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Einleitung<br />

ten Bombardement eines Tanklasters 56 getötete „Taliban“, also Kombattanten.<br />

Die eingehende Untersuchung dieses Luftangriffs vor dem Untersuchungsausschuss<br />

des deutschen Bundestages ergab jedoch, dass tatsächlich mehr als 100 Zivilisten<br />

getötet wurden, darunter viele Kinder. Hätte dieser Fall nicht so starke öffentliche<br />

Aufmerksamkeit erlangt, gäbe es keine genaue Untersuchung der Opferzahlen<br />

und das Ereignis wäre bei einer Zählung von „zivilen Toten“ nicht erfasst worden.<br />

Eine Beschränkung auf bestimmte Opfergruppen ist ohnehin problematisch , wenn<br />

etwa nur Menschen gezählt werden, die nach bestimmten Kriterien als Zivilisten<br />

definiert werden. Da eine solche Charakterisierung von verschiedenen Definitionen<br />

abhängt, kann ein Teil der Opfer durch das jeweils gewählte Raster fallen.<br />

Passiv gewonnene Zahlen von Kriegsopfern werden in den Medien leider oft als die<br />

realistischsten Gesamtzahlen von Kriegsopfern dargestellt. So wertvoll sie für einen<br />

ersten Eindruck vom Ausmaß der Gewalt sind, können sie tatsächlich nur Mindestangaben<br />

sein. Auch die Zahlen beteiligter westlicher Regierungen und der ihnen<br />

nahe stehenden Organisationen ergeben erwartungsgemäß kein vollständiges Bild,<br />

veröffentlichen diese doch nur, was sich absolut nicht verleugnen lässt. Wenn man<br />

der tatsächlichen Anzahl von Kriegsopfern auf die Spur kommen will, muss man<br />

aktiv nach ihnen suchen, so wie es z.B. in der von der renommierten medizinischen<br />

Fachzeitschrift „Lancet“ veröffentlichten Studie von 2006 im Irak getan wurde. 2<br />

Entgegen der verbreiteten Ansicht, die hinreichend genaue Schätzung der Gesamtzahl<br />

von Opfern eines Krieges sei unmöglich, gibt es für die Bestimmung der Opferzahlen<br />

in Kriegsgebieten wissenschaftliche Methoden. Durch repräsentative Untersuchungen<br />

lässt sich der Anstieg der Sterblichkeit in der Gesamtbevölkerung vor<br />

und während bzw. nach einer Militärintervention durchaus mit ausreichender Genauigkeit<br />

abschätzen. Aus der Änderung der Sterblichkeitsrate, d.h. dem Anteil der<br />

Bevölkerung, die in einem Jahr starb, lässt sich Gesamtzahl der Menschen ermitteln,<br />

die ohne Krieg noch leben würden, die somit direkt oder indirekt Opfer des Krieges<br />

wurden. Die Sterblichkeitsrate ist eine epidemiologische Größe, die mit aktiven,<br />

standardisierten statistischen Methoden mit einer bestimmbaren Genauigkeit ermittelt<br />

werden kann, sogar in Kriegsgebieten. Eine möglichst genaue Bestimmung dieser<br />

epidemiologischen Größe kann somit einen entscheidenden Beitrag zur wichtigen<br />

politischen Debatte leisten: zur Frage, in welchem Maße eine Militärintervention<br />

zur Verbesserung oder Verschlechterung der humanitären Situation beitrug.<br />

Die heftig geführte Diskussion um Opferzahlen ist deshalb ein wesentlicher Teil der<br />

Auseinandersetzung um die Zustimmung der Bevölkerung zu solchen Interventionen.<br />

Es erscheint deshalb nicht verwunderlich, dass Medien und sogar Universitäten<br />

in dieser politisch so wichtigen Frage, ideologisch motiviert oder durch andere<br />

Interessen geleitet, stark geschönte Zahlen wiedergeben. (Siehe Kapitel 3: Zahlenkrieg)<br />

Und dies mit großem Erfolg: In einer Umfrage im Jahr 2007 schätzten US-<br />

Amerikaner beispielsweise die Anzahl der getöteten Iraker auf weniger als 10.000. 3<br />

Sollten bis zum Jahre 2012 jedoch tatsächlich ungefähr 1,5 Millionen Iraker durch<br />

die US-Invasion umgekommen sein, wie die in dieser Studie durchgeführte Analyse<br />

der wissenschaftlichen Untersuchungen nahe legt, so wären dies 5% der gesamten<br />

Bevölkerung des Irak. Eine Zahl, die zudem ein Indikator für das Ausmaß der entsprechenden<br />

Schäden für Gesellschaft und Infrastruktur ist. Derartige Zahlen wer-<br />

2 MIT Center for International Studies, 2006, “The Human Cost of the War in Iraq: A Mortality<br />

Study 2002-2006“. http://mit.edu/humancostiraq/reports/human-cost-war-101106.pdf<br />

3 Nancy Benac, “Americans Underestimate Iraqi Death Toll“, The Huffington Post, 24.2.2007:<br />

http://www.huffingtonpost.com/huff-wires/20070224/death-in-iraq-ap-poll/

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