28.09.2012 Aufrufe

Depression im Alter, Vortrag Dr. B. Ruhwinkel für

Depression im Alter, Vortrag Dr. B. Ruhwinkel für

Depression im Alter, Vortrag Dr. B. Ruhwinkel für

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>Depression</strong> <strong>im</strong> <strong>Alter</strong><br />

Was tun, wenn ich es erkenne?


<strong>Depression</strong> <strong>im</strong> <strong>Alter</strong>:<br />

B. <strong>Ruhwinkel</strong> Juni 2011


Inhalt<br />

1. <strong>Alter</strong> und unsere Bilder davon<br />

2. <strong>Depression</strong><br />

3. Was ist besonders <strong>im</strong> <strong>Alter</strong> über 60 Jahren?<br />

4. Was kann ich tun?<br />

5. Behandlung der <strong>Depression</strong><br />

6. Prognose<br />

B. <strong>Ruhwinkel</strong> Juni 2011


1. Das <strong>Alter</strong><br />

Unsere Bilder vom <strong>Alter</strong><br />

B. <strong>Ruhwinkel</strong> Juni 2011


B. <strong>Ruhwinkel</strong> Juni 2011<br />

Unsere Einstellung hat Wirkung:<br />

Yale-Universität:<br />

Studie bei der sich<br />

Versuchspersonen über<br />

verschiedene Themen<br />

unterhalten.<br />

Nur be<strong>im</strong> Thema „<strong>Alter</strong>“<br />

brauchten die Probanden<br />

signifikant länger <strong>für</strong> ihren<br />

Weg bis zum Ausgang.<br />

(nach G. Schmid)


Einstellungen zum eigenen <strong>Alter</strong>n …<br />

… eine <strong>Alter</strong>s- oder Ressourcenfrage<br />

Hans Rudolf Schelling, Zentrum <strong>für</strong> Gerontologie, Mike Martin, Lehrstuhl <strong>für</strong> Gerontopsychologie, beide Universität Zürich, 2004<br />

• Die Einstellungen zum eigenen <strong>Alter</strong>n<br />

beeinflussen die Ressourcen und damit den<br />

Verlauf des <strong>Alter</strong>ungsprozesses.<br />

• Die Einstellung zum <strong>Alter</strong>n hängt wiederum<br />

vorrangig von Ressourcen und<br />

Ressourcenveränderungen, weniger vom<br />

kalendarischen <strong>Alter</strong> an sich, ab.<br />

• Vorhandene Ressourcen können negative<br />

Effekte des <strong>Alter</strong>ns, wie z.B. auch<br />

Ressourcenverluste, puffern.<br />

B. <strong>Ruhwinkel</strong> Juni 2011


Depressive <strong>Alter</strong>sbilder:


G.B. Shaw mit 88 Jahren:<br />

„Meine körperlichen Kräfte lassen mich <strong>im</strong> Stich.<br />

Meine Sinne, meine Fortbewegungsorgane, mein<br />

Gedächtnis werden schwächer...<br />

Und dennoch hat mein Geist noch <strong>im</strong>mer die<br />

Fähigkeit, sich weiter zu entwickeln, denn meine<br />

Neugierde ist lebhafter denn je.“<br />

B. <strong>Ruhwinkel</strong> Juni 2011


Das <strong>Alter</strong><br />

spiegelt Deine Ansicht vom Leben<br />

wider, und noch <strong>im</strong> <strong>Alter</strong> wird Deine<br />

Einstellung zum Leben davon<br />

geprägt, ob Du das Leben wie einen<br />

steilen Berg begriffen hast, der<br />

bestiegen werden muss, oder wie<br />

einen breiten Strom, in den Du<br />

eintauchst, um langsam zur Mündung<br />

zu schw<strong>im</strong>men, oder wie einen<br />

undurchdringlichen Wald, in dem Du<br />

umherirrst, ohne je genau zu wissen,<br />

welchen Weg Du einschlagen musst,<br />

um wieder ins Freie zu kommen.“<br />

B. <strong>Ruhwinkel</strong> Juni 2011


mein <strong>Alter</strong>sbild:<br />

B. <strong>Ruhwinkel</strong> Juni 2011<br />

� <strong>Alter</strong>n als Transformationsprozess (G. Schmid)<br />

� Ein Lerncurriculum bei dem ich neugierig beobachten<br />

kann was passiert (G. Schmid)<br />

� <strong>Alter</strong>n als Entwicklungsaufgabe<br />

� Jeder durchlebt diesen Prozess in seinem Tempo,<br />

mit seinen Krisen und muss seinen individuellen<br />

Entwicklungsweg finden (M. Peters 2004)<br />

� Im <strong>Alter</strong> eine Art II. Adoleszenz (Weakland und Herr 1984/<br />

