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Durch die Ardèche bis an den Tarn

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igen Eichenwälder, <strong>die</strong> schon <strong>den</strong><br />

Sü<strong>den</strong> versprechen. In Ste­Margue<br />

rite­Lafi gère komme ich wieder<br />

in der Gegenwart <strong>an</strong>. Dort hat<br />

es unten am Fluss ein altes Kraft ­<br />

werk, mit Hochsp<strong>an</strong>nungsleitungen,<br />

<strong>die</strong> wie Wäscheleinen über<br />

<strong>den</strong> Bergen hängen.<br />

Mitte Nachmittag erreiche ich<br />

Genolhac. Der Tag war wegen der<br />

vielen Steigungen <strong>an</strong>strengend.<br />

Vis­à­vis des Bahnhofs steht ein<br />

einla<strong>den</strong>des Hotel. Ich nehme ein<br />

Zimmer, obschon es heute keine<br />

100 Kilometer waren. Es ist wenig<br />

los vor Ort. Einmal pro Stunde<br />

hält ein brummender Dieselzug.<br />

Genolhac liegt <strong>an</strong> der attraktiven<br />

Strecke zwischen Nîmes und Clermont­Ferr<strong>an</strong>d<br />

und am Fuss des<br />

Mont Lozère. Das Dorf besitzt<br />

zwei schöne Gässchen, eine Post,<br />

einen B<strong>an</strong>komaten sowie einen<br />

grossen Platz, dem Plat<strong>an</strong>en<br />

Schat ten spen<strong>den</strong>. Aber es hat<br />

bessere Zeiten gek<strong>an</strong>nt. Bis auf<br />

meines haben alle Hotels dicht ­<br />

gemacht. Nur zwei Bistrots sind<br />

Die Felsenkirche von Peyre war auch ein Schutzbau für <strong>die</strong> Gläubigen.<br />

off en sowie auch <strong>die</strong> Bäckerei, in<br />

der sich gerade ein lei<strong>den</strong>schaft ­<br />

licher Streit abspielt. Eine Kundin<br />

schmeisst <strong>die</strong> Brote, <strong>die</strong> sie gekauft<br />

hat, aufgebracht in <strong>den</strong><br />

La<strong>den</strong> zurück. Die Ware sei verfault,<br />

schreit sie, <strong>die</strong> Boul<strong>an</strong>gère<br />

sei «une voleuse».<br />

Friedlicher geht es im Nationalparkhaus<br />

<strong>an</strong> der Gr<strong>an</strong>d’Rue<br />

zu. Es zeigt eine Ausstellung über<br />

<strong>den</strong> einheimischen Arzt Je<strong>an</strong><br />

Pellet, einen der Promotoren des<br />

1970 eröff neten Nationalparks<br />

der Cevennen. Er wird als Hum<strong>an</strong>ist<br />

beschrieben und muss sehr<br />

gebildet gewesen sein. Er befasste<br />

sich mit Mediävistik, Kartografi e<br />

und Geologie, sammelte mit seinem<br />

alten Deux­Chevaux Steine<br />

und versuchte <strong>den</strong> Bewohnern<br />

der Cevennen Mut zu machen,<br />

indem er ihnen <strong>die</strong> Liebe zur<br />

Heimat und ihren Reichtümern<br />

vermittelte. Mut war nötig. Die<br />

einst dicht besiedelten Cevennen<br />

verloren in der zweiten Hälft e des<br />

19. und im 20. Jahrhundert mehr<br />

als <strong>die</strong> Hälft e der Bevölkerung.<br />

Auslöser war im Jahr 1853 eine<br />

Seuche, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Sei<strong>den</strong>raupen befi<br />

el. Die Sei<strong>den</strong>spinnerei, mit der<br />

seit dem 16. Jahrhundert in der<br />

Auvergne viele ihr Brot ver<strong>die</strong>nt<br />

hatten, brach zusammen und erholte<br />

sich nie mehr.<br />

Der Cevennen-Nationalpark<br />

ist heute zum grossen Teil auch<br />

ein Unesco­Welterbe. Der Mont<br />

Lozère, <strong>an</strong> dessen Südr<strong>an</strong>d ich am<br />

nächsten Tag vorbeifahre, gehört<br />

mit dazu. Er besteht aus mehreren<br />

rundlichen braunen Charakterköpfen.<br />

Der höchste heisst Sommet<br />

de Finiels und erreicht<br />

1699 Meter. Natürlich sollte m<strong>an</strong><br />

da nicht einfach so mit gesenktem<br />

Kopf vorbeiradeln, <strong>den</strong>n es hat<br />

W<strong>an</strong>derwege, karge Gebirgsl<strong>an</strong>dschaft<br />

en mit alten Dörfern und<br />

Dolmen. Doch das Klima ist gerade<br />

etwas rau. Oben auf dem Col<br />

de la Croix de Berthel bläst mir<br />

ein heft iger und kühler Gegenwind<br />

ins Gesicht. Ich beneide <strong>die</strong><br />

jungen Fr<strong>an</strong>zosen, <strong>die</strong> sich fast<br />

ohne Anstrengung in der Gegen­<br />

REISEN<br />

Fr<strong>an</strong>kreich<br />

richtung nach Nizza treiben lassen.<br />

Wir treff en uns genau auf<br />

der Passhöhe, lassen gegenseitig<br />

Erin nerungsbilder von uns selber<br />

schiessen und wünschen eine<br />

gute Reise.<br />

Jetzt geht es wieder abwärts.<br />

Der Wind ist so stark, dass ich<br />

ebenso heft ig strampeln muss wie<br />

vorher beim Aufwärtsfahren. Das<br />

ermuntert mich dazu, <strong>den</strong> Pl<strong>an</strong> zu<br />

ändern. Die Leuchtstift spur führt<br />

von Florac aus über <strong>die</strong> Causse<br />

Méj<strong>an</strong>, <strong>die</strong> ausgedehnte Hochebene,<br />

<strong>die</strong> «in drei Jahrtausen<strong>den</strong><br />

von der Weidewirtschaft geformt<br />

wor<strong>den</strong> ist», schreibt <strong>die</strong> Unesco.<br />

Dort oben, fürchte ich, wird der<br />

Sturmwind ungehindert <strong>an</strong>greifen.<br />

Ich wähle deshalb <strong>den</strong> Weg<br />

durch <strong>die</strong> <strong>Tarn</strong>­Schlucht, <strong>die</strong> sich<br />

über 60 Kilometer <strong>bis</strong> nach Le<br />

Rozier windet. Diese Vari<strong>an</strong>te ist<br />

zwar touristischer und der Verkehr<br />

stärker als auf <strong>den</strong> <strong>bis</strong>herigen<br />

Wegen. Aber <strong>die</strong> Schlucht ist<br />

impos<strong>an</strong>t und pittoresk. Die zahlreichen<br />

Biegungen, «cirques» gen<strong>an</strong>nt,<br />

eröff nen immer neue Per­<br />

VCS MAGAZIN / MÄRZ 2012 21

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