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MELDEVERFAHREN BEI DER ... - Poledna | Boss | Kurer

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HANS-PETER<br />

HOCHREUTENER<br />

1. ARTEN UND NATUR <strong>DER</strong> <strong>MELDEVERFAHREN</strong>,<br />

INSBESON<strong>DER</strong>E <strong>BEI</strong> KAPITALERTRÄGEN<br />

1.1 Arten von Meldeverfahren und deren Rechtsgrundlagen.<br />

Das Recht der Verrechnungssteuer kennt drei Ar ten<br />

von Meldeverfahren, welche – ausgehend vom Verrechnungssteuergesetz<br />

(VStG) – auf folgenden Rechtsgrundlagen beruhen:<br />

1. Die Meldung von der Verrechnungssteuer unterliegenden<br />

Versicherungsleistungen (vgl. Art. 7 f. VStG), mit Art. 19<br />

VStG sowie den Art. 43 ff. der Verrechnungssteuerverordnung<br />

(VStV) als Ausfüh rungsbestimmungen;<br />

2. die Meldung von der Verrechnungssteuer unterliegenden<br />

Kapitalerträgen (vgl. Art. 4, 4 a und 5 VStG) im landesinternen<br />

Bereich, mit Art. 20 VStG sowie den Art. 24 VStV, 24 a VStV,<br />

26 a und 38 a VStV [1] als Ausführungsbestimmungen und<br />

3. die Meldung von der Verrechnungssteuer unterliegenden<br />

Kapitalerträgen (vgl. Art. 4, 4 a und 5 VStG) im internationalen<br />

Bereich, mit den entsprechenden Doppelbesteuerungsabkommen<br />

(DBA) oder dem Zinsbesteuerungsabkommen mit der EU<br />

und Art. 20 VStG sowie folgenden Verordnungen als Ausführungsbe<br />

stimmungen:<br />

� Verordnung vom 22. Dezember 2004 zum schweizerischdeutschen<br />

Doppelbesteuerungsabkommen (SR 672.913.610;<br />

nachfolgend VO-DBA-D) [2]; � Verordnung vom 22. Dezember<br />

2004 zum schweizerisch-amerikanischen Doppelbesteuerungsabkommen<br />

(SR 672.933.61; nachfolgend VO-DBA-<br />

US) [3] und � Verordnung vom 22. Dezember 2004 über die<br />

Steuerentlastung schweizerischer Dividenden aus wesentlichen<br />

Beteiligungen ausländischer Gesellschaften (SR 672.203;<br />

nachfolgend VO) [4].<br />

1–2 | 2011 <strong>DER</strong> SCHWEIZER TREUHÄN<strong>DER</strong><br />

STEUERN<br />

Seit der Einführung des internationalen Meldeverfahrens im Jahr 2004 haben die Eidg.<br />

Steuerverwaltung (ESTV), die betroffenen Steuerpflichtigen und die Leistungsempfänger<br />

sowohl positive als auch negative Erfahrungen mit den rechtlichen Vorgaben<br />

sowie der Praxis dazu gemacht. Hintergründe, Problemstellungen und Verbesserungsansätze<br />

zu diesem Thema werden behandelt.<br />

<strong>MELDEVERFAHREN</strong> <strong>BEI</strong> <strong>DER</strong><br />

VERRECHNUNGSSTEUER<br />

Nationale und internationale Verfahren<br />

HANS-PETER HOCH-<br />

REUTENER, LIC. IUR.,<br />

EHEMALIGER MITAR<strong>BEI</strong>TER<br />

<strong>DER</strong> EIDG. STEUER-<br />

VERWALTUNG, KONSULENT<br />

<strong>BEI</strong> POLEDNA BOSS<br />

KURER AG, ZÜRICH<br />

1.2 Natur des Meldeverfahrens für Kapitalerträge gemäss<br />

Art. 4 VStG. Das Meldeverfahren im Bereich der Kapitalerträge<br />

gemäss Art. 4 VStG entspricht dem Bedürfnis,<br />

unnötige Umtriebe bei der Verrechnungssteuer zu vermeiden,<br />

weil sich das Ziel dieser Steuer auch ohne deren Entrichtung<br />

erreichen lässt. Dabei ist zu beachten, dass das VStG<br />

keine Abgeltungswirkung anstrebt. Sein Hauptziel besteht<br />

darin, die korrekte Deklaration im Rahmen der direkten<br />

Steuern zu sichern (Si cherungszweck der Verrechnungssteuer).<br />

Erfolgte eine solche Deklaration, ist die Verrechnungssteuer<br />

– sofern die formellen Voraussetzungen dazu<br />

erfüllt werden – zurückzuerstatten. Die Rückerstattung ist<br />

somit ein wesentlicher Bestandteil des Verrechnungssteuersystems<br />

beziehungsweise die Rückerstattungsberechtigung<br />

steht in einer direkten, unabdingbaren Beziehung zur Zielerreichung<br />

der Verrechnungssteuer. Die Erhebung dieser<br />

Steuer kann mithin nur einen «Leerlauf» darstellen, wenn<br />

feststeht, dass die Rückerstattungsberechtigung infolge korrekter<br />

Dekla ration der erhaltenen Leistung gegeben wäre.<br />

Hinsichtlich der Erträge ausserhalb der steuerbaren Versicherungsleistungen<br />

