Frau - Lokal-Nachrichten
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Persönlichkeiten von Muri – Mark Stalder, Schweizermeister in den Standardtänzen:<br />
Der Einfluss des Films «Center Stage»<br />
Wenn Mark Stalder mit seiner Partnerin leichtfüssig übers Parkett schwebt, ist auf Anhieb nicht ersichtlich, dass Tanzen Spitzensport ist.<br />
Mark Stalder und Yulia Dreier errangen vor drei<br />
Wochen in Regensdorf den Schweizermeistertitel in<br />
den Standardtänzen. Doch nicht genug: In der Kombinationsdisziplin<br />
über 10 Tänze (Standard und Lateinamerikanische<br />
Tänze) klassierte sich das Paar auf<br />
dem dritten Rang. Mit dem Meistertitel stiegen die<br />
Beiden von der A-Klasse in die S-Klasse auf, obwohl<br />
sie erst seit vier Jahren tanzen. Die zwei besten Paare<br />
eines Landes sind berechtigt, an den Europa- und<br />
Weltmeisterschaften teilzunehmen. Führende Nationen<br />
im Tanzsport sind Dänemark (amtierender Weltmeister),<br />
Deutschland (amtierender Europameister),<br />
Russland und Italien.<br />
«Ich weiss jetzt, wie es ist, ausgegrenzt zu werden»<br />
Dieser Satz von Mark Stalder entbehrt jeder Bitterkeit.<br />
Im Gegenteil tönt er sehr abgeklärt. Als Knabe<br />
begeisterte ihn ein Film über Ballett derart, dass er<br />
mit Ballett-Unterricht begann. Einige seiner Mitschüler<br />
hänselten ihn deswegen, gaben ihm Spitznamen<br />
und grenzten ihn aus. Die Lehrer hingegen<br />
interessierten sich für sein Hobby und besuchten<br />
Aufführungen. Kurz vor dem Gymnasium brachte<br />
ihn ein weiterer Film («Shall We Dance») auf die<br />
Idee, von Ballett zum Paartanz zu wechseln. Im<br />
Gymnasium gab es keine Intoleranz mehr. Auch<br />
seine Klassengefährten fanden sein Hobby toll und<br />
unterstützten ihn dabei.<br />
Mark Stalder und Yulia Dreier besuchten zur gleichen<br />
Zeit einen Tanzkurs bei Rita Pauli (Dance Passion,<br />
Bern). Nach einem halben Jahr fielen ihre jeweiligen<br />
Partner aus und sie beschlossen, zusammen<br />
zu tanzen. Dies bereitete ihnen grosses Vergnügen,<br />
so dass ihnen ihre Lehrer rieten, ihr Training zu<br />
intensivieren, also viermal in der Woche auf dem<br />
Tanzboden zu trainieren. Sie beteiligten sich an<br />
Anfänger-Turnieren, später lösten sie dann die Turnierlizenz<br />
um an den grösseren Turnieren zu starten,<br />
bei denen man sich von der untersten Kategorie D<br />
sukzessiv in die A- und als Maximum in die S-Kategorie<br />
tanzen kann. Je mehr Turniere das Paar bestritt<br />
– beide waren zu diesem Zeitpunkt noch im Gym-<br />
nasium, jetzt studiert Yulia Psychologie –, desto<br />
intensiver musste es trainieren.<br />
Standard- und Lateinamerikanische-Tänze<br />
Beide Kategorien weisen je fünf Tänze auf:<br />
• Standard-Tänze: Englischer Walzer, «Standard-»<br />
Tango (nicht zu verwechseln mit Tango Argentino),<br />
Wiener Walzer, Slow Foxtrott und Quickstep.<br />
• Lateintänze: Samba, Cha Cha Cha, Rumba, Paso<br />
Doble und Jive.<br />
Die Beiden starteten in der Einzelkategorie Standard<br />
und in der Kombinationskategorie über 10 Tänze, in<br />
beiden erlangten sie eine Medaille.<br />
Kleidung<br />
Dem Laien wird bei der ersten Tanzvorführung klar,<br />
dass die äussere Erscheinung der Paare von grosser<br />
Wichtigkeit ist. Deshalb trägt der Herr einen Tanzfrack,<br />
der gefertigt werden muss und um die 1'600<br />
Euro kostet. Wenn der Frack durchgeschwitzt ist,<br />
kann man ihn reinigen lassen. Die Lackschuhe<br />
kosten etwa 130 Euro, werden sie ausschliesslich<br />
bei Turnieren getragen, halten sie etwa sechs Monate.<br />
Die Haare der Tänzer müssen streng gegeelt<br />
sein. Auch die Männer tragen Make-Up, wobei dieses<br />
mittels Fixationsspray fixiert wird.<br />
Das teuerste Kleid, das Yulia Dreier besitzt, kostete<br />
2'600 Euro. Strass-Applikationen sind ein Muss bei<br />
den Turnierkleidern der Damen. Das erwähnte Kleid<br />
von Yulia beispielsweise hat 8'500 Strasssteinchen.<br />
Tänzerinnen-Kleider können in der Waschmaschine<br />
gesäubert werden, vorausgesetzt, sie werden –<br />
wegen der Steinchen – in einer Hülle gewaschen.<br />
Die Tänzerinnen tragen oft an mehreren Turnieren<br />
dieselben Kleider, da sie somit Wiedererkennungswert<br />
haben. Die kunstvollen Frisuren der Tänzerinnen<br />
werden ebenfalls aufwendig verziert, jedoch gilt<br />
immer die Regel, dass die Applikationen nicht jemanden<br />
verletzen könnten (durch Wegspicken oder<br />
Rumschleudern).<br />
Mark Stalder und Yulia Dreier beim Tanz um den Meistertitel. Bild: Reinhard Egli<br />
Mark Stalder aus Muri. Bild: zVg<br />
Sportpolitik<br />
Die Swiss Dance Sport Federation ist zwar Mitglied<br />
von Swiss Olympic, erhält aber keine Unterstützung<br />
von der obersten, schweizerischen Sportbehörde.<br />
«Wir erhalten von Swiss Olympic keinen Rappen für<br />
die Teilnahme an Europa- und Weltmeisterschaften»,<br />
moniert Mark Stalder. Auch die Sporthilfe lässt<br />
die Schweizer TänzerInnen im Stich. Swiss Olympic<br />
hat offensichtlich noch nicht erkannt, dass Turniertanz<br />
ein Spitzensport ist.<br />
So sind die jungen Schweizer Spitzentänzer auf die<br />
Hilfe ihrer Eltern angewiesen. Ein kleines Zubrot<br />
verdienen Mark Stalder und Yulia Dreier mit Tanzund<br />
Schaueinlagen bei Hochzeiten, Bällen und Firmenanlässen,<br />
das einen Teil der Privatstunden bei<br />
den ausländischen Trainern deckt.<br />
Das junge Paar ist nun auf der Suche nach Sponsoren.<br />
Bis jetzt hat es allerdings noch keinen gefunden,<br />
obwohl das Turniertanzen Spitzen- wie auch Breitensport<br />
ist.<br />
Wie geht es weiter?<br />
Vor wenigen Wochen hat Mark Stalder die Matura<br />
abgelegt. Bis zur RS, die er nicht in der Sportlerklasse<br />
absolvieren kann, arbeitet er als Hilfspfleger<br />
im Altersheim Buchegg. Nach der RS möchte er<br />
Medien- und Kommunikationswissenschaften an<br />
der Universität Fribourg studieren.<br />
Das nächste sportliche Ziel von Mark Stalder und<br />
Yulia Dreier ist das nationale Tanzturnier in Gümligen<br />
(Mattenhofsaal) am 4. November.<br />
Dort werden die Beiden wieder leichtfüssig übers<br />
Parkett schweben, wobei jeweils vor allem ihre Bewegungen,<br />
die Haltung und die Musikalität bewertet<br />
werden. Beim Tanzen sieht alles leicht und unbeschwerlich<br />
aus; nur die Schweisstropfen auf Marks<br />
und Yulias geschminkten Gesichtern zeugen von der<br />
Knochenarbeit, die hinter dem Turniertanzen steckt.<br />
DSC