Schmidbauer 2003)


Identitätsentwicklung <strong>im</strong> <strong>Alter</strong>:<br />

• Der Körper ist wie in der<br />

Adoleszenz der<br />

Entwicklungsorganisator<br />

• Existentielle D<strong>im</strong>ension<br />

fordert persönliche<br />

Standortbest<strong>im</strong>mung<br />

• Die Säulen der Identität<br />

müssen <strong>im</strong>mer wieder neu<br />

ausbalanciert werden<br />

B. <strong>Ruhwinkel</strong> Juni 2011


B. <strong>Ruhwinkel</strong> Juni 2011<br />

Die 5 Säulen der Identität


II. Adoleszenz <strong>im</strong> <strong>Alter</strong><br />

• Adoleszenz ist eine Errungenschaft der<br />

moderneren Gesellschaften<br />

• Wichtig <strong>für</strong> die Identitätsentwicklung der<br />

Individuen<br />

• Wichtige Dynamik <strong>für</strong> die Gesellschaft<br />

(M. Erdhe<strong>im</strong>)<br />

– Körper als Entwicklungsorganisator<br />

– Identitätsentwicklung ist trotz Abbau und<br />

Verlust gefordert<br />

– Selbstwertkrisen<br />

– Rollen- und Statusänderung<br />

Vorbereitung auf Begrenzung und Abschied<br />

B. <strong>Ruhwinkel</strong> Juni 2011


Optionen der Identitätsentfaltung <strong>im</strong> <strong>Alter</strong><br />

� Auseinandersetzung mit eigenem Lebenslauf<br />

Akzeptieren<br />

Bedeutung geben/ Sinnkonstruktion<br />

Abschied von nicht erreichtem<br />

� Sinnerfüllte Tätigkeiten (leistungsorientiert/ sinnorientiert)<br />

� Kreative Produktivität (nicht beschäftigt, sondern etwas schaffen)<br />

� Beziehungen aktiv gestalten(„das Ich reift am Du“ M. Buber)<br />

� Wertesystem anpassen<br />

B. <strong>Ruhwinkel</strong> Juni 2011


B. <strong>Ruhwinkel</strong> Juni 2011


Wir können unser Gehirn bis ins hohe<br />

<strong>Alter</strong> nutzungsabhängig gestalten<br />

unser Gehirn kann sich weiter<br />

entwickeln<br />

(G. Hüther; N. Herschkowitz;J.C. Rüegg)


Wohlbefindensparadoxon:<br />

Trotz zunehmend negativer Verlustbilanz bleibt das<br />

Wohlbefinden bis ins hohe <strong>Alter</strong> konstant<br />

Positive Affekte nehmen zu<br />

Negative Affekte bleiben etwa gleich<br />

Bilanz ist positiv<br />

Hilfreich: kumulierte Bewältigungserfahrung<br />

Kognitive Diskrepanzreduktion durch<br />

Vergleiche<br />

B. <strong>Ruhwinkel</strong> Juni 2011


B. <strong>Ruhwinkel</strong> Juni 2011<br />

Subjektives Wohlbefindens-Paradoxon<br />

Obwohl die Anzahl der objektiven Beeinträchtigungen<br />

zun<strong>im</strong>mt, wird bis ins 4. Lebensalter hinein konstant<br />

subjektives Wohlbefinden erlebt (Staudinger 2000)<br />

Grund da<strong>für</strong>:<br />

• Fähigkeit des Selbst, Realität zu konstruieren und zu<br />

transformieren, sich an veränderte Wirklichkeiten<br />

anzupassen und das eigene Selbstverständnis zu schützen<br />

• Alte Menschen besitzen möglicherweise sogar eine<br />

besondere Fähigkeit, sich veränderten Gegebenheiten<br />

anzupassen und ihre Erwartungen neu zu ordnen<br />

(Th. Friedrich-Hett)


Gunter Sachs tot:<br />

“der Verlust der<br />

geistigen Kontrolle<br />

über mein Leben<br />

wäre ein<br />

würdeloser<br />

Zustand, dem ich<br />

mich entschlossen<br />

habe, entschieden<br />

entgegenzutreten“<br />

B. <strong>Ruhwinkel</strong> Juni 2011


Fazit:<br />

B. <strong>Ruhwinkel</strong> Juni 2011<br />

1. Jeder Mensch altert<br />

anders.<br />

2. Es gibt nicht „das<br />

höhere <strong>Alter</strong>“<br />

3. Altsein bedeutet nicht<br />

Kranksein.<br />

4. Kein <strong>Alter</strong> prädisponiert<br />

zur <strong>Depression</strong>


2. DEPRESSION<br />

B. <strong>Ruhwinkel</strong> Juni 2011


Demenz ist nicht alles:<br />

Wieviel Prozent der<br />

Menschen über 80 haben<br />

eine Demenz?<br />

Wieviel Prozent der über<br />

90 Jährigen?<br />

Wieviel Prozent der<br />

Patienten be<strong>im</strong> HA die<br />

über 65 sind haben eine<br />

<strong>Depression</strong>?<br />

B. <strong>Ruhwinkel</strong> Juni 2011<br />

11 % der Männer<br />

14 % der Frauen<br />

22 % Männer<br />

30 % Frauen<br />

30 bis 40 %<br />

(Zahlen nach N. Herschkovitz " Das<br />

vernetzte Gehirn")


Was ist eine <strong>Depression</strong>?<br />

B. <strong>Ruhwinkel</strong> Juni 2011<br />

.....wie Fieber<br />

viele Symptome<br />

ansteckend<br />

tausende Ursachen<br />

gefährlich/tödlich<br />

zumeist gut zu<br />

behandeln


Symptome einer <strong>Depression</strong><br />

St<strong>im</strong>mung:<br />

Antrieb:<br />

Denken:<br />

B. <strong>Ruhwinkel</strong> Juni 2011<br />

Traurig, hoffnungslos,<br />

schwer, keine Freude,<br />

Interessenlos, rasche<br />

Ermüdbarkeit,<br />

Schuldgefühle, Gefühl der<br />

Wertlosigkeit, Angst<br />

Reduziert, erschöpft,<br />

Eingeengt, es dreht <strong>im</strong>mer<br />

um die gleichen Sorgen


Nach ICD10: über 2 Wochen<br />

Mindestens zwei<br />

Hauptsymptome:<br />

• Gedrückte<br />

St<strong>im</strong>mungslage<br />

• Interessen- und<br />

Freudlosigkeit<br />

• Rasche Ermüdbarkeit,<br />

Neigung zu<br />

Erschöpfung<br />

B. <strong>Ruhwinkel</strong> Juni 2011<br />

Mindestens zwei dieser<br />

Symptome:<br />

• Merk- und Konzentrationsstörungen<br />

• Verm. Selbstwertgefühl<br />

• Gefühl von Schuld- und<br />

Wertlosigkeit<br />

• Pess<strong>im</strong>istische Zukunftsperspektive<br />

• Selbstverletzung, Suizidhandlung<br />

• Appetitlosigkeit<br />

• Chronische Obstipation<br />

• Schlafstörungen


<strong>Depression</strong> ist nicht:<br />

Trauer<br />

Schlechte Laune<br />

Faulheit<br />

Eigenen Schuld<br />

<strong>Depression</strong><br />

B. <strong>Ruhwinkel</strong> Juni 2011<br />

Sie kann auch agitiert sein<br />

Sie kann sich hinter<br />

körperlichen Beschwerden<br />

verstecken<br />

Sie kann durch Alkohol<br />

und Tabletten<br />

versuchsweise selber<br />

mediziert werden<br />

eine schwere Krankheit<br />

ist wie ein Herzinfarkt …


3. Was ist besonders <strong>im</strong> <strong>Alter</strong><br />

über 60 Jahren?<br />

B. <strong>Ruhwinkel</strong> Juni 2011


<strong>Depression</strong> bei körperl. Erkrankungen:<br />

Myocardinfarkt<br />

Zerebraler Insult<br />

Krebserkrankung<br />

Morbus Parkinson<br />

HIV<br />

Multiple Sklerose<br />

Demenz<br />

Chron. Nierenversagen<br />

B. <strong>Ruhwinkel</strong> Juni 2011<br />

20 %<br />

30-50 %<br />

30-50 %<br />

20-30 %<br />

20-30 %<br />

30-50 %<br />

40 %<br />

20-30 %


Besonderheiten <strong>im</strong> höheren Lebensalter:<br />

• 50% aller depressiven Pat. Im <strong>Alter</strong><br />

über 60 Jahre klagen nicht über<br />

depressive St<strong>im</strong>mung<br />

• Komorbide internistische KH erklären<br />

die Symptome auch<br />

• Neg. <strong>Alter</strong>sbilder lassen Pat.<br />

Angehörige und Ärzte die<br />

<strong>Depression</strong> verkennen<br />

• Rasches Einsetzen negativer Folgen:<br />

Muskelabbau, kogn. Abbau<br />

erschweren die Prognose<br />

• Rückzug fällt weniger auf<br />

B. <strong>Ruhwinkel</strong> Juni 2011<br />

� Sie klagen mehr über körperliche<br />

Leiden<br />

� Spezifische Beschwerden in<br />

Abgrenzung zu körperlichen Leiden:<br />

Interessensverlust,<br />

Freudlosigkeit,<br />

Hoffnungslos,<br />

Schuldgefühle,<br />

Wertlosigkeit,<br />

Suizidgedanken<br />

� Typische Beschwerden:<br />

Energieverlust, Appetitverlust,<br />

Schlafstörungen, Schmerzen sind<br />

unspezifisch <strong>im</strong> <strong>Alter</strong>


Familienlebenszyklus<br />

B. <strong>Ruhwinkel</strong> Juni 2011


4. Was kann ich tun?<br />

B. <strong>Ruhwinkel</strong> Juni 2011<br />

Frau Z.<br />

94 Jahre,<br />

lebt alleine,<br />

Geschäftsfrau,<br />

hat viele Lebenshürden gemeistert<br />

Blutdruckkrisen und TIA machen ihr<br />

Angst<br />

Sie ruft Sohn und Tochter zur Hilfe<br />

Sie kann <strong>im</strong>mer schlechter alleine<br />

sein<br />

Was können die Kinder tun?


B. <strong>Ruhwinkel</strong> Juni 2011<br />

Frau A:<br />

80 Jahre<br />

Trauert seit ½ Jahr um<br />

ihren Mann<br />

„Ich kann nicht alleine<br />

leben“<br />

Fühlt sich schwach und<br />

hilflos, will nicht in ein<br />

He<strong>im</strong>.<br />

Die Söhne sind erschöpft


B. <strong>Ruhwinkel</strong> Juni 2011<br />

Herr N:<br />

Schwerer Herzinfarkt mit<br />

55 Jahren<br />

Frühpensionierung, das<br />

Geld reicht nicht, der<br />

Körper ist schwach<br />

Seine Frau war nie krank<br />

Er zieht sich <strong>im</strong>mer mehr<br />

zurück


5. BEHANDLUNG DER<br />

DEPRESSION<br />

B. <strong>Ruhwinkel</strong> Juni 2011


Behandlungsschema:<br />

B. <strong>Ruhwinkel</strong> Juni 2011


Wichtig ist:<br />

• Individuelle Behandlung<br />

• Grunderkrankung muss behandelt werden<br />

• Patient als Fachmann <strong>für</strong> sich selber einbeziehen<br />

• Aber nicht seiner Hoffnungslosigkeit nachgeben<br />

• Einstellung mit AD ist zum Teil schwierig<br />

• Psychotherapeutischer Zugang braucht Zeit<br />

• Helfernetz, Angehörige, Therapeuten müssen die<br />

Hoffnung haben, der Patient hat sie nicht<br />

• „Use it or lose it!“= rasch in Behandlung gehen!<br />

• <strong>Depression</strong> gehört nicht zum <strong>Alter</strong><br />

B. <strong>Ruhwinkel</strong> Juni 2011


6. Prognose:<br />

B. <strong>Ruhwinkel</strong> Juni 2011


Rasche Behandlung/bessere Prognose:<br />

• Rezidivrate ist <strong>im</strong> <strong>Alter</strong> kaum höher als in jüngeren<br />

Jahren<br />

• Längere Erkrankungsdauer<br />

• Rate der vollständigen Remission n<strong>im</strong>mt ab<br />

� <strong>Depression</strong>en werden <strong>im</strong> <strong>Alter</strong> häufig übersehen<br />

� Körperliche und kognitive Abbauprozesse<br />

erschweren die Heilung<br />

�Bei rascher Behandlung ist die Prognose besser!<br />

B. <strong>Ruhwinkel</strong> Juni 2011


B. <strong>Ruhwinkel</strong> Juni 2011<br />

Vielen Dank <strong>für</strong> Ihre Aufmerksamkeit!


Literatur:<br />

• S. Forstmeier, A. Maercker (2008) Probleme des<br />

<strong>Alter</strong>ns. Hogrefe<br />

• M. Wolfersdorf, M. Schüler (2005) <strong>Depression</strong>en <strong>im</strong><br />

<strong>Alter</strong>. Kohlhammer<br />

• Thomas Friedrich-Hett: Positives <strong>Alter</strong>n (transcript<br />

2007)<br />

• P. Thane: Das <strong>Alter</strong>- Eine Kulturgeschichte<br />

(Pr<strong>im</strong>usVerlag 2005)

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!