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HOMMAGE AN UELI BERGER 16. Mai bis 6. September 2009 In der ...

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<strong>HOMMAGE</strong> <strong>AN</strong> <strong>UELI</strong> <strong>BERGER</strong><br />

<strong>1<strong>6.</strong></strong> <strong>Mai</strong> <strong>bis</strong> <strong>6.</strong> <strong>September</strong> <strong>2009</strong><br />

<strong>In</strong> <strong>der</strong> Schweizer Kunst ist Berger ein fester Wert. 1937 in Bern geboren, 2008 in Bern verstorben, ist er einer <strong>der</strong><br />

vielseitigsten Künstler seiner Generation. Er beschäftigte sich mit Skulptur, Plastik, <strong>In</strong>stallation, Kunst im öffentlichen<br />

Raum und Kunst am Bau, mit Zeichnung, Druckgrafik und Fotografie, mit Wort und Ton und er war in Kooperation mit<br />

seiner Frau Susi Wyss (die Heirat erfolgte 1962) als erfolgreicher Möbeldesigner tätig. Während er <strong>der</strong> Öffentlichkeit vor<br />

allem durch seine ‚Kunst am Bau’-Projekte und die stets überraschenden <strong>In</strong>terventionen an den Schweizer<br />

Plastikausstellungen gegenwärtig ist, kennen die wenigsten die an<strong>der</strong>e Seite seines Werks: die freie künstlerische<br />

Tätigkeit. Diesem Teil seiner künstlerischen Arbeit Raum zu geben, ist das Ziel <strong>der</strong> Ausstellung. Anhand von Arbeiten aus<br />

den Werkphasen <strong>der</strong> 1960er Jahre <strong>bis</strong> um 2007 ist <strong>der</strong> Ausstellungsrundgang so gestaltet, dass er in Bergers<br />

Gedankenwelt und Arbeitsweise einführt. Seinem rhizomartigen Vorgehen entsprechend, auf frühere Ideen<br />

zurückzugreifen und sie aus an<strong>der</strong>em Blickwinkel aufzunehmen, ist die Präsentation nicht streng chronologisch, son<strong>der</strong>n<br />

nach Themenbereichen geglie<strong>der</strong>t.<br />

Treppenaufgang<br />

Die erste Arbeit, zur Einführung in Bergers Denkprozesse gedacht, ist die Arbeit „Oil on Canvas“ von 1972 (Oel auf<br />

Leinwand), nimmt sie doch jenen hintergründigen Dialog mit dem Betrachter auf, wie er für Bergers Gesamtschaffen<br />

charakteristisch ist. Anstatt sich in pathetischer Geste zu üben, geht Berger mit Ironie, Subversion, Poesie und<br />

Paradoxie vor, um Konventionen zu unterlaufen, Wahrnehmungsmuster zu durchbrechen und den Betrachter scheinbar<br />

beiläufig und ohne Anstrengung, zum Nachdenken zu provozieren.<br />

1<br />

1966 wird Berger von Harald Szeemann für die wegweisende Ausstellung „Weiss auf Weiss“ in <strong>der</strong> Kunsthalle Bern<br />

eingeladen (Kleine Version „Ohne Titel“, Treppenaufgang) und wird Mitglied <strong>der</strong> Avantgardegruppe „Bern 66“. Im<br />

lebhaften Austausch mit Musikern, Künstlern, Architekten und Designern entsteht eine erste zusammenhängende<br />

Werkgruppe im konstruktiven Stil. Betont antiklassisch, in <strong>der</strong> „Anti-Form“ den „Neuen Tendenzen“ zuzurechnen lassen<br />

sich die Arbeiten z.B. frei zusammenstellen („4x4“, 1967), lehnen wie abgestellt an <strong>der</strong> Wand („Juli“, 1967) o<strong>der</strong><br />

scheinen im Boden zu versinken („Symptom V“, 1967/68). Um 1969 nimmt Berger die politische Spaltung <strong>der</strong><br />

Gesellschaft im sinnbildlichen Thema „Riss“ auf, dessen Spuren in <strong>der</strong> Fotografie, im Objekt wie auch <strong>der</strong> <strong>In</strong>stallation<br />

