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the life of the machines - Vladimir Stoupel

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Das hat einen streng reglementierten Tonsatz zur Folge,<br />

der (fast) bis in die letzte Note determiniert ist: Ein<br />

bestimmter Tonkomplex wird unablässig transponiert,<br />

wobei die Abfolge der Transpositionsstufen sowie die<br />

harmonischen und melodischen Bildungen im einzelnen<br />

(relativ) frei sind. Roslavets‘ Musik ist nüchtern kalkuliert,<br />

findet aber stilistisch, durch ihre naturwüchsigorganischen<br />

Gestik zu einer gestalterischen Kontrafaktur<br />

– Brüche oder gar Schnitte werden gemieden, alles wirkt<br />

auskomponiert und harmonisch gerundet. Der rationale<br />

Kalkül bzw. die Mechanik dieser Musik ist gleichsam in ihr<br />

Inneres gewendet, tritt nicht nach außen hervor. Das gilt<br />

auch für die 2. Klaviersonate aus dem Jahre 1916, ein<br />

vom Komponisten nicht selbst abgeschlossenes bzw.<br />

authorisiertes Werk, das (erst in den 1990er Jahren)<br />

aus dem Nachlaß ediert wurde. Wie bei der 4. Sonate<br />

Mossolows handelt es sich um eine einsätzige Sonate (in<br />

der Tradition Skrjabins), in der die „klassischen“ Formstationen<br />

(Exposition, Durchführung, Reprise) fast ein<br />

wenig schematisch nachgebildet sind. Aber davon ist<br />

beim Hören kaum etwas zu spüren: Wellenförmig-organisches<br />

Fortschreiten und üppig-rauschhafter Klang tragen<br />

darüber ebenso unmerklich wie elegant hinweg.<br />

Der polnisch-jüdische Komponist und Pianist Władysław<br />

Szpilman wurde am 5. Dezember 1911 in Sosnowiec (bei<br />

Kattowitz), Polen, geboren. Nach dem Besuch der Warschauer<br />

Chopin-Musikschule studierte er an der Berliner<br />

Akademie der Künste Klavier (bei Leonid Kreutzer und<br />

Arthur Schnabel) und Komposition (bei Franz Schreker).<br />

Als die Nationalsozialisten 1933 an die Macht kamen,<br />

ging er zurück in seine Heimat. Das Warschauer Ghetto<br />

überlebt er als einziges Mitglied seiner Familie. Davon<br />

berichtet Szpilman in seinem eindrucksvollen Buch „Das<br />

wunderbare Überleben - Warschauer Erinnerungen 1939-<br />

1945“, das Roman Polanski als Vorlage seines mehrfach<br />

ausgezeichneten Films „Der Pianist“ diente. Nach dem<br />

Krieg war Szpilman in leitender Funktion beim polnischen<br />

Rundfunk tätig. Mit dem Violinisten Bronislaw Gimpel,<br />

den er aus Studienjahren kannte, verband ihn eine enge<br />

Zusammenarbeit, aus der in den 1960er Jahren die Gründung<br />

des Warschauer Klavierquintetts hergehen sollte.<br />

Szpilman starb am 6. Juli 2000 im Alter von 88 Jahren in<br />

Warschau.<br />

Szpilmans Musik folgt deutlich den Zeittendenzen der<br />

1920er und 30er Jahre. So vermengt er Ernstes und Unterhaltendes,<br />

greift Jazz-Einflüsse auf und versteht es,<br />

ähnlich Kurt Weill oder Ernst Krˇenek, doppelbödig und<br />

aus ironischer Distanz zu sprechen. Szpilman ist nicht<br />

nur mit sogenannter E-Musik hervorgetreten, sondern<br />

auch mit Hörspiel- und Filmmusiken, Kinderliedern und<br />

ca. 500 Schlagern. 1961 gründete er ein Schlagerfestival,<br />

das bis heute alljährlich in Sopot stattfindet.<br />

Die Klavier-Suite „Das Leben der Maschinen“ (1934) ist<br />

vordergründig von allerlei etüdenhafter Motorik geprägt,<br />

die jedoch stets geistreich, locker und elegant gehalten<br />

ist. Der erste Satz, ohne Tempobezeichnung („Langsam<br />

anfangen“), spielt mit Ton- und Akkordrepetitionen, aus<br />

denen nach und nach gesangliche Umrisse hervortreten.<br />

Im Klangbild dominieren Sekundreibungen sowie transparente<br />

Quarten- und Septimenschichtungen. Der Andante-Mittelsatz<br />

(„Maschinen im Ruhezustand“) bietet<br />

eine zart-herbe Kantilene, untermalt von modal gefärbten<br />

Begleitakkorden; dem Mechanischen tritt hier etwas<br />

unterschwellig Folkloristisches (Mazurka-Rhythmus) zur<br />

Seite. Das Finale („Toccatina“, Allegro ritmico) schlägt<br />

den Bogen zurück zum Beginn, wobei sich das spielerisch-virtuose<br />

Element nun noch üppiger entfalten darf.<br />

Als Vorbilder sind, sowohl in pianistischer als auch<br />

kompositionstechnischer Hinsicht, Sergej Prok<strong>of</strong>jew und<br />

die französischen Impressionisten (Debussy, Ravel) erkennbar.<br />

Nicht kräftezehrendes Stampfen, sondern<br />

impressionistische Feingefühl bestimmen diese originellen<br />

Maschinenbilder. Dabei handelt es sich um mehr als<br />

nur locker aneinandergereihte Genrestücke („Suite“);<br />

die Satzfolge und -charaktere rechtfertigten durchaus<br />

den Titel „Sonatine“.<br />

Viele fortschrittliche russische Künstler setzten große<br />

H<strong>of</strong>fnungen in die Oktoberrevolution 1917. Sie begeisterten<br />

sich für die utopischen Ziele der Sowjets und h<strong>of</strong>ften darauf,<br />

ihre neuen, experimentellen Ausdrucksmittel in den<br />

Dienst des „gesellschaftlichen Fortschritts“ stellen zu<br />

können. Eine Verschmelzung von künstlerischer und politischer<br />

Avantgarde schien greifbar. Recht bald folgte indes<br />

die Ernüchterung; bereits Ende der 1920er Jahre war<br />

schöpferische Unabhängigkeit, die diesen Namen verdient,<br />

unerwünscht und verdächtig. Nicht wenige Künstler erfuh-<br />

ren Maßregelungen, Einschränkungen elementarer Freiheitsrechte<br />

und sogar Haft. Für diese tragische Entwicklung<br />

gibt der Komponist Alexander Mossolow ein anschauliches<br />

Beispiel.<br />

Geboren am 11. August 1900 in Kiew, wuchs Alexander Mossolow<br />

in bürgerlichen Verhältnissen in Moskau auf. 1918<br />

ging er als Freiwilliger zur Roten Armee und kämpfte gegen<br />

die Weißgardisten. Nach Verwundung und zeitweiliger<br />

Tätigkeit als Stummfilmpianist studierte Mossolow von<br />

1922 bis 1925 am Moskauer Konservatorium Klavier und<br />

Komposition (bei Reinhold Glière und Nikolai Mjaskowski).<br />

Bis 1928 schrieb er etwa dreißig Werke, mit denen er sich<br />

als einer der fortschrittlichsten, „linken“ Komponisten<br />

Rußlands einen Namen machte: darunter eine Kammeroper<br />

(Der Held), eine Symphonie, ein Streichquartett, Vokalzyklen,<br />

Klaviermusik und ein Klavierkonzert. Aufsehen erregte<br />

vor allem sein Orchesterstück Eisengießerei (1928),<br />

eine Arthur Honeggers Pacific 231 nachempfundene<br />

„Maschinenmusik“, für die sich auch prominente westliche<br />

Dirigenten einsetzten.<br />

1928 ist der Wendepunkt in Mossolows schöpferischer<br />

Biographie: Zur Aufführung vorgesehene Werke (u. a.<br />

eine neue Oper Der Damm) werden auf höchste Anweisung<br />

abgesetzt, und die Presse beginnt, sich abschätzig<br />

über seine Musik zu äußern. 1932 verfaßt Mossolow,<br />

noch immer auf eine Besserung der Verhältnisse h<strong>of</strong>fend,<br />

einen Brief an Stalin, in dem der sich darüber beklagt,<br />

daß seine Werke immer seltener aufgeführt und gedruckt<br />

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