umschreibt Art. 20 VStG das oben erwähnte<br />

Bedürfnis. Es geht um die Vermeidung von unnötigen<br />

Umtrieben oder von offenbaren Härten. Gleichzeitig ist<br />

diese Bestimmung eine Delegationsnorm, welche für die<br />

Umsetzung des gesteckten Ziels vollumfänglich auf die<br />

Verordnungsebene verweist.<br />

Das Meldeverfahren stellt somit eine Modalität dar, wie<br />

die Steuerpflicht, welche sich für Kapitalerträge gemäss<br />

Art. 4 und 4 a VStG ergibt, erfüllt werden kann. Daraus<br />

folgt, dass die Thematik des Meldeverfahrens sich, was<br />

einen allfälli gen Anspruch darauf – oder auch das Fehlen<br />

eines solchen – betrifft, ausschliesslich auf die steuerpflichtige<br />

Person sel bst bezieht. Diese und niemand sonst steht hier<br />

der ESTV als Partei gegenüber (vgl. dazu insbesondere nachstehende<br />

Ziff. 4.2.3).<br />

An der Durchführung von Meldeverfahren statt der Steuerentrichtung<br />

sind indessen sowohl die Steuerpflich tigen als<br />

auch die Empfänger der betroffenen Leistungen interes siert:<br />

� Die Steuerpflichtigen erhalten den Vorteil, dass sie keine<br />

Liquidität für die Bezahlung der Verrechnungssteuer bereitstellen<br />

müssen. Dies fällt beispielsweise im Rahmen von<br />

77


STEUERN<br />

Naturalleistungen (z. B. der Übertragung von Rechten durch<br />

eine schweizerische Tochtergesellschaft auf ihre Mutter)<br />

durchaus ins Gewicht, da im Falle der Steuerentrichtung für<br />

die betroffene Leistung noch zusätzlich 35% an flüssigen Mitteln<br />

an die ESTV abgeführt werden müssen. Gerade in internationalen<br />

Konzern beziehungen entfallen auch die Währungswechsel<br />

(Change-Kosten und Kursrisiko), welche damit<br />

verbunden sind, dass eine Schweizer Holding zum Beispiel<br />

Dividenden in USD erhält und davon anlässlich ihrer eigenen<br />

Dividenden-Ausschüttung 35% zu Handen der ESTV in<br />

CHF wechseln muss, während der (ausländische) Empfänger<br />

dieser Dividende schliesslich den erhaltenen Rückerstattungsbetrag<br />

wieder in seine Währung tauschen muss. Gleichzeitig<br />

sind die Steuerpflichtigen vor späteren Überraschungen<br />

hinsichtlich der Überwälzung der Verrechnungssteuer<br />

gefeit, weil dieses Thema mit der Gewährung des Meldeverfahrens<br />

von vornherein als Risikofaktor entfällt. Soweit es<br />

um bereits länger als die Zahlungsfrist gemäss Art. 16 Abs. 1<br />

Bst. c VStG zurückliegende Leistungen geht, bewirkt die Zulassung<br />

des Meldeverfahrens gemäss Praxis der ESTV letztlich<br />

auch, dass die ESTV von der Erhebung eines Verzugszinses<br />

(Art. 16 Abs. 2 VStG) absieht. � Auf Seite der Leistungsempfänger<br />

liegt der Vorteil darin, dass sie nicht – zinslos (vgl.<br />

Art. 31 Abs. 4 VStG) – auf die Rückerstattung der Verrechnungssteuer<br />

warten müssen, sondern die steuerbare Leistung<br />

sogleich in ungekürztem Umfang entgegennehmen können.<br />

� Sowohl auf Seite der Steuerpflichtigen als auch auf derjenigen<br />

der Leistungsempfänger entfällt schliesslich auch die<br />

Gefahr unliebsamer Auswirkungen, weil die ESTV eine steuerbare<br />

Leistung möglicherweise aufgrund der Dreieckstheorie<br />

[5] andern Personen als Empfängern zuschreibt, als dies<br />

durch den Steuerpflichtigen erwartet wurde. Denn eine Bewilligung<br />

des Meldeverfahrens durch die ESTV klärt auch<br />

diese Fragestellung von vornherein zwingend und definitiv.<br />

2. EINFÜHRUNG DES <strong>MELDEVERFAHREN</strong>S<br />

IM INTERNATIONALEN BEREICH<br />

2.1 Vorgeschichte im landesinternen Umfeld. Während<br />

Jahrzehnten erfolgte die Anwendung des Meldeverfahrens<br />

auf Grundlage einer einzigen Ausführungsbestimmung,<br />

nämlich Art. 24 VStV.<br />

Erst ab dem Jahr 2000 kam plötzlich Bewegung in diesen<br />

Bereich. Auf den 1. Januar 2001 wurden gleich zwei neue<br />

Anwendungsfelder für das Meldeverfahren eröffnet:<br />

� Zum einen ging es darum, mit Art. 24 a VStV im Rahmen<br />

der Problematik des Rückkaufs eigener Beteiligungsrechte<br />

unnötige Verrechnungssteuer-Komplikationen zu verhindern<br />

(dazu gehören insbesondere Liquiditätsprobleme wegen<br />

nicht erfolgter Verrechnungssteuer-Überwälzung/Stichwort:<br />

Aufrechnung ins Hundert). Dabei entfaltete diese neue<br />

Regelung jedoch keine heraus ragende Wirkung, weil im<br />

Rahmen von Art. 4 a VStG die Hauptproblematik darin besteht,<br />

dass die seinerzeitigen Verkäufer von Beteiligungsrechten<br />

häufig gar keinen Anspruch auf die Rückerstattung<br />

der Verrechnungssteuer (mehr) anmelden könnten. � Zum<br />

anderen – und erheblich wichtiger – wurde mit Art. 26 a<br />

VStV die Ausrichtung konzerninterner Dividen den dem<br />

Meldeverfahren zugänglich gemacht.<br />

78<br />

<strong>MELDEVERFAHREN</strong> <strong>BEI</strong> <strong>DER</strong> VERRECHNUNGSSTEUER<br />

