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HOMMAGE AN UELI BERGER 16. Mai bis 6. September 2009 In der ...

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4<br />

Das lustvolle Fabulieren mittels Alltagsmaterialien und das Recyceln wertloser Massenprodukte als permanenter Akt des<br />

Wi<strong>der</strong>stands gegen die Wegwerfmentalität setzt sich in den 1980er Jahren in <strong>der</strong> Beschäftigung mit<br />

Kunststoffmaterialien fort. Die Assemblage „Biografie“ (1986), eine weitere ironische Reflexion über das Künstlerdasein,<br />

vereint u.a. so disparate Gegenstände wie Palette, Gitarre, Bade-Schwan, Schallplatte und Teppichklopfer, während in<br />

<strong>der</strong> Arbeit „Krawatte“(1980er Jahre) das traditionelle Bekleidungsattribut männlicher Machtposition in Kombination mit<br />

dem Klei<strong>der</strong>bügel zugleich in die Form von Pfeil und Bogen übertragen wird. Spartenübergreifend arbeitend, bezieht <strong>der</strong><br />

ehemalige Jazzmusiker und Vater eines Musikers kontinuierlich akustische Phänomene ein, meist in Form <strong>der</strong> <strong>In</strong>stallation<br />

(vgl. Katalog Langenthal). „Real Water Music“ ist eine dieser Ton-Arbeiten. ‚Wassermusik’ ist in diesem Fall tatsächlich<br />

‚real’ aufzufassen, gibt das Abspielgerät doch nichts an<strong>der</strong>es wi<strong>der</strong> als das Geräusch von Wassertropfen, die sukzessive<br />

in Metalleimer fallen.<br />

5<br />

Bergers Themenkreis um Natur und Technik, <strong>In</strong>dividuum und Gesellschaft, sein nach allen Seiten sprudeln<strong>der</strong><br />

Einfallsreichtum, seine subversive Hinterfragung mentaler wie künstlerischer Konventionen lassen sich anschaulich<br />

anhand einer rund 30-teiligen Auswahl von Arbeitsstudien („Projektzeichnungen“) aus rund vier Jahrzehnten ablesen. <strong>In</strong><br />

den „Projektzeichnungen“ werden Gedankenblitze festgehalten, Ideen aufnotiert o<strong>der</strong> auch konkrete Konzepte<br />

ausgearbeitet. Manche <strong>der</strong> Studien blieben reine Ideenlieferanten im künstlerischen Archiv, einige können im Rückblick<br />

real ausgeführten Projekten zugeordnet werden („Real Water Music“), an<strong>der</strong>e wie<strong>der</strong>um zeigen vom Künstler<br />

angedachte Varianten (u.a. zu „Standpunkt“). Den Projektzeichnungen gegenüber sind zum Vergleich drei Fotografien<br />

von im Freien realisierten <strong>In</strong>stallationen zu sehen. Eine <strong>der</strong> bekanntesten und aufgrund ihrer gedanklichen und visuellen<br />

Stringenz meist diskutierten Arbeiten ist die Landschaftstransformation „Standpunkt“, die Berger 1979 entworfen und<br />

1980 auf Einladung an <strong>der</strong> Ausstellung „Grün 80“ im Brüglingen-Park Basel im Durchmesser von 12 m gezeigt hatte.<br />

Lei<strong>der</strong> wurde <strong>der</strong> „Standpunkt“, <strong>der</strong> in seiner Art eine einmalige Position in <strong>der</strong> Schweizer Land Art <strong>der</strong> 1980er Jahre<br />

einnimmt, 1985 aufgrund eines Umbaus entfernt bzw. zerstört. Um Erde kreist auch die 1982 entstandene <strong>In</strong>stallation<br />

„Nature morte“. Im Titel den klassischen Begriff des Stillebens („Nature morte“) aufnehmend, thematisiert diese Arbeit,<br />

wie kurz <strong>der</strong> Weg zwischen intaktem und zerstörtem natürlichen Umfeld ist.<br />

6<br />

Eine <strong>der</strong> anmutigsten und paradoxerweise leichtfüssigsten Werkzyklen ist die um 1999 einsetzende Serie „Twins“<br />

(Zwillinge). Zwei anscheinend identische Objekte sind jeweils paarweise auf einem Sockel plaziert. Ausgangspunkt <strong>der</strong><br />

