Impulsvortrag von Rudolf Morf ... - Witzig The Office Company
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3. November 2011 | GDI Rüschlikon<br />
OFFICE AKADEMIE<br />
SYMPOSIUM: OFFICE COLLABORATION<br />
Vom persönlichen Arbeitsplatz zum virtuellen Büro<br />
MANAGEMENT SUMMARY<br />
TECHNOLOGIE<br />
«Die neuen Technologien<br />
verstärken die menschlichen<br />
Stärken und Schwächen.»<br />
Dr. David Bosshart<br />
CEO des GDI<br />
COMMUNITIE S<br />
«Communities sind sehr wich-<br />
tig dafür, wie wir in Zukunft<br />
zusammenarbeiten werden.»<br />
Nico Luchsinger<br />
Mitgründer und CEO Sandbox<br />
KULT UR<br />
«Wichtig sind soziale<br />
Verbindlichkeiten.»<br />
Prof. Ueli Mäder<br />
Ordinarius Universität Basel
2<br />
OFFICE A K A DEMIE<br />
Martin <strong>Witzig</strong>, CEO <strong>Witzig</strong> <strong>The</strong> <strong>Office</strong> <strong>Company</strong>, eröffnete das zweite Symposium der<br />
OFFICE AKADEMIE und stellte fest: «Das Büro ist ein wichtiger Erfolgsfaktor eines<br />
Unternehmens und heute in enormem Umbruch.» Er fragte: «Welchen Einfluss hat<br />
eCollaboration auf die zukünftigen Arbeitsformen respektive Bürowelten? Wo sind<br />
die Chancen und wo die Grenzen? Was kommt auf uns zu?». Die Technik bringe eine<br />
neue Form der Zusammenarbeit mit sich und dies stehe heute beim Symposium zum<br />
<strong>The</strong>ma <strong>Office</strong> Collaboration im Zentrum. Das Symposium finde im Rahmen der OFFICE<br />
AKADEMIE statt, einer Plattform für die Entwicklung des Büros <strong>von</strong> morgen. Trends<br />
aus Wissenschaft und Praxis würden dabei aufgespürt, um sie in die tägliche Arbeit<br />
einfliessen zu lassen.<br />
«Das Büro ist ein wichtiger Erfolgsfaktor<br />
eines Unternehmens und heute in enor-<br />
mem Umbruch.»<br />
Martin <strong>Witzig</strong><br />
CEO <strong>Witzig</strong> <strong>The</strong> <strong>Office</strong> <strong>Company</strong>
3<br />
OFFICE A K A DEMIE<br />
<strong>Impulsvortrag</strong> <strong>von</strong> Dr. David Bosshart:<br />
Zukunft der Arbeit in der vernetzten Welt<br />
«Die Leute haben immer mehr Informatio-<br />
nen, doch diese machen sie nicht unbedingt<br />
gescheiter» stellte Dr. David Bosshart fest,<br />
CEO des Gottlieb Duttweiler Instituts für Wirt-<br />
schaft und Gesellschaft (GDI).<br />
«Modern sein heisst, ersetzbar sein durch<br />
andere, billigere Arbeitskräfte oder im-<br />
mer mehr auch durch Maschinen.»<br />
Dr. David Bosshart<br />
CEO des GDI<br />
Je mehr er global unterwegs sei, umso mehr stelle er fest,<br />
dass wir noch lange nicht in einer globalen Welt leben. Wir<br />
stünden erst am Anfang der Globalisierung. Allerdings<br />
seien wir immer vernetzter und damit gegenseitig abhän-<br />
giger. Der Stresslevel nehme überall zu. «Immer mehr<br />
Menschen sind permanent unterwegs». Sie seien aber<br />
nur noch für kurze Zeit an einem «Transitort» und mental<br />
bereits schon wieder weiter. So habe man beispielsweise<br />
festgestellt, dass die Menschen in den letzten zehn Jah-<br />
ren in den grossen Städten immer schneller gehen.
4<br />
OFFICE A K A DEMIE<br />
Gleichzeitig verbringe heute jeder <strong>von</strong> uns mehr Zeit mit<br />
der Technologie. Dort habe in den letzten zehn Jahren<br />
eine Verkleinerung der Geräte stattgefunden, die jedoch<br />
viel leistungsfähiger seien. Die Märkte würden <strong>von</strong> den<br />
erfolgreichen Produkten der Technologie-Unternehmen<br />
Apple, Amazon, Google und Facebook getrieben. Aller-<br />
dings verfügten die Unternehmen der Wissensgesell-<br />
schaft über viel weniger Personal als die traditionellen<br />
Unternehmen: «Modern sein heisst, ersetzbar sein durch<br />
andere, billigere Arbeitskräfte oder immer mehr auch<br />
durch Maschinen». Die Interaktion mit der Technologie<br />
bewirke eine Veränderung. Die Rituale einer ganzen Ge-<br />
neration würden <strong>von</strong> Apple geprägt. Entscheidend sei,<br />
was der Mensch mit der Technologie mache. Andererseits<br />
führe dies dazu, dass nicht kopierbare Werte wie Emo-<br />
tionalität und Gastfreundschaft immer wichtiger würden.<br />
Erstaunlich sei zudem, wie schnell die Menschen Ver-<br />
trauen zu den sozialen Netzen gewannen. Dabei stellte er<br />
folgendes fest: «Die neuen Technologien verstärken die<br />
menschlichen Stärken und Schwächen».<br />
Arbeiten in der Zukunft<br />
Wo allerdings wohnen und arbeiten wir in Zukunft? Fol-<br />
gende vier Punkte stehen gemäss Dr. Bosshart im Zen-<br />
trum:<br />
• «Places of Spaces versus Places of Flow»: Historische,<br />
museale Ferienlandschaften stehen den schnell ver-<br />
netzten Orten wie Flughäfen oder Konferenzräumen<br />
gegenüber.<br />
• Urbanisierung und Mega-Cities<br />
• Arbeit – Freizeit – Wohnen neu kombiniert: Der «Wohl-<br />
fühlfaktor» für das Arbeiten wird wichtiger. Das kann<br />
heute fast überall sein – auch im Kaffee (siehe Star-<br />
bucks Revolution) oder im Auto.<br />
• Gehdistanz schlägt Fahrdistanz: Glückliche Menschen<br />
müssen weniger pendeln und können einen grossen<br />
Teil ihrer Arbeit in Gehdistanz erledigen.<br />
Noch immer unterschätzt werde überdies die Demogra-<br />
fie: «Welt der Träume versus Welt der Erinnerungen». Die<br />
Bereitschaft der Jungen zur radikalen Veränderung sei<br />
viel grösser als jene der älteren Menschen, die bereits viel<br />
erreicht und damit mehr zu verlieren haben. Die «digital<br />
Natives» verfügten auch über ganz andere Verhaltens-<br />
muster. «Jung, asiatisch, weiblich und hungrig stehen<br />
für die Zukunft.» Ein sehr grosses Potenzial bestünde<br />
bei den Müttern. Arbeit sei genug vorhanden, allerdings<br />
nicht Erwerbsarbeit. Entscheidend werde auch der «War<br />
of Talents», jedoch nur für wenige. Wissen und Technolo-<br />
gie würden die Wirtschaft verändern. Der «Linking Value<br />
und Sociopleasure», die Fähigkeit, verbunden zