Wider die Hoffnungslosigkeit - Integrierte Psychiatrie Winterthur
Wider die Hoffnungslosigkeit - Integrierte Psychiatrie Winterthur
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2 «Man braucht Kraft und<br />
Mut, einen neuen Schritt<br />
zu wagen» oder «Von<br />
nichts kommt nichts»<br />
Recovery – <strong>Wider</strong> <strong>die</strong> <strong>Hoffnungslosigkeit</strong><br />
Editorial<br />
Recovery meint den<br />
persönlichen Prozess<br />
eines psychisch erkrankten<br />
Menschen, sein ganzes<br />
Genesungs- oder Gesundheitspotenzial<br />
auszuschöpfen. Hierzu gehört,<br />
den Menschen, <strong>die</strong> aufgrund<br />
langjähriger Erkrankung ihre Aussicht<br />
auf ein «normales» Leben<br />
aufgegeben haben, ihre Hoffnung<br />
zurückzugeben. Denn auf ihr basiert<br />
Gesundung zu einem grossen<br />
Teil. Wer könnte <strong>die</strong>s besser als<br />
<strong>die</strong>, <strong>die</strong> ihre Krankheit selbst überwunden<br />
haben? Der Einsatz von<br />
sogenannten Peers spielt in Recovery-Konzepten<br />
darum eine wichtige<br />
Rolle.<br />
Im September hat <strong>die</strong> ipw Recovery<br />
und den Peers eine Tagung gewidmet,<br />
Pro Mente Sana geht mit<br />
Peerausbildungen neue Wege, und<br />
Experten haben viel zum Thema<br />
geschrieben. In den Institutionen<br />
selber indes ist noch wenig Konkretes<br />
umgesetzt. Zu Wort kommen<br />
hier darum vorwiegend <strong>Psychiatrie</strong>erfahrene<br />
selber. Sie er -<br />
zäh len, wie sie wieder Fuss fassten<br />
im Leben und was sie dabei als unterstützend<br />
erlebten.<br />
Liebe Leserinnen und Leser, <strong>die</strong>se<br />
«Synapse»-Ausgabe ist <strong>die</strong> letzte<br />
in ihrer Form vor der Fusion der<br />
ipw mit dem <strong>Psychiatrie</strong>zentrum<br />
Hard. Die «Synapse» bleibt Ihnen<br />
und uns aber erhalten. Das Redaktionsteam<br />
bedankt sich herzlich<br />
für Ihr Interesse und <strong>die</strong> vielen<br />
positiven Rückmeldungen.<br />
Susanne Gimmi<br />
Kommunikationsbeauftragte ipw<br />
Mitglied der Redaktion<br />
3 Das passive Rollenverständnis<br />
wird zum aktiven: <strong>die</strong> Bedeutung<br />
von Recovery in der Peerarbeit<br />
«Plötzlich war es mir wieder<br />
möglich, anders zu denken»<br />
Von Gaby Rudolf<br />
4 Recovery in der alterspsychiatrischen<br />
Tagesklinik<br />
Psychologin, Stiftung Pro Mente Sana,<br />
Zürich, eigene Praxis in Basel<br />
Fachleute begegnen in ihrem Alltag<br />
denjenigen Patientinnen und Patienten,<br />
<strong>die</strong> in einer akuten Krise stecken oder<br />
über Jahre hinweg unter den Symptomen<br />
schwerer psychischer Erkrankungen leiden. Sie sehen<br />
<strong>die</strong> Menschen nicht mehr, wenn <strong>die</strong>se Krisen selbstständig<br />
bewältigen, beruflich wieder Tritt gefasst<br />
haben und seit Jahren stabil und genesen sind. Diese<br />
Wahrnehmungsverzerrung fördert bei vielen Fachleu-<br />
ten eine pessimistische Haltung. Ehemalige Patienten<br />
ihrerseits verschweigen – oft aus Angst, stigmatisiert<br />
zu werden – ihre <strong>Psychiatrie</strong>vergangenheit, und so wird<br />
kaum sichtbar, dass psychische Erkrankungen heilbar<br />
sind. In den 90er Jahren begannen frühere Patienten<br />
aus der Anonymität herauszutreten. Sie bezeugen<br />
durch ihre Biographie, dass es sich lohnt, auch nach<br />
fünfzehn oder zwanzig Jahren der Er krankung nicht<br />
<strong>die</strong> Hoffnung auf Veränderung oder gar Heilung<br />
5 Die Behandlungsvereinbarung<br />
an der ipw<br />
«Es ist <strong>die</strong> Hoffnung, <strong>die</strong><br />
es braucht!»<br />
3/09<br />
Oktober<br />
aufzugeben – <strong>die</strong> Recovery-Bewegung war geboren.<br />
Recovery stellt <strong>die</strong> Frage, was ein Mensch braucht,<br />
damit er gesund werden kann, Boden unter <strong>die</strong> Füsse<br />
bekommt und Besserung eintritt. Für <strong>die</strong> Betroffenen<br />
ist es <strong>die</strong> Ermutigung, eine eigene Deutung der Symp-<br />
tome zu ergründen, einen individuellen, stärkenden<br />
Umgang mit der Erkrankung zu finden und Tag für Tag<br />
ihren ganz persönlichen Lebensweg zu beschreiten.<br />
An Fachleute ergeht <strong>die</strong> Aufforderung, ihre Meinungen<br />
und Haltungen zu psychischen Erkrankungen sowie<br />
ihren Umgang mit Betroffenen ehrlich zu überprüfen<br />
und dort, wo <strong>die</strong>se für Patientinnen und Patienten nicht<br />
heilsam sind, zu ändern.<br />
6 Kurz und bündig<br />
Besonders anregend sind natürlich <strong>die</strong> Erfahrungen<br />
einstiger Patienten. Von ihren Berichten lernen<br />
Fachleute, und Betroffenen machen sie Mut. Als Peers<br />
(Menschen mit einem ähnlichen Erfahrungshintergrund)
2<br />