(„Boden“, 1970) nachgezeichnet wird: „Ueli Berger sieht die Risse in <strong>der</strong> Welt. Er hört es rieseln im Gebälk und knacken<br />

und knistern in den Wänden“ (Besprechung Ausstellung Olten, 1969). Ab den späten 1970-er Jahren beginnt sich<br />

Berger mehr und mehr als kompetenter Partner für Projekte ‚Kunst am Bau’ zu profilieren, wobei er diese Tätigkeit in<br />

enger Kooperation mit seiner Ehefrau Susi ausübt. Das räumliche und situationsbezogene Denken, das technische<br />

Know-How sowie <strong>der</strong> gedankliche und visuelle Einfallsreichtum beweisen sich in vergleichsweise zahlreichen ‚Kunst am<br />

Bau’- Projekten, z.B. in <strong>der</strong> populären „Umkehrtreppe“ für das Progymnasium Thun 1992 (Modell auf dem<br />

Treppenaufgang). Zudem nimmt Berger regelmässig an den Schweizer Plastikausstellungen teil, so dass die freie<br />

Tätigkeit zeitweise in den Hintergrund rückt.<br />

2<br />

Im Lauf <strong>der</strong> 1970er Jahre entsteht unter dem Thema Landschaftstransformation (u.a. die „Autobegrasung“, ein Remake<br />

des Kunst(Zeug)Hauses im Hof) eine Folge von Erdschnitt-Arbeiten (u.a. <strong>der</strong> „Standpunkt“). Die Schnitt-Thematik weitet<br />

Berger auch auf weitere Materialien, u.a. Sperrholz aus. Dazu zählt ebenso <strong>der</strong> monumentale „Technosaurus“ von<br />

1977/78 (5) wie auch kleinere, poetische Schnitt-Wandobjekte. Ein weiteres Thema, das Berger immer wie<strong>der</strong> von<br />

neuem artikuliert, ist das Selbstverständnis des Künstlers und dessen Rolle in <strong>der</strong> Gesellschaft. Die Ambivalenz des<br />

Werteverhältnisses kulminiert in ironischen Arbeiten wie etwa <strong>der</strong> Palette, die sich zum Bumerang verformt („Malerglück“,<br />

1983), die Palette, die zum Flug ansetzt („Vor dem Flug“) o<strong>der</strong> auch „Die Handschrift des Meisters“.<br />

3<br />

Kaum ein Schweizer Künstler seiner Generation wusste <strong>der</strong>art vielseitig mit alltäglichen Materialien umzugehen, so dass<br />

Berger zu Recht als Vorläufer nachfolgen<strong>der</strong> Tendenzen einzustufen ist. Kaum ein Material, dem er nicht eine künstlerisch<br />

verwertbare Rolle zugedacht hätte. So entdeckt er etwa 1987, dass sich „<strong>der</strong> hochtechnische Abfallwerkstoff<br />

Autoscheiben“ (Berger) zu zwischen Technik und Natur oszillierenden Objekten transformieren lässt („Bootschaften“,<br />

1988). Zugleich dient <strong>der</strong> <strong>In</strong>dustriewerkstoff im Kontrast zu seiner technischen Funktion als Träger für geradezu<br />

malerisch anmutende, den Sternenhimmel evozierende Monotypien („Autoscheibendrucke“). Bergers bezeichnende<br />

Wendigkeit im Umgang mit Techniken und Werkstoffen, sein geschärfter Blick für das verborgene Potential kunstfrem<strong>der</strong><br />

Materialien zeigt sich auch in dieser Werkphase, indem er die vorerst vernachlässigten Windschutzscheiben-<br />

Gummidichtungen auf mögliche Ausdrucksformen abzutasten beginnt. Das Potential an Verformungsmöglichkeiten hält<br />

er einerseits mittels kleinformatiger Polaroidfotografie fest („80 Metamorphosen“), wandelt das Thema in Wandobjekte<br />

(„Masken“) um und überträgt es in gestischem Ausschweifen <strong>der</strong> Hand auf die Kohle- und Grafitzeichnung.


4<br />

Das lustvolle Fabulieren mittels Alltagsmaterialien und das Recyceln wertloser Massenprodukte als permanenter Akt des<br />

Wi<strong>der</strong>stands gegen die Wegwerfmentalität setzt sich in den 1980er Jahren in <strong>der</strong> Beschäftigung mit<br />

Kunststoffmaterialien fort. Die Assemblage „Biografie“ (1986), eine weitere ironische Reflexion über das Künstlerdasein,<br />

vereint u.a. so disparate Gegenstände wie Palette, Gitarre, Bade-Schwan, Schallplatte und Teppichklopfer, während in<br />

<strong>der</strong> Arbeit „Krawatte“(1980er Jahre) das traditionelle Bekleidungsattribut männlicher Machtposition in Kombination mit<br />

dem Klei<strong>der</strong>bügel zugleich in die Form von Pfeil und Bogen übertragen wird. Spartenübergreifend arbeitend, bezieht <strong>der</strong><br />

ehemalige Jazzmusiker und Vater eines Musikers kontinuierlich akustische Phänomene ein, meist in Form <strong>der</strong> <strong>In</strong>stallation<br />

(vgl. Katalog Langenthal). „Real Water Music“ ist eine dieser Ton-Arbeiten. ‚Wassermusik’ ist in diesem Fall tatsächlich<br />

‚real’ aufzufassen, gibt das Abspielgerät doch nichts an<strong>der</strong>es wi<strong>der</strong> als das Geräusch von Wassertropfen, die sukzessive<br />

in Metalleimer fallen.<br />

5<br />

Bergers Themenkreis um Natur und Technik, <strong>In</strong>dividuum und Gesellschaft, sein nach allen Seiten sprudeln<strong>der</strong><br />

Einfallsreichtum, seine subversive Hinterfragung mentaler wie künstlerischer Konventionen lassen sich anschaulich<br />

anhand einer rund 30-teiligen Auswahl von Arbeitsstudien („Projektzeichnungen“) aus rund vier Jahrzehnten ablesen. <strong>In</strong><br />

den „Projektzeichnungen“ werden Gedankenblitze festgehalten, Ideen aufnotiert o<strong>der</strong> auch konkrete Konzepte<br />

ausgearbeitet. Manche <strong>der</strong> Studien blieben reine Ideenlieferanten im künstlerischen Archiv, einige können im Rückblick<br />

real ausgeführten Projekten zugeordnet werden („Real Water Music“), an<strong>der</strong>e wie<strong>der</strong>um zeigen vom Künstler<br />

angedachte Varianten (u.a. zu „Standpunkt“). Den Projektzeichnungen gegenüber sind zum Vergleich drei Fotografien<br />

von im Freien realisierten <strong>In</strong>stallationen zu sehen. Eine <strong>der</strong> bekanntesten und aufgrund ihrer gedanklichen und visuellen<br />

Stringenz meist diskutierten Arbeiten ist die Landschaftstransformation „Standpunkt“, die Berger 1979 entworfen und<br />

1980 auf Einladung an <strong>der</strong> Ausstellung „Grün 80“ im Brüglingen-Park Basel im Durchmesser von 12 m gezeigt hatte.<br />

Lei<strong>der</strong> wurde <strong>der</strong> „Standpunkt“, <strong>der</strong> in seiner Art eine einmalige Position in <strong>der</strong> Schweizer Land Art <strong>der</strong> 1980er Jahre<br />

einnimmt, 1985 aufgrund eines Umbaus entfernt bzw. zerstört. Um Erde kreist auch die 1982 entstandene <strong>In</strong>stallation<br />

„Nature morte“. Im Titel den klassischen Begriff des Stillebens („Nature morte“) aufnehmend, thematisiert diese Arbeit,<br />

wie kurz <strong>der</strong> Weg zwischen intaktem und zerstörtem natürlichen Umfeld ist.<br />

6<br />

Eine <strong>der</strong> anmutigsten und paradoxerweise leichtfüssigsten Werkzyklen ist die um 1999 einsetzende Serie „Twins“<br />

(Zwillinge). Zwei anscheinend identische Objekte sind jeweils paarweise auf einem Sockel plaziert. Ausgangspunkt <strong>der</strong><br />

