1 MARIA – AQUÄDUKT GOTTES Lesung: Apg 1 ... - Patrona Bavariae
1 MARIA – AQUÄDUKT GOTTES Lesung: Apg 1 ... - Patrona Bavariae
1 MARIA – AQUÄDUKT GOTTES Lesung: Apg 1 ... - Patrona Bavariae
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
<strong>MARIA</strong> <strong>–</strong> <strong>AQUÄDUKT</strong> <strong>GOTTES</strong><br />
<strong>Lesung</strong>: <strong>Apg</strong> 1,12-14<br />
Domvikar Msgr. Dr. Bernhard Kirchgessner, Passau<br />
Haben Sie schon das spanische Segovia, das südfranzösische Nimes oder gar die Mittelmeerküste<br />
bei Caesarea Maritima in Israel besucht? All diesen Orten ist eines gemeinsam: sie zeigen, teils<br />
komplett, teils ruinenhaft erhalten, bestaunenswerte Aquädukte aus der Römerzeit. Ein Aquädukt<br />
ist eine Wasserleitung, die aus großen Granitsteinblöcken bis zu 30 Meter hoch ohne Mörtel<br />
aufeinander geschichtet ist, um das Wasser aus den Bergen in die Städte zu leiten.<br />
Das Rom der Antike war zur Zeit des Kaisers Augustus von etwa einer Million Menschen besiedelt,<br />
die täglich mit frischem Wasser versorgt werden wollten. Diese von Römern errichteten<br />
Wasserstraßen, die im Rom der Barockzeit die Brunnen speisten, beispielsweise die berühmte<br />
Fontana di Trevi, funktionieren bis in unsere Zeit. Der römische Fachausdruck für diese<br />
überirdische Wasserleitung setzt sich aus „acqua“: Wasser und „ductus“: Führung zusammen.<br />
Wer eine dieser Leitungen je sah, hat sicherlich großen Respekt vor der Leistung römischer<br />
Architekten, Statiker und Arbeiter. Ein Bewässerungssystem, das gedanklich so simpel und logisch,<br />
technisch so gigantisch und perfekt ist und seit 2000 Jahren funktioniert ist wahrlich der<br />
Bewunderung wert. Das muss unsere Zeit den Römern erst nachmachen. Wobei das heute gar<br />
nicht mehr wünschenswert wäre, denn unsere Wirtschaft lebt vom Konsum, vom ständigen Kauf;<br />
da sind Konstruktionen von 2000 jähriger Haltbarkeit eher kontraproduktiv.<br />
Was dies mit Maria zu tun hat? Nun, die Kirche hat der Gottesmutter im Laufe ihrer 2000jährigen<br />
Geschichte zahlreiche Titel zuerkannt. Sie nennt Maria beispielsweise<br />
mater Dei - Gottesmutter<br />
und stella maris - Meeresstern,<br />
rosa mystica - geheimnisvolle Rose<br />
und mater boni consilii - Mutter des guten Rates,<br />
immaculata conceptio - unbefleckte Empfängnis<br />
und auxilium christianorum - Hilfe der Christen, Mariahilf.<br />
Bernhard von Clairvaux, im 12. Jahrhundert Abt über 700 Mönche und Gründer von 68<br />
Zisterzienserklöstern, hat in einer Predigt zum Fest Mariä Geburt der Gottesmutter einen<br />
außergewöhnlichen Titel zugesprochen: Maria, das Aquädukt Gottes. Wie kommt Bernhard zu<br />
diesem eigenwilligen Titel, zu dieser eher ungewöhnlichen Metapher? Nun, er denkt in besagter<br />
Predigt über die Funktion Mariens im Heilsplan Gottes nach und erschließt diese mittels des<br />
Begriffes „Aquädukt“. Durch einen Aquädukt sei am Weihnachtsfest die „himmlische Wasserader“<br />
von Gott zu den Menschen geflossen. Dieses Aquädukt habe die Fülle der Quelle aus dem Herzen<br />