sind sie ein wichtiges Element in der Recovery-Arbeit. Der systematische<br />
Einbezug von Peers in <strong>die</strong> psy chia trische Arbeit ist bei uns erst am Anrollen<br />
– anders als beispielsweise in Amerika, Neuseeland oder Schottland, wo er<br />
bereits eine Tradition hat.<br />
Als Pro Mente Sana vor rund fünf Jahren ein Heft zu Recovery veröffentlichte,<br />
war das Thema weitgehend unbekannt. Das hat sich inzwischen geändert.<br />
Der Erfolg von Recovery hängt sicher auch damit zusammen, dass sich<br />
frühere Erkenntnisse über Genesungsprozesse integrieren lassen (wie sie<br />
zum Beispiel <strong>die</strong> Salutogenese, Resilienz oder Empowerment hervorge-<br />
bracht haben). Die Auseinandersetzung mit Recovery ist eine lebenslange<br />
Aufgabe: für Betroffene, Fachleute und Angehörige gleichermassen.<br />
Weiterführende Angaben erhältlich bei der Autorin:<br />
g.rudolf@promentesana.ch www.promentesana.ch<br />
«Man braucht Kraft und Mut, einen neuen Schritt zu wagen» oder<br />
«Von nichts kommt nichts»<br />
Heinz Türk ist heute 62 Jahre alt und hat praktisch sein ganzes Leben<br />
gearbeitet – zuletzt als Hausmeister bei der KV <strong>Winterthur</strong> Business<br />
School. Sein psychischer Zusammenbruch kam für ihn aus heiterem<br />
Himmel. Nichts war mehr so, wie es war. Heinz Türk erzählt, wie er seinem<br />
Leben wieder einen neuen Sinn geben konnte.<br />
Interview: Gisela Heim<br />
Leiterin Soziales & Netzwerk ipw, Mitglied der Redaktion<br />
Wie begann Ihre Krankheitsgeschichte, Herr Türk?<br />
Ich war bereits belastet durch eine chronische Darmentzündung, hatte<br />
dann 1998 mein erstes Burn-out und landete in der psychiatrischen<br />
Klinik Rheinau. Ich konnte mir ein Leben ohne Arbeit nicht vorstellen und<br />
stieg – sobald es ging – wieder ein. Der zweite Zusammenbruch erfolgte<br />
zwei Jahre später, und als ich realisierte, dass ich definitiv aufhören musste<br />
zu arbeiten, brach für mich eine Welt zusammen. Es kamen Existenzängste<br />
hinzu, ich nahm viele Medikamente, und es kam immer wieder<br />
zu stationären Aufenthalten.<br />
Was passierte, als Sie aus der akuten Phase wieder auftauchten?<br />
Mit meinem Psychiater lernte ich, einen Teil der Medikamente abzubauen.<br />
Zusammen mit meiner Frau bezog ich eine neue Wohnung. In <strong>die</strong>ser Zeit<br />
erhielt ich viel Unterstützung von Freunden und Angehörigen. Ich hatte<br />
immer wieder Phasen, in denen es mir besser ging. Da hätte ich gerne<br />
wieder gearbeitet. Ich hatte ein regelrechtes Tief, weil ich nicht wusste, was<br />
ich mit meiner Zeit anfangen sollte. Dann, bei einem Klinikaufenthalt, sagte<br />
mir eine Ärztin: «Herr Türk, Sie müssen unbedingt etwas tun. Auf der Station<br />
habe ich Sie als sehr hilfsbereit anderen Patienten gegenüber erlebt.<br />
Wie wäre es mit Freiwilligenarbeit?» Diese Anregung gab mir <strong>die</strong> nötige<br />
Energie, um in kürzester Zeit zwei Engagements zu organisieren. Zum einen<br />
besuche ich Montagnachmittag einen Mann gleichen Alters, der ebenfalls<br />
<strong>Psychiatrie</strong>-erfahren ist, zum anderen begleite ich Bewohner der<br />
Brühl gutstiftung jeden Donnerstagvormittag beim Besuch ins Hallenbad.<br />
Was bringen Ihnen <strong>die</strong>se Engagements?<br />
Seitdem ich das mache, bin ich ein anderer Mensch und richtig glücklich.<br />
Es gibt mir eine Wochenstruktur. Ich habe einen Grund aufzustehen. Der<br />
Kontakt mit anderen Menschen macht mir Spass, ich komme zum Haus<br />
raus. Ich finde das spannend und lerne selber etwas dabei. Heute bin ich<br />
stolz, dass ich alles selber in <strong>die</strong> Wege geleitet habe. Zuerst war ich von<br />
Zweifeln geplagt: «Bin ich sozial kompetent? Ich bin doch eher der Handwerker…»<br />
Aber ich habe es gewagt, und heute bekomme ich Bestätigung,<br />
denn ich weiss, dass sich am Montag jemand auf meinen Besuch<br />
freut. Ich habe eine Verantwortung – das ist <strong>die</strong> beste Therapie - und ich<br />
werde gebraucht.<br />
Was bringt Ihr Engagement den betreffenden Personen?<br />
Ich spüre, dass der Mann, den ich regelmässig besuche, meine Anwesen-<br />
heit sehr schätzt. Durch meine ruhige Art helfe ich ihm gerade an Tagen,<br />
an denen es ihm nicht besonders gut geht. Er fühlt sich wohl, und <strong>die</strong> Bewegung<br />
tut ihm gut. Durch unsere Gespräche kann er mit mir gewisse<br />
Dinge reflektieren, mit denen er sonst alleine wäre. Bei unserem Austausch<br />
blüht er jedes Mal auf, denn ich kann ihn in gewissen Punkten auch beruhigen,<br />
wo er sich sonst unnötig Gedanken gemacht hätte. Hätte ich nicht<br />
selber Erfahrungen mit der <strong>Psychiatrie</strong>, hätte ich wohl eher Mühe, mich in<br />
seine Situation hineinzuversetzen. Aber ich kenne <strong>die</strong>se Welt ja auch.<br />
Was hat Ihre Erfahrung mit Freiwilligenarbeit mit Recovery zu tun?<br />
Für <strong>die</strong> Lebenszufriedenheit ist es wichtig, dass man etwas Sinnvolles<br />
tut. Man muss das aber schon auch selber wollen, denn von nichts<br />
kommt nichts. Man braucht Kraft und Mut, einen neuen Schritt zu wagen.<br />
Ich weiss heute, dass es immer wieder Rückfälle gibt, weiss aber auch,<br />
dass mich nichts mehr absolut erschüttern kann. Wenn es mir wieder<br />
schlechter geht, steigt eine innere Nervosität auf; früher machte mich<br />
das fast wahnsinnig, heute kann ich frühzeitig meine Medikamente nehmen.<br />
Die Erfahrungen mit der <strong>Psychiatrie</strong> haben mir viel gebracht. Ich<br />
musste Vorurteile revi<strong>die</strong>ren. Im Nachhinein war es der richtige Weg,<br />
auch wenn es sehr schwer war, meine Berufstätigkeit aufzugeben. Die Freiwilligen<br />
arbeit hat <strong>die</strong>sen Lebensbereich ersetzen können. Aber <strong>die</strong>ser Weg<br />
braucht Zeit und Geduld – das geht nicht in 2 oder 3 Jahren. Wichtig war<br />
für mich der Satz meines Psychiaters, als es mir sehr schlecht ging: «Es<br />
ist jetzt nicht einfach nichts mehr da. Sie sind immer noch Herr Türk!»
3<br />
Das passive Rollenverständnis wird zum aktiven:<br />
<strong>die</strong> Bedeutung von Recovery in der Peerarbeit<br />
Von Hans Nussbaumer<br />
1992 Erstaufnahme <strong>Psychiatrie</strong>, seit 2004 Peer-Coach<br />
bei Exit-sozial in Linz<br />
Als <strong>Psychiatrie</strong>erfahrener arbeite ich als Peer für einen<br />
Sozialverein in Oberösterreich und begleite in <strong>die</strong>ser<br />
Funktion Menschen mit psychischen Erkrankungen im<br />
Alltag. Zur Vorbereitung auf meine Peer-Tätigkeit habe<br />
ich einen Peer-Lehrgang absolviert. Aufgrund meiner Erfahrungen stelle<br />
ich fest, dass ein Peer-Lehrgang mit der Aussicht auf einen bezahlten<br />
Job den Recovery-Prozess massgeblich fördern kann. Zum Zeitpunkt der<br />
Lehrgangsentwicklung war der Recovery-Begriff jedoch noch nicht gebräuchlich<br />
und Recovery daher weder Zugangskriterium noch Inhalt der<br />
Ausbildung. Recovery war auch nicht automatisch <strong>die</strong> Folge des Lehrgangs,<br />
obwohl einige Teilnehmer heute durchaus «recovert» sind und alle<br />
zur Selbstreflexion angeregt wurden.<br />
«Wir Peers machen anderen Mut, nicht nur Betroffenen,<br />
auch Angehörigen und professionell Tätigen.»<br />
Recovery ist ein sehr persönlicher Prozess, bei dem ehemalige Patienten<br />
ihre Erkrankung in ihre Biographie einarbeiten und wieder ihren Platz in<br />
der Gesellschaft finden. Ein passives Rollenverständnis wird zu einem<br />
aktiven. Als Peer muss ich akzeptieren, wenn ein Klient <strong>die</strong> Hoffnung aufgegeben<br />
hat und in seiner passiven Rolle verharrt. Vielleicht braucht er<br />
einfach mehr Zeit. Ich darf ihm nicht <strong>die</strong>selben Fähigkeiten und Mühen<br />
abverlangen oder den eigenen Weg als einzigen hinstellen und muss <strong>die</strong><br />
Grenzen der individuellen Fähigkeiten anerkennen. Recovery verlangt auch<br />
Kraft, <strong>Wider</strong>stand und ist mühsam! Auch wenn ich bei Klienten an Grenzen<br />
stosse, dürfen der Glaube an sich selbst und das Gefühl, etwas Sinnvolles<br />
zu leisten, nicht verloren gehen. Indem ich als Peer arbeite, widerlege ich<br />
das Bild von der Unheilbarkeit. Wir Peers machen anderen Mut, nicht nur<br />
Betroffenen, auch Angehörigen und professionell Tätigen.<br />
Meine Erfahrungen zeigen, dass wir Peers Recovery in der praktischen<br />
täglichen Arbeit kaum einsetzen. Wir können zwar etwas in Bewegung<br />
bringen und Menschen bestenfalls eine Zeitlang begleiten, doch weil Re-<br />
«Plötzlich war es mir wieder möglich, anders zu denken»<br />
Herr J. war Lehrer. Wegen einer psychischen Krise musste er <strong>die</strong> Lehrer-<br />
tätigkeit erst unterbrechen und 2005 aus Krankheitsgründen ganz aufge-<br />
ben. Herr J. ist kinderlos, geschieden und lebt allein. Herr J. gibt uns einen<br />
Einblick in seine persönliche Krankheits- und Gesundungs geschichte und<br />
zeigt <strong>die</strong> Faktoren auf, <strong>die</strong> ihn auf dem Weg der Genesung unterstützen.<br />
Interview: Yvonne Hänni, Koordinations- und Beratungsstelle ipw<br />
Herr J. , Sie sind vor einigen Jahren psychisch schwer erkrankt. Wie<br />
hat sich <strong>die</strong> Krankheit auf Ihr Leben ausgewirkt?<br />
Ich musste schon immer gegen alle möglichen Ängste ankämpfen. Dadurch<br />
entwickelte ich Kontrollzwänge und wurde zur Belastung für mein<br />
näheres Umfeld. Mit der Zeit litt ich unter enormen Schuldgefühlen, <strong>die</strong><br />
mich völlig lähmten. Drei Jahre lang dachte ich praktisch nichts anderes,<br />
als dass ich nur schlecht sei. Dieses Denken war so übermächtig, dass es<br />
<strong>die</strong> Zwänge und Ängste fast zudeckte. Irgendwann konnte ich <strong>die</strong> geforderten<br />
Leistungen in der Schule nicht mehr erbringen. Das Ganze war durch<br />
covery eben ein sehr individueller Prozess ist, lässt er sich nur wenig beeinflussen.<br />
Es gibt weder Universaltechniken, noch lässt sich das Ergebnis<br />
vorherbestimmen. Dieses bestimmt vor allem der Klient! Meine Aufgabe ist<br />
es, auch jene, <strong>die</strong> es nicht schaffen oder <strong>die</strong>, <strong>die</strong> nicht «recovert» werden<br />
wollen, zu unterstützen, sie gegenüber der Gesellschaft zu schützen und<br />
für sie einzutreten. Immerhin besteht <strong>die</strong> Gefahr, dass von allen Klienten<br />
Recovery erwartet wird und <strong>die</strong>, <strong>die</strong> es nicht schaffen, durch den Rost<br />
fallen. Denn ein «recoverter» Betroffener ist billiger (weniger Medikamente,<br />
Klinikaufenthalte und Betreuungsbedarf).<br />
Aufgabe der Institutionen wird es in Zukunft daher sein, den einen <strong>die</strong><br />
Chance zu geben, ihr Potenzial zu nutzen und zu entwickeln und den anderen<br />
ein ausreichendes Betreuungssystem und eine gute Grundversorgung<br />
zu gewährleisten. In Oberösterreich findet <strong>die</strong>s gerade statt – nicht<br />
ohne heftige Auseinandersetzung zwischen Geldgebern und Institutionen.<br />
Für mich als Peer ist es nicht gerade leicht, eine eigene Position zu finden<br />
und nicht korrumpiert zu werden.<br />
ein körperliches Leiden ausgelöst worden. Monatelang konnte ich wegen<br />
grosser Schmerzen nicht richtig schlafen, aber am nächsten Tag wollte<br />
und musste ich wieder unterrichten, bis ich operiert wurde. Danach kam<br />
<strong>die</strong> Depression, es folgten mehrere Aufenthalte in zwei Psychiatrischen<br />
Kliniken. Den traurigen «Höhepunkt» erreichte ich in der Klinik, als ich wochenlang<br />
in meinem Zimmer dahinvegetierte, ohne mich zu waschen oder<br />
mich umzuziehen. Es gab eine innere Stimme, <strong>die</strong> mir verbot, zu essen<br />
oder mich auszuziehen und mich zu pflegen. Man wollte mich dazu bringen<br />
zu duschen, aber es ging fast nicht. Dieser furchtbare Zustand endete,<br />
als ich ganz unvermittelt eines Morgens wieder anders denken konnte.<br />
Plötzlich gelang es mir wieder, auf <strong>die</strong> Post zu gehen und eine Zahlung zu<br />
erledigen. Das bedeutete für mich, dass ich wieder anfangen konnte zu<br />
leben. Es war aber 5 vor 12.<br />
Wissen Sie, was Ihnen half, wieder anders zu denken, war etwas Besonderes<br />
vorgefallen?
4<br />
Ich kann keinen äusseren Grund nennen, aber es gibt einen inneren<br />
Grund, und <strong>die</strong>sen umschreiben <strong>die</strong> Worte meiner Hausärztin wohl am<br />
besten. Sie sagte nach dem Klinikaufenthalt zu mir: «Herr J., offenbar<br />
geschehen nicht nur in Lourdes Wunder, sondern auch in der psychiatrischen<br />
Klinik.» Ich glaube, dass mein Inneres, mein Geist durch eine höhere<br />
Macht eine Veränderung erfahren hatte. Plötzlich war es mir wieder<br />
möglich, anders zu denken. Es war eine andere innere Stimme, <strong>die</strong> mir<br />
sagte: «Es stimmt nicht, dass du nur Schlechtes gemacht hast. Es ist<br />
nicht wahr, gehe und sage es ihnen.» Interessant war, dass auch meine<br />
Umgebung plötzlich anders dachte.<br />
Seit <strong>die</strong>ser Veränderung sind Sie daran, Ihr Leben trotz Krankheit<br />
wieder in den Griff zu bekommen. Was hilft Ihnen dabei?<br />
Für mich ist <strong>die</strong> gute Beziehung zwischen mir und meiner Ex-Frau von<br />
zentraler Bedeutung. Wir haben viele gemeinsame Interessen. Unsere<br />
gemeinsamen Aktivitäten sind sehr wertvoll und motivieren mich, auch<br />
Recovery in der alterspsychiatrischen Tagesklinik<br />
Von Dipl.-Psych Peter Elfner<br />
Fachpsychologe für Psychotherapie FSP<br />
ipw Gerontopsychiatrisches Ambulatorium und<br />
Tagesklinik GAT<br />
«Ich bin froh, wieder selbst Entscheidungen fällen zu<br />
können, <strong>die</strong> meine Person betreffen!» Diese ist nur<br />
eine von vielfältigen Aussagen, <strong>die</strong> Teilnehmende eines<br />
Recovery-Projektes im GAT über ihre eigenen Genesungsprozesse<br />
berichten. Den Grundstein legten wir 2008 mit einem Brainstorming im<br />
Team zu der Frage, wie wir <strong>die</strong> Gesundungsprozesse unserer betagten<br />
Patientinnen und Patienten mehr in den Fokus nehmen könnten. Die<br />
ersten Ziele waren rasch gesetzt, da wir uns von <strong>die</strong>ser veränderten<br />
Sichtweise angesprochen fühlten. Ehemalige Tagesklinikbesucher sollten<br />
ihre Erfahrungen mit der eigenen Genesung den gegenwärtigen<br />
Tagesklinikbesuchern zugänglich machen. Dadurch erhofften wir uns,<br />
dass bereits während der Behandlung hilfreiche Anregungen über förderliche<br />
Gesun dungsfaktoren, ebenso wie über mögliche Stolpersteine,<br />
aus erster Hand vermittelt würden. Gleichzeitig wollten wir <strong>die</strong> Ehemali-<br />
gen dadurch unterstützen, ihre psychische Gesundheit zu reflektieren,<br />
um sie zu erhalten und zu verbessern.<br />
Ab Anfang 2009 fragten wir austretende Tagesklinikpatienten nach einer<br />
möglichen Teilnahme. Erteilten sie uns ihr Einverständnis, so vereinbarten<br />
wir eine Kontaktaufnahme nach etwa vier Monaten, um einen Besuchstermin<br />
in ihrer früheren, vertrauten Patientengruppe der Tagesklinik<br />
abzumachen. Die Mehrzahl der angesprochenen Austretenden willigte<br />
«Ich bin froh, wieder selbst Entscheidungen fällen zu können,<br />
<strong>die</strong> meine Person betreffen!»<br />
ohne weiteres ein. Viele Ehemalige hatten bereits in der Vergangenheit<br />
aus eigenem Antrieb ihre frühere Gruppe während der nachmittäglichen<br />
Kaffeerunde gerne aufgesucht. Die meisten unserer Patientinnen und<br />
Patienten kommen einmal pro Woche in <strong>die</strong> Tagesklinik. Da gewöhnlich<br />
<strong>die</strong> Aufenthaltsdauer ein halbes bis ein Jahr und mehr beträgt, wächst<br />
allein wieder aktiver zu sein. Diesen guten Kontakt habe ich einem Be-<br />
treuer in der Klinik zu verdanken, der erkannte, dass <strong>die</strong>se Beziehung für<br />
mich eminent wichtig ist. Es ist ein gegenseitiges Geben und Nehmen.<br />
Ich betreue ihre Tiere, wenn sie arbeiten muss oder auf Reisen ist. Auch<br />
das tut mir in spezieller Weise sehr gut. Für mich persönlich ist auch das<br />
Beten – allein und in der Gruppe – wichtig, und <strong>die</strong> regelmässigen Besuche<br />
bei alten Bekannten, <strong>die</strong> in Alters- und Pflegeheimen leben, geben<br />
mir viel. Die Gewissheit, dass meine verstorbenen Eltern mich liebten,<br />
auch wenn <strong>die</strong> Umstände in meiner Kindheit nicht nur gut waren, hilft. Es<br />
tut mir gut, zu spüren, dass Menschen in meinem Umfeld zu mir stehen,<br />
dass sie an mich denken und mir vertrauen.<br />
Können Sie anderen Betroffenen aufgrund Ihrer Erfahrungen eine<br />
Empfehlung geben?<br />
Es braucht viel Geduld und, wenn immer möglich, Glaube, Hoffnung,<br />
Liebe.<br />
ein tragendes Gruppenklima, was unsererseits auch konzeptuell beabsichtigt<br />
ist.<br />
Die erste Recovery-Besucherin kam Ende Juni 2009. Bis zum Redaktionsschluss<br />
fanden insgesamt drei Besuchstermine statt. Somit steckt<br />
unser Projekt noch in den Kinderschuhen. Statt einer Auswertung kann<br />
daher lediglich eine Beschreibung der ersten Erkenntnisse erfolgen. In<br />
allen drei Fällen skalierten <strong>die</strong> Ehemaligen ihre subjektiv empfundene<br />
psychische Gesundheit mit gleichbleibend hoher Zufriedenheit wie zum<br />
Austrittszeitpunkt. Die Zuhörenden wiederum verfolgten mit wachem<br />
Interesse <strong>die</strong> Schilderungen ihrer früheren Mitpatienten. Um den freien<br />
Erzählfluss nicht zu stören, gab der anwesende Moderator den jeweiligen<br />
Ehemaligen lediglich eine leichte Strukturierungshilfe. So sollten<br />
sie über förderliche sowie hinderliche Faktoren auf ihrem Genesungsweg<br />
berichten. Gefragt nach aussergewöhnlichen Lebensereignissen,<br />
<strong>die</strong> zwischenzeitlich als besonders unterstützend oder belastend empfunden<br />
worden waren, schilderte eine Besucherin beispielsweise einen<br />
Suizid in der Nachbarschaft, den sie zunächst als sehr bedrückend<br />
erlebt hatte. Doch als sie fühlte, dass sie den betroffenen Nachbarn<br />
im Gespräch helfen konnte, konnte sie auch ihr psychisches Gleichgewicht<br />
bewahren.<br />
Insgesamt beschrieben <strong>die</strong> Ehemaligen mit Stolz sehr vielfältige förderliche<br />
Erfahrungen. So wurden <strong>die</strong> zuverlässige Unterstützung durch<br />
Professionelle und Familienmitglieder ebenso wie <strong>die</strong> medikamentöse<br />
Optimierung als hilfreich erlebt. Weiter nannten sie eigene Aktivitäten<br />
und soziale Kontakte. Dabei betonten <strong>die</strong> Ehemaligen, wie froh sie<br />
seien, eigene Bedürfnisse selbstbestimmter, klarer und offener vertre -<br />
ten zu können. Eine Besucherin unterstrich, dass sie sich inzwischen<br />
flexibler auf ihr Gegenüber einstellen könne; sie war für ein «normales<br />
Leben» ohne <strong>Psychiatrie</strong> dankbar. Als hinderlicher Recovery-Faktor<br />
wurde das belastende Stigma der Diagnose Schizophrenie dargestellt.<br />
Bisher ist unser Recovery-Projekt allseits bereichernd und stärkt das<br />
Vertrauen in <strong>die</strong> Gesundungspotenziale unserer betagten Patientinnen<br />
und Patienten. Gesundheit ist wirklich ansteckend!
5<br />
Die Behandlungsvereinbarung an der ipw<br />
Von Klaus Raupp<br />
Leiter Case Management ipw<br />
Auf den Akutstationen der Erwachsenenpsychiatrie<br />
der ipw wurde vor einigen Jahren <strong>die</strong> Behandlungsvereinbarung<br />
(BHV) eingeführt. Sie <strong>die</strong>nt dazu, Erfahrungen,<br />
<strong>die</strong> Patienten bereits in einer psychiatrischen<br />
Klinik gemacht haben, dahingehend zu nutzen, einen zukünftigen Klinikaufenthalt<br />
ihren Bedürfnissen entsprechend zu planen und zu gestalten.<br />
Die BHV soll in einer Zeit abgeschlossen werden, in der der Patient<br />
psychisch stabil ist. Es finden ein oder mehrere ausführliche Gespräche<br />
zur gegenseitigen Information statt, an dem (denen) der <strong>Psychiatrie</strong>er-<br />
«Es ist <strong>die</strong> Hoffnung, <strong>die</strong> es braucht!»<br />
Klaus Raupp fragt Marijan Spec, <strong>Psychiatrie</strong>erfahrener, über seine<br />
Erfahrungen mit der Behandlungsvereinbarung.<br />
Wie wurden Sie auf <strong>die</strong> BHV aufmerksam?<br />
Durch das psychiatrische Case Management und durch meinen damali-<br />
gen Psychiater, bei dem Sie mich über zwei Jahre begleitet haben und<br />
den ich noch immer aufsuche. Dass ich zu einem Psychiater gehe, ist eine<br />
Tatsache, <strong>die</strong> ich niemals für möglich hielt. Aber durch den Ansatz, Betroffene<br />
auch als Experten zu betrachten und heranzuziehen, habe ich<br />
wieder vermehrt Vertrauen gefasst.<br />
Was hat sich mit der BHV für Sie persönlich verändert?<br />
Ich habe <strong>die</strong> <strong>Psychiatrie</strong> vor der BHV als eine Art Gefängnis betrachtet. Ich<br />
wurde meist gegen meinen persönlichen Willen in <strong>die</strong> Klinik eingewiesen.<br />
Ob nun Rheinau oder Schlosstal, ich hatte immer das Gefühl, verwahrt zu<br />
werden, eingesperrt zu sein. Seit ich im Juli 2005, gemeinsam mit Ihnen<br />
und dem damaligen Oberarzt, <strong>die</strong> BHV ausgehandelt und unterzeichnet<br />
habe, sind <strong>die</strong> Feindseligkeiten gegenüber der <strong>Psychiatrie</strong> aufgehoben. Ich<br />
erlebe erstmals <strong>die</strong> <strong>Psychiatrie</strong> nicht mehr als Gefängnis, sondern als eine<br />
medizinische Einrichtung. Fachpersonen sind für mich nicht mehr «Wächter»,<br />
sondern Helfer. Meine Aggressivität und Feindseligkeit gegenüber<br />
Mitarbeitenden auf der Station wurde abgebaut.<br />
Welches sind für Sie <strong>die</strong> wichtigsten Punkte der BHV?<br />
Ich leide seit Jahren unter Psychosen, unter einem schizoiden Zustand,<br />
der mich und meine Umgebung immer wieder vor grosse An- und Herausforderungen<br />
stellt. Ich muss durch <strong>die</strong>se Psychose durch; ich muss<br />
mich mit dem Unbewussten auseinandersetzen! Aber ich will keine Medikamente<br />
nehmen, und ich bin darin (meistens) konsequent. In der BHV<br />
fahrene, eine von ihm benannte Vertrauensperson, eine Pflegefachkraft<br />
der Station und der in der Klinik zuständige Oberarzt teilnehmen.<br />
Die BHV wird von allen Teilnehmenden des Gespräches<br />
unterschrieben.<br />
Bisherige Erfahrungen mit der BHV haben gezeigt, dass das gegen-<br />
seitige Vertrauen gefördert, auf Zwangshandlungen verzichtet und<br />
<strong>die</strong> Aufenthaltsdauer verkürzt werden kann. Dabei spielen <strong>die</strong> Wünsche<br />
des Patienten <strong>die</strong> entscheidende Rolle. Sie werden, soweit es<br />
<strong>die</strong> Möglichkeiten der Klinik zulassen, berücksichtigt. Die Behandlungsvereinbarung<br />
fördert den partnerschaftlichen Umgang zwischen<br />
<strong>Psychiatrie</strong>erfahrenen und professionellen Helfern.<br />
wird sogar darauf eingegangen. Es wird, ausser auf meinen Wunsch, auf<br />
eine medikamentöse Behandlung verzichtet.<br />
Ich hingegen habe mich in der BHV darin ausgesprochen, auf jegliche<br />
Aggressionen und Provokationen gegenüber den Mitarbeitenden auf der<br />
Station zu verzichten. Bei Anspannungen in den Garten gehen und dort<br />
arbeiten zu können, gehört genauso in <strong>die</strong> BHV wie <strong>die</strong> vorgängige Planung<br />
bei einem längeren Aufenthalt (wer schaut nach der Post? usw.)<br />
Gibt es Bereiche, <strong>die</strong> nicht darin aufgeführt werden?<br />
Die BHV deckt aus meiner Sicht <strong>die</strong> wichtigsten Bereiche ab. Zudem ist<br />
es ja möglich, sehr individuell auf <strong>die</strong> Bedürfnisse und Wünsche der Betroffenen<br />
einzugehen. Sehen Sie, ich erlebe eine Psychose häufig als ein<br />
Ausbrechen von «Mächten», und es ist für mich unbedingt notwendig,<br />
mit <strong>die</strong>sen «Mächten» umzugehen: Sie dürfen nicht mich lenken, sondern<br />
ich muss sie lenken können. Das ist für mich ein existenzielles Problem.<br />
Pharmakologie ist darin für mich nicht sehr hilfreich, und ich bin froh<br />
darüber, dass <strong>die</strong> <strong>Psychiatrie</strong> neue Wege geht. Verstehen Sie mich nicht<br />
falsch, ich bin kein Gegner von Medikamenten, ich habe mich lange mit<br />
der <strong>Psychiatrie</strong> befasst, und ich sage: «Psychosen sind für mich heilbar.»<br />
Es ist <strong>die</strong> Hoffnung, <strong>die</strong> es braucht!<br />
Erleben Sie <strong>die</strong> BHV als vorbeugend?<br />
Nun, vielleicht werden das <strong>die</strong> Ärzte, sicher <strong>die</strong> Pharmavertreter, nicht<br />
gerne hören. Aber <strong>die</strong> BHV hat mich dazu ermutigt, keine Medikamente<br />
zu nehmen, den bereits eingeschlagenen Weg der Hoffnung jedoch mit<br />
professioneller Unterstützung weiter zu gehen. Bisher hat es sich aus<br />
meiner Sicht gelohnt: weniger Klinikeintritte, weniger Zwangsmassnahmen<br />
und eine für mich «psychologische Sicherheit», dass es eine solche<br />
Vereinbarung gibt. So kann ich mich auch bereits bei ersten Warnsignalen<br />
an einen geschützten Ort begeben.<br />
Wird das Ziel der partnerschaftlichen Zusammenarbeit umgesetzt?<br />
Ja. Ich erlebe seit der BHV eine Behandlung auf «Augenhöhe». Betroffener<br />
und Arzt sind Spezialisten und sollten voneinander lernen. Ich muss<br />
seit 1990 immer wieder in eine psychiatrische Klinik und habe 15 Jahre<br />
«gekämpft», im wahrsten Sinne des Wortes. Ich bin froh darüber, meine<br />
Energie nutzvoller gebrauchen zu können. Mein Alltag ist heute ausgefüllt,<br />
ich habe einen wunderbaren Sohn, der nun sein Studium beginnen<br />
wird. Und ich arbeite stundenweise als Abwart in einem Schulhaus, was<br />
ich mir vor einigen Jahren nicht zugetraut hätte.
6<br />
Notizen<br />
Neu: Recovery-Gruppe in <strong>Winterthur</strong>. 13 <strong>Psychiatrie</strong>erfahrene<br />
haben sich am 8. September 2009 zum ersten Mal in der Recovery-<br />
Gruppe <strong>Winterthur</strong> getroffen. In der Gruppe geht es darum, von den<br />
Gesundungserfahrungen der anderen profitieren zu können und sich<br />
gegenseitig Hoffnung und Mut zu machen. Die Platzzahl in der Gruppe<br />
ist zurzeit ausgeschöpft. Für Neuanmeldungen besteht eine Warteliste.<br />
Infos: Koordinations- und Beratungsstelle ipw, Tel. 052 266 49 00,<br />
www.ipwin.ch<br />
ipw Info<br />
Evaluation von Peerveranstaltungen. Die Pro Mente Sana entwi-<br />
ckelte 2007 das in der Schweiz erste Peerprojekt in Zusammenhang<br />
mit psychischer Krankheit. Sie bildete Betroffene aus und erarbeitete<br />
einen Leitfaden für Recovery-Veranstaltungen. Im Rahmen des von<br />
Stiftungsgeldern unterstützten Peerprojekts führten <strong>die</strong> Peers bis im<br />
Frühling 2009 nach Absolvierung des Kurses vierzig ein- bis dreimalige<br />
Veranstaltungen in psychiatrischen Einrichtungen durch, unter anderen<br />
in der ipw.<br />
Die Berner Fachhochschule Gesundheit evaluiert <strong>die</strong> Veranstaltungen<br />
in der Stu<strong>die</strong> «Der Einfluss von Peer-Support auf gesundungs- oder<br />
recoveryrelevante Einstellungen und Überzeugungen von Menschen<br />
mit psychischen Störungen». Aufgrund des Feedbacks und Fragebogens,<br />
welche <strong>die</strong> Teilnehmenden vor und nach den Veranstaltungen<br />
sowie sechs Monate später ausfüllen, soll der Einfluss der Veranstaltungen<br />
auf den Recovery-Prozess der Nutzenden (aktuell Betroffene)<br />
quantitativ festgestellt werden.<br />
Die Datensammlung wird nach Erhalt aller Fragebogen Ende 2009 abgeschlossen.<br />
Es ist geplant, dass <strong>die</strong> Ergebnisse der Evaluation im<br />
Frühling 2010 zur Verfügung stehen.<br />
(Franziska Rabenschlag, Berner Fachhochschule Gesundheit)<br />
Blick zurück: Fachsymposium «Recovery fördern – Peers einsetzen».<br />
Das ipw-Symposium zum Thema wurde am 24. September<br />
von rund 180 Personen besucht. Referenten, zum Teil <strong>Psychiatrie</strong>erfahrene,<br />
aus Deutschland, Österreich und aus der Schweiz, haben<br />
eindrücklich über bereits existierende Projekte und Erfahrungen mit<br />
dem Einsatz von Peers berichtet. Thema waren unter anderem auch<br />
<strong>die</strong> Schwierigkeiten, Peers als gleichberechtigte Mitarbeitende in den<br />
Behandlungsteams zu integrieren, <strong>die</strong>s vor allem im stationären Bereich.<br />
In Workshops und am abschliessenden Podium wurden Fragen<br />
gestellt, Visionen entwickelt und Antworten gesucht. Folgende zentrale<br />
Aussagen wurden gemacht:<br />
Der Einsatz von Peers hilft den Betroffenen, <strong>die</strong> Hoffnung auf Genesung<br />
zu bewahren und Mut zu fassen, den eigenen Gesundungsweg<br />
zu suchen und das Leben wieder in <strong>die</strong> eigene Hand zu nehmen.<br />
Peereinsätze sollten gefördert werden, <strong>die</strong> Umsetzung ist noch schwierig<br />
und erfordert viel Pioniergeist und auch ein Umdenken bei professionell<br />
Tätigen. Um bestehenden Unsicherheiten bezüglich Zusammen-<br />
IMPRESSUM: Ausgabe: 3/2009 Auflage: 2500 Exemplare Erscheint: 3 x jährlich Layout: Kurt Seiler, Zürich Satz und Druck: FO Print & Media AG, Egg/ZH<br />
Herausgeberin: ipw <strong>Integrierte</strong> <strong>Psychiatrie</strong> <strong>Winterthur</strong>, Postfach 144, 8408 <strong>Winterthur</strong>. Telefon 052 224 35 31. synapse@ipwin.ch<br />
Redaktion: Dr. med. Andreas Andreae (Vorsitz), Susanne Gimmi, Gisela Heim<br />
arbeit zwischen Peers und professionell Tätigen sowie den begrenzten<br />
Ressourcen besser begegnen zu können, wird empfohlen, in kleinen<br />
Schritten vorzugehen: z. B. mit niederigprozentigen oder projektbe-<br />
zogenen Anstellungen weitere Erfahrungen zu sammeln.<br />
Unterlagen zum Symposium vom 24. September unter www.ipwin.ch/<br />
Aktuelles/Veranstaltungen<br />
Regionale <strong>Psychiatrie</strong>kommission<br />
<strong>Winterthur</strong><br />
Das jährliche Gespräch der fünf Zürcher <strong>Psychiatrie</strong>kommissionen mit<br />
dem Gesundheitsdirektor, Regierungsrat Thomas Heiniger, und dem<br />
neuen Bereichsleiter <strong>Psychiatrie</strong> der Gesundheitsdirektion (GD), Peter<br />
Waldner, fand im August zum zweiten Mal statt. Bereits wurde es verbindlicher:<br />
Diskutiert wurde über Tarmed und den Kostendeckungsgrad<br />
in ambulanten Einrichtungen, über <strong>die</strong> Kinder- und Jugendpsychiatrie<br />
in <strong>Winterthur</strong>, über spezifische Fragen zur Behandlung und<br />
Betreuung von chronisch psychisch Kranken. Weitere Punkte waren<br />
<strong>die</strong> Rekrutierungsprobleme bei Assistenzärztinnen und -ärzten und<br />
der geplante Zusammenschluss der beiden Regionalen <strong>Psychiatrie</strong>kommissionen<br />
<strong>Winterthur</strong> und Zürcher Unterland. Die GD nahm <strong>die</strong><br />
Themen der fünf <strong>Psychiatrie</strong>regionen auf und informierte sie über aktuelle<br />
Fragestellungen ihrerseits.<br />
Die letzte Kommissionssitzung im September war ganz der kinderund<br />
jugendpsychiatrischen Versorgung gewidmet. Die von der GD<br />
geplante Tagesklinik für Kinder und Jugendliche, deren Vernehmlassung<br />
sowie unsere Stellungnahme dazu haben uns bewogen, verschiedene<br />
Anbieter der Kinder- und Jugendpsychiatrie zum Gespräch<br />
einzuladen. In der Kinder- und Jugendpsychiatrie sind viele Disziplinen<br />
und Fachgebiete eng miteinander verbunden. Die Schnittstellen und<br />
Zuständigkeiten zwischen Somatik und <strong>Psychiatrie</strong> sowie zwischen<br />
Jugend- und Erwachsenenpsychiatrie müssten verbindlicher geregelt<br />
werden.<br />
Das Ergebnis der intensiv geführten Diskussion war erfreulich. Die<br />
Vertreterinnen und Vertreter der institutionellen Anbieter – KJPD, KSW<br />
und ipw – erörterten <strong>die</strong> grundlegenden Aspekte der Versorgung und<br />
näherten sich in ihren Positionen an. Aber noch sind es Absichtserklärungen,<br />
<strong>die</strong> konkretisiert werden müssen. Das nun begonnene Gespräch<br />
wird an der Frühlingssitzung weitergeführt.<br />
www.psychiatrie-winterthur.ch<br />
Maribel Fischer, Präsidentin RPK <strong>Winterthur</strong><br />
Anmerkung der Redaktion: Die «Synapse» versteht sich als freies Forum. Die Meinungen der AutorInnen müssen sich nicht mit denjenigen der Redaktion de cken.<br />
Zugunsten der Leserfreundlichkeit wurde im vorliegenden Forum auf eine konsequente männliche und weibliche Schreibweise verzichtet.