Kai-Uwe Sommer - VCD
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<strong>Kai</strong>-<strong>Uwe</strong> <strong>Sommer</strong><br />
Hildesheim, den<br />
Stadt Hildesheim 08.08.2005<br />
- Rathaus -<br />
Markt 3<br />
31134 Hildesheim<br />
Bebauungsplan HM 32.1 Bahnhofsplatz - Anregungen gemäß § 3 BauGB<br />
Sehr geehrte Damen und Herren !<br />
Der o.g. Bebauungsplan wird in der Öffentlichkeit als „Umbau des Bahnhofs“ verkauft. Auch die<br />
Investorengruppe bezeichnet in ihren blumigen Papieren zum Einwickeln der Ratsmitglieder das<br />
Projekt als „Deutschlands ersten privat finanzierten ICE-Bahnhof“. Das klingt toll und suggeriert, daß<br />
Hildesheim endlich einmal in irgendwas die Nase vorn habe.<br />
Dies ist – natürlich – leider falsch. Es geht hier nicht um einen Umbau des Bahnhofs, sondern es geht<br />
einzig darum, vor den Bahnhof einen Mega-Einkaufsklotz zu setzen – zu Lasten der Bus-/Bahn-<br />
FahrradfahrerInnen und FußgängerInnen, zum Schaden des Bahnhofs und zur weiteren Abriegelung<br />
der Nordstadt von der Innenstadt; außerdem zu Lasten der Geschäfte in der südlicheren Innenstadt.<br />
Dieser Plan ist daher rundweg abzulehnen.<br />
Ein Bahnhof ist DER zentrale Punkt einer Stadt und – zumindest auch in den Sonntagsreden der<br />
PolitikerInnen – DER zentrale Punkt für eine dringend notwendige Verkehrswende zur Entlastung der<br />
Innenstädte vom MIV (Motorisierten Individualverkehr). Deswegen haben am Bahnhof die Interessen<br />
der umweltfreundlichen Mobilität den Vorrang zu haben, und nicht irgendwelche kurzfristigen<br />
Finanzinteressen einer Investorengruppe, die dort irgendein Mammutprojekt hochziehen will, um es<br />
nach drei Jahren zu verkaufen und sich den nächsten Leckerbissen zu suchen.<br />
Die Interessen der umweltfreundlichen Mobilität sind u.a.:<br />
Das Interesse der BahnkundInnen, helle, sichere, behindertengerechte und einfache Zugänge zu<br />
den Gleisen und zu Informationen zu haben.<br />
Das Interesse der BahnkundInnen, einfachen, schnellen und unproblematisch zu erreichenden<br />
Bus-Anschluß zu haben.<br />
Das Interesse der BusnutzerInnen, einen übersichtlichen zentralen Umsteige-Busbahnhof mit<br />
Anschluß an die Bahn zu haben, an dem man ohne Gefahr für Leib und Leben und ohne<br />
pitschenaß zu werden umsteigen kann.<br />
Das Interesse der BahnkundInnen, mit dem Fahrrad zügig und gefahrlos, vor allem aber legal, den<br />
Zug zu erreichen.<br />
Das Interesse der FahrradfahrerInnen, ihr Fahrrad schnell, kostenlos oder billigst und sicher<br />
unterzustellen, damit es zuverlässig nach Rückkehr wieder zur Verfügung steht.<br />
Das Interesse der FußgängerInnen, das Bahnhofsgelände schnell und sicher erreichen, queren und<br />
passieren zu können, und zwar auch in der Dunkelheit.<br />
Das Interesse der BewohnerInnen der Nordstadt, auch zu Fuß und mit dem Fahrrad nicht von der<br />
restlichen Stadt abgeschnitten zu sein und finstere Umwege in Kauf nehmen zu müssen, um vor<br />
den Bahnhof und nachts auch zurück zu kommen.
<strong>Kai</strong>-<strong>Uwe</strong> <strong>Sommer</strong><br />
Das Interesse aller Reisenden, einen zentralen Anlaufpunkt im Bahnhof zu haben (z.B. einen<br />
Tresen mitten in der Halle), an dem freundliches Personal alles zum Thema „ÖPNV in<br />
Hildesheim“ weiß und auch gerne an den Ratsuchenden weitergibt – von Bus-Fahrkarten über<br />
TeilAuto-Infomationen und Radweginformationen bis hin zu Stadtplänen usw..<br />
Das Interesse aller BürgerInnen, einen schönen Bahnhof mit Aufenthaltsqualität zu haben, der<br />
umweltfreundlich und schnell zu erreichen ist und in dem man seine Mobilitätsinteressen, aber<br />
auch kleinere Besorgungen unkompliziert verwirklichen kann.<br />
Diesen Interessen werden die vorliegenden Planungen zum Umbau des Bahnhofsvorplatzes in keiner<br />
Weise gerecht, und sie sind auch aus anderen Gründen massiv zu kritisieren :<br />
• Der Tunnel durch den Bahnhof bleibt so häßlich, wie er ist.<br />
• Die Aufgänge zu den Gleisen bleiben so häßlich und Behinderten-/Kinderwagen-/Gepäckfeindlich,<br />
wie sie sind.<br />
• RadfahrerInnen sollen wie bisher notgedrungen illegal kreuz und quer über den Bahnhofsvorplatz<br />
huschen, um zum Zug zu kommen. Ein Radweg ist entweder gar nicht vorgesehen oder auf<br />
Privatgrund der Kaufhalle vorgesehen, was nicht realisierbar ist.<br />
• Die kostenlosen, überdachten, sicheren Abstellmöglichkeiten in den Fahrradkäfigen, auf Gleis 1<br />
und zwischen den Gleisen 2 und 3 sollen ersatzlos entfallen !!!<br />
• Es sollen, wenn überhaupt, vor dem Bahnhof lachhafte 70 Fahrradbügel aufgestellt werden, wo<br />
die Fahrräder Tag und Nacht unbewacht, für jedermann zugänglich und unüberdacht stehen sollen.<br />
• Ein Fahrradparkhaus, wenn es denn überhaupt ernsthaft angestrebt werden sollte, ist durch seine<br />
abseitige Lage, Umständlichkeit und Kosten für die Masse der Gelegenheits-BahnfahrerInnen<br />
keine Alternative.<br />
• Stattdessen würden in Zukunft massenweise Fahrräder kreuz und quer auf dem Bahnhofsvorplatz<br />
herumstehen, an jedem Laternenpfahl, an Bänken, Schildern und dergleichen (ich bekenne mich<br />
schon jetzt dazu !). Und dann würden wieder die braven Fahrradhasser zetern, wie scheußlich das<br />
doch aussieht (gegen so einen gepflegten Blechkisten-Parkplatz).<br />
• Der Busbahnhof wird zu klein sein, um insbesondere zu Spitzenzeiten den gesamten Busverkehr<br />
abwickeln zu können (hier ist allerdings Abhilfe in Sicht, denn die Stadtwerke arbeiten an einem<br />
Busfahrplan, der mit allen Linien, allen Haltestellen und allen Tagen auf eine DIN-A4-Seite<br />
paßt...).<br />
• Der Busverkehr soll aus Richtung Bahnhofsallee weiter wie bisher chaotisch durch die<br />
Fußgängerströme Richtung ZOB fahren.<br />
• Der vorgesehene Kreisel dürfte sich angesichts seiner Unterdimensionierung für LKW und Busse<br />
und des zusätzlich zum Bahnhof gelockten MIV zu einem Nadelöhr entwickeln.<br />
• Die Bahnhofs-Halle wird keine Halle, sondern wird durch den Rolltreppen-Block als Halle<br />
unbrauchbar; zum Beispiel können auch keine Veranstaltungen durchgeführt werden, wie es in<br />
anderen Städten mit rührigen Bahnhofsmanagern üblich ist (ich empfehle einen Besuch z.B. im<br />
kleinen Städtchen Landau in der Pfalz, wo ein Bahnhofsmanager seit Jahren durch Konzerte u.ä.<br />
die Integration des Bahnhofs in die Stadt und die Identifikation ihrer BewohnerInnen mit dem<br />
Bahnhof vorantreibt).<br />
• Das überdimensionierte Auto-Parkhaus (ein Witz angesichts fehlender Fahrradabstellplätze mit<br />
weit geringerem Platzbedarf und angesichts nur zu 30 Prozent ausgelasteter Parkhäuser in<br />
Hildesheim einschließlich eines fast leerstehenden Parkhauses Rose !) wird zusätzlichen Verkehr<br />
zum Bahnhof locken, was auf den Zufahrtsstraßen (Steuerwalder, Peiner, Bischof-Jansen) zu<br />
Problemen und Staus führen wird.<br />
• Der Zulieferverkehr für die anfangs geplanten neuen Geschäfte (später stehen sie ja doch wieder<br />
leer...) ist völlig vergessen worden. Hier gibt es aus allen Richtungen Probleme mit LKWs, aber<br />
auch mit den ausgeladenen Waren, die dann quer durch den Fußgängerverkehr im Bahnhof in die<br />
Geschäfte geschafft werden müssen.