Forschung ist die Frage, ob wir fähig sind, das effektive Gewicht zweier Objekte (einmal leicht/einmal schwer) rein<br />

optisch einzuschätzen. Die Erfahrung zeigt – so die Pointe – dass das Auge ohne entsprechende manuelle Überprüfung<br />

(in <strong>der</strong> Ausstellung auf das Doppelobjekt „Kugel“ beschränkt) ausnahmslos überfor<strong>der</strong>t ist. Umgekehrt ist schwer<br />

einzusehen, dass sich das Gewicht zweier identischer Farbmengen (Cadmiumorange zu Bleimennige auf Papier) so<br />

stark unterscheidet, dass die eine Farbe den Bildträger regelrecht aus <strong>der</strong> Waagrechten hebt.<br />

Den „Twins“ zugesellt ist die spielerisch ausgeweitete Farb-/Wortuntersuchung „Unfarben“. “Munterbunt“ werden<br />

altbekannte Bezeichnungen umgewandelt („Oberaargrau“), in Wörtern versteckte Farbbezeichnungen aufgedeckt<br />

(„Arosa“, „Schweiss“), Unzusammenhängendes zusammengefügt („Veilchengrau“) o<strong>der</strong> bestehende Personenamen<br />

(„Charlie Brown“) untergemixt. „Unfarben“, von den Bergers über die Jahre 1991 <strong>bis</strong> 2006 hinweg fort entwickelt, ist ein<br />

echtes ‚Work in Progress’, das sich auch vom Betrachter gedanklich ins Endlose weiterspinnen lässt.<br />

7<br />

Der letzte Themenbereich, dem sich Berger intensiv gewidmet hat, weist im Sinne <strong>der</strong> Wahrnehmungsfalle in ähnliche<br />

Richtung wie die „Twins“. Was den Anschein hat, flach zu sein, ein mit Farbstift gezeichneter Punkt, ein Kreis, eine Linie,<br />

gibt Berger uns den Beweis, ist bei Nahem besehen eine reale, wenn auch winzige Skulptur. Berger hat<br />

Farbstiftabdrucke aus eigener Hand (darunter auch den „Urstaub“) durch Makrofotografie vergrössert und teilt uns<br />

einmal mehr mit, dass <strong>der</strong> Wechsel des Blickwinkels auf den Alltag und die Umgebung nicht nur Verborgenes zum<br />

Vorschein bringt, son<strong>der</strong>n gleichzeitig auch die unterschwellige Poesie und Paradoxie zum Klingen bringt.<br />

Experimentierfreudig, ironisierend, Konventionen und Wahrnehmungsmuster unterlaufend, sozial engagiert, eigenwillig in<br />

Denken und Ausführung, gehört Ueli Berger zu den zentralen Protagonisten <strong>der</strong> Schweizer Gegenwartskunst. <strong>In</strong> vielerlei<br />

Hinsicht als Vorläufer kommen<strong>der</strong> Generationen zu bezeichnen, hat er <strong>der</strong> oft schwergewichtigen Schweizer Kunst eine<br />

von Pathos und Eitelkeit freie Position entgegengehalten. Im Rückblick auf das künstlerisch weite Feld, das er in rund vier<br />

Jahrzehnten umwan<strong>der</strong>t hat, hält sich Bergers Werk wie selbstverständlich in wun<strong>der</strong>barer Balance.<br />

<strong>In</strong> <strong>der</strong> Ausstellung hält unser museumspädagogisches Team „artefix kultur und schule“ kostenlose Workshops für<br />

Schulen ab. Auch wurde ein schriftlicher Leitfaden ausgearbeitet. <strong>In</strong>teressierte kontaktieren bitte Frau Helen Parisi (Tel.<br />

055 212 45 34 o<strong>der</strong> parisi.wagen@hispeed.ch).<br />

Wir danken vor allem Susi Berger und Uelis Assistent Simon für die enge Zusammenarbeit. Ferner den Leihgebern und<br />

<strong>der</strong> Schweizer Mobiliar für die finanzielle Unterstützung. Für die Vertiefung in Bergers Kunst-Welt liegen diverse Kataloge<br />

zum Kauf im Foyer bzw. zum Einsehen in <strong>der</strong> Robinson-Bibliothek auf.<br />

Elisabeth Grossmann<br />

Kuratorin Kunst(Zeug)Haus

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