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Von wegen Folter wie in Alcatraz: Steineklopfen bringt's - Waldhaus ...

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<strong>Von</strong> <strong>wegen</strong> <strong>Folter</strong> <strong>wie</strong> <strong>in</strong> <strong>Alcatraz</strong>:<br />

Ste<strong>in</strong>eklopfen br<strong>in</strong>gt's<br />

Stolz türmen Jörg, Denny und Jörg ihre Sandste<strong>in</strong>quader übere<strong>in</strong>ander. Die Säule soll<br />

demnächst an e<strong>in</strong>em Weg im <strong>Waldhaus</strong> ihren Platz f<strong>in</strong>den. Zusammen mit dem<br />

Hildrizhausener Bildhauer Guillermo de Lucca Villacis haben die drei jungen Männer<br />

Sandste<strong>in</strong>quader aus dem Schönbuch bearbeitet.<br />

<strong>Von</strong> Jan Henne<br />

HILDRIZHAUSEN. Im Zuge des BAAN-Projekts (Betreuen-Aktivieren-Appellieren-<br />

Navigieren) versucht das <strong>Waldhaus</strong> Kunst mit Jugendhilfe zu verb<strong>in</strong>den. Das Projekt richtet<br />

sich an junge ALGII-Empfänger bis 25 Jahre, die kaum e<strong>in</strong>e Aussicht auf Arbeit oder auf<br />

e<strong>in</strong>en Ausbildungsplatz haben, und soll soziales Verhalten, Arbeitsdiszipl<strong>in</strong> und<br />

Werkzeugfähigkeiten vermitteln.<br />

Letztes Jahr gab's den Prototyp: Der Nebr<strong>in</strong>ger Künstler Lutz Ackermann schuf mit<br />

Jugendlichen die W<strong>in</strong>dpfeil-Skulptur aus Metall, die heute vor dem <strong>Waldhaus</strong> steht. Das<br />

Projekt kam derart gut bei Jugendlichen und Bevölkerung an, dass es <strong>wie</strong>deraufgenommen<br />

wurde - dieses Mal mit Ste<strong>in</strong>en. Genauer gesagt mit Sandste<strong>in</strong> aus dem Schönbuch, dafür<br />

haben die Jugendlichen e<strong>in</strong>en stillgelegten Ste<strong>in</strong>bruch bei Herrenberg besucht.<br />

Auch wenn der e<strong>in</strong>e oder andere anfänglich Bedenken hatte, worauf er sich da e<strong>in</strong>gelassen<br />

hat, waren die drei Jungs schnell bei der Sache. "Am Anfang dachte ich: Naja, Ste<strong>in</strong>e klopfen,<br />

aber dann wow!! Ich halte mich ja für handwerklich unbegabt und dachte, das wird nichts,<br />

aber ich war dann doch fasz<strong>in</strong>iert", berichtet Jörg begeistert. Der 22-Jährige freut sich, etwas<br />

angefangen und zu Ende gebracht zu haben, dessen Ergebnis auch noch schön anzusehen ist.<br />

Er sei regelrecht <strong>in</strong> die Arbeit vertieft gewesen und könne sich jetzt auch e<strong>in</strong>e Ausbildung<br />

zum Ste<strong>in</strong>metz vorstellen. Am liebsten würde er sofort weitermachen und e<strong>in</strong>en härteren Ste<strong>in</strong><br />

bearbeiten, etwa Marmor, und sich e<strong>in</strong> richtig schönes Marmorschachbrett machen.<br />

Auch der 24-jährige Denny hatte zu Beg<strong>in</strong>n ganz andere Vorstellungen. "Als ich zum ersten<br />

Mal gehört habe, dass es ums Ste<strong>in</strong>eklopfen gehen soll, habe ich gedacht: <strong>Folter</strong>. Wie <strong>in</strong><br />

<strong>Alcatraz</strong>! Aber dann war's doch toll." Etwas habe ihm die Arbeit mit dem Sandste<strong>in</strong> dennoch<br />

gezeigt, nämlich dass er körperlich dr<strong>in</strong>gend etwas fitter werden sollte. "Ich arbeite so<strong>wie</strong>so<br />

lieber mit Tieren, die s<strong>in</strong>d weniger anstrengend." Der zweite Jörg im Bunde, 24 Jahre alt,<br />

wollte sich da e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en Seitenhieb nicht verkneifen und <strong>wie</strong>s Denny auf die Arbeitszeiten<br />

<strong>in</strong> der Tierpflege h<strong>in</strong>: Er selbst würde eher den Gemüsehandel vorziehen.<br />