des Vaters aufgenommen und zu den Menschen geleitet. Dieses Aquädukt, auf dem Gott zu uns<br />
Menschen kommt, auf dem das lebensnotwendige Wasser fließt, ist niemand anderes als Maria.<br />
Sie „transportiert“ Gott zu uns Menschen. Dies ist gleichsam ihre von Gott zum Menschen<br />
absteigende Funktion. Maria nimmt jedoch auch eine aufsteigende Aufgabe wahr: sie lässt, in der<br />
Gegenrichtung, vom Menschen zu Gott, unser Bitten und Flehen, unser Preisen und Loben, unsere<br />
Tränen der Trauer und jene der Freude direkt in das Herz Gottes strömen.<br />
Dieser gleichsam „bernhardinisch“-mariologische Gedanke passt ganz wunderbar zur Weihe der<br />
bayerischen Bistümer an die PATRONA BAVARIAE. Durch sie, Bayerns Patronin, strömt seit<br />
Jahrhunderten in Altötting und Vierzehnheiligen, am Bogenberg und in Retzbach und an<br />
1
zahlreichen marianischen Wallfahrtsorten der Glaube als Quell allen christlichen Lebens und der<br />
durch Maria vermittelte Strom der Gnade gleichsam durch einen Gratiaedukt, eine<br />
Gnadenleitung, in unsere Diözesen hinein. Wasser gibt es in bayerischen Landen reichlich. Bayerns<br />
Christinnen und Christen bedürfen jedoch ebenso notwendig des Wassers des Lebens und des<br />
Stromes der Gnade, jenes geistigen Trankes, ohne den geistiges Leben schlichtweg vertrocknet.<br />
Wir sollten <strong>–</strong> daran erinnert uns diese Marienweihe <strong>–</strong> nicht nur Tag für Tag unseren leiblichen<br />
Hunger und Durst stillen, sondern auch unserem geistig-geistlichen Leben jene Nahrung und jenen<br />
Trank gönnen, der dieses am Leben erhält. Weh uns, wenn wir bei den heute erforderlichen<br />
strukturellen Seelsorgemaßnahmen jenes Wasser des Lebens vergäßen, das uns vor der geistiger<br />
Dürre und Trockenheit bewahrt!<br />
Und noch eines legt dieser Titel nahe, was Bernhard in seiner Predigt zwar nicht ausdrücklich<br />
erwähnt, was man jedoch als Leser seiner Schriften gerne ergänzen kann: Durch dieses Aquädukt<br />
bahnt sich Gott nicht nur in Christus einen Weg zu uns Menschen, nein, durch dieses Aquädukt<br />
lässt er auch den Strom des Heiligen Geistes fließen, wie die <strong>Lesung</strong> aus der Apostelgeschichte<br />
nahe legt, welche die Apostel nach der Himmelfahrt im Gebet um das Kommen des Geistes Gottes<br />
um Maria schart. Wollen wir also in der Geistlosigkeit dieser Zeit bestehen, wollen wir uns vom<br />
täglich auf uns einströmenden Nonsens nicht überfluten lassen, so dürfen wir zur PATRONA<br />
BAVARIAE kommen und beten:<br />
Maria, Dich hat Gott als sein Aquädukt erwählt,<br />
als Weg, auf dem er in Christus zu uns Menschen kommt,<br />
als Weg, auf dem seine Gnade uns erfasst,<br />
als Weg, auf dem sein Geist zu uns fließt,<br />
als Weg, auf dem seine Liebe zu uns strömt,<br />
uns ergreift und unser Leben reich und fruchtbar macht.<br />
Sei Du auch das Aquädukt,<br />
auf dem all unser Beten und Flehen an das Ohr Gottes dringt,<br />
unser Loben und Danken an das Herz Gottes pocht,<br />
und der kleine Tropfen unserer Liebe zu ihm hin perlt,<br />
um sich mit dem Meer seiner Liebe zu vereinen. Amen.<br />
© Msgr. Dr. Bernhard Kirchgessner, Domvikar, Passau<br />
2