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Literaturverzeichnis - Integrierte Psychiatrie Winterthur

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Cannabis: Ein umfassendes<br />

Informations- und<br />

Behandlungsangebot<br />

Beratungsstelle für Drogenprobleme<br />

<strong>Winterthur</strong><br />

01.06.2006 Seite 1


Inhaltsverzeichnis<br />

1. Ausgangslage<br />

2. Substanzkonsum und Jugendalter<br />

3. Situation der Beratungsstelle für Drogenprobleme<br />

4. Ziele und Grundlagen der Behandlung<br />

4.1. Ziele<br />

4.2. Zielgruppe<br />

4.3. Einordnung im Behandlungssystem Sucht und institutionelle<br />

Rahmenbedingungen<br />

4.4. Grundsätze des Informations- und Behandlungsangebotes<br />

4.5. Behandlungsangebot: differenziert und Standardisiert<br />

5. Anmeldeprocedere<br />

6. Abklärung und Indikation<br />

6.1. Zuständigkeit<br />

6.2. Motivation<br />

6.3. Gefährdung<br />

7. Kernprozesse (Behandlungsmodule)<br />

8. Substanzspezifische Information<br />

9. Weitere Arbeitshilfen<br />

10. Vernetzung und Zusammenarbeit<br />

11. Öffentlichkeitsarbeit<br />

12. Qualitätssicherung<br />

<strong>Literaturverzeichnis</strong><br />

Glossar<br />

Anhang<br />

Kernprozesse<br />

Substanzspezifische Information<br />

Arbeitshilfen<br />

01.06.2006 Seite 2


1. Ausgangslage<br />

Unsere Erfahrung aber auch wissenschaftliche Studien belegen (BAG, 2005), dass<br />

der Cannabiskonsum in den Neunzigerjahren des letzten Jahrhunderts insbesondere<br />

bei Jugendlichen massiv zugenommen hat. Die Zahlen der Schweizerischen<br />

Gesundheitsbefragung (SFA, 2004) illustrieren beispielsweise diesen Konsumanstieg<br />

deutlich: Während 1992 lediglich 16.3 % der 15- bis 39-Jährigen Cannabis einmal<br />

konsumierte, waren es im Jahre 2002 bereits 27.7 %; was einem Anstieg um fast<br />

70% entspricht. In den letzten drei Jahren – gemäss verschiedener Befragungen –<br />

dürfte sich der Cannabiskonsum auf hohem Niveau stabilisiert haben. Resultate der<br />

ersten systematischen, repräsentativen Längsschnittstudie zum Cannabiskonsum für<br />

das Jahr 2004 in der Schweiz (BAG, 2005) zeigen, dass rund 46 % der befragten 13bis<br />

29-Jährigen in ihrem Leben schon Cannabis konsumierten. Davon sind gut 13%<br />

sogenannt aktuelle Konsumierende, das heisst, sie haben in den letzten 6 Monaten<br />

vor der Befragung Cannabis zu sich genommen. Mit diesen Zahlen nimmt die<br />

Schweiz im internationalen Vergleich eine Spitzenposition ein.<br />

Verschiedene Studien weisen darauf hin, dass wir es nicht nur mit einer Zunahme<br />

des Freizeit- und Probierkonsums zu tun haben, sondern auch mit einer Zunahme<br />

des regelmässigen Konsums. So ist beispielsweise die Wochenprävalenz des<br />

Cannabisgebrauchs zwischen 1992 und 2002 noch stärker angestiegen als die<br />

Lebenszeitprävalenz (SFA, 2004). Eine Schweizer Multizenter Studie von 2002<br />

kommt ebenfalls zum Schluss, dass es eine wachsende Anzahl Jugendlicher gibt, die<br />

täglich oder mehrmals täglich Cannabis konsumieren (Narring et al., 2003). Gemäss<br />

dieser Studie gaben 4 % der Mädchen und 13 % der Jungen an, täglich Cannabis zu<br />

sich zu nehmen. Es ist in erster Linie die Zunahme des regelmässigen Konsums,<br />

insbesondere in jungen Jahren, die Anlass zur Sorge gibt, da ein häufiger Cannabiskonsum<br />

ein problematisches Konsummuster und ein Zeichen von Gefährdung sein<br />

kann. In der Literatur findet man entsprechende Hinweise die zeigen, dass die<br />

Konsumfrequenz ein starker Prädiktor von Substanz assoziierten Problemen ist (z.B.<br />

Chen et al., 1997). Dies wird in der Schweizer Studie bestätigt (BAG, 2005), in der<br />

etwa ein Drittel der Personen, die in den vergangenen sechs Monaten Cannabis<br />

konsumierten, (32.1 %) angeben, unter Folgeproblemen des Cannabiskonsums zu<br />

leiden. Folgeprobleme können Gedächtnis- und Konzentrationsschwierigkeiten,<br />

Angst die Kontrolle über den Konsum zu verlieren oder soziale Sanktionen sein.<br />

Diese Personen müssen als problematisch Konsumierende eingestuft werden.<br />

2. Substanzkonsum und Jugendalter<br />

Laut Forschern gibt es einige Hinweise, dass der Konsumanstieg in den 1990er<br />

Jahren mit einem sinkenden Einstiegsalter (Müller, Gmel, 2002) einher gegangen ist.<br />