Mit Art. 26 a VStV wurde somit erstmals die Frage aufgeworfen,<br />

ob Leistungen innerhalb einer Gruppe, welche beispielsweise<br />

bei den direkten Steuern ohnehin bezüglich<br />

Steuerbelastung letztlich als Einheit wirkt, überhaupt der<br />

Verrechnungssteuer unterworfen werden sollen. Dabei bot<br />

sich das Melde verfahren als elegante Lösung an. Denn eine<br />

Entlassung konzerninterner Leistungen direkt als Ausnahme<br />

im Sinne von Art. 5 VStG aus dem Bereich der Verrechnungssteuerpflicht<br />

selbst hätte einen zu massiven Einbruch<br />

in den Grundsatz dargestellt, dass die Verrechnungssteuer<br />

hinsichtlich der Lei stungsempfänger anonym erhoben<br />

wird und dass auch Konzerngesellschaften nicht ohne weiteres<br />

rückerstattungs berechtigt sind. Schliesslich hätten<br />

sich mit Blick auf eine direkte Ausnahme gemäss Art. 5 VStG<br />

wohl auch Fragen bezüglich der Verfassungsmässigkeit –<br />

zum Beispiel mit Bezug auf das Prinzip der Allgemeinheit<br />

der Steuer – gestellt.<br />

2.2 Weiterungen im internationalen Bereich<br />

2.2.1 Ausgangslage. Faktisch war bereits vor der Schaf fung der<br />

hier behandelten Verordnungen eine Art Meldeverfahren<br />

bekannt, nämlich das sogenannte Kurzschlussverfahren.<br />

Auch bei diesem Phänomen ist die Verrechnungssteuer<br />

nicht – oder zumindest nicht vollständig (Stichwort: Sockelsteuer<br />

oder residuale Verrechnungssteuer) – zu bezahlen.<br />

Vielmehr werden die Entrichtung und die – sofern offensichtliche<br />

und insbesondere auch tatsächlich mittels Rückerstattungsformularen<br />

durchgespielte – Erstattungsberechtigung<br />

gegeneinander saldiert.<br />

Die Berücksichtigung des Kriteriums der Gruppengesellschaften<br />

im landesinternen Bereich (vgl. Art. 26 a VStV) liess<br />

den Gedanken aufkommen, «Leerläufe» innerhalb von<br />

Konzernen könnten auch auf internationaler Ebene mittels<br />

Meldeverfahren verhindert werden. Dabei stiess die ESTV<br />

schliesslich auf die heutige Lösung (vgl. zur Problematik der<br />

Rechtsgrundlagen Ziff. 2.2.2 hienach).<br />

2.2.2 Diskussion der Rechtsgrundlagen. Wie unter Ziffer 1.2 Absatz<br />

1 hievor gezeigt, liegt es auf der Hand, dass auch das internationale<br />

Meldeverfahren – da es eine gegebene Rückerstattungsberechtigung<br />

voraussetzt – nur dort denkbar ist,<br />

wo eine internationalrechtliche Basis für Rückerstattungen<br />

besteht. Als Grundlage bieten sich dabei bilaterale oder<br />

multilaterale Verträge an. Heute zählen dazu die DBA mit<br />

diversen Staaten sowie Art. 15 des Zinsbesteuerungsabkommens<br />

mit der EU.<br />

Abgesehen von dieser bereits vorgegebenen rückerstattungsrechtlichen<br />

Thematik, welche auf die DBA oder ergänzende<br />

multilaterale Staatsverträge verweist, stellte sich aber<br />

ohnehin schon ganz grundsätzlich die Frage, ob ein internationales<br />

Meldeverfahren aufgrund seines Bezugs zum<br />

Ausland nur auf staatsvertragsrechtlicher Basis eingeführt<br />

werden könnte.<br />

Auch bei der Suche nach einer Rechtsgrundlage kommt<br />

wieder zur Geltung, dass das Meldeverfahren «nur» eine<br />

Modalität der Erfüllung der Verrechnungssteuerpflicht ist<br />

(vgl. dazu Ziff. 1.2 hievor). Und diese Verrechnungssteuerpflicht<br />

bezieht sich zwingend – als steuerbegründendes<br />

<strong>DER</strong> SCHWEIZER TREUHÄN<strong>DER</strong> 2011 | 1–2


<strong>MELDEVERFAHREN</strong> <strong>BEI</strong> <strong>DER</strong> VERRECHNUNGSSTEUER<br />

Element und nicht dasjenige einer Steuerentlastung – auf<br />

das Landesrecht beziehungsweise hier auf das VStG.<br />

In der Diskussion über die Einführung eines Meldeverfahrens<br />

im internationalen Bereich konnte der Schreibende<br />

daher die Meinung vertreten, dass ein solches Projekt allein<br />

schon gestützt auf das VStG – mithin Art. 20 VStG, mit entsprechender<br />

Delegation auf die Verordnungsstufe – realisiert<br />

werden könnte. Dieser Weg hatte den erheblichen Vorteil,<br />

dass keine internationalen Verhandlungen nötig wurden und<br />

auch binnenrechtlich keine neuen gesetzlichen Grundlagen<br />

geschaffen werden mussten.<br />

Eine Basis auch für internationale Meldeverfahren war<br />

demnach mit Art. 20 VStG bereits vorhanden. Zwar verweist<br />

diese Bestimmung nur auf «die Verordnung». Dieser Wortlaut<br />

ist jedoch offensichtlich darauf zurückzuführen, dass<br />

bis zur Einführung internationaler Meldeverfahren lediglich<br />

eine einzige Verordnung überhaupt benötigt wurde,<br />

nämlich die VStV. Auch aus dem Sinn von Art. 20 VStG ergibt<br />

sich keinesfalls, dass nur die bisherige Verordnung aus dem<br />

Jahre 1966 in Frage kommen sollte. Denn der Zweck von<br />

Art. 20 VStG besteht schon gemäss seinem Wortlaut darin,<br />

bei «Kapitalerträgen» unnötige Umtriebe oder offenbare<br />

Härten zu vermeiden, und dies kann ohne weiteres auch auf<br />

den internationalen Bereich bezogen werden.<br />

1–2 | 2011 <strong>DER</strong> SCHWEIZER TREUHÄN<strong>DER</strong><br />

STEUERN<br />

Somit anerbot sich die bereits seit langer Zeit vorhandene gesetzliche<br />

Grundlage in Art. 20 VStG auch dafür, im internationalen<br />

Bereich ein Meldeverfahren einzuführen, indem<br />

neben der VStV entsprechende Ausführungsverordnungen<br />

geschaffen wurden. Gleichzeitig erwies sich aber auch als<br />

zwingend, den mit der Grenzüberschreitung des Meldeverfahrens<br />

verbundenen – insbesondere verfahrensmässigen –<br />

Besonderheiten Rechnung zu tragen (vgl. dazu die unter<br />

Ziff. 3 und 4 hienach aufgegriffenen Themenbereiche).<br />

3. GRUNDSÄTZLICHE BESON<strong>DER</strong>HEITEN DES<br />

<strong>MELDEVERFAHREN</strong>S IM INTERENATIONALEN<br />

BEREICH<br />

Zu den Praxisfragen wird auf nachstehende Ziff. 4 verwiesen.<br />

3.1 Grenzüberschreitung hinsichtlich der Rolle der<br />

Lei stungsempfänger. Das internationale Meldeverfahren<br />

müsste gar nicht besonders thematisiert werden, wenn es<br />

nicht darum ginge, dass die steuerbaren Leistungen von der<br />

Schweiz aus ins Ausland erfolgen; andernfalls würde nämlich<br />

die Regelung des landesinternen Meldeverfahrens vollauf<br />

ausreichen. Im vorliegenden Zusammenhang geht es somit<br />

zwingend immer darum, dass ein Ausländer als Leistungs-<br />

79


STEUERN<br />

empfänger vorhanden ist. Dabei hat dieser – wie bereits<br />

ausgeführt (vgl. Ziff. 1.2 Abs. 1 hievor) – die Voraussetzungen<br />

für einen Anspruch auf Rückerstattung der Verrechnungssteuer<br />

(ganz oder teilweise, wobei in letzterem Fall das Meldeverfahren<br />

von vornherein nur bezüglich dieses Teils in<br />

Frage kommt) zu erfüllen.<br />

Hinsichtlich der Rückerstattungsvoraussetzungen steht<br />

dabei keineswegs fest, dass die schweizerische steuerpflichtige<br />

Gesellschaft die Verhältnisse auf Seite des Leistungsempfängers<br />

so gut kennt, dass sie die benötigten Angaben<br />

stellvertretend für denselben liefern könnte. Dazu kommt<br />

insbesondere, dass nur der Leistungsempfänger persönlich<br />

die Rückerstattungsberechtigung geltend machen kann.<br />

Die Rolle des Leistungsempfängers ist somit für das Meldeverfahren<br />

von entscheidender Bedeutung, wobei nur er<br />

selbst für die Beantwortung der Fragen bezüglich Rückerstattungsberechtigung<br />

zuständig sein kann. Verbunden<br />

mit dem ausländischen Standort des Leistungsempfängers,<br />

kommen gleichzeitig aber auch die Interessen eines ausländischen<br />

Fiskus ins Spiel, der (ebenso) ausserhalb des schweizerischen<br />

Rechtsbereichs liegt (vgl. dazu insbes. Ziff. 3.3<br />

hienach).<br />

3.2 Binnenrechtliche Natur des internationalen Meldeverfahrens<br />

– Auswirkungen für die Regelung von Fristen.<br />

Auch der Auslandbezug des internationalen Meldeverfahrens<br />

ändert also nichts daran, dass es Gegenstand des<br />

schweizerischen Steuerrechts ist, da es «nur» eine Modalität<br />

der Erfüllung der Verrechnungssteuerpflicht darstellt. Dabei<br />

steht grundsätzlich die Entrichtung der Steuer im Vordergrund<br />

und stellt Art. 20 VStG eine Ausnahme dazu dar. Dies<br />

hat wiederum zur Folge, dass die ESTV nicht gehalten ist, die<br />

für die Steuererhebung vorgegebenen gesetzlichen Grundlagen<br />

zu verlassen. Insbesondere bleibt zu berücksichtigen,<br />

dass die Verrechnungssteuer dem Prinzip der Selbstveranlagung<br />

folgt [6], wobei gemäss Art. 12 Abs. 1 VStG sowie Art. 16<br />

Abs. 1 Bst. c VStG an die Fälligkeit der steuerbaren Leistung<br />

zuzüglich 30 Tage geknüpft wird. Angesichts dieser eindeutigen<br />

Ausgangslage es somit sachgerecht, wenn auch im<br />

Bereich des internationalen Meldeverfahrens, obschon das<br />

Verfahren durch den Einbezug des ausländischen Leistungsempfängers<br />

kompliziert wird, kurze Fristen einzuhalten<br />

sind (vgl. dazu insbes. Ziff. 4.1.4 und 4.2.4 hienach).<br />

3.3 Einbezug ausländischer Behörden in das Verfahren.<br />

Die Rückerstattungsberechtigung auf Seite der Empfänger<br />

steuerbarer Leistungen ist auch im internationalen Bereich<br />

zwingende Voraussetzung für das Meldeverfahren (vgl. dazu<br />

bereits Ziff. 1.2 Abs. 1 sowie Ziff. 3.1 Abs. 1 hievor). Andernfalls<br />

würde die Zielsetzung der DBA, nämlich die korrekte<br />

Auf teilung der Besteuerungsrechte, verletzt (vgl. dazu auch<br />

Ziff. 3.1 Abs. 2 und 3 hievor).<br />

Anderseits ist den oben stehenden Ausführungen (vgl. insbes.<br />

Ziff. 2.2.2) zu entnehmen, dass das Meldeverfahren auch<br />

im grenzüberschreitenden Verhältnis ein Thema ist, welches<br />

unilateral durch die Schweiz geregelt werden kann, sofern<br />

die soeben angesprochene Interessenlage des Auslands gebührend<br />

berücksichtigt bleibt.<br />

80<br />

<strong>MELDEVERFAHREN</strong> <strong>BEI</strong> <strong>DER</strong> VERRECHNUNGSSTEUER<br />

Beim internationalen Meldeverfahren besteht somit ein<br />

Spannungsverhältnis zwischen der binnenrechtlichen Rechtsnatur<br />

auch dieses Meldeverfahrens und dem Einbe zug ausländischer<br />

Behörden. Letzterer drängt sich dabei auf, weil<br />

allein die doppelbesteuerungsrechtlichen Entlastungsmöglichkeiten<br />

definieren, ob und inwieweit die vorausgesetzte<br />

Rückerstattungsberechtigung gegeben ist, und die Steuerbehörde<br />

des Leistungsempfängers gemäss der Ziel setzung<br />

des DBA von der steuerbaren Leistung in Kenntnis gesetzt<br />

werden muss.<br />

4. PRAXIS-LÖSUNGEN <strong>DER</strong> ESTV IM LICHTE<br />

<strong>DER</strong> BESON<strong>DER</strong>HEITEN DES <strong>MELDEVERFAHREN</strong>S<br />

IM INTERENATIONALEN BEREICH<br />

4.1 Durch die ESTV geschaffene Besonderheiten. Gestützt<br />

auf die oben gezeigte Ausgangslage hat die ESTV die<br />

Schaffung der unter Ziff. 1.1 hievor zitierten Verordnungen<br />

bewirkt. Diese liefern somit eine umfassende verfahrensmässige<br />

Regelung des Themenbereichs von Meldeverfahren<br />

für durch schweizerische Quellen ins Ausland erbrachten<br />

Kapitalerträgen.<br />

Dabei zeigt sich, dass die ESTV, nachdem die wichtigsten<br />

Hürden einmal genommen waren, sich selbst unter Zeitdruck<br />

setzte, um die mit dem Meldeverfahren für ihre «Kunden»<br />

verbundenen Vorteile raschmöglichst zur Wirkung zu bringen.<br />

Als Illustration für diese Eile lässt sich etwa darauf hinweisen,<br />

dass auch mit dem betroffenen Meldeverfahren keineswegs<br />

die Verrechnungssteuer abgeschafft wurde (vgl.<br />

dazu bereits Ziff. 1.2 hievor). Dennoch spricht die Wegleitung<br />

in ihrer Überschrift von einer «Aufhebung» der Verrechnungssteuer.<br />

Insbesondere aber hat die ESTV bei der Einführung<br />

des internationalen Meldever fahrens nicht berücksichtigt,<br />

dass die Ausdehnung dieses Verfahrens auch auf<br />

nicht förmlich beschlossene Ausschüttungen zu einer Diskriminierung<br />

des binnenrechtlichen Meldeverfahrens beziehungsweise<br />

der entsprechenden schweizerischen gruppenmässig<br />

verbundenen Leistungsempfänger (Art. 26 a VStV)<br />

führte: Bei der Anwendung von Art. 26 a VStV bestand die<br />

ESTV nämlich bis unlängst strikte darauf, dass anderweitige<br />

geldwerte Leistungen vom Meldeverfahren ausgeschlossen<br />

blieben (vgl. die selbst heute noch in Art. 26 a Abs. 1 VStV verwendete<br />

Wortwahl «Dividenden» und v. a. auch die sehr deutliche<br />

Formulierung in Ziff. 3 des Merkblatts/vgl. dazu insbes.<br />

Ziff. 4.1.2 und 4.2.2 hienach).<br />

Gesamthaft betrachtet, fallen beim Vergleich zwischen<br />

dem binnenrechtlichen und dem internationalen Meldeverfahren<br />

nachstehende Besonderheiten des grenzüberschreitenden<br />

Bereichs auf, welche durch die ESTV einge führt<br />

worden sind, und die zu Diskussionen Anlass gegeben haben<br />

oder dies noch tun.<br />

4.1.1 Grundsatzbewilligung (vertieft diskutiert unter Ziff. 4.2.1<br />

hienach). Im Unterschied zu den Meldeverfahren nach VStV<br />

hat die ESTV im internationalen Bereich eine Grundsatzbewilligung<br />

eingeführt, welche die Verrechnungssteuerthematik<br />

aufgreift, obschon von einem Anwendungsfall der<br />

Verrechnungssteuer beziehungsweise des VStG sowie der<br />

VStV noch gar keine Rede sein kann. Denn das Konzept dieser<br />

<strong>DER</strong> SCHWEIZER TREUHÄN<strong>DER</strong> 2011 | 1–2


<strong>MELDEVERFAHREN</strong> <strong>BEI</strong> <strong>DER</strong> VERRECHNUNGSSTEUER<br />

Grundsatz- oder Generalbewilligung geht davon aus, dass<br />

das diesbezügliche Verfahren bereits vor der ersten auf dem<br />

Weg des Meldeverfahrens abzuwickelnden Besteuerung<br />

stattfinden soll (vgl. dazu z. B. Art. 3 Abs. 2 VO i. V. m. Art. 5<br />

Abs. 2 VO, die belegen, dass der Verordnungsgeber als Normalfall<br />

voraussetzt, die Bewilligung sei bereits vor Ausrichtung<br />

der ersten Dividende erteilt worden). Die dieser Lösung<br />

zugrunde liegende Idee bestand offenbar darin, den interessierten<br />

Steuerpflichtigen das Verfahren insoweit zu vereinfachen,<br />

als die Frage der Erfüllung der Konzernvoraussetzungen<br />

sowie der grundsätzlichen Rückerstattungsberechtigung<br />

auf Seite der Lei stungsempfänger vorab untersucht und<br />

grundsätzlich für drei Jahre als gegeben erklärt werden<br />

sollte.<br />

4.1.2 Dividendenbegriff (vertieft diskutiert unter Ziff. 4.2.2 hienach).<br />

Internationale Meldeverfahren wurden bereits ab 2004<br />

ohne weiteres auch für nicht förmlich beschlossene Kapitalerträge<br />

gewährt, obschon sich die ESTV bei der Anwendung<br />

von Art. 26 a Abs. 1 VStV eisern auf den Standpunkt stellte,<br />

nur formell entstandene Ausschüttungen könnten Gegenstand<br />

von Meldeverfahren sein. Dabei findet dieses wörtliche<br />

Verständnis des Begriffs «Dividende» eine besonders einschlägige<br />

Bestätigung darin, dass die ESTV auch anlässlich<br />

von Anpassungen der Ziff. 3 des Merkblatts (z. B. durch den<br />

ausdrücklichen Einbezug v. Teilliquidationsdividenden) nie<br />

vom Erfordernis der Einhaltung von Ausschüttungsformalitäten<br />

abgewichen ist.<br />

4.1.3 Abklärungen im Ausland (vertieft diskutiert unter Ziff. 4.2.3<br />

hienach). Bei der Abklärung der Rückerstattungsberechtigung<br />

stellte die ESTV die hiefür entscheidenden Fragen<br />

ursprünglich direkt an die ausländischen Leistungsempfänger.<br />

Dies führte einerseits zur Problematik hoheitlichen<br />

Auftretens der ESTV im Ausland ohne Berücksichtigung<br />

1–2 | 2011 <strong>DER</strong> SCHWEIZER TREUHÄN<strong>DER</strong><br />

STEUERN<br />

völkerrechtlicher Regeln [7], zumal das Gesuch um die Gewährung<br />

des Meldeverfahrens durch den schweizerischen<br />

Steuerpflichtigen und nicht etwa den oder die ausländischen<br />

Lei stungsempfänger gestellt wird. Und anderseits bezog die<br />

ESTV damit Personen in das Meldeverfahren ein, denen im<br />

Bereich des Meldeverfahrens ohnehin gar keine Parteistellung<br />

zukommt (vgl. dazu insbes. Ziff. 4.2.3 Abs. 3 hienach).<br />

4.1.4 Nichteinhaltung von Fristen (vertieft diskutiert unter Ziff. 4.2.1<br />

sowie insbes. 4.2.4 hienach). In Fällen der Nichteinhaltung der<br />

in den entsprechenden Verordnungen aufgestellten Fristen<br />

(z. B. für die Einreichung des Gesuchs für die Generalbewilligung<br />

oder für die Einreichung des Gesuchs im Falle eines<br />

konkreten Meldeverfahrens) wurde die Frage der Wiederherstellung<br />

von Fristen [8] – oder überhaupt die Anwendung<br />

der entsprechenden Bestimmungen der VO-DBA-D, VO-<br />

DBA-US sowie der VO – innerhalb der ESTV unterschiedlich<br />

gehandhabt.<br />

4.1.5 Überschrift der Wegleitung. Abgesehen von diesen inhaltlichen<br />

Problemen stellt sich die (somit eher nebensächliche)<br />

Frage, ob die Überschrift zur Wegleitung, zumindest um<br />

Missverständnissen vorzubeugen, nicht dahingehend korrigiert<br />

werden sollte, dass es hier nicht um die Abschaffung<br />

der Verrechnungssteuer geht (vgl. bereits Ziff. 4.1 Abs. 2<br />

hievor).<br />

4.2 Diskussion der unter Ziffer 4.1 hievor<br />

aufgegriffenen Besonderheiten<br />

4.2.1 Zu Ziff. 4.1.1 (Thema der Grundsatzbewilligung) sowie 4.1.4<br />

hievor (Thema der Praxis zu Verspätungen). Es zeugt vom guten<br />

Willen der ESTV, dass sie sogar schon im Vorfeld konkreter<br />

Leistungen gestützt auf die entsprechenden Besonderheiten<br />

der Verordnungen Grundsatzbewilligungen zu Meldeverfahren<br />

abgibt. Indessen stellt sich zum einen schon die rein<br />

81


STEUERN<br />

rechtliche Frage, ob dies durch das VStG – als Delegationsgrundlage<br />

auch für internationale Meldeverfahren (vgl.<br />

Art. 20 VStG und dessen Besprechung unter Ziff. 1.2 hievor)<br />

– abgedeckt wird. Denn die Steuerpflicht nach VStG beruht<br />

gemäss der Aufzählung der steuerbaren Sachverhalte in<br />

Art. 4 und 4 a VStG ausschliesslich auf konkreten, bereits erfolgten<br />

Leistungen. Analog zu verbindlichen Auskünften<br />

können solche Grundsatzbewilligungen somit höchstens als<br />

im Vorfeld der eigentlichen Steuerpflicht abgegeben verstanden<br />

werden. Entsprechend vermögen sie zwar die ESTV zu<br />

binden; aber es ist fraglich, ob die Verordnungsbestimmungen<br />

vorschreiben können, bis wann überhaupt Gesuche um<br />

solche Bewilligungen gestellt werden dürfen. Denn zum<br />

einen befinden wir uns hier ja – wie erwähnt – noch ausserhalb<br />

des Bereichs konkreter Auswirkungen des VStG, und<br />

zum andern gibt es auch im Bereich verbindlicher Auskünfte<br />

im Allgemeinen nirgends eine rechtliche Grundlage, welche<br />

solche Auflagen ermöglichen würde.<br />

Abgesehen von dieser juristischen Betrachtung führt<br />

(oder zumindest führte) das Phänomen der Grundsatz- beziehungsweise<br />

Generalbewilligung auch zu praktischen<br />

Fragestellungen:<br />

� Einerseits haben sich nicht wenige Interessierte – wohl<br />

angesichts der bereits angesprochenen, bis zum Zeitpunkt<br />

der konkreten Leistung ohnehin fehlenden Anwendbarkeit<br />

des VStG – erst nach der Durchführung der ersten steuerbaren<br />

Leistung überhaupt erstmals an die ESTV gewandt.<br />

Dabei kam es vor, dass Mitarbeitende der ESTV – möglicherweise<br />

ebenfalls wegen dieser besonderen Problematik – diese<br />

Verspätungen unterschiedlich streng behandelten, indem<br />

sie teilweise trotzdem ohne weiteres auf entsprechende Gesuche<br />

eintraten. � Anderseits führte der Umstand, dass die<br />

Unternehmen bereits über die Generalbewilligung verfügten,<br />

dazu, dass sie nicht rechtzeitig um eine Erneuerung der<br />

Grundsatzbewilligung nachsuchten, weil die Verhältnisse<br />

während dreier Jahre unverändert geblieben waren oder weil<br />

die Dreijahresfrist schlicht vergessen wurde. Damit gingen<br />

sie eigentlich der Möglichkeit internationaler Meldeverfahren<br />

verlustig. Trotzdem hat die ESTV – wiederum wohl mit<br />

Verständnis für diese Problematik – auch diesbezüglich keine<br />

einheitliche Fristenpraxis angewandt.<br />

Angesichts dieser Problemstellungen drängt es sich im Interesse<br />

aller auf, das Phänomen der Grundsatzbewilligung<br />

ersatzlos zu streichen. Dies umso mehr, als die konkrete Berechtigung<br />

zu einem Meldeverfahren immer nur mit Blick<br />

auf die einzelne steuerbare Leistung und deren Umstände<br />

geprüft und beurteilt werden kann, mithin das Voraus-Verfahren<br />

der Grundsatzbewilligungen (auch) für die ESTV<br />

einen Zusatzaufwand bedeutet, der durchaus ins Gewicht<br />

fällt, wenn die damit verbundenen Arbeiten seriös durchgeführt<br />

werden. Diskussionen mit zuständigen Vertretern der<br />

ESTV haben gezeigt, dass diesbezüglich Gesprächsbereitschaft<br />

besteht.<br />

4.2.2 Zu Ziff. 4.1.2 hievor (Ausdehnung des Meldeverfahrens über den<br />

formellen Dividendenbegriff hinaus). Einmal mehr muss festgehalten<br />

werden, dass auch das internationale Meldever fahren<br />

82<br />

<strong>MELDEVERFAHREN</strong> <strong>BEI</strong> <strong>DER</strong> VERRECHNUNGSSTEUER<br />

nichts anderes ist als eine Modalität der Erfüllung der Verrechnungssteuerpflicht.<br />

Dabei hat die ESTV solche Meldeverfahren<br />

im Konzernbereich, was das schweizerische Binnenverhältnis<br />

betrifft, mit Art. 26 a VStV bereits ab dem 1. Januar<br />

2001 eingeführt. Wie unter Ziff. 4.1.2 hievor ausgeführt,<br />

hielt die ESTV in diesem Zusammenhang strikte an der Auslegung<br />

fest, dass der Begriff «Dividenden» gemäss Art. 26 a<br />

Abs. 1 VStV ausschliesslich auf förmlich beschlossene Ausschüttungen<br />

gemünzt ist. Im Lichte des zwingenden und<br />

direkten Bezugs auch des internationalen Meldeverfahrens<br />

zur Steuererhebung gemäss VStG ist es verfehlt, für das internationale<br />

Meldeverfahren eine unterschiedliche Auslegung<br />

zu wählen. Als Lösung bieten sich daher nur die Alternativen<br />

an, entweder den internationalrechtlichen Ansatz<br />

auch auf geldwerte Leistungen nicht-formeller Art innerhalb<br />

der Schweiz auszudehnen, oder aber die engere Auslegung<br />

von Art. 26 a Abs. 1 VStV ebenfalls auf das internationale<br />

Meldeverfahren anzuwenden.<br />

Die ESTV gibt der ersten Variante den Vorzug. Entsprechend<br />

soll auch im Binnenbereich das Meldeverfahren<br />

(Art. 26 a VStV) nicht nur für formelle Ausschüttungsbeschlüsse,<br />

sondern für alle Arten steuerbarer Leistungen angerufen<br />

werden können [9]. Störend ist dabei, dass die ESTV<br />

nicht nur auf eine Präzisierung von Art. 26 a Abs. 1 VStV selbst<br />

bis heute verzichtete (insbes. Art. 20 Abs. 1 VStV spricht ja von<br />

geldwerten Leistungen und erwähnt die Dividenden nur in<br />

Klammer), sondern ihre neue, erheblich liberalere Auslegung<br />

auch nicht wenigstens in einer Novelle des Merkblatts bekanntgegeben<br />

hat. Im Interesse einer ausgewogenen Information<br />

der interessierten Kreise wäre es daher wohl zu<br />

begrüssen, wenn die neue Praxis durch die ESTV offiziell<br />

verbreitet würde.<br />

4.2.3 Zu Ziff. 4.1.3 hievor (direkte Ansprache der ausländischen<br />

Leistungsempfänger durch die ESTV). Gelangt ein ausländischer<br />

Leistungsempfänger mit einem Rückerstattungsbegehren an<br />

die ESTV, spricht er selbst eine schweizerische Verwaltungsbehörde<br />

an. Dabei ergibt sich aus der rechtlichen Grundlage,<br />

auf welche er sich beruft, von sich aus eine Berechtigung<br />

der ESTV, den durch den Ausländer geltend gemachten Anspruch<br />

zu überprüfen. Gleichzeitig wirkt die staatsvertragliche<br />

Grundlage faktisch als Einverständnis des betroffenen<br />

ausländischen Staats, dass die Schweiz direkt mit dem<br />

Leistungsempfänger Kontakt aufnehmen kann. Andernfalls<br />

hätten die vertragschliessenden Staaten die schweizerischen<br />

internationalen Rückerstattungsformulare nicht so<br />

ausgestalten lassen, dass die ausländischen Behörden in der<br />

Regel lediglich eine Ansässigkeitsbestätigung abgeben. Denn<br />

damit überlassen sie die Prüfung der übrigen Fragen, wie<br />

zum Beispiel diejenige der missbräuchlichen Anrufung des<br />

DBA, der ESTV. Zusammenfassend ist somit in diesem Themenbereich<br />

kein Grund ersichtlich, weshalb es völkerrechtlich<br />

verpönt sein sollte, dass die ESTV sich in einen direkten<br />

Austausch mit dem Antragsteller begibt.<br />

Erheblich anders liegen die Dinge im Falle internationaler<br />

Meldeverfahren. Denn hier wendet sich ausschliesslich der<br />

inländische Verrechnungssteuerpflichtige an die ESTV.<br />

Schon völkerrechtlich ist es deshalb sehr zweifelhaft, ob hier<br />

<strong>DER</strong> SCHWEIZER TREUHÄN<strong>DER</strong> 2011 | 1–2


<strong>MELDEVERFAHREN</strong> <strong>BEI</strong> <strong>DER</strong> VERRECHNUNGSSTEUER<br />

nicht internationale Regeln verletzt werden, wenn die ESTV<br />

sich direkt an Ausländer wendet [10].<br />

Gegen einen direkten Einbezug ausländischer Kreise<br />

spricht noch ein weiterer, sowohl rechtlicher als auch praxisbezogener<br />

Punkt: Auch beim internationalen Meldeverfahren<br />

geht es um die Erfüllung einer Verrechnungssteuerpflicht.<br />

Diese kann sich nur auf den Inländer beziehen. Und<br />

wenn die Voraussetzungen für das anbegehrte Meldeverfahren<br />

nicht erfüllt sind, ist es auch allein der betroffene<br />

Steuerpflichtige, welcher dazu gehalten ist, die Verrechnungssteuer<br />

tatsächlich zu entrichten. Da es somit in ganz<br />

erheblicher Weise um eine Frage der Steuerpflicht selbst<br />

geht, ist es auch richtig, die Erfüllung der entsprechenden<br />

Voraussetzungen der in der Schweiz verrechnungssteuerpflichtigen<br />

Person zu überlassen, und zwar für sämtliche<br />

Belange des Meldeverfahrens, mithin auch die Elemente der<br />

Rückerstattungsberechtigung. Auf diese Weise kann zudem<br />

verhindert werden, dass der inländische Steuerpflichtige –<br />

allein wegen der Rückerstattungsthematik – durch eine Abweisung<br />

von Meldeverfahren in Mitleidenschaft gezogen<br />

wird, ohne dass er über eine direkte Kontaktnahme der ESTV<br />

mit dem Ausland informiert war und sich darum kümmern<br />

konnte, dass entsprechende fristenmässige Auflagen der<br />

ESTV erfüllt werden. So hat in einem konkreten Fall eine<br />

Fehladressierung der ESTV ins Ausland dazu geführt oder<br />

zumindest beigetragen, dass die zeitlichen Voraussetzungen<br />

gemäss der betroffenen Ver ordnung nicht eingehalten<br />

wurden.<br />

Abgesehen von den bereits aufgegriffenen Argumenten ist<br />

es auch unter dem Blickwinkel des Steuergeheimnisses problematisch,<br />

wenn die ESTV sich hinsichtlich Fragen zum<br />

Meldeverfahren direkt an Leistungsempfänger (im In- oder<br />

im Ausland) wendet. Denn allein schon mit der Erwähnung<br />

der (grundsätzlichen oder konkreten) Steuerpflicht eines<br />

1–2 | 2011 <strong>DER</strong> SCHWEIZER TREUHÄN<strong>DER</strong><br />

STEUERN<br />

Inländers nach VStG, welche die ESTV doch als Mindestbegründung<br />

dafür liefern muss, dass sie sich überhaupt an<br />

den Leistungsempfänger wendet, gibt die ESTV diesem eine<br />

Information preis, welche gemäss Art. 37 VStG dem Steuergeheimnis<br />

unterliegt.<br />

Zusammenfassend sei somit die Feststellung erlaubt, dass<br />

die ESTV sich auch im Bereich internationaler Meldeverfahren<br />

ausschliesslich an die das Gesuch stellende inländische<br />

Person richten sollte. Aufgrund seinerzeitiger Diskussionen<br />

wird diese Lösung heute auch auf Seite der Verwaltung als<br />

richtig betrachtet.<br />

4.2.4 Zu Ziff. 4.1.4 hievor (abschliessender Hinweis zur Frage der<br />

Fristeinhaltung [vgl. dazu bereits auch Ziff. 4.2.1 hievor]). Es liegt<br />

auf der Hand, dass die hier angesprochenen Verordnungen<br />

nicht Fristen enthalten, welche nur symbolischer Natur<br />

sind [11]. Gelangt die ESTV zum Schluss, dass eine diesbezügliche<br />

Bestimmung nicht zum richtigen Resultat führt,<br />

sollte diese entsprechend geändert werden. Andernfalls wird<br />

Rechtsunsicherheiten – sowohl auf Seite der Verwaltung als<br />

auch bei den «Kunden» – Vorschub geleistet.<br />

Abgesehen vom Thema der Generalbewilligung, dessen –<br />

auch fristenorientierte – Problematik schon deshalb entfallen<br />

sollte, weil dieses Vorausverfahren abzuschaffen ist (vgl.<br />

dazu Ziff. 4.2.1 hievor), sind die in den betroffenen Verordnungen<br />

aufgestellten Fristen grundsätzlich (vgl. als Vorbehalt<br />

Abs. 3 hienach) durchaus gerechtfertigt. Denn sie richten<br />

sich nach denjenigen, welche durch das VStG selbst ohnehin<br />

bereits aufgestellt sind, das heisst nach den zeitlichen Vorgaben<br />

für die Erfüllung der Steuerpflicht. Zumal Meldeverfahren<br />

«nur» eine Modalität dazu darstellen, besteht kein<br />

Grund, weshalb die mit dem Meldeverfahren verbundenen<br />

Vorteile für den Steuerpflichtigen auch dann gewährt werden<br />

sollten, wenn er selbst die Fristen für die Einhaltung von<br />

83


STEUERN<br />

Art. 16 Abs. 1 Bst. c VStG nicht respektiert hat. So betrachtet,<br />

erscheint allerdings auch Art. 24 Abs. 1 Bst. a VStV als problematisch.<br />

Nur: Diese Regelung steht ausdrücklich in der VStV.<br />

Daraus (bzw. aus der dazu bestehenden Praxis) kann somit<br />

nichts abgeleitet werden, solange die Verordnungen für den<br />

internationalen Bereich nicht analoge Sonderbestimmungen<br />

enthalten.<br />

Dass der internationale Bezug des hier besprochenen Meldeverfahrens<br />

zu Komplikationen führen kann, vermag nichts<br />

an der Feststellung zu ändern, dass die vorgegebenen Fristen<br />

zu respektieren sind. Sie stellen auch keinen überspitzten<br />

Formalismus dar. Denn angesichts des Massencharakters<br />

des Meldeverfahrens besteht ein öffentliches Interesse daran,<br />

dass die Verwaltung den damit verbundenen Zusatzaufwand<br />

nur in den Schranken eines möglichst reibungslosen<br />

Verfahrens auf sich nehmen muss. Es obliegt demzufolge<br />

der Gegenseite der ESTV, alles Nötige zu unternehmen,<br />

dass die Steuerpflicht – einschliesslich Meldeverfahren – korrekt<br />

erfüllt wird. Vorbehalten bleibt auch hier, was Fristen<br />

betrifft, einzig die Möglichkeit, Fälle der Nichteinhaltung<br />

von Fristen unter dem Gesichtspunkt der Frist-Wiederherstellung<br />

zu diskutieren. Dabei dürfte meines Erachtens beispielsweise<br />