<strong>Kai</strong>-<strong>Uwe</strong> <strong>Sommer</strong><br />
Insgesamt muß festgestellt werden, daß hier kein BürgerInnen-Bahnhof entsteht, sondern ein privater<br />
Konsumtempel, der für die Stadt keinerlei Vorteile bietet, sondern im Gegenteil die Sorgen der<br />
Hildesheimer Kaufleute vermehren und andernorts zu noch mehr Leerstand führen wird.<br />
Nur weil Rat und Verwaltung in den vergangenen Jahren ein Bahnhofsprojekt nach dem anderen<br />
vergeigt haben, ist das noch lange kein Grund, jetzt auf Deufel komm raus jeden beliebigen Murks zu<br />
verwirklichen, nur damit überhaupt mal was passiert. Es geht hier um einen der zentralsten und<br />
wichtigsten Punkte der Stadt im Hinblick auf ihre Zukunftsfähigkeit und nicht darum, Saturn-Hansa<br />
einen neuen Markt zu erschließen.<br />
Hildesheim war schon immer bahnfeindlich eingestellt; deswegen leben wir bis heute in der mißlichen<br />
Situation, daß Elze und Kreiensen bedeutendere Bahnhöfe haben als Hildesheim. Auch der<br />
Busverkehr ist ein Stiefkind der Hildesheimer Politik (die Stadt sieht teilnahmslos zu, wie die<br />
Stadtwerke auf dem Weg zum störungs- und fahrgastfreien Betrieb immer neue Mittel zur<br />
Kundenabschreckung ersinnen – demnächst darf man die Busse womöglich nur noch vorne betreten,<br />
und das auch erst, nachdem man einen Flick-Flack vorgeführt und dabei noch ein Loblied auf den<br />
SVHi gesungen hat). FußgängerInnen stehen in Hildesheim auch an Knotenpunkten rudelweise halbe<br />
Ewigkeiten vor roten Drück-Ampeln herum. Die Fahrradfeindlichkeit schließlich ist schon legendär<br />
und hat sich gerade in der neuen Schuhstraße ein Denkmal gesetzt.<br />
Angesichts dessen wundert es kaum, daß auch beim Umbau des Bahnhofsvorplatzes ausgerechnet die<br />
umweltfreundlichen VerkehrsteilnehmerInnen unter die Räder zu geraten scheinen, während MIV und<br />
Investoren sich die Hände reiben dürfen.<br />
Andere Städte haben dagegen gezeigt, daß man Bahnhöfe zu menschenfreundlichen Orten mit<br />
Aufenthaltsqualität für die Bevölkerung machen kann.<br />
[In Bonn zum Beispiel sollte der Bahnhofvorplatz von Brune/Concepta zugebaut<br />
werden, ein Bürgerbegehren dagegen war erfolgreich. Außerdem haben dort Verbände<br />
ein wesentlich intelligenteres, umfassendes Verkehrskonzept vorgelegt. Nachzulesen<br />
im Internet unter<br />
http://www.bahnhofsvorplatz-bonn.de,<br />
http://www.vcd.org/bonn/themen/bonn.html,<br />
http://www.vcd.org/bonn/themen/bahnhofsvorplatz.html]<br />
Das darf man in Hildesheim von Rat und Verwaltung leider nicht erwarten, aber so ein Murks muß es<br />
trotzdem nicht gleich sein.<br />
Hochachtungsvoll<br />
Dieses Schreiben ist in Deutscher Sprache und nach den organisch entwickelten Grundsätzen ihrer Rechtschreibung verfaßt; Fehler sind hierbei nicht immer<br />
auszuschließen. Professorale Hirngespinste im Sinne des irrwitzigen Regelwerks der sogenannten „Rechtschreibreform“ blieben hierbei aber natürlich<br />
unberücksichtigt - weil der Text ja lesbar bleiben soll.