Häufiger Cannabiskonsum während der Adoleszenz muss grundsätzlich als problematisches<br />

Verhalten angesehen werden, da sich Jugendliche in einer wichtigen<br />

Entwicklungsphase befinden, die mit vielen Aufgaben und Anforderungen einhergeht;<br />

also eine Phase, die eine aktive Auseinandersetzung mit sich und der Umwelt<br />

verlangt. Die Adoleszenz birgt viel Entwicklungs- und Reifepotenzial, was zwangsläufig<br />

auch heisst, dass es sich um eine sensible und störanfällige Phase handelt. In<br />

anderen Worten: Entwicklungspotenzial und Verletzlichkeit von Jugendlichen gehen<br />

miteinander einher. Werden in dieser Zeit häufig psychoaktive Substanzen wie<br />

Cannabis konsumiert, besteht die Gefahr, dass die anstehenden Entwicklungsaufgaben<br />

nicht in ausreichendem Masse bewältigt werden können, was Entwick-<br />

01.06.2006 Seite 3


lungsdefizite mit sich bringen kann. In der Folge ist eine gesunde psychosoziale<br />

Entwicklung erschwert und die Integration in die Gesellschaft gefährdet.<br />

Obschon ein gewisses Ausmass an Probierkonsum von psychoaktiven Substanzen<br />

ein Phänomen der Adoleszenz sein kann, muss ein häufiger Konsum – insbesondere<br />

in jungen Jahren – grundsätzlich als problematisch, im Sinne eines Zeichens von<br />

Gefährdung, angesehen werden.<br />

In diesem Sinne ist es uns ein Anliegen, mit unserem Angebot im Bereich Cannabis<br />

der Früherkennung von Problem belasteten Jugendlichen und jungen Erwachsenen<br />

und solchen, bei denen sich die Entwicklung einer psychischen Störung abzeichnet,<br />

besondere Bedeutung beizumessen. Bei Letzterem ist beispielsweise das möglichst<br />

rechtzeitige Erkennen von psychischen Störungen aus dem schizophrenen Formenkreis<br />

gemeint: Solche Störungen beginnen typischerweise während der Adoleszenz<br />

und sind oftmals – wahrscheinlich zum Zwecke der Selbstmedikation – mit einem<br />

starken Cannabiskonsum verbunden. Daneben gibt es aber noch eine Reihe weiterer<br />

psychischer Symptomatiken und Störungen wie insbesondere affektive Störungen<br />

(wie beispielsweise depressive Störungen), Angst- und Belastungsstörungen sowie<br />

hyperkinetische Störungen, die zusätzlich zur Cannabisproblematik vorhanden sein<br />

können und von denen wir annehmen dürfen, dass diese bei der Entstehung und<br />

Aufrechterhaltung des problematischen Cannabiskonsums eine bedeutsame Rolle<br />

spielen. Mögliche Begleiterkrankungen müssen sowohl in der Abklärung wie auch in<br />

der laufenden Behandlung berücksichtigt werden.<br />

3. Situation der Beratungsstelle für Drogenprobleme <strong>Winterthur</strong><br />

Die stark zunehmende Verbreitung des Cannabiskonsums mit den auch damit verbundenen<br />

fachlichen und politischen Fragen und Auseinandersetzungen, liessen das<br />

Thema in den letzten Jahren mehr und mehr zum Gegenstand der öffentlichen<br />

Berichterstattung werden, was wiederum zu einer erhöhten Sensibilität - zuweilen<br />

auch Unsicherheit - in der Bevölkerung beitrug. Die vom Nationalrat im Juni 2004<br />

abgelehnte Revision des Betäubungsmittelgesetzes und die begonnene Debatte<br />

über die bevorstehende Volksabstimmung (Hanfinitiative) sorgen dafür, dass das<br />

Thema Cannabiskonsum weiterhin eine grosse Präsenz in der Öffentlichkeit haben<br />

wird.<br />

Die Beratungsstelle für Drogenprobleme <strong>Winterthur</strong> verzeichnete in den vergangenen<br />

Jahren eine kontinuierliche Zunahme von Anfragen und Anmeldungen wegen<br />

Cannabiskonsum. Die Anmeldungen kommen von Cannabis konsumierenden<br />

Erwachsenen, Jugendlichen oder von besorgten Eltern und anderen<br />

Bezugspersonen. Mit der Entwicklung unseres Informations- und Behandlungsangebotes<br />

im Bereich Cannabis versuchen wir, einen fachlich fundierten, gleichzeitig<br />

auch differenzierten Umgang mit der relativ neuen Problematik zu finden. Als<br />

Institution im Bereich der Behandlung von Substanzstörungen ist es unsere Aufgabe,<br />

ein Angebot für die Personen bereitzustellen, bei denen sich die Entwicklung eines<br />

problematischen Konsums abzeichnet oder die bereits einen missbräuchlichen oder<br />

abhängigen Konsum von Cannabis aufweisen. Dabei müssen wir der Tatsache<br />

Rechung tragen, dass ein Teil der Cannabis konsumierenden Personen unter<br />

zusätzlichen psychischen Begleitstörungen leidet. Den Aspekt der Co-Morbidität<br />

muss selbstverständlich in der Abklärung und Behandlung berücksichtigt werden. Da<br />

es sich bei einem beachtlichen Teil der Cannabiskonsumenten um Jugendliche<br />

handelt, ist es ein Erfordernis jugendspezifische Aspekte in die Behandlung zu<br />

01.06.2006 Seite 4


integrieren, was unter anderem auch heisst, Angehörige und Bezugspersonen<br />

explizit mit unserem Angebot anzusprechen und entsprechend in den Behandlungsprozess<br />

miteinzubeziehen.<br />

4. Ziele und Grundlagen des Informations- und Behandlungsangebotes<br />

4.1 Ziele<br />

Das Ziel besteht darin, ein umfassendes Angebot im Bereich Information und<br />

Behandlung für Betroffene und ihre Angehörigen bereitzustellen, bei denen sich ein<br />

problematisches Konsummuster von Cannabinoiden abzeichnet oder bei denen eine<br />

Substanzstörung vorliegt. Unter einer Substanzstörung von Cannabinoiden<br />

verstehen wir gemäss ICD-10 einen missbräuchlichen Konsum oder ein Abhängigkeitssyndrom.<br />

Ein spezieller Fokus soll auf der Behandlung von jugendlichen Konsumenten, deren<br />

Angehörigen und Bezugspersonen liegen. Dabei soll der Früherkennung und Frühintervention<br />

(indizierte Prävention II) eine zentrale Bedeutung beigemessen werden:<br />

Gefährdungen und sich abzeichnende Störungen sollen so früh wie möglich erkannt<br />

und geeignete Hilfemassnahmen eingeleitet werden.<br />

Zusammengefasst lassen sich zwei Grobziele definieren:<br />

Bereitstellung eines umfassenden und differenzierten Informations- und<br />

Behandlungsangebotes im Bereich Cannabis für Personen, die einen missbräuchlichen<br />

Konsum von Cannabinoiden betreiben oder ein Abhängigkeitssyndrom<br />

aufweisen.<br />

Frühes Erkennen von Gefährdungen und sich abzeichnenden Entwicklungsstörungen<br />

/ psychischen Störungen und Einleiten geeigneter Hilfemassnahmen.<br />

4.2 Zielgruppen<br />

Grob können drei unterschiedliche Zielgruppen beschrieben werden:<br />

Jugendliche und erwachsene Personen, die einen problematischen Konsum<br />

von Cannabinoiden aufweisen: Missbräuchlicher Konsum oder Abhängigkeitssyndrom.<br />

Angehörige (insbesondere Eltern und Partner)<br />

Primärerfasser wie beispielsweise, Lehrer, Lehrmeister, Betreuer, Hausärzte,<br />

Justiz, etc.<br />

01.06.2006 Seite 5


4.3. Einordnung im Behandlungssystem Sucht und Institutioneller Rahmen<br />

Die Graphik illustriert das Kontinuum von der Sekundär- bis zur Tertiärprävention mit<br />

der dazwischen liegenden Schnittsstelle der Früherkennung. Diese Graphik stellt<br />

gleichzeitig auch das Kontinuum einer möglichen Störungsentwicklung dar: Vom<br />

Vorliegen erster Zeichen von Gefährdung bis hin zur manifesten Störung. Das<br />

Informations- und Behandlungsangebot Cannabis der Beratungsstelle für Drogenprobleme<br />

<strong>Winterthur</strong> lässt sich in die Bereiche Früherkennung / Frühintervention<br />

(indizierte Prävention II) und Behandlung (tertiär Prävention) einordnen. Alle<br />

Interventionen unseres Angebotes sind personenorientiert und auf das Individuum<br />

ausgerichtet. Im voran gelagerten Bereich der indizierten Prävention I ist die Suchtpräventionsstelle<br />

<strong>Winterthur</strong> tätig, die vorwiegend strukturell und umgebungsorientiert<br />

interveniert. Ebenfalls im Bereich indizierte Prävention II, also der Personen orientierten<br />

Früherkennung, ist die Beratungsstelle für Jugendliche angesiedelt, mit der<br />

speziell im Bereich Früherkennung von psychotischen Frühphasen eng zusammengearbeitet<br />

wird.<br />

Die Beratungsstelle für Drogenprobleme <strong>Winterthur</strong> ist eine Einrichtung mit öffentlichrechtlichem<br />

Auftrag, die vom Sozialdepartement der Stadt <strong>Winterthur</strong> und der<br />

<strong>Integrierte</strong>n <strong>Psychiatrie</strong> <strong>Winterthur</strong> gemeinsam getragen wird. Die Beratungsstelle ist<br />

eine politisch und konfessionell neutral geführte Institution, die neben<br />

psychiatrischen, auch psychologische und sozialarbeiterische Kompetenzen und<br />

Zugangsweisen in einem Hause integriert. Die institutionellen Rahmenbedingungen<br />

sind so gestaltet, dass sich neben Personen mit schon bestehenden Substanzstörungen<br />

insbesondere auch Jugendliche und deren Familien angesprochen fühlen.<br />

01.06.2006 Seite 6


4.4. Grundsätze des Informations- und Behandlungsangebotes<br />

Ein wertschätzender und respektvoller Umgang mit Menschen bildet den Boden<br />

unseres beruflichen Handelns. Ausserdem fühlen wir uns der Wissenschaft<br />

verpflichtet: So ist es uns ein Anliegen, evidenzbasierte Aspekte in die Behandlung<br />

zu integrieren. Grundlage unserer Behandlung sind die Prinzipien der Vertraulichkeit<br />

(ärztliche Schweigepflicht) und der Anonymität. Des Weiteren ist es uns wichtig,<br />

unser Angebot für die verschiedenen Zielgruppen gut zugänglich zu gestalten. Die<br />

gute Zugänglichkeit spiegelt sich beispielsweise in einem flexiblen und raschen<br />

Anmeldeprocedere, wie auch in einer guten Vernetzung der Beratungsstelle mit<br />

anderen relevanten Institutionen und Primärerfassern, was insbesondere für eine<br />

gute Erreichbarkeit von Jugendlichen bedeutsam ist. Eine gute Zugänglichkeit des<br />

Angebotes wird auch dadurch erreicht, dass die bereits bestehenden Komm-<br />

Strukturen mit Geh-Strukturen ergänzt werden. Eine gute Zugänglichkeit zur<br />

Beratungsstelle soll auch durch eine möglichst nicht-stigmatisierende Art der<br />

Behandlung unterstützt werden.<br />

Unser Informations- und Behandlungsangebot soll umfassend gestaltet sein: So ist<br />

es uns ein zentrales Anliegen, den Substanzkonsum nicht isoliert zu betrachten,<br />

sondern diesen in Beziehung zur Person, deren Umfeld und Lebenssituation zu<br />

setzen und zu verstehen. Umfassend heisst auch, dass wir unterschiedliche<br />

berufliche Perspektiven, Kompetenzen und Zugangsweisen in die Behandlung<br />

integrieren. Um jugendlichen Klienten und deren Eltern gerecht zu werden, müssen<br />

jugendspezifische Aspekte in die Behandlung integriert werden. Hierzu gehört die<br />

Integration von adoleszentenspezifischen Aspekten in die Behandlung, wie<br />

beispielsweise die Berücksichtigung des spezifischen Entwicklungskontextes und<br />

des sozialen Umfeldes. Des Weiteren ist ein fachlich qualifizierter Einbezug von<br />

Angehörigen und Bezugspersonen in den Behandlungsprozess von zentraler<br />

Bedeutung. Neben entwicklungspsychologischem Wissen und familiendynamischen<br />

Kenntnissen ist auch eine entsprechende Handlungskompetenz im therapeutischen<br />

Umgang mit Jugendlichen und Familien unerlässlich. In der Arbeit mit Jugendlichen<br />

ist eine aktive und zugehende Arbeitsweise des Therapeuten wichtig. So ist es für die<br />

Aufrechterhaltung des therapeutischen Prozesses wichtig, dass Jugendlichen aktiv<br />

nachgegangen wird, wenn sie beispielsweise nicht zu Terminen erscheinen. Je nach<br />

Situation kann dies telefonisch oder schriftlich erfolgen. Insgesamt soll sich unser<br />

berufliches Handeln an Grundsätzen wie Kontextsensibilität und Ressourcenorientierung<br />

leiten lassen.<br />

4.5 Behandlungsangebot: differenziert und standardisiert<br />

Das Behandlungsangebot im Bereich Cannabis besteht aus sechs unterschiedlichen<br />

Behandlungsmodulen (siehe Diagramm Behandlungsprozess: Abklärung und<br />

Indikation). Mit der Definition und Beschreibung der einzelnen Module wollen wir<br />

einerseits ein gewisses Mass an Standardisierung erreichen, andererseits ist aber<br />

das gleichberechtigte Nebeneinander von verschiedenen Modulen auch Ausdruck<br />

dafür, dass Menschen mit einer Störung von Cannabinoiden unterschiedlichste<br />

Grund- oder Begleitproblematiken bzw. Störungen haben können und auch mit verschiedenen<br />

Anliegen in Bezug auf die Behandlung zu uns gelangen. Hinzu kommt<br />

wiederum, dass die verschiedenen Zielgruppen des Behandlungsangebotes auch<br />

verschiedener Interventionen bedürfen. Vor allem ein Modul verfolgt einen störungsspezifischen<br />

Ansatz, der gezielt den Cannabiskonsum fokussiert und eine Reduktion<br />

01.06.2006 Seite 7


oder Beendigung des Konsums zum Ziel hat. Die einzelnen Module können und<br />

sollen miteinander kombiniert werden. Die Vielzahl der Module ist demnach ein<br />

Ausdruck der unterschiedlichen Problematiken, die in Verbindung mit Cannabiskonsum<br />

stehen können und soll daher eine möglichst differenzierte und<br />

massgeschneiderte Behandlung ermöglichen. Die Standardisierung wiederum soll<br />

die Qualität der Behandlung sichern, indem bestimmte Abläufe wie Indikationsstellung,<br />

Exploration und Teile der weiteren Behandlung beschrieben werden, so<br />

dass die Abläufe eine gewisse Struktur und Konstanz erhalten.<br />

5. Anmeldeprocedere<br />

Gerade bei der Anmeldung von Jugendlichen, deren Angehörigen und<br />

Bezugspersonen hat das Aufnahmeverfahren eine besondere Bedeutung, da dabei<br />

der erste Kontakt hergestellt und erste Entscheidungen in Bezug auf das<br />

Personensetting gefällt werden. Demnach sollen Anmeldungen von Fachpersonen<br />

entgegengenommen werden. Um dem Prinzip einer guten Zugänglichkeit<br />

nachzukommen, soll das Anmeldeverfahren flexibel gestaltet und ein Termin für das<br />

Erstgespräch vor allem für Jugendlichen rasch verfügbar sein.<br />

6. Behandlungsprozess: Abklärung und Indikation<br />

In der Abklärung, die je nach Komplexität des Falles ein bis drei Gespräche umfasst,<br />

geht es neben dem Kontakt- und Beziehungsaufbau darum, ein erstes<br />

Fallverständnis zu entwickeln, das als Grundlage für die weitere Behandlungsplanung<br />

dient. Das Fallverständnis wird aus dem jeweiligen Einzelfall heraus<br />

entwickelt und ist daher individuell. Daneben muss aber in jedem Erstgespräch bzw.<br />

in der Anfangsphase des Behandlungsprozesses standardmässig eine Einschätzung<br />

über<br />

Die institutionelle Zuständigkeit,<br />

die Motivation in Bezug auf die Behandlung und<br />

den Grad der Gefährdung stattfinden.<br />

Eine Einschätzung dieser drei Aspekte muss in jedem Fall erfolgen. Sie dient als<br />

Grundlage für die Indikation des passenden Behandlungsmoduls (siehe Darstellung<br />

Behandlungsprozess: Abklärung und Indikation).<br />

6.1 Zuständigkeit<br />

Die Beratungsstelle für Drogenprobleme ist grundsätzlich zuständig, wenn sich bei<br />

der betroffenen Person eine Substanzstörung von Cannabinoiden abzeichnet oder<br />

sie eine solche Störung aufweist. Jugendliche, die neben einem problematischen<br />

Konsum von Cannabinoiden noch andere Symptome zeigen, fallen ausdrücklich in<br />

die Zuständigkeit der BSD.<br />

01.06.2006 Seite 8


6.2 Motivation für die Behandlung<br />

Die Einschätzung der Motivation für eine Veränderung ist ebenfalls ein Faktor, der für<br />

die Wahl des weiteren Vorgehens entscheidend ist. Entscheidend scheint vor allem<br />

zu sein, dass bei geringer Motivation, dem Prozess der Motivationsbildung am<br />

Anfang der Behandlung eine besondere Bedeutung zukommt. Hingegen gehen wir<br />

davon aus, dass eine substanzspezifische Behandlung eine bereits fortgeschrittene<br />

Veränderungsmotivation verlangt. Zur Einschätzung der Motivation für eine<br />

Veränderung beziehen wir uns auf das Transtheoretische Modell nach Prochaska<br />

and DiClemente (1983), das fünf verschiedene Phasen der Verhaltensänderung<br />

beschreibt. Wobei davon ausgegangen wird, dass je nach Phase der Verhaltensänderung<br />

ein passendes therapeutisches Vorgehen gewählt werden muss, wenn die<br />

Behandlung Aussicht auf Erfolg haben soll (siehe Arbeitshilfe). Unser Verständnis<br />

von Motivation ist prozesshaft und geht zudem davon aus, dass Motivation nicht nur<br />

ein internal gebildeter Zustand ist, sondern eine so genannte interaktionelle<br />

Komponente hat (vgl. Miller, Rollnick, 1999). Das heisst, dass das Umfeld eines<br />

Menschen bei der Bildung und Aufrechterhaltung der Behandlungsmotivation eine<br />

wichtige Rolle spielt. In diesem Sinne ist es uns ein Anliegen, Angehörige, Bezugspersonen<br />

und auch die Beziehung zwischen Berater / Therapeut und Klient als<br />

wichtige Ressourcen wahrzunehmen.<br />

6.3 Gefährdung<br />

Für die Indikation einer Behandlung bedarf es immer einer Einschätzung des<br />

Gefährdungsgrades des psychosozialen Zustandes und damit verbunden der<br />

weiteren Entwicklung. Vier verschiedene Gefährdungsgrade werden unterschieden:<br />

Gefährdungsgrad I: keine bis leichte Gefährdung<br />

Freizeit- und Probierkonsum, keine Folgen des Konsums, keine psychische<br />

Symptomatik, wenig sonstige Belastungsfaktoren.<br />

Gefährdungsgrad II: leichte bis mittlere Gefährdung<br />

Mässiger Konsum (mehrmals wöchentlich) mit gewissem Ausmass an<br />

psychischer Symptomatik, Folgeerscheinungen, sonstigen Belastungsfaktoren<br />

und mässiges Ausmass an Ressourcen.<br />

Gefährdungsgrad III: mittlere bis schwerwiegende Gefährdung<br />

Starker Konsum (mehrmals wöchentlich bis täglich) mit deutlichem Ausmass<br />

an psychischer Symptomatik und Folgeerscheinungen. Mehrere sonstige<br />

Belastungsfaktoren mit mässigen bis geringen Ressourcen.<br />

Gefährdungsgrad IV: akute Gefährdung<br />

Die verschiedenen Faktoren deuten auf eine akute Gefährdung hin,<br />

ambulanter Rahmen wird im Moment nicht als ausreichend in Bezug auf<br />

Schutz und Struktur eingestuft.<br />

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Verschiedene Faktoren werden bei der Einschätzung des jeweiligen Gefährdungsgrades<br />

herangezogen. Es geht also um ein Zusammenspiel von verschiedenen<br />

personalen und sozialen Faktoren und nicht um eine isolierte Betrachtung des<br />

Substanzkonsums.<br />

7. Behandlungsmodule<br />

Die schematische Darstellung der Abklärung und der Indikation gibt einen Überblick<br />

über die sechs Behandlungsmodule:<br />

Behandlungsmodul I: Bezugspersonengespräch<br />

Behandlungsmodul II: Infogespräch<br />

Behandlungsmodul III: Überweisungsgespräch / Triage<br />

Behandlungsmodul IV: Motivationsbildung<br />

Behandlungsmodul V: Problembearbeitung allgemein<br />

Behandlungsmodul VI: substanzspezifische Behandlung (Realize-it)<br />

Behandlungsmodul VII: Arbeit mit Angehörigen: Elterncoaching, Familienberatung,<br />

Einzelarbeit mit Eltern<br />

Der Inhalt und Ablauf der einzelnen Behandlungsmodule ist durch die Beschreibung<br />

von so genannten Kernprozessen näher definiert. Das Behandlungsmodul "Arbeit mit<br />

Angehörigen" enthält mehrere Kernprozesse. Alle Kernprozesse sind im Anhang<br />

enthalten.<br />

Das Behandlungsmodul "substanzspezifische Behandlung (Realize-it)" ist im Ablauf<br />

genau strukturiert, da es sich um ein bereits definiertes Programm handelt. Realize-it<br />

ist eine strukturierte Kurzintervention, die den Cannabiskonsum direkt fokussiert mit<br />

dem Ziel der Reduktion oder Beendigung des Konsums. Dieses Programm wird vom<br />

Bundesamt für Gesundheit gefördert und zurzeit begleitend wissenschaftlich<br />

evaluiert. Der Ablauf des Programms ist im dazugehörigen Manual detailliert<br />

beschrieben. Integraler Bestandteil dieses Programms ist ein so genanntes Booklet,<br />

das als Arbeitshilfe den Klienten abgegeben wird. Des weiteren definierten wir<br />

zusätzliche Kernprozesse, die nicht im eigentlichen Sinne als Behandlungsmodule<br />

angesehen werden, aber trotzdem für das Angebot Cannabis von zentraler<br />

Bedeutung sind, es sind dies die folgenden Kernprozesse:<br />

Kernprozess Bezugspersonengespräch (Primärerfasser)<br />

Kernprozess telefonische Anfrage eines besorgten Elternteils<br />

Kernprozess Indikationsgespräch mit dem Oberarzt<br />

8. Substanzspezifische Informationen<br />

Ein wichtiger Aspekt der Behandlung – also aller Behandlungsmodule – liegt auch in<br />

der Vermittlung fachlich differenzierter substanzspezifischer Informationen. Eine Zusammenstellung<br />

der wichtigen Informationen ist ebenfalls im Anhang enthalten.<br />

01.06.2006 Seite 10


Zusätzlich existiert eine Zusammenstellung von Infomaterial, das Betroffenen,<br />

Angehörigen und Bezugspersonen abgegeben werden kann.<br />

9. Weitere Arbeitshilfen<br />

Der Begriff weitere Arbeitshilfen ist selbsterklärend und meint eine<br />

Zusammenstellung von Listen und Instrumenten, die als Unterstützung in der<br />

Behandlung gedacht sind. Diese Arbeitshilfen befinden sich ebenfalls im Anhang und<br />

können laufend ergänzt werden. Zurzeit sind folgende Arbeitshilfen im Anhang<br />

enthalten:<br />

Einschätzung Grad der Gefährdung<br />

Schutzfaktoren und Risikofaktoren<br />

Raster Familiendiagnose<br />

Fragen zur Wirklichkeits- und Möglichkeitskonstruktion<br />

Transtheoretisches Modell (Stages of Change)<br />

Phasen der Adoleszenz<br />

10. Vernetzung und Zusammenarbeit<br />

Wie bereits mehrfach erwähnt, wird der fachlichen Vernetzung und der Zusammenarbeit<br />

mit anderen relevanten Institutionen, insbesondere der Suchtprävention<br />

<strong>Winterthur</strong> und der Beratungsstelle für Jugendliche und Primärerfassern, eine grosse<br />

Bedeutung beigemessen. Die Beratungsstelle wird in diesem Bereich auch vermehrt<br />

Geh-Strukturen einsetzen.<br />

11. Öffentlichkeitsarbeit<br />

Die Öffentlichkeitsarbeit ist vor allem bei der Bekanntmachung und der<br />

kontinuierlichen Verankerung des Behandlungsangebotes im Bereich Cannabis<br />

wichtig. Hierzu gehört auch die Vermittlung von fachlich fundierter und differenzierter<br />

Information an die Bevölkerung.<br />

12. Qualitätssicherung<br />

Verschiedene Instrumente der Qualitätssicherung werden eingesetzt:<br />

Ergebnisqualität<br />

Erfassung der Ergebnisqualität mittels Katamnesen (Nachbefragungen) bei<br />

Patienten und Primärerfasser<br />

Erfassung der Anmeldungen und Abschlüsse<br />

Psyrec-Statistik mit CGI, GAF und andere geeignete Instrumente<br />

01.06.2006 Seite 11


Prozessqualität<br />

Interdisziplinäre Fallbesprechung<br />

Cannabis Intervisionsgruppe<br />

Austausch mit anderen Stellen<br />

Gespräche mit OA und LA / Stellenleitung<br />

Supervision<br />

01.06.2006 Seite 12


<strong>Literaturverzeichnis</strong><br />

Annaheim, B., Arnaud, S., Dubois Arber, F., Gmel, G., Isenring, G.L., Killias, M.,<br />

Müller, M., Neunschwander, M., Rehm, J., Zobel, F. (2005).<br />

Cannabiskonsum in der Schweiz und die Konsequenzen – Ein aktueller<br />

Überblick 2004. Bern, Bundesamt für Gesundheit.<br />

Chen, K., Kandel, D. B., et al. (1997). Relationships between frequency and quantity<br />

of marijuana use and last year proxy dependence among adolescents and<br />

adults in the United States. Drug and Alcohol Dependence 6; 46(1-2): 53-67.<br />

Internationale Klassifikation psychischer Störungen. ICD-10.<br />

Weltgesundheitsorganisation (WHO), Bern, Verlag Hans Huber.<br />

Miller, W. R., Rollnick, S. (1999). Motivierende Gesprächsführung. Ein Konzept zur<br />

Beratung von Menschen mit Suchtproblemen. Freiburg im Breisgau,<br />

Lambertus.<br />

Müller, S., Gmel, G. (2002). Veränderungen des Einstiegsalters in den<br />

Cannabiskonsum: Ergebnisse der zweiten Schweizer Gesundheitsbefragung<br />

1997. Sozial- und Präventivmedizin 47(1): 14-23.<br />

Narring, F., Tschumper, A., Inderwildi Bonivento, L., Jeannin, A., Addor, V., Bütikofer,<br />

A., Suris, JC., Diserens, C., Alsaker, F., Michaud, PA. (2004). Gesundheit<br />

und Lebensstil 16- bis 20-Jähriger in der Schweiz (2002). SMASH Swiss<br />

multicenter adolescent survey on health 2002. Lausanne, Institut<br />

universitaire de médecine sociale et préventive.<br />

Prochaska, J. O., DiClemente, C. C. (1986). Toward a comprehensive model of<br />

change. In W. R. Miller, N. Heather (Eds.), Treating addictive behaviours:<br />

Process of change (pp. 3-27). New York, Plenum Press.<br />

Schweizerische Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme (SFA) (2004).<br />

Zahlen und Fakten. Lausanne, SFA.<br />

01.06.2006 Seite 13


Glossar<br />

Adoleszenz: Mit Adoleszenz ist jener Lebensabschnitt gemeint, der den Abschied<br />

von der Kindheit und den Übertritt in das Erwachsenenleben beinhaltet. Adoleszenz<br />

ist also der Prozess des Heranwachsens, des Erwachsenwerdens zwischen Pubertät<br />

und erwachsenen Rollen- und Identitätsfindung.<br />

Affektive Störungen: Psychische Störungen, welche hauptsächlich das Gefühlsleben<br />

eines Menschen beeinträchtigen (beispielsweise die Depression).<br />

Angststörungen: Psychische Störungen, welche hauptsächlich durch Angst gekennzeichnet<br />

sind.<br />

Belastungsstörungen: Psychische Störungen, die als Reaktion auf starke<br />

Belastungen auftreten können, wie beispielsweise nach Traumatisierungen.<br />

Co-Morbidität: Gleichzeitiges Vorhandensein von mindestens zwei Krankheiten<br />

bzw. psychischen Störungen. In unserem Fall geht es um das gleichzeitige Vorhandensein<br />

von einer Substanzstörung und einer weiteren psychischen Störung.<br />

Früherkennung / Frühintervention: Unter Früherkennung und Frühintervention<br />

versteht man das Erkennen von und das Intervenieren auf Auffälligkeiten und<br />

Symptome, von denen man annimmt, dass diese Hinweis sind auf eine sich<br />

abzeichnende Störung bzw. für eine ungünstige psychosoziale Entwicklung.<br />

Hyperkinetische Störungen: Psychische Störungen, die hauptsächlich durch eine<br />

Störung der Aufmerksamkeit und / oder eine erhöhte motorische Aktivität einhergeht.<br />

Ein älterer Begriff für das gleiche Phänomen ist Psychoorganisches Syndrom, kurz<br />

POS. Der heute gebräuchliche Begriff ist Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsstörung.<br />

Internationale Klassifikation psychischer Störungen (ICD-10): Die Internationale<br />

Klassifikation psychischer Störungen ist eine von der Weltgesundheitsorganisation<br />

herausgegebene internationale Klassifikation psychischer Störungen. Das heisst, es<br />

handelt sich um eine systematische Sammlung und Beschreibung psychischer<br />

Störungen anhand von diagnostischen Kriterien, die insbesondere eine einheitliche<br />

Diagnostik ermöglichen sollen.<br />

Komm-Strukturen / Geh-Strukturen: Mit den Begriffen Komm- bzw. Geh-Strukturen<br />

wird eine grundsätzliche Arbeitsweise einer Institution beschrieben hinsichtlich ihres<br />

Zugangs zu Klienten. Eine Institution mit Komm-Strukturen ist vor allem darauf ausgerichtet,<br />

dass das Klientel das Angebot der Institution bei Bedarf selber aufsucht,<br />

das heisst von sich aus zur Institution "kommt". Geh-Strukturen hingegen<br />

beschreiben eine Arbeitsweise, die ein aktives "Zugehen" auf das Klientel und deren<br />

Bezugspersonen mit verschiedenen Methoden, wie beispielsweise Vorträge in<br />

Schulen, bei Elternvereinigungen, etc. beinhaltet.<br />

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Prädiktor: Daten oder Faktoren, auf die sich eine Prognose stützt, nennt man<br />

Prädiktoren.<br />

Prävalenz: Die Prävalenz ist eine epidemiologische Kennzahl, die aussagt, wie viele<br />

Individuen einer bestimmten Gruppe von etwas betroffen sind, bzw. in unserem Fall<br />

wie viele Individuen Substanzen konsumieren oder konsumiert haben. Hierzu<br />

gehörige Begriffe sind die Lebenszeit- und die Wochenprävalenz. Mit Lebenszeitprävalenz<br />

meint man die Kennzahl, die angibt wie viele Individuen mindestens<br />

einmal in ihrem Leben beispielsweise eine bestimmte Substanz konsumierten. Mit<br />

Wochenprävalenz meint man die Kennzahl, die angibt wie viele Individuen in der<br />

vergangenen Woche mindestens einmal eine bestimmte Substanz konsumierten.<br />

Primärerfasser: Unter Primärerfassern verstehen wir Bezugspersonen, welche<br />

direkt in der Lebenswelt der jungen Menschen stehen, sei dies in einem institutionalisierten<br />

Kontext (wie Schule oder Lehre), im Freizeitkontext (wie Vereine, Jugendtreffs)<br />

oder im Kontext der Familie. Primärerfasser haben eine Beziehung zu<br />

Jugendlichen und erkennen "problematische" Veränderungen bei diesen. Da sie oft<br />

deren Vertrauen geniessen, können sie als erste im Sinne der Früherkennung /<br />

Frühintervention reagieren. Primärerfasser können sowohl Laienhelfer wie<br />

Fachpersonen sein.<br />

Psychische Störung: Der Begriff "psychische Störung" entstammt dem<br />

medizinischen Vokabular. Damit werden definierte Krankheitsbilder bezeichnet,<br />

welche die psychische Gesundheit beeinträchtigen. Beispiele sind die Schizophrenie,<br />

die Depression, oder auch eine Cannabisabhängigkeit.<br />

Psychoaktive Substanzen: Psychoaktive Substanzen beinhalten Wirkstoffe, die auf<br />

das zentrale Nervensystem (insb. Gehirn) wirken und so die Stimmung, das<br />

Verhalten, die Wahrnehmung und das Denkvermögen beeinflussen können. In<br />

anderen Worten: Es handelt sich um Substanzen, die die Psyche beeinflussen.<br />

Synonyme sind: psychotrope Substanzen, Psychotropikum (umgangssprachlich ist<br />

das Wort Droge gebräuchlich).<br />

Schizophrenie: Dieser Begriff bezeichnet eine bestimmte Gruppe von psychischen<br />

Störungen, welche typischerweise mit Symptomen wie Wahnvorstellungen (z.B.<br />

Verfolgungswahn) und / oder Halluzinationen (z.B. Stimmen hören) einhergeht. Der<br />

Beginn einer Schizophrenie kann durch eine Art Vor- oder Frühphase (Frühphase<br />

von Psychosen) gekennzeichnet sein, die mit nicht so auffälligen Symptomen einhergehen<br />

kann.<br />

Substanzstörung: Eine Substanzstörung ist eine psychische Störung, die auf dem<br />

Gebrauch einer oder mehrerer psychotroper Substanzen (mit oder ohne ärztliche<br />

Verordnung) beruht. Wichtige dazugehörige Begriffe sind: Missbrauch und<br />

Abhängigkeit.<br />

Missbrauch: ist ein Konsummuster von psychoaktiven Substanzen, das zu einer<br />

tatsächlichen Schädigung der psychischen oder physischen Gesundheit des<br />

Konsumenten führt.<br />

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Abhängigkeit: Folgende Kriterien gehören zur Diagnose eines Abhängigkeitssyndroms<br />

(drei oder mehr Kriterien):<br />

Starker Wunsch oder eine Art Zwang, psychotrope Substanzen zu<br />

konsumieren<br />

Verminderte Kontrollfähigkeit bezüglich des Beginns, der Beendigung und der<br />

Menge des Konsums<br />

Ein körperliches Entzugssyndrom bei Beendigung oder Reduktion des<br />

Konsums<br />

Nachweis einer Toleranz<br />

Fortschreitende Vernachlässigung anderer Vergnügen oder Interessen<br />

zugunsten des Substanzkonsums, erhöhter Zeitaufwand, um die Substanz zu<br />

beschaffen, zu konsumieren oder sich von den Folgen zu erholen<br />

Anhaltender Substanzkonsum trotz Nachweises eindeutiger schädlicher<br />

Folgen.<br />

Symptome / Symptomatik: Ein Symptom ist ein Krankheitszeichen.<br />

Konzepterarbeitung:<br />

Charlotte Senn<br />

Christine Gäumann<br />

Ursula Lauffenburger<br />

Gianni Tiloca<br />

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