auch eine nachweislich durch den betroffenen<br />

ausländischen Fiskus herbeigeführte Verzögerung, welche<br />

zur Fristverletzung führte, als akzeptabler Hinderungs-<br />

Anmerkungen: 1) Ergänzt als Auslegungshilfe<br />

der ESTV durch: Merkblatt «Gesuch um Meldung<br />

statt Entrichtung der Verrechnungssteuer für Dividenden<br />

aus Beteiligungen im schweizerischen<br />

Konzernverhältnis (Art. 26 a VStV)» vom Januar<br />

2001, Stand 30. Juni 2002 (nachfolgend Merkblatt)<br />

sowie Kreisschreiben ESTV Nr. 24 «Kollektive Kapitalanlagen<br />

als Gegenstand der Verrechnungssteuer<br />

und der Stempelabgaben» vom 1. Januar<br />

2009. 2) Ergänzt als Auslegungshilfen der ESTV<br />

durch: a) Kreisschreiben ESTV Nr. 6 «Meldeverfahren<br />

bei schweizerischen Dividenden aus wesentlichen<br />

Beteiligungen ausländischer Gesellschaften»<br />

vom 22. Dezember 2004; b) Kreisschreiben<br />

ESTV Nr. 10 «Meldeverfahren bei schweizerischen<br />

Dividenden aus wesentlichen Beteiligungen ausländischer<br />

Gesellschaften basierend auf Artikel 15<br />

84<br />

RÉSUMÉ<br />

<strong>MELDEVERFAHREN</strong> <strong>BEI</strong> <strong>DER</strong> VERRECHNUNGSSTEUER<br />

grund qualifiziert werden [12], sofern alle andern Vorgehensschritte<br />

seitens des Steuerpflichtigen sowie des oder der Leistungsbegünstigten<br />

– ebenso nachweislich – zeitlich korrekt<br />

abgewickelt wurden.<br />

5. AUSBLICK<br />

Das Meldeverfahren ist und bleibt eine gute Lösung. Es behält<br />

zum einen die Vorteile der Verrechnungssteuer als fiskalische<br />

Vorausbelastung von steuerbaren Leistungen an<br />

der Quelle bei; das heisst bei Personen, die normalerweise<br />

nicht daran interessiert sind, den Leistungsempfänger bei<br />

Steuerhinterzie hungen zu unterstützen. Und zum andern<br />

wahrt es gleichzeitig den Grundsatz der Anonymität der<br />

Leistungsemp fänger, indem es diesen anheimgestellt bleibt,<br />

ob sie sich im Rahmen der Rückerstattungsvoraussetzungen<br />

für dieses Verfahren zu erkennen geben wollen oder eine auch<br />

im internationalen Vergleich hohe Fiskalbelastung an der<br />

Quelle in Kauf nehmen.<br />

Wie aufgezeigt, stellt die Durchführung von Meldeverfahren<br />

auf Seite der ESTV hohe Ansprüche, ohne ihr dafür<br />

einen finanziellen Ausgleich zu bieten. Dass die Verwaltung<br />

dennoch für Diskussionen hinsichtlich ihrer Praxis offen ist<br />

und auch schon Verbesserungen an der Umsetzung des internationalen<br />

Meldeverfahrens vorgenommen hat, bleibt<br />

ihr daher besonders hoch anzurechnen. �<br />

Procédure de déclaration de l’impôt anticipé<br />

L’auteur se réfère aux expériences vécues durant son engagement<br />

auprès de l’Administration fédérale des contributions (AFC),<br />

dans le cadre de l’introduction de la procédure de déclaration<br />

de l’impôt anticipé sur le plan international. Il décrit l’historique<br />

de ce phénomène ainsi que son caractère. Il soulève aussi<br />

différents points liés à la pratique qui ont pu entraîner des<br />

complications et il analyse les solutions apportées. Selon<br />

l’auteur, les obstacles liés à l’application de la procédure de<br />

déclaration internationale concernent essentiellement les<br />

aspects suivants:<br />

Absatz 1 des Zinsbesteuerungsabkommens mit<br />

der EG (Ergänzung zu Kreisschreiben Nr. 6 vom<br />

22. 12. 2004)» vom 15. Juli 2005; c) «Wegleitung betreffend<br />

Aufhebung der schweizerischen Verrechnungssteuer<br />

auf Dividendenzahlungen zwischen<br />

verbundenen Kapitalgesellschaften im Verhältnis<br />

zwischen der Schweiz und den Mitgliedstaaten<br />

der Europäischen Union» vom 15. Juli 2005 (nachfolgend<br />

Wegleitung). 3) Vgl. Anmerkung 2 hievor.<br />

4) Vgl. Anm. 2. 5) Vgl. «Merkblatt zur Bestimmung<br />

des Leistungsempfängers bei der Verrechnungssteuer»<br />

der ESTV vom Februar 2001. 6) Vgl. C.<br />

Stockar in: Basler Kommentar zum VStG, N. 9 zu<br />

Art. 38 VStG sowie H. P. Hochreutener in: Les procédures<br />

en droit fiscal, Bern/Stuttgart/Wien 2005,<br />

S. 482 ff. 7) Vgl. H. P. Hochreutener in: Basler Kommentar<br />

zum VStG, N. 35 zu Art. 42 VStG. 8) Vgl.<br />

B. Maitre/V. Thalmann in: B. Waldmann/Ph. Weissenberger<br />

(Hrsg), Praxiskommentar zum Bundesgesetz<br />

über das Verwaltungsverfahren, Zürich<br />

2009, N. 1 ff. zu Art. 24 VwVG. 9) Vgl. M. Bauer-<br />

Balmelli/H. P. Hochreutener/M. Küpfer/ M. Vitali,<br />

Die Praxis der Bundessteuern, Verrechnungssteuer,<br />

Nr. 11 zu Art. 26 a VStV. 10) Vgl. Anm. 7. 11) Die<br />

Fristen beruhen auf der Delegation von Ausführungsbestimmungen<br />

zum internationalen Bereich<br />

gemäss Bundesbeschluss vom 22. Juni 1951<br />

über die Durchführung von zwischenstaatlichen<br />

Abkommen des Bundes zur Vermeidung der Doppelbesteuerung<br />

in Verbindung mit Art. 20 UStG.<br />

Entsprechend sind sie gesetzesvertretender Natur<br />

und damit ohne Wenn und Aber anzuwenden.<br />

12) Vgl. B. Maitre/V. Thalmann, aaO., N. 9 zu Art. 24<br />

VwVG.<br />

� l’obtention d’une autorisation générale préalable, en principe<br />

avant même l’échéance de la créance fiscale; � l’interprétation<br />

du terme de «dividende» dans le cadre des procédures<br />

de déclaration internationale; � les interlocuteurs de<br />

l’AFC associés à la procédure et � la pratique de l’AFC dans<br />

l’application des délais prescrits par les ordonnances qui règlent<br />

la procédure de déclaration internationale. HPH<br />

<strong>DER</strong> SCHWEIZER TREUHÄN<strong>DER</strong> 2011 | 1–2

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