Warum eine Praxisorganisation ein Forschungsprojekt ... - Pro Familia
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Sigrid Weiser: Das <strong>Forschungsprojekt</strong><br />
hat zwei formulierte Ziele: Verbesserung<br />
der Prävention ungewollter<br />
Schwangerschaften und Verbesserung<br />
der Schwangerschaftsabbruchversorgung<br />
für Jugendliche. Damit dient es<br />
der Umsetzung der sexuellen und reproduktiven<br />
Rechte von Jugendlichen.<br />
Von Anfang an stand das <strong>Forschungsprojekt</strong><br />
mit s<strong><strong>ein</strong>e</strong>n Zielen<br />
auch in <strong><strong>ein</strong>e</strong>m konkreten gesellschaftlichen<br />
und politischen Spannungsfeld:<br />
■ <strong>ein</strong>ige Medien greifen das Thema<br />
Sexualität von Jugendlichen in <strong><strong>ein</strong>e</strong>r<br />
Weise auf, die der öffentlichen<br />
Erregung dient. Häufig schwingt<br />
<strong><strong>ein</strong>e</strong> diskriminierende Haltung gegenüber<br />
Jugendlichen mit, die Sexualität<br />
leben wollen.<br />
■ Gesellschaftliche Gruppen, die sexuelle<br />
Abstinenz außerhalb der Ehe<br />
und k<strong><strong>ein</strong>e</strong>rlei sexuelle Aufklärung<br />
für Jugendliche propagieren, haben<br />
an Einfluss gewonnen. Sie versuchen<br />
mancherorts sexualpädagogische<br />
Aufklärungsprojekte der pro<br />
familia zu verhindern.<br />
■ Politische Kräfte übernehmen die<br />
Ziele von Anti-Choice-Gruppen<br />
und des Vatikans und agieren gegen<br />
die individuelle Entscheidungsfreiheit<br />
von Frauen für oder gegen <strong><strong>ein</strong>e</strong>n<br />
Schwangerschaftsabbruch. Zur<br />
Strategie organisierter Gruppen gehört<br />
es insbesondere in den USA,<br />
den Zugang zum sicheren Schwangerschaftsabbruch<br />
zunächst für jugendliche<br />
Frauen zu erschweren.<br />
Natürlich wollen sie damit letztendlich<br />
noch mehr – nämlich das<br />
Recht auf Schwangerschaftsabbruch<br />
insgesamt aushöhlen.<br />
Dagegen stehen die Inhalte und<br />
Ziele der sexuellen und reproduktiven<br />
Gesundheit und Rechte von Jugendlichen,<br />
für die pro familia sich <strong>ein</strong>setzt.<br />
Das <strong>Forschungsprojekt</strong> hat aber<br />
auch <strong><strong>ein</strong>e</strong> wichtige forschungspolitische<br />
Dimension. Hier wird Forschung<br />
nicht – wie sonst in den Sozialwissenschaften<br />
häufig der Fall – aus dem<br />
„Elfenb<strong>ein</strong>turm“ heraus gemacht.<br />
Vielmehr wird sie von der <strong>Praxisorganisation</strong><br />
pro familia durchgeführt, die<br />
den Rechten der beforschten Jugendlichen<br />
verpflichtet ist.<br />
pro familia magazin: Welches sind die<br />
wichtigsten Erkenntnisse aus der Studie?<br />
Sigrid Weiser: Bisher liegen uns nur<br />
die Erkenntnisse aus der Teilstudie I<br />
vor, da die Teilstudie II noch nicht abgeschlossen<br />
ist. Die Ergebnisse zeigen,<br />
dass Anwendungsfehler bei der<br />
Pille und dem Kondom die wichtigsten<br />
Ursachen für ungewollte Schwangerschaften<br />
sind – nämlich in 64 <strong>Pro</strong>zent<br />
der Fälle und die „Pille danach“<br />
nur selten als <strong><strong>ein</strong>e</strong> Handlungsoption<br />
gekannt oder benutzt wird.<br />
Eine weitere wichtige Erkenntnis<br />
betrifft die sozialen Merkmale der Betroffenen.<br />
Junge Frauen aus sozial benachteiligten<br />
Lebenslagen (Haupt-<br />
Publikationen zum <strong>Forschungsprojekt</strong><br />
Schwangerschaft und Schwangerschaftsabbruch bei minderjährigen Frauen.<br />
Erste Ergebnisse <strong><strong>ein</strong>e</strong>s pro familia-<strong>Forschungsprojekt</strong>s. In: pro familia magazin 02/2006, Seiten 23 bis 27.<br />
Schwangerschaft und Schwangerschaftsabbruch bei minderjährigen Frauen.<br />
Teilstudie I: Soziale Situation, Umstände der Konzeption, Schwangerschaftsausgang. Ergebnisse <strong><strong>ein</strong>e</strong>r Erhebung<br />
an 1801 schwangeren Frauen unter 18 Jahren. Frankfurt am Main: pro familia Bundesverband, 2006.<br />
G. Schmidt, E. Thoss, S. Matthiesen, S. Weiser, K. Block und S. Mix. Jugendschwangerschaften in Deutschland.<br />
Ergebnisse <strong><strong>ein</strong>e</strong>r Studie mit 1801 schwangeren Frauen unter 18 Jahren. Zeitschrift für Sexualforschung 19, Seiten<br />
334 bis 358, 2006<br />
S. Matthiesen. Gut drauf? Kondome bei Jugendlichen – Lustkiller ohne Alternative?<br />
In: pro familia magazin 03/2007. Seiten 9 bis 11.<br />
und Förderschule, Arbeitslosigkeit in<br />
der Familie) haben <strong>ein</strong> höheres Risiko<br />
als Minderjährige ungewollt schwanger<br />
zu werden. Aber: Sie haben k<strong>ein</strong><br />
deutlich anderes sexuelles Verhalten<br />
als zum Beispiel Gymnasiastinnen.<br />
Vielmehr ist es so, dass bei ihnen signifikant<br />
häufiger unsicher oder nicht<br />
verhütet wurde. Interessant ist auch<br />
das Ergebnis, dass je höher der Altersunterschied<br />
zwischen der jungen Frau<br />
und ihrem Partner ist, umso wahrsch<strong>ein</strong>licher<br />
<strong><strong>ein</strong>e</strong> ungewollte Schwangerschaft<br />
wird.<br />
pro familia magazin: Was bedeuten<br />
die Ergebnisse für die sexualpädagogische<br />
und beraterische Praxis?<br />
Sigrid Weiser: Das müssen wir mit<br />
der Praxis diskutieren und bearbeiten.<br />
Dazu hat bereits im November 2007<br />
<strong><strong>ein</strong>e</strong> erste Arbeitstagung mit VertreterInnen<br />
von Beratungsstellen stattgefunden,<br />
um Empfehlungen für die<br />
Weiterentwicklung der Angebote der<br />
pro familia zur Prävention ungewollter<br />
Schwangerschaften zu formulieren.<br />
Der Bundesverband hat auch<br />
damit begonnen, die Informationen<br />
zum Kondom und der Pille danach<br />
für Jugendliche auszubauen. Und wir<br />
freuen uns über Berichte wie die, dass<br />
Beratungsstellen aufgrund der Erfahrungen<br />
im <strong>Forschungsprojekt</strong> nun<br />
direkt nach <strong><strong>ein</strong>e</strong>r § 219-Beratung mit<br />
Jugendlichen, verbindliche Termine<br />
für <strong><strong>ein</strong>e</strong> Beratung nach <strong><strong>ein</strong>e</strong>m Schwangerschaftsabbruch<br />
anbieten. Die Aufarbeitung<br />
und Umsetzung der Ergebnisse<br />
des <strong>Forschungsprojekt</strong>s wird auf<br />
jeden Fall <strong>ein</strong> Arbeitsschwerpunkt der<br />
Bundesgeschäftsstelle in den nächsten<br />
zwei Jahren s<strong>ein</strong>.<br />
Informationen im Internet:<br />
www.jugendschwangerschaften.de<br />
familia Magazin 04/2007<br />
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