Forschung ist die Frage, ob wir fähig sind, das effektive Gewicht zweier Objekte (einmal leicht/einmal schwer) rein<br />

optisch einzuschätzen. Die Erfahrung zeigt – so die Pointe – dass das Auge ohne entsprechende manuelle Überprüfung<br />

(in <strong>der</strong> Ausstellung auf das Doppelobjekt „Kugel“ beschränkt) ausnahmslos überfor<strong>der</strong>t ist. Umgekehrt ist schwer<br />

einzusehen, dass sich das Gewicht zweier identischer Farbmengen (Cadmiumorange zu Bleimennige auf Papier) so<br />

stark unterscheidet, dass die eine Farbe den Bildträger regelrecht aus <strong>der</strong> Waagrechten hebt.<br />

Den „Twins“ zugesellt ist die spielerisch ausgeweitete Farb-/Wortuntersuchung „Unfarben“. “Munterbunt“ werden<br />

altbekannte Bezeichnungen umgewandelt („Oberaargrau“), in Wörtern versteckte Farbbezeichnungen aufgedeckt<br />

(„Arosa“, „Schweiss“), Unzusammenhängendes zusammengefügt („Veilchengrau“) o<strong>der</strong> bestehende Personenamen<br />

(„Charlie Brown“) untergemixt. „Unfarben“, von den Bergers über die Jahre 1991 <strong>bis</strong> 2006 hinweg fort entwickelt, ist ein<br />

echtes ‚Work in Progress’, das sich auch vom Betrachter gedanklich ins Endlose weiterspinnen lässt.<br />

7<br />

Der letzte Themenbereich, dem sich Berger intensiv gewidmet hat, weist im Sinne <strong>der</strong> Wahrnehmungsfalle in ähnliche<br />

Richtung wie die „Twins“. Was den Anschein hat, flach zu sein, ein mit Farbstift gezeichneter Punkt, ein Kreis, eine Linie,<br />

gibt Berger uns den Beweis, ist bei Nahem besehen eine reale, wenn auch winzige Skulptur. Berger hat<br />

Farbstiftabdrucke aus eigener Hand (darunter auch den „Urstaub“) durch Makrofotografie vergrössert und teilt uns<br />

einmal mehr mit, dass <strong>der</strong> Wechsel des Blickwinkels auf den Alltag und die Umgebung nicht nur Verborgenes zum<br />

Vorschein bringt, son<strong>der</strong>n gleichzeitig auch die unterschwellige Poesie und Paradoxie zum Klingen bringt.<br />

Experimentierfreudig, ironisierend, Konventionen und Wahrnehmungsmuster unterlaufend, sozial engagiert, eigenwillig in<br />

Denken und Ausführung, gehört Ueli Berger zu den zentralen Protagonisten <strong>der</strong> Schweizer Gegenwartskunst. <strong>In</strong> vielerlei<br />

Hinsicht als Vorläufer kommen<strong>der</strong> Generationen zu bezeichnen, hat er <strong>der</strong> oft schwergewichtigen Schweizer Kunst eine<br />

von Pathos und Eitelkeit freie Position entgegengehalten. Im Rückblick auf das künstlerisch weite Feld, das er in rund vier<br />

Jahrzehnten umwan<strong>der</strong>t hat, hält sich Bergers Werk wie selbstverständlich in wun<strong>der</strong>barer Balance.<br />

<strong>In</strong> <strong>der</strong> Ausstellung hält unser museumspädagogisches Team „artefix kultur und schule“ kostenlose Workshops für<br />

Schulen ab. Auch wurde ein schriftlicher Leitfaden ausgearbeitet. <strong>In</strong>teressierte kontaktieren bitte Frau Helen Parisi (Tel.<br />

055 212 45 34 o<strong>der</strong> parisi.wagen@hispeed.ch).<br />

Wir danken vor allem Susi Berger und Uelis Assistent Simon für die enge Zusammenarbeit. Ferner den Leihgebern und<br />

<strong>der</strong> Schweizer Mobiliar für die finanzielle Unterstützung. Für die Vertiefung in Bergers Kunst-Welt liegen diverse Kataloge<br />

zum Kauf im Foyer bzw. zum Einsehen in <strong>der</strong> Robinson-Bibliothek auf.<br />

Elisabeth Grossmann<br />

Kuratorin Kunst(Zeug)Haus

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