Vordr<strong>in</strong>gen auf die Seele des Ste<strong>in</strong>s<br />

Der Meister selbst, Guillermo de Lucca Villacis, sieht <strong>in</strong> der konzentrierten Arbeit mit den<br />

tausende Jahre alten Ste<strong>in</strong>en die Möglichkeit, dass die Jugendlichen ihre Sehnsucht nach<br />

<strong>in</strong>nerer Ruhe erfüllen können. Die Ruhe der Ste<strong>in</strong>e, so der gebürtige Ecuadorianer, könne sich<br />

im Arbeitsprozess auf die Jugendlichen übertragen. Für die jungen Männer ist die Arbeit mit<br />

Hammer und Meißel daher auch e<strong>in</strong> Stück Selbstf<strong>in</strong>dung. "Es ist e<strong>in</strong>e Kommunikation<br />

zwischen Mensch und Natur. Woche für Woche wird e<strong>in</strong> neues Stück des großen<br />

Gesamtwerks erarbeitet. Jeder Jugendliche hat dabei <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Ste<strong>in</strong> e<strong>in</strong> ganz persönliches<br />

Motiv entdeckt, das er herauspräparieren möchte", erklärt de Lucca. Er selbst habe den


Jugendlichen nur e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> Werkzeug und Technik gegeben, das künstlerische<br />

Schaffen sei aber ganz ohne se<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>fluß abgelaufen.<br />

Der gelernte Bildhauer, der <strong>in</strong> Rom se<strong>in</strong> Können verfe<strong>in</strong>erte, sieht <strong>in</strong> dem e<strong>in</strong>en oder anderen<br />

sogar das Zeug zum Künstler. "E<strong>in</strong>ige von den Jugendlichen haben e<strong>in</strong> Gefühl für Kunst,<br />

vielleicht sollten sie das weitermachen. Aber ich weiß auch, dass sich von Kunst schwer leben<br />

lässt."<br />

"Kunst muss e<strong>in</strong> Lebenswunsch se<strong>in</strong>", schwärmt der kle<strong>in</strong>e Mann mit den dunklen, lockigen<br />

Haaren, der für se<strong>in</strong>e für se<strong>in</strong>e Art, den Meißel zu führen, vor allem aber <strong>wegen</strong> se<strong>in</strong>er<br />

unglaublichen Ruhe von den Jugendlichen geschätzt und bewundert wird. Diese Ruhe braucht<br />

er auch, denn bei den Ste<strong>in</strong>en - ganz gleich ob es sich nun um Sandste<strong>in</strong>e, Quarze oder<br />

Marmor handelt - kommt es ihm auf das <strong>in</strong> ihnen e<strong>in</strong>geschlossene, Jahrtausende alte<br />

Innenleben an.<br />

Man müsse sich Zeit lassen und den Ste<strong>in</strong> respektieren, sagt de Lucca. Das sei e<strong>in</strong> langer<br />

Prozess. Und so arbeitet er an manchen Ste<strong>in</strong>en schon seit Jahren, bis er e<strong>in</strong>es Tages "die<br />

Seele des Ste<strong>in</strong>es" freigelegt haben wird. "Viele Jugendlichen fehlt es anfangs an Geduld und<br />

Gefühl. Sie haben nur Kraft und machen den Ste<strong>in</strong> kaputt, aber das ist bei Sandste<strong>in</strong> nicht so<br />

schlimm, den kann man reparieren", schmunzelt de Lucca, der die Waldhäusler <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em<br />

Garten arbeiten lässt. Aber nur bei schönem Wetter, denn nur dann werde die Kunst auch gut.<br />

Beim <strong>Waldhaus</strong> s<strong>in</strong>d Betreuer und Jugendliche vom Kunstprojekt überzeugt. Für viele<br />

Jugendliche sei es der erste Kontakt zur Kunst und oftmals auch die erste Möglichkeit<br />

überhaupt, ihren Gefühlen und Gedanken Ausdruck zu verleihen. Mit dieser Form der<br />

Selbstverwirklichung und Entfaltung würden verborgene Talente der Jugendlichen gefördert<br />

und ihnen die Chance gegeben, <strong>in</strong> die Öffentlichkeit zu treten, erläutern Fatma Genc, vom<br />

Projekt BAAN und Kati Fasold-Schmid vom <strong>Waldhaus</strong>-Integrationsmanagement.<br />

E<strong>in</strong>geweiht werden soll die Sandste<strong>in</strong>-Skulptur zum Ende des Sommers. Und das nächste<br />

Projekt steht auch schon fest: Es soll Kunst mit Holz be<strong>in</strong>halten, so dass auf lange Sicht e<strong>in</strong><br />

ganzer Kunstpfad im <strong>Waldhaus</strong> e<strong>in</strong>gerichtet werden kann.

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