Joseph Beuys
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„Wie man dem toten Hasen die Bilder erklärt“<br />
aufmerksam machen. Am rechten Fuß trug <strong>Joseph</strong> <strong>Beuys</strong><br />
eine Eisensohle, die durch ein Mikrophon verstärkt, ein<br />
klackerndes Geräusch beim Gehen erzeugte. Anschließend<br />
wurden die Türen der Galerie für das Publikum geöffnet<br />
und <strong>Beuys</strong> nahm erneut seinen Platz auf dem Schemel<br />
ein. Dort blieb er bis zum Ende sitzen und wurde so zum<br />
Teil der Ausstellung und von den Besuchern wie eines der<br />
Ausstellungsstücke betrachtet.<br />
<strong>Beuys</strong> ging es nicht um ein Verstehen im rationalen Sinn,<br />
es sollte vielmehr ein Verstehen durch Gefühle und Intuition<br />
über das Unbewusste zum Ausdruck kommen. Er<br />
selbst sagte „Ich erkläre sie ihm, weil ich sie nicht Leuten<br />
erklären mag ... Ein Hase versteht mehr als viele menschliche<br />
Wesen mit ihrem sturen Rationalismus ... Ich sagte<br />
ihm, dass er die Bilder nur gerade ansehen müsse, um<br />
zu verstehen, was wirklich wichtig an ihnen ist. Der Hase<br />
weiß vermutlich besser als der Mensch, dass Richtungen<br />
wichtig sind.“ 6) Die Menschen verlangten seiner Meinung<br />
nach angesichts geheimnisvoll erscheinender Dinge wie<br />
der Kunst stets nach rationalen Ausdeutungen, die jedoch<br />
nicht ausreichten. Es ging ihm in seiner Kunst nicht<br />
um das analytische Begreifen, sondern um das intuitive<br />
Erfassen.<br />
Die zentralen Materialen dieser Aktion waren Hase, Gold<br />
und Honig. Das Motiv vom Hasen hatte in <strong>Beuys</strong> Werk<br />
6) Schneede, Uwe M.: <strong>Joseph</strong> <strong>Beuys</strong>. Die Aktionen, Bonn 1994. S.103<br />
7) Wedewer, Romain: Über <strong>Beuys</strong>, Düsseldorf, 1972. S.31<br />
8) Gespräch mit Richard Hamilton für die BBC, aufgezeichnet am 26. Februar 1972<br />
wechselnde Bedeutungen. In dieser Aktion stellte der<br />
Hase das positive Gegenbild zum einseitig entwickelten<br />
Menschen dar. Der Hase war das Inbild für einen im Ursprünglichen<br />
noch vorzufindenden reicheren Zustand. Er<br />
war für <strong>Joseph</strong> <strong>Beuys</strong> auch ein Zeichen für Neuentstehung,<br />
Veränderung und Entwicklung: „Der Hase hat direkt<br />
eine Beziehung zur Geburt [...] Für mich ist der Hase ein<br />
Symbol für die Inkarnation.“ 7) Durch seine hakenschlagende<br />
Schnelligkeit stand der Hase auch für jenen Bewegungsmoment,<br />
der unabdingbar schien zur Überwindung<br />
der bestehenden geistigen Erstarrung. „Die Idee, einem<br />
Tier etwas zu erklären, fördert den Sinn für das Geheimnis<br />
der Welt und der Existenz, der die Imagination anspricht.<br />
Wie gesagt, noch ein totes Tier bewahrt stärkere Kräfte der<br />
Intuition als manche menschliche Wesen mit ihrem unerbitterlichen<br />
Rationalismus.“ 8)<br />
In dem sich <strong>Joseph</strong> <strong>Beuys</strong> dem Publikum verweigerte,<br />
indem er es aussperrte und ihm die Kommunikation versagte,<br />
aber eine Kommunikation ablaufen ließ, wollte er<br />
den Prozess der Imagination sowohl vorführen als auch<br />
beim Publikum in Gang setzten. Im Rückgriff auf mythische<br />
und scharmanistische Muster stellte sich <strong>Beuys</strong><br />
symbolisch als Lehrer im Geistigen dar. Er entzog sich<br />
den Menschen , um indirekt dennoch auf sie einzuwirken,<br />
er führte eine geistige Verbindung zum Tier vor, die allen<br />
anderen versagt war.<br />
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