS-<br />

SETZUNG<br />

AUFENTHALTS-<br />

TITEL<br />

STUDENT/IN SAISONNIER SCHLÜSSELKRAFT FAMILIENZUSAMMENFÜHRUNG<br />

Inskription als StudentIn<br />

an einer Hochschule<br />

Aufenthaltsbewilligung –<br />

Studierende<br />

Quelle: Ausstellung „Migration on Tour“, Station 8<br />

Beschäftigungsbewilligung durch<br />

Arbeitsmarktservice (AMS) und<br />

Aufenthaltserlaubnis<br />

Einreisedokument: Visum<br />

Hochschul- oder Fachschulabschluss<br />

oder besonders anerkannte<br />

Ausbildung<br />

Nahe Angehörige von Schlüsselkräften<br />

oder von Personen, die bereits<br />

länger in Österreich niedergelassen<br />

„Erstniederlassungsbewilligung“<br />

(quo-tenpflichtig, d.h., nur eine<br />

„Aufenthaltstitel<br />

begrenzte Zahl darf jedes Jahr nach Familienangehörige/r“ (quotenpflichtig)<br />

Österreich kom-men). Verlängerung – zunächst beschränkt, erst nach fünf<br />

zur unbefristeten Niederlassungsbewil- Jahren unbefristeter<br />

M5 Nähere Informationen zum Niederlassungs- und Aufenthaltsrecht in Österreich<br />

Überblicksinformationen über die verschiedenen Formen der Niederlassung und des Aufenthalts<br />

in Österreich auf der Homepage des Bundesministeriums für Inneres<br />

(http://www.bmi.gv.at/cms/bmi_niederlassung/, letzter Zugriff 27.8.2010) oder vereinfacht auf<br />

der Seite der Arbeiterkammer (http://www.arbeiterkammer.at/beratung.htm > Arbeit &<br />

Recht > ausländische ArbeitnehmerInnen > Einreise und Aufenthalt).<br />

M6 Ausschnitt aus der Niederlassungsverordnung 2010<br />

(Quelle: http://www.ris.bka.gv.at/Dokument.WXE?Abfrage=Bundesnormen&dokumentnummer=NOR40113088<br />

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UNTERRICHTSVORSCHLAG <strong>Wie</strong> <strong>wird</strong> <strong>man</strong> <strong>ÖsterreicherIn</strong>?<br />

M7 Schlüsselkraft-Quote kaum ausgeschöpft<br />

27.7.2010, 13:00 Uhr, „DiePresse.com“<br />

2.645 Personen dürfen laut Niederlassungsverordnung unter diesem Titel nach Österreich<br />

kommen, 406 wurden im ersten Halbjahr abgebucht. Die Zuwanderungsquoten von sogenannten<br />

Schlüsselarbeitskräften nach Österreich werden derzeit bei Weitem nicht ausgeschöpft,<br />

geht aus der Fremdenstatistik des Innenministeriums hervor. 2.645 Personen dürfen laut Niederlassungsverordnung<br />

2010 unter diesem Titel nach Österreich kommen, 406 wurden im ersten<br />

Halbjahr (Unselbstständige und Selbstständige, Stichtag 25. Mai 2010) abgebucht. Insgesamt<br />

beträgt die erlaubte Zuwanderungsquote heuer österreichweit 8.145 (ohne Saisonniers<br />

und Erntehelfer), 2.269 Plätze wurden bisher vergeben.<br />

„Rot-Weiß-Rot-Card“ statt Niederlassungsverordnung<br />

Die jährliche Niederlassungsverordnung soll künftig durch die „Rot-Weiß-Rot-Card“ ersetzt<br />

werden, diese soll die für die Wirtschaft attraktiven Migranten besser definieren. So lange<br />

solch ein – im Regierungsprogramm verankertes und eigentlich schon für 2010 angekündigtes<br />

– „kriteriengeleitetes Zuwanderungssystem“ noch nicht realisiert ist, gelten indes die jährlich<br />

fixierten Zuwanderungsquoten. Unter Schlüsselarbeitskraft versteht der Gesetzgeber Ausländer<br />

mit einer besonders am inländischen Arbeitsmarkt nachgefragten Ausbildung oder mit<br />

speziellen Kenntnissen und Fertigkeiten im Beruf. Betroffene müssen mehr als 2.400 Euro<br />

brutto verdienen, das AMS muss in einem Gutachten ein gesamtwirtschaftliches Interesse erkennen.<br />

Die Niederlassungsbewilligung gilt bei erstmaliger Erteilung bis zu achtzehn Monate.<br />

Größter Posten: Familiennachzug<br />

Der größte Quotenposten in der Niederlassungsverordnung ist freilich mit österreichweit 4.905<br />

Personen der Familiennachzug. Von dieser Quote wurden im ersten Halbjahr 1.651 abgebucht.<br />

Privatiers stellen mit 235 Plätzen ein vergleichsweise geringes Kontingent dar, können aber<br />

auf eine verhältnismäßig große Auslastung (139) verweisen. Das übrige Kontingent verteilt<br />

sich auf Quoten für EU-Mobilitätsfälle sowie die sogenannte „Zweckwechselquote“ für bisher<br />

als Angehörige Niedergelassene. Zu diesen Zuwanderungsquoten laut Niederlassungsverordnung<br />

kommt heuer noch ein Kontingent von jeweils 7.500 Saisonniers und Erntehelfern. Nicht<br />

mittels Quote geregelt sind Bewilligungen für einen befristeten Aufenthalt zu einem bestimmten<br />

Zweck: Darunter fallen etwa Ausbildung, die Tätigkeit als Künstler oder Forscher oder sogenannte<br />

„Sonderfälle unselbstständiger Erwerbstätigkeit“, wozu zum Beispiel Au-Pairs zählen.<br />

Im ersten Halbjahr 2010 wurde 527 solchen Fällen Aufenthalt gewährt. Weiters weist die<br />

Statistik 1.375 Aufenthaltsbewilligungen für Schüler und Studenten aus, 72 für Forscher und<br />

24 für Künstler.<br />

(Aus: http://diepresse.com/home/politik/innenpolitik/583866/index.do, letzter Zugriff 27.8.2010)<br />

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UNTERRICHTSVORSCHLAG <strong>Wie</strong> <strong>wird</strong> <strong>man</strong> <strong>ÖsterreicherIn</strong>?<br />

B WER ERHÄLT IN ÖSTERREICH (NICHT) ASYL?<br />

t <strong>Wie</strong> ist Asyl in der Genfer Flüchtlingskonvention geregelt? (M1)<br />

t Welche Faktoren können dazu führen, dass Flüchtlinge in Österreich kein Asyl bekommen? (M2)<br />

t Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, dass Flüchtlinge in Österreich Asyl bekommen?<br />

(M2)<br />

t Welche speziellen Hürden für AsylwerberInnen stellen die EU-Verordnung Dublin II und die Bestimmung<br />

sogenannter „sicherer Drittländer“ für AsylwerberInnen dar? (M3)<br />

t <strong>Wie</strong> viele Menschen suchen in Österreich um Asyl an? <strong>Wie</strong> hat sich die Zahl der gestellten Asylanträge<br />

seit den 1980er-Jahren verändert? Womit hängt die jüngste Entwicklung zusammen?<br />

(M3–M6)<br />

t <strong>Wie</strong> viele Menschen bekommen in Österreich Asyl? <strong>Wie</strong> hat sich die Anerkennungsquote in diesem<br />

Zeitraum verändert und wovon kann dies abhängen? (M3–M6)<br />

t Auf welchen historischen Ereignissen beruhte Österreichs Ruf als liberales Asylland? (M7, M8)<br />

t <strong>Wie</strong> hat sich die Asylgesetzgebung in den letzten Jahren entwickelt? Welche Trends der Asylpolitik<br />

sind erkennbar? (M7, M8)<br />

t Warum ist Österreich in den letzten Jahren wiederholt von nationalen und internationalen<br />

Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen kritisiert worden? (M5–M9)<br />

t <strong>Wie</strong> beurteilen Sie die Gesetzgebung und Praxis der Gewährung von Asyl in Österreich? Welche<br />

Veränderungswünsche haben Sie im Bereich Asyl?<br />

M1 Flüchtling nach der Genfer Flüchtlingskonvention (1967) ist, wer …<br />

… sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit<br />

zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden,<br />

außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese<br />

Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist,<br />

außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder<br />

im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.<br />

(Zitiert nach: New Yorker Protokoll der Genfer Flüchtlingskonvention 1967, Fragen und Antworten zur Genfer Flüchtlingskonvention<br />

finden Sie auf der Seite des UN-Flüchtlingshochkommissars: http://www.unhcr.at/grundlagen/genfer-fluechtlingskonvention.html,<br />

letzter Zugriff 27.8.2010)<br />

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UNTERRICHTSVORSCHLAG <strong>Wie</strong> <strong>wird</strong> <strong>man</strong> <strong>ÖsterreicherIn</strong>?<br />

M2 Der Weg, als Flüchtling in Österreich anerkannt zu werden<br />

1 Gate-Check<br />

am Flughafen<br />

von der<br />

EU-Grenzpolizei<br />

schon im Herkunfts-<br />

oder Transitland<br />

wie der Türkei<br />

oder Ukraine<br />

FLÜCHTLINGE<br />

2.1 ERSTAUFNAHMESTELLE<br />

Dort müssen die Flüchtlinge ihren Asylantrag<br />

einbringen und werden innerhalb<br />

von 72 Stunden über ihren Fluchtgrund befragt.<br />

Derzeit existieren in Österreich drei<br />

72 Erstaufnahmestellen: Traiskirchen und<br />

Schwechat in NÖ und Thahlhamm in OÖ.<br />

Die geplante Erstaufnahmestelle Eberau<br />

im Burgenland wurde nicht realisiert.<br />

2 Wenn Flüchtlinge in Österreich sind, dann<br />

können die SICHERHEITSBEHÖRDEN (Polizei)<br />

die Flüchtlinge festnehmen. Die Polizei entscheidet,<br />

ob die Flüchtlinge in eine der Erstaufnahmestellen<br />

kommen oder in Schubhaft.<br />

2.2 SCHUBHAFT<br />

Wenn die Flüchtlinge nicht in die Erstaufnahmestelle<br />

kommen, dann müssen sie<br />

bis zur Abschiebung in das Herkunftsland<br />

in Haft bleiben. Flüchtlinge kommen in<br />

Schubhaft, wenn sie schon in einem<br />

anderen Land einen Asylantrag gestellt<br />

haben oder wenn sich Österreich nicht<br />

zuständig fühlt.<br />

3 BUNDESASYLAMT – prüft die Zulässigkeit des Asylantrages in Österreich<br />

WENN ÖSTERREICH NICHT ZUSTÄNDIG<br />

dann werden die Flüchtlinge in den<br />

„sicheren Drittstaat“ abgeschoben<br />

oder in einen anderen EU Staat,<br />

der lt. Dublin II zuständig ist<br />

WENN NEGATIV<br />

Werden die Flüchtlinge in das Herkunftsland<br />

abgeschoben oder können eine<br />

Beschwerde beim Asylgerichtshof oder<br />

am Verfassungsgerichtshof einbringen<br />

Quelle: Asylkoordination Östereich, © Demokratiezentrum <strong>Wie</strong>n<br />

WENN POSITIV<br />

Zulassung zum<br />

Asylverfahren<br />

in Österreich<br />

4 BUNDESASYLAMT – prüft Asylverfahren<br />

WENN POSITIV<br />

r Asylgewährung<br />

r Subsidärer Schutz<br />

r Ausweisung aufgrund der Europäischen Menschenrechtskonvention<br />

nicht zulässig; dann bekommen<br />

Flüchtlinge eine Niederlassungsbewilligung<br />

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UNTERRICHTSVORSCHLAG <strong>Wie</strong> <strong>wird</strong> <strong>man</strong> <strong>ÖsterreicherIn</strong>?<br />

M3 Sicheres Drittland und Dublin II: Hürden und Fallen auf dem Weg<br />

ins Asylland Österreich<br />

Was ist ein sicheres Drittland?<br />

Als „sicheres Drittland“ gelten jene Staaten, die die Genfer Flüchtlingskonvention unterzeichnet<br />

haben. Die Liste wurde 2010 auch auf die Länder des ehemaligen Jugoslawien erweitert<br />

(z.B.: Kosovo). Dies stößt auf Kritik von Menschenrechtsorganisationen. Insgesamt gelten 39<br />

Herkunftsländer als sicher: 26 EU-Länder, Norwegen, Island, die Schweiz, Liechtenstein, Kanada,<br />

Neuseeland und Australien sowie neu sechs Länder des ehemaligen Jugoslawien.<br />

Flüchtlinge aus „sicheren Drittländern“ können kein Asyl beantragen, Flüchtlinge, die aus einem<br />

sicheren Drittland nach Österreich kommen, werden dorthin zurück abgeschoben.<br />

Was heißt Dublin II?<br />

Dublin II ist eine EU-Verordnung, die seit 2003 in Kraft ist und die Prüfung eines Asylantrags regelt.<br />

Demnach soll der Asylantrag eines Flüchtlings in jenem Land geprüft werden, das als erstes<br />

EU-Land betreten wurde. Für Flüchtlinge mit Familienangehörigen in einem EU-Staat oder<br />

unbegleitete minderjährige Flüchtlinge gilt diese Regel nicht. Da viele Flüchtlinge über das<br />

Meer nach Europa kommen, werden diese sofort in jene Länder abgeschoben, in denen sie zuerst<br />

gestrandet sind (Italien, Griechenland, Spanien). Österreich <strong>wird</strong> damit quasi unerreichbar.<br />

<strong>Wie</strong> kann <strong>man</strong> dennoch nach Österreich kommen?<br />

t durch Familienzusammenführung<br />

t aufgrund hu<strong>man</strong>itärer Gründe (Krankheit etc.)<br />

t als unbegleitete/r Minderjährige/r<br />

t wenn das Herkunftsland unklar ist<br />

t oder irregulär<br />

(Quelle: Ausstellung „Migration on tour“, Station 5 „Asyl – ein Menschenrecht“<br />

M4 Flüchtling nach der Genfer Flüchtlingskonvention (1967) ist, wer …<br />

40000<br />

35000<br />

30000<br />

25000<br />

20000<br />

15000<br />

10000<br />

5000<br />

0<br />

Anträge<br />

negativ<br />

positiv<br />

1981<br />

1982<br />

1985<br />

1986<br />

1987<br />

1988<br />

1989<br />

1990<br />

1991<br />

1992<br />

1993<br />

1994<br />

1995<br />

1996<br />

1997<br />

1998<br />

1999<br />

2000<br />

2001<br />

2002<br />

2003<br />

2004<br />

2005<br />

2006<br />

2007<br />

2008<br />

2009<br />

Quelle: BMI<br />

© Demokratiezentrum <strong>Wie</strong>n<br />

Mit der Einführung des Kriegsrechts in Polen (1980), den Kriegen im ehemaligen Jugoslawien (Anfang 1990er Jahre) und dem Krieg<br />

in Tschetschenien (Anfang 2000) stieg die Zahl der Asylanträge an. Der Großteil der Anträge <strong>wird</strong> abgelehnt und die Asylverfahren<br />

dauern oft sehr lange.<br />

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UNTERRICHTSVORSCHLAG <strong>Wie</strong> <strong>wird</strong> <strong>man</strong> <strong>ÖsterreicherIn</strong>?<br />

M5 Überblick Erledigungen der Asylbehörden 1981–2009<br />

Jahr Asylanträge abgeschlossene positiv negativ * Asylquote<br />

Verfahren<br />

1981 34.557 6.087 2.801 3.286 46,0%<br />

1982 6.314 20.543 17.361 3.282 84,5%<br />

1985 6.724 4.155 1.876 2.279 45,2%<br />

1986 8.639 3.991 1.430 2.561 35,8%<br />

1987 11.406 3.550 1.115 2.435 31,4%<br />

1988 15.790 6.718 1.785 4.933 26,6%<br />

1989 21.882 15.013 2.879 12.134 19,2%<br />

1990 22.789 12.648 0.864 11.784 6,8%<br />

1991 27.306 19.686 2.469 17.217 12,5%<br />

1992 16.238 24.361 2.289 22.072 9,4%<br />

1993 4.744 15.885 1.193 14.692 7,5%<br />

1994 5.082 9.295 0.684 8.611 7,4%<br />

1995 5.920 7.955 0.993 6.962 12,5%<br />

1996 6.991 9.090 0.716 8.032 7,9%<br />

1997 6.719 8.363 0.639 7.286 7,6%<br />

1998 13.805 9.499 0.500 3.491 12,5%<br />

1999 20.129 17.643 3.393 3.300 50,7%<br />

2000 18.284 20.514 1.002 4.787 17,3%<br />

2001 30.135 25.804 1.114 3.642 23,4%<br />

2002 39.354 29.833 1.018 4.034 20,1%<br />

2003 32.364 28.395 1.829 4.604 28,4%<br />

2004 24.634 25.423 5.136 5.086 50,3%<br />

2005 22.471 17.525 4.552 5.542 45,5%<br />

2006 13.350 15.279 3.782 5.893 40,0%<br />

2007 11.879 16.047 5.197 6.646 44,0%<br />

2008 12.841 15.326 3.753 7.968 32,0%<br />

2009 15.821 20.237 3.247 13.531 19,4%<br />

* enthält bis 1997 auch Verfahrenseinstellungen und zurückgezogene Anträge<br />

(Quelle: Knapp, Anny: asylkoordination aktuell, http://www.asyl.at/fakten_8/stat_2010_01.htm, letzter Zugriff 27.8.2010)<br />

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UNTERRICHTSVORSCHLAG <strong>Wie</strong> <strong>wird</strong> <strong>man</strong> <strong>ÖsterreicherIn</strong>?<br />

M6 Österreich bietet nur mehr wenigen Asyl<br />

Zahl der Anträge zuletzt deutlich gesunken<br />

Rückgang von 30 Prozent im ersten Halbjahr 2010<br />

Gleichzeitiger Anstieg bei Verhängung von Schubhaft<br />

Die Zahl der Asylanträge ist im ersten Halbjahr 2010 um rund 30 Prozent geringer ausgefallen<br />

als im Vergleichszeitraum 2009. Dies geht aus der aktuellen Asylstatistik des Innenministeriums<br />

hervor, wonach 5.055 Anträge gestellt wurden. Dafür wurde von Jänner bis Juni in mehr<br />

Fällen, nämlich 3.231-mal, Schubhaft verhängt. Die Zahl der Abschiebungen blieb mit 1.296<br />

vergleichsweise stabil.<br />

2009 hatte <strong>man</strong> im ersten Halbjahr 7.482 Asylanträge verzeichnet. Das geringere Aufkommen<br />

heuer hatte sich bereits im Jahresverlauf abgezeichnet. Innenministerin Maria Fekter (V) hatte<br />

diesen Trend schlussendlich dafür ins Treffen geführt, dass nach dem Eberauer Fiasko die<br />

Pläne für ein drittes Asyl-Erstaufnahmezentrum vorerst einmal auf Eis gelegt wurden.<br />

In den bestehenden Erstaufnahmestellen liegen die Belagszahlen deutlich unter den erst<br />

jüngst eingeführten Obergrenzen: Im oberösterreichischen Thalham wurden heuer per 1. Juli<br />

89 Insassen verzeichnet (Limit: 120), in Traiskirchen in Niederösterreich 271 (Limit: 480).<br />

3.231 Schubhaft-Fälle weist die Halbjahresstatistik für das Fremdenwesen 2010 aus, und das<br />

ist doch deutlich mehr als 2009 (2.870) oder 2008 (2.786). Ein Trend, der von Beobachtern mit<br />

der zu Jahresanfang in Kraft getretenen Novellierung des Fremdenrechts erwartet wurde, da<br />

damit die Schubhaft-Bestimmungen im Bereich der sogenannten „Dublin-Fälle“ – also Personen,<br />

für deren Verfahren ein anderer Staat zuständig ist – ausgeweitet wurden. Die Zahl der<br />

Abschiebungen lag mit 1.296 um rund 100 über 2009 (1.192).<br />

Neu aufgeführt werden in der Statistik die „behördlichen Ausreiseaufträge“. Sie werden nun<br />

gemeinsam mit der „freiwilligen Rückkehr“ unter dem Punkt „freiwillige Ausreise“ zusammengefasst.<br />

Die Zahl der von den Behörden verschickten Aufforderungen, das Land zu verlassen,<br />

ist zudem massiv gestiegen – von 805 im ersten Halbjahr 2009 auf heuer 4.476. Auch dies<br />

hat seinen Grund in der Gesetzesänderung, <strong>wird</strong> im Innenministerium erläutert: Seitdem <strong>wird</strong><br />

nämlich jedem negativen Asylbescheid automatisch ein „Ausreiseauftrag“ beigefügt. Früher<br />

gab es dafür ein separates fremdenrechtliches Verfahren. Eine „freiwillige Rückkehr“ wurde<br />

laut Statistik von Jänner bis April (aktuellere Daten nicht verfügbar) 1.404-mal angetreten.<br />

(Aus: apa/red, vom19.7.2010, unter: http://www.news.at/articles/1029/11/273562/oesterreich-asyl-zahl-antraege, letzter Zugriff<br />

27.8.2010)<br />

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UNTERRICHTSVORSCHLAG <strong>Wie</strong> <strong>wird</strong> <strong>man</strong> <strong>ÖsterreicherIn</strong>?<br />

M7 Gibt es in Österreich noch ein Asylrecht?<br />

von Benedikt Kommenda<br />

Ja, meint Fremdenrechtsexperte Wolf Szy<strong>man</strong>ski. Aber es ist „eine Tochter der Zeit, die sich<br />

gründlich gewandelt hat“. Im Jänner haben 122 Menschen Asyl bekommen. Die Hauptlast tragen<br />

in Europa andere Länder. „Willkommen im freien Westen!“ Es muss 1986 oder 1987 gewesen<br />

sein, als ein Staatspolizist im Journaldienst im Polizeigebäude am <strong>Wie</strong>ner Schottenring eine<br />

Flüchtlingsfamilie aus Rumänien mit diesen Worten in Empfang genommen hat. Die<br />

Rumänen waren kurz davor mit dem Schiff über die Donau nach <strong>Wie</strong>n gekommen und suchten,<br />

wie sich Wolf Szy<strong>man</strong>ski, damals Polizeijurist und später langjähriger Fremdenrechtsexperte<br />

des Innenministeriums, erinnert, hier Asyl.<br />

Ein Vierteljahrhundert später mutet die Vorstellung, die Polizei heißt Flüchtlinge in Österreich<br />

willkommen, reichlich fremd an. Weniger deshalb, weil das Asylwesen nicht mehr in die Zuständigkeit<br />

der Staatspolizei fällt – Flüchtlinge aus dem „Ostblock“ waren bis zum Fall des Eisernen<br />

Vorhangs 1989/90 gefeierte Helden, die auch für die Geheimdienste mehr oder weniger<br />

interessante Informationen liefern konnten. Selbst die „Kronen Zeitung“, die erst vergangene<br />

Woche „Aus Angst vor Ostbanden: Hilferuf nach sicherer Grenze“ titelte, widmete noch im Juli<br />

1986 den Ostflüchtlingen und ihren Helfern einen bewundernd-freundlichen Drei-Seiten-Bericht<br />

(„Auf tollkühnen Wegen in die Freiheit“). Die von Kriminalitätsängsten beherrschte Diskussion<br />

über den Umgang mit Asylwerbern kreist heute eher um die – kriminalpolizeiliche –<br />

Frage, wo und wie lange <strong>man</strong> sie anhalten könne. Nachdem das Projekt eines neuen Aufnahmezentrums<br />

im burgenländischen Eberau wegen breiter Ablehnung durch die Bevölkerung<br />

gestorben ist, verhandelt das ÖVP-geführte Innenministerium jetzt mit dem Koalitionspartner<br />

SPÖ nur noch über eine „Anwesenheitspflicht“ von Asylwerbern für bestimmte Zeit. Vorbei<br />

sind die Zeiten, als Österreich Hunderttausende Flüchtlinge aus Ungarn (1956), der âSSR<br />

(1968) oder Bosnien (Anfang der 1990er-Jahre) aus hu<strong>man</strong>itären Gründen vorübergehend oder<br />

auf Dauer aufgenommen hat. Haben Menschen, die in Österreich Asyl suchen, heute überhaupt<br />

noch eine Chance, aufgenommen zu werden? Zumindest länger, als bis geklärt ist, dass<br />

Österreich für ihren „Fall“ nicht zuständig ist und die Fremden, wenn schon nicht in ihr Heimatland,<br />

dann wenigstens in einen dritten Staat zurückverfrachtet werden können?<br />

Die Chance ist klein, aber vorhanden. Im heurigen Jänner etwa haben genau 122 Menschen<br />

Asyl bekommen. Die Zahl der Anträge ist, nach einem Anstieg 2009, im Jänner stark gesunken,<br />

um 33,5 Prozent gegenüber dem Vergleichsmonat 2009. Wer glaubt, es gäbe heute überhaupt<br />

kein Asyl mehr in Österreich, liegt ebenso falsch wie jene, die behaupten, es suchten nur Kriminelle<br />

darum an. „Das Asylrecht ist eine Tochter der Zeit, die sich gründlich gewandelt hat“,<br />

sagt Szy<strong>man</strong>ski. Einer der heute bestimmenden Faktoren ist die Dublin-Verordnung: Sie sieht<br />

vor, dass jeder Asylwerber, der in die EU kommt, in der gesamten Union nur in einem Staat<br />

Asyl beantragen darf; nicht etwa in dem, den er sich aussucht und in dem er sich die größten<br />

Chancen ausrechnet, sondern in dem, über den er eingereist ist. Allen Klagen über die negativen<br />

Folgen der Ostöffnung – allen voran ein Anstieg der Kriminalität im Osten des Landes –<br />

zum Trotz hat Österreich davon profitiert, dass die Außengrenzen der EU sich nach Süden und<br />

Osten verschoben haben. Den größten Andrang an Asylsuchenden haben andere Länder zu bewältigen,<br />

etwa die Mittelmeeranrainer, wo Jahr für Jahr Tausende Bootsflüchtlinge landen.<br />

Die einzelnen EU-Länder kommen damit eher schlecht als recht zurande. In Griechenland etwa<br />

ist die Lage für Asylwerber so elend – sogar von einer Notversorgung ist keine Rede, es gibt<br />

Übergriffe von Polizei und Privaten –, dass das deutsche Bundesverfassungsgericht Abschiebungen<br />

dorthin vorläufig gestoppt hat.<br />

Ein Flüchtling, der sein Asylverfahren in Österreich haben will, müsste also entweder mit dem<br />

Flugzeug einreisen oder gleichsam vom Himmel fallen, um nicht dem Vorwurf ausgesetzt zu<br />

sein, er hätte schon zuvor in einem anderen Land Asyl suchen können. Oder er lässt sich von<br />

einem Schlepper einschleusen und vermeidet peinlichst jede Spur, die auf ein EU-Transitland<br />

hindeutet. Eine Spur ist etwa, wenn ihm bereits in einem anderen EU-Land Fingerabdrücke abgenommen<br />

wurden, die im zentralen „Eurodac“-Computer in Straßburg gespeichert werden.<br />

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UNTERRICHTSVORSCHLAG <strong>Wie</strong> <strong>wird</strong> <strong>man</strong> <strong>ÖsterreicherIn</strong>?<br />

M7 Gibt es in Österreich noch ein Asylrecht?<br />

„Es gibt praktisch keinen entwickelten Staat mehr, in den <strong>man</strong> als Flüchtling kommen kann,<br />

ohne geschleppt zu werden“, sagt Szy<strong>man</strong>ski. Die Schlepperei gilt, ähnlich dem Drogenhandel,<br />

weltweit als einer der einträglichsten illegalen Geschäftszweige. Insoweit sind strenge Asylgesetze<br />

oder eine desolate Betreuungssituation Signale, auf die Schlepperorganisationen sofort<br />

reagieren, indem sie die Geschleppten woanders hinbringen. In Österreich benötigt <strong>man</strong> als<br />

Asylsuchender eine gute und glaubwürdige Begründung, warum <strong>man</strong> Schutz braucht: Warum<br />

<strong>man</strong>, wie es in der Genfer Flüchtlingskonvention heißt, „wohlbegründete Furcht“ hat, „aus<br />

Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe<br />

oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden“.<br />

Im Juli 2008 eingerichtet, um den Verwaltungsgerichtshof zu entlasten, behandelt der Asylgerichtshof<br />

nicht nur neue Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundesasylamts; er arbeitet<br />

auch viele tausend, als „Rucksack“ bezeichnete, Altfälle ab, die sich bei seinem Vorgänger,<br />

dem Unabhängigen Bundesasylsenat, und beim Verwaltungsgerichtshof aufgestaut haben. Im<br />

„Geschäftsjahr 2009“ konnte der Gerichtshof eigenen Angaben zufolge 15.100 Beschwerdeverfahren<br />

abschließen, während nur 10.400 neue Fälle hinzugekommen sind.<br />

Flüchtlingsanwalt Wilfried Embacher: „Atmosphärisch <strong>wird</strong> alles getan, um gegen Asylwerber<br />

Stimmung zu machen.“ Jede Verschärfung der Gesetze treffe auch die grundlos Verdächtigten.<br />

Umso mehr gelte es, so appelliert Szy<strong>man</strong>ski, als Mitarbeiter einer Asylbehörde einen „wachen<br />

Geist für wahre Geschichten“ zu behalten. „Die Qualität eines Asylverfahrens ist nicht danach<br />

zu beurteilen, wie <strong>man</strong> mit besonders sympathischen Menschen umgeht.“ Embacher und<br />

Szy<strong>man</strong>ski halten es für einen schweren Fehler, dass der Verwaltungsgerichtshof seit Bestehen<br />

des Asylgerichtshofs praktisch gänzlich aus dem Spiel ist. Embacher: Der Asylgerichtshof,<br />

in dem viele Ex-Mitarbeiter der Sicherheitsverwaltung sitzen, spiegle die Bevölkerung wider.<br />

„Es gibt alles, vom Hardliner bis zum sehr offenen Mitglied.“ Nur fehle eben die Nachprüfung<br />

durch den auch mit anderen Materien befassten VwGH, der einen strukturell weniger befangenen<br />

Blick habe. Freilich habe auch der VwGH einen „zentralen Fehler“ begangen, indem er Beschwerden<br />

in Asylsachen reflexhaft aufschiebende Wirkung zuerkannt und damit einen Anreiz<br />

zur Verfahrensverzögerung durch Asylwerber geschaffen habe. Szy<strong>man</strong>ski ruft auch die Medien<br />

auf, einen hu<strong>man</strong>en, menschenrechtskonformen Umgang mit Hilfesuchenden nicht zu<br />

hintertreiben: Die Medien haben die Verantwortung, den Bürgern Information statt Vorurteile<br />

zu bieten.<br />

(Gekürzt nach: Die Presse, Print-Ausgabe, 14.3.2010, online unter<br />

http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/546153/index.do, letzter Zugriff 27.8.2010)<br />

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UNTERRICHTSVORSCHLAG <strong>Wie</strong> <strong>wird</strong> <strong>man</strong> <strong>ÖsterreicherIn</strong>?<br />

M8 Zeitleiste zur Entwicklung der österreichischen Asylpolitik<br />

Diese finden Sie auf der Seite des Demokratiezentrums<br />

(www.demokratiezentrum.org > Wissen > Timelines > Asyl in Österreich im europäischen<br />

Kontext unter http://www.demokratiezentrum.org/wissen/timelines/asylpolitik-in-oesterreich.html,<br />

letzter Zugriff 27.8.2010)<br />

M9 kritische Stimmen zur österreichischen Asylpolitik<br />

Recherchieren Sie Kritikpunkte zur österreichischen Asylgesetzgebung und zur Abschiebepraxis<br />

sowie konkrete Fallbeispiele in Printmedien und auf folgenden Seiten:<br />

Amnesty International: www.amnesty.at/<br />

UN-Flüchtlingshochkommissar: www.unhcr.at/<br />

Asylkoordination: www.asyl.at/<br />

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UNTERRICHTSVORSCHLAG <strong>Wie</strong> <strong>wird</strong> <strong>man</strong> <strong>ÖsterreicherIn</strong>?<br />

C WIE KANN INTEGRATION FUNKTIONIEREN?<br />

t Welche verschiedenen Modelle und Formen der Integration gibt es? Welche Vorteile und Nachteile<br />

entstehen aus den einzelnen Formen der Integration für die MigrantInnen sowie für die<br />

Zielgesellschaft? (M1)<br />

t Welche Wege der Integration beschreiten andere Länder? Welche Defizite und Probleme der<br />

europäischen Integrationspolitik können bemängelt werden? (M2, M6)<br />

t In welchen Bereichen ist Integration wichtig? (M3, M4)<br />

t <strong>Wie</strong> kann die Integration anhand von Kernbereichen in Österreich charakterisiert werden? (M4)<br />

t Welche Integrationsbereiche werden in Österreich von der sogenannten Integrationsvereinbarung<br />

sowie der Staatsbürgerschaftsprüfung abgedeckt? Welche Integrationsbereiche sind davon<br />

unberührt? <strong>Wie</strong> bewerten Sie die Integrationsvereinbarung? (M5, M6)<br />

t Welche Position zum Thema Integration haben Sie? Welche Maßnahmen erachten Sie daher<br />

als wichtig? (M7, M8)<br />

M1 Formen der Integration<br />

FORMEN DER INTEGRATION MERKMALE<br />

Marginalität (Desintegration) Die alte Heimat ist verlassen und eine neue gibt es noch nicht.<br />

r Verankerung weder in Herkunftsgesellschaft noch in Zielgesellschaft<br />

r Gefühl von Ausgeschlossenheit und Entfremdung<br />

r Leben am Rand der Gesellschaft<br />

Abgrenzung (Segmentierung) Leben in der eigenen ethnischen Gemeinschaft<br />

r starke Verwurzelung mit Herkunftsgesellschaft und -kultur<br />

r Nebeneinander der Gesellschaften („Parallelgesellschaften“)<br />

Anpassung (Assimilation) Aus den ZuwandererInnen sind Einheimische geworden<br />

r Aufgabe der Herkunftskultur<br />

r völlige Anpassung an Zielgesellschaft<br />

r Angleichung an „Einheimische“<br />

Mehrfachintegration Multiple Identitäten<br />

r funktionierende Beziehungen zu beiden Gesellschaften<br />

r Leben in beiden Welten<br />

r kein Aufgeben der eigenen Kultur<br />

© Demokratiezentrum <strong>Wie</strong>n<br />

M2 Fallbeispiele Frankreich, den Niederlanden und Deutschland<br />

(Quelle: Dobler, Karin/Fass<strong>man</strong>n, Heinz/<strong>Pichler</strong>, <strong>Herbert</strong>: Kompass 5/6. Geographie und Wirtschaftskunde für die 9. und 10.<br />

Schulstufe. <strong>Wie</strong>n 2008, S. 271 f.)<br />

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UNTERRICHTSVORSCHLAG <strong>Wie</strong> <strong>wird</strong> <strong>man</strong> <strong>ÖsterreicherIn</strong>?<br />

M3 In welchen Bereichen ist Integration wichtig?<br />

Die gleichberechtigte Eingliederung<br />

in den Arbeitsmarkt sowie die<br />

Möglichkeit des sozialen Aufstiegs<br />

sind zentrale Bestandteile<br />

von Integration. Deshalb<br />

ist es wichtig, Zuwanderer<br />

und Zuwanderinnen bei<br />

ihrem Einstieg und der<br />

Integration in den österreichischen<br />

Arbeitsmarkt<br />

zu helfen, sie über ihre<br />

Rechte zu informieren<br />

und Chancengleichheit<br />

zu ermöglichen.<br />

Integration ist nicht nur in<br />

beruflicher und politischer<br />

Hinsicht wichtig, sondern auch<br />

im alltäglichen Zusammenleben.<br />

Zuwanderer und Zuwanderinnen und<br />

Alteingesessene können mit- und voneinander<br />

lernen, sich im Alltag helfen und<br />

ihre Freizeit gestalten. Beide tragen somit zu<br />

einem gelungenen und spannenden Miteinander bei.<br />

© Demokratiezentrum <strong>Wie</strong>n<br />

ARBEITS-<br />

RECHTLICHE<br />

INTEGRATION<br />

Rechte in der<br />

Arbeitswelt<br />

SOZIALE<br />

INTEGRATION<br />

Zusammenleben<br />

im Alltag: Schule,<br />

Nachbarschaft,<br />

FreundInnen<br />

POLITISCHE<br />

INTEGRATION<br />

Partizipations- und<br />

Wahlmöglichkeiten<br />

KULTURELLE<br />

INTEGRATION<br />

Sprache, Bildung,<br />

Kulturelles Leben<br />

Zur politischen Partizipation<br />

gehört das Wahlrecht. Innerhalb<br />

der Europäischen Union<br />

haben EU-BürgerInnen<br />

daher auch im Ausland das<br />

kommunale Wahlrecht.<br />

In Österreich können<br />

BürgerInnen aus anderen<br />

EU-Ländern bei den<br />

Gemeinderatswahlen<br />

und auf Bezirksebene<br />

ihre Stimme abgeben.<br />

Außerdem haben ausländischeStaatsbürgerInnen<br />

im Rahmen der<br />

Interessensvertretung<br />

die Möglichkeit, politisch<br />

zu partizipieren, z.B. als<br />

Betriebsräte.<br />

Sprache ist ein wichtiger Schlüssel zur<br />

kulturellen Integration. Sie erleichtert den<br />

Austausch im Alltagsleben, eröffnet den Zugang<br />

zu weiteren Bildungsmöglichkeiten und ermöglicht die<br />

Teilhabe am kulturellen Leben. Für Zuwanderer und Zuwanderinnen,<br />

die eine andere Erstsprache als Deutsch haben, ergeben sich weitere Vorteile: Sie<br />

beherrschen mehrere Sprachen und haben damit eine wichtige Zusatzqualifikation.<br />

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UNTERRICHTSVORSCHLAG <strong>Wie</strong> <strong>wird</strong> <strong>man</strong> <strong>ÖsterreicherIn</strong>?<br />

M4 Reality-Check: Integration in Kernbereichen<br />

Im Rahmen eines Berichts zur Migration und Integration in Österreich haben die VerfasserInnen<br />

25 Indikatoren zur Integration in Österreich zusammengestellt und diskutiert, die fünf<br />

Kernindikatoren sind hier abgebildet.<br />

(Quelle: Österreichischer Integrationsfonds (Hrsg.): Migration & Integration. Zahlen. Daten. Indikatoren 2010, S. 114,<br />

unter http://www.integrationsfonds.at/publikationen/zahlen_und_fakten/statistikjahrbuch_2010, letzter Zugriff 27.8.2010)<br />

(Österreichischer Integrationsfonds (Hrsg.): Migration & Integration. Zahlen. Daten. Indikatoren 2010, S. 15, unter<br />

http://www.integrationsfonds.at/publikationen/zahlen_und_fakten/statistikjahrbuch_2010, letzter Zugriff 27.8.2010)<br />

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UNTERRICHTSVORSCHLAG <strong>Wie</strong> <strong>wird</strong> <strong>man</strong> <strong>ÖsterreicherIn</strong>?<br />

M5 Die Integrationsvereinbarung<br />

Quelle: Bundesministerium für Inneres<br />

M6 Weitere Informationen zur Integrationsvereinbarung<br />

finden Sie unter:<br />

www.help.gv.at: Startseite (Bürger/innen) > Leben in Österreich >Aufenthalt und Visum ><br />

Aufenthalt Drittstaatsangehörige > Integrationsvereinbarung<br />

www.integrationsfonds.at > Integrationsvereinbarung<br />

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UNTERRICHTSVORSCHLAG <strong>Wie</strong> <strong>wird</strong> <strong>man</strong> <strong>ÖsterreicherIn</strong>?<br />

M7 Kommentar zur europäischen Integrationspolitik<br />

(Quelle: Corinna Milborn, in: Caritas Erzdiözese <strong>Wie</strong>n (Hrsg.):<br />

Unfrei_willig ausgegrenzt. Angekommen, aber nicht aufgenommen. <strong>Wie</strong>n 2007)<br />

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UNTERRICHTSVORSCHLAG <strong>Wie</strong> <strong>wird</strong> <strong>man</strong> <strong>ÖsterreicherIn</strong>?<br />

M8 Einschätzung der Integration<br />

(Quelle: Österreichischer Integrationsfonds (Hrsg.): Migration & Integration. Zahlen. Daten. Indikatoren 2010, S. 85, unter<br />

http://www.integrationsfonds.at/publikationen/zahlen_und_fakten/statistikjahrbuch_2010, letzter Zugriff 27.8.2010)<br />

(Quelle: Österreichischer Integrationsfonds (Hrsg.): Migration & Integration. Zahlen. Daten. Indikatoren 2010, S. 93, unter<br />

http://www.integrationsfonds.at/publikationen/zahlen_und_fakten/statistikjahrbuch_2010, letzter Zugriff 27.8.2010)<br />

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UNTERRICHTSVORSCHLAG <strong>Wie</strong> <strong>wird</strong> <strong>man</strong> <strong>ÖsterreicherIn</strong>?<br />

D WIE BEKOMMT MAN DIE ÖSTERREICHISCHE STAATSBÜRGERSCHAFT?<br />

t Welche Rechte und Pflichten sind mit der Staatsbürgerschaft verbunden? (M1)<br />

t Unter welchen Bedingungen bekommt <strong>man</strong> in Österreich die Staatsbürgerschaft verliehen?<br />

(M2)<br />

t <strong>Wie</strong> schätzen Sie die Fragen zur Staatsbürgerschaftsprüfung ein? Können Sie diese selbst beantworten?<br />

(M3, M4)<br />

t <strong>Wie</strong> erhält <strong>man</strong> in anderen europäischen Ländern die Staatsbürgerschaft? Welche Prinzipien<br />

werden dabei verfolgt? (M5, M6)<br />

t <strong>Wie</strong> entwickelt sich die Zahl der Einbürgerungen in Österreich? (M7)<br />

t <strong>Wie</strong> bewerten Sie die Politik der Einbürgerung in Österreich? Welche Veränderungen der Einbürgerungspolitik<br />

und -praxis wünschen Sie sich?<br />

M1 Staatsbürgerschaft: Rechte und Pflichten<br />

RECHTE PFLICHTEN<br />

r Uneingeschränktes Leben und Arbeiten in Österreich r Treuepflicht gegenüber dem Staat<br />

r Wahlrecht r Übernahme eines Geschworenenamtes<br />

r Gleichheit vor dem Gesetz r Wehr- bzw. Wehrersatzdienst<br />

r Schutz durch österreichische Vertretungen im Ausland für Männer<br />

r Förderung durch bestimmte Stipendien für<br />

StudentInnen und WissenschaftlerInnen<br />

© Demokratiezentrum <strong>Wie</strong>n<br />

M2 Voraussetzungen zur Einbürgerung<br />

© Demokratiezentrum <strong>Wie</strong>n<br />

r mit der Geburt, wenn mindestens<br />

ein Elternteil <strong>ÖsterreicherIn</strong> ist<br />

r bei Vorliegen eines Rechtsanspruchs,<br />

z.B. wenn <strong>man</strong> seit<br />

längerer Zeit mit einem/r<br />

<strong>ÖsterreicherIn</strong> verheiratet ist<br />

r auf einen Antrag hin, z.B. nach<br />

zehn Jahren ununterbrochenem<br />

Aufenthalt in Österreich<br />

Außerdem müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:<br />

r Unbescholtenheit<br />

r kein bestehendes Aufenthaltsverbot<br />

r bejahende Einstellung zur Republik Österreich<br />

r hinreichend gesicherter Lebensunterhalt<br />

r Abgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit (wenn möglich und zumutbar)<br />

r Kenntnisse der demokratischen Ordnung sowie der Geschichte Österreichs und<br />

des Bundeslandes, in dem <strong>man</strong> lebt<br />

r Nachweis der Kenntnis der deutschen Sprache<br />

r ununterbrochener Hauptwohnsitz in Österreich unmittelbar vor der Verleihung<br />

der Staatsbürgerschaft<br />

r wenn es im Interesse der Republik liegt und die Person besondere kulturelle,<br />

wirtschaftliche, sportliche oder wissenschaftliche Bedeutung für Österreich hat<br />

M3 Staatsbürgerschaftsprüfung – Würden Sie den Test bestehen?ten<br />

Die Fragenkataloge zur Staatsbürgerschaft unterscheiden sich von Bundesland zu Bundesland.<br />

Daher ist es nicht ganz einfach, sich einen Überblick über die Spannweite der abgeprüften<br />

Bereiche zu verschaffen. Wählen Sie auf der Homepage des Bundesministeriums für Inneres<br />

Ihr Bundesland aus und versuchen Sie, die Fragen (auch in M4) zu beantworten.<br />

Pfad: www.bmi.gv.at > Aufgabengebiete > Staatsbürgerschaftswesen > Lernunterlagen<br />

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in tausend<br />

Grafik: Zahl der Einbürgerungen sinkt<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

1960<br />

1965<br />

1970<br />

1975<br />

1980<br />

1985<br />

1990<br />

1995<br />

2000<br />

2005<br />

2009<br />

Während es im Jahr 2003 einen Höhepunkt von 45.112<br />

Einbürgerungen gab, sank die Zahl bis zum Jahr 2009<br />

auf 7.990. Fast die Hälfte davon wurde bereits in<br />

Österreich geboren.


UNTERRICHTSVORSCHLAG <strong>Wie</strong> <strong>wird</strong> <strong>man</strong> <strong>ÖsterreicherIn</strong>?<br />

M4 Fit für die Einbürgerung: Ausgewählte Spezialfragen aus allen Bundesländern<br />

t <strong>Wie</strong> viele Wohnungen wurden von 1920 bis 1934 von der Stadt <strong>Wie</strong>n gebaut?<br />

t Woraus <strong>wird</strong> Sterz hergestellt?<br />

t Welchen Stammesgruppen ist die heutige Mundart in Vorarlberg zu verdanken?<br />

t Welche offizielle Bezeichnung trägt der Salzburger Flughafen?<br />

t <strong>Wie</strong> lautet die erste Zeile des Kärntner Heimatlieds?<br />

t Was ist „Zu Mantua in Banden“?<br />

t <strong>Wie</strong> hieß die international gefeierte Tänzerin aus dem Burgenland?<br />

t <strong>Wie</strong> heißt das Gemeindeamt in einer Stadt mit eigenem Statut?<br />

t Wann wurde die Zweite Türkenbelagerung abgewehrt?<br />

t Wann wurde die Europäische Menschenrechtskonvention in Österreich in den Verfassungsrang<br />

erhoben?<br />

t <strong>Wie</strong> heißt die einwohnermäßig kleinste Gemeinde Österreichs?<br />

t Unter welchem Begriff werden Staatsvolk, Staatsgebiet und Staatsgewalt zusammengefasst?<br />

(Zitiert nach: Fass<strong>man</strong>n, Heinz/<strong>Pichler</strong>, <strong>Herbert</strong>/Reiner, Christian: Kompass 7/8. Geographie und Wirtschaftskunde für die 11. und<br />

12. Schulstufe. <strong>Wie</strong>n 2009, S. 80)<br />

M5 Europa im Vergleich: <strong>Wie</strong> erhält <strong>man</strong> die Staatsbürgerschaft?<br />

Irland: Abschaffung des liberalen<br />

Staatsbürgerschaftsgesetzes<br />

r ursprünglich Territorialprinzip: jedes<br />

in Irland geborene Kind erhält irische<br />

Staatsbürgerschaft<br />

r 2005: Gesetzesänderung nach<br />

Volksabstimmung q Abstammungsprinzip:<br />

mindestens ein Elternteil muss<br />

irische/r StaatsbürgerIn sein<br />

r Grund für Gesetzesänderung: Wandel<br />

vom Auswanderungsland zum<br />

IRL<br />

Deutschland: Doppelstaatsbürgerschaft<br />

für EU-BürgerInnen<br />

r Abstammungsprinzip; Ausnahme:<br />

DK<br />

Kinder von AusländerInnen erhalten<br />

unter bestimmten Bedingungen bei<br />

Geburt deutsche Staatsbürgerschaft;<br />

aber: müssen sich zwischen 18. und 23.<br />

Geburtstag für eine Staatsbürgerschaft<br />

entscheiden<br />

r EU-BürgerInnen können mit Erwerb<br />

der GB<br />

deutschen Staatsangehörigkeit ihre<br />

alte behalten<br />

NL<br />

Frankreich: koloniale Vergangenheit<br />

r in Frankreich geborene Kinder ausländischer<br />

Eltern erhalten mit dem<br />

18. Geburtstag die französische Staatsangehörigkeit,<br />

bei bestimmten Voraussetzungen<br />

auch schon früher<br />

r Kinder von Eltern aus ehemaligen<br />

E<br />

französischen P<br />

Kolonien besitzen automatisch<br />

die französische Staatsangehörigkeit<br />

(wenn vor 1994 geboren)<br />

F<br />

B<br />

L<br />

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N<br />

CH<br />

FL<br />

I<br />

D<br />

A<br />

S<br />

CZ<br />

SLO<br />

PL<br />

LT<br />

LV<br />

FIN<br />

EST<br />

Österreich: SK Abstammungsprinzip<br />

r Staatsangehörigkeitsrecht folgt vor<br />

allem dem Abstammungsprinzip, d.h. der<br />

Nationalität H der Eltern<br />

r in Österreich geborene Kinder, die<br />

RO<br />

eine zweite Staatsbürgerschaft haben,<br />

können nach dem 18. Geburtstag<br />

DoppelstaatsbürgerInnen bleiben<br />

SRB<br />

MNE<br />

BG<br />

AL<br />

MK<br />

GR<br />

TR<br />

RUS<br />

Lettland: Hinwendung zum<br />

Territorialprinzip<br />

r vor 1998: Staatsangehörigkeit bleibt<br />

vor allem ethnischen LettInnen vorbe-<br />

BY<br />

halten r internationale Kritik sieht darin<br />

Diskriminierung der russischen Minderheit<br />

sowie zahlreicher Menschen, die<br />

durch Zerfall der Sowjetunion staatenlos<br />

geworden sind<br />

r 1998: Gesetzesänderung nach<br />

Volksentscheid und leichterer Zugang<br />

UA<br />

Das Staatsangehörigkeitsrecht unterscheidet sich in den einzelnen europäischen Staaten teilweise sehr. In vielen Ländern hat es<br />

außerdem in den letzten Jahren Gesetzesänderungen gegeben. In den meisten Fällen enthalten die Gesetze Elemente des Abstammungsprinzips<br />

sowie Elemente des Territorialprinzips.


UNTERRICHTSVORSCHLAG <strong>Wie</strong> <strong>wird</strong> <strong>man</strong> <strong>ÖsterreicherIn</strong>?<br />

M6 Zehn EU-Staaten machen Kindern Einbürgerung leicht<br />

<strong>Wie</strong>n – Angesichts des grünen Ansinnens, Kindern von Ausländern, die hierzulande geboren<br />

werden, unter bestimmten Bedingungen die österreichische Staatsbürgerschaft zu verleihen,<br />

hat sich die Gesellschaft für Europapolitik die Mühe gemacht, entsprechendes Recht in anderen<br />

EU-Staaten aufzulisten (siehe Grafik).<br />

Hintergrund: Der Vorstoß für den Nachwuchs von Eltern, die seit fünf Jahren hier leben beziehungsweise<br />

eine unbefristete Niederlassungsbewilligung haben, hat den Grünen viel Empörung<br />

von ÖVP, FPÖ und BZÖ eingetragen („linke Träumereien“, „Gedankenexperimente“). Doch<br />

der Blick in die Mitgliedsländer der Union zeigt, dass bereits zehn der 27 Staaten – freilich unter<br />

bestimmten Auflagen – Kindern die Staatsbürgerschaft verleihen, wenn diese auf Staatsgebiet<br />

geboren sind. In sieben Ländern davon gilt auch das doppelte „ius soli“ (Recht des Bodens,<br />

also Territorialprinzip): Als Staatsbürger gelten Kinder, wenn zumindest ein Elternteil im Land<br />

geboren ist.<br />

Nach dem sogenannten „ius sanguinis“, dem strengen Abstammungsprinzip, gehen bei der<br />

Einbürgerung neben Österreich, Italien, Schweden und Finnland nach wie vor sämtliche neue<br />

EU-Mitgliedsstaaten vor.<br />

(Quelle: Der Standard, Printausgabe, 7./8. August 2010, AutorIn: nw)<br />

(Quelle: http://derstandard.at/1280984186367/Zehn-EU-Staaten-machen-Kindern-Einbuergerung-leicht, letzter Zugriff 27.8.2010)<br />

www.demokratiezentrum.org 2010 Unterrichtsmaterial migration on tour 23


UNTERRICHTSVORSCHLAG <strong>Wie</strong> <strong>wird</strong> <strong>man</strong> <strong>ÖsterreicherIn</strong>?<br />

M7 Entwicklung der Einbürgerung seit 1945<br />

(Quelle: Österreichischer Integrationsfonds (Hrsg.): Migration & Integration. Zahlen. Daten. Indikatoren 2010, S. 81, unter<br />

http://www.integrationsfonds.at/publikationen/zahlen_und_fakten/statistikjahrbuch_2010, letzter Zugriff 27.8.2010)<br />

Literatur<br />

Caritas Erzdiözese <strong>Wie</strong>n (Hrsg.): Unfrei_willig ausgegrenzt. Angekommen, aber nicht aufgenommen.<br />

<strong>Wie</strong>n 2007<br />

Dobler, Karin/Fass<strong>man</strong>n, Heinz/<strong>Pichler</strong>, <strong>Herbert</strong>: Kompass 5/6. Geographie und Wirtschaftskunde<br />

für die 9. und 10. Schulstufe. <strong>Wie</strong>n 2008<br />

Fass<strong>man</strong>n, Heinz/<strong>Pichler</strong>, <strong>Herbert</strong>/Reiner, Christian: Kompass 7/8. Geographie und Wirtschaftskunde<br />

für die 11. und 12. Schulstufe. <strong>Wie</strong>n 2009<br />

Milborn, Corinna: Gestürmte Festung Europa. Mauern. Ghetto. Terror. Das Schwarzbuch. <strong>Wie</strong>n 2006<br />

Österreichischer Integrationsfonds (Hrsg.): Integration. Zahlen. Daten. Fakten 2008 (unter<br />

http://www.integrationsfonds.at/index.php?id=129, letzter Zugriff 27.8.2010)<br />

Österreichischer Integrationsfonds (Hrsg.): Migration & Integration. Zahlen. Daten. Indikatoren 2010<br />

(unter http://www.integrationsfonds.at/publikationen/zahlen_und_fakten/statistikjahrbuch_2010,<br />

letzter Zugriff 27.8.2010)<br />

www.demokratiezentrum.org 2010 Unterrichtsmaterial migration on tour 24

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