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schon überlegt, wofür man die Kirche gebrauchen<br />
könnte, aber die Gemeinde wollte sie behalten<br />
und spendete«, erzählt Thomas Braunstein, Pfarrer<br />
von Goldscheuer. Auch im Pfarrgemeinderat<br />
überlegte man, wie man mehr Besucher anlocken<br />
könnte. Man kam auf Herrn Strumbel, der durch<br />
einen Mann berühmt wurde: Karl Lagerfeld.<br />
Der war begeistert, als er Strumbels Uhr geschenkt<br />
bekam. Als im Stern zu Lagerfelds 75-jährigem<br />
Geburtstag ein Bild davon veröffentlicht wurde,<br />
schlug Strumbels Sternstunde. Er gewann 2007 das<br />
erste Graffiti-Stipendium der Welt und arbeitete<br />
immer häufiger im Ausland. Der<br />
ehemalige Graffiti-Sprayer hatte<br />
Einzelausstellungen in der »One<br />
Man Show«, Galerie Springmann<br />
in Freiburg und auch Ausstellungen<br />
in New York, Basel und Polen.<br />
Die New York Times ernannte ihn<br />
zum zurzeit besten Pop-Art-Künstlers. Die Kirche<br />
engagierte ihn als ihre letzte Rettung. Sie überließ<br />
ihm die komplette Innenraumgestaltung der<br />
Kirche.<br />
Mit seinem Hauptthema verbunden, will er<br />
nicht nur die Kirche retten. Er will einen Ort<br />
schaffen, wo Menschen ein Stück Heimat finden:<br />
Heimatgefühle in das Gotteshaus bringen. Strumbel<br />
kleidet seine heilige Maria kurzerhand in eine<br />
Tracht. Die Gemeinde ist empört: »Ein Teil wollte<br />
ihr Geld zurück«, erinnert sich Renate Hauer aus<br />
dem Pfarrgemeinderat. Strumbels Kunst wurde<br />
als Gottesverspottung deklariert. Doch Pfarrer<br />
Thomas Braunstein verstand, was der Künstler<br />
aussagen wollte und half, seine Absicht mit Artikeln<br />
im Amtsblatt zu vermitteln. »Ich habe mit dem<br />
Lied ›Maria ist im Volke‹ gezeigt, dass Strumbels<br />
Maria in Tracht durchaus berechtigt ist. Er hat sie<br />
mit einem Zeichen unseres Volkes verbunden. Das<br />
haben sie verstanden. Die Gemeinde steht mittlerweile<br />
voll hinter ihm«, sagt Pfarrer Braunstein.<br />
So konnte Strumbel der Kirche einen neuen<br />
Anstrich verleihen.<br />
Wo früher Empörung<br />
aufkam, wegen eines<br />
Bildes, das dem Dogma<br />
nicht entsprach,<br />
kommen heute Leute<br />
jedes Alters in die Kirche.<br />
Sie finden sich in der modernen Gestaltung<br />
wieder – mehr als je zuvor. Das Haus Gottes. Die<br />
Heimat Gottes. Von einem zweiten da Vinci revolutioniert.<br />
»Es war ein tolles Gefühl, mit der<br />
Spraydose in der Kirche zu stehen.<br />
Ihre Macht fasziniert mich!«<br />
<strong>NOIR</strong> Nr. <strong>23</strong> (November 2011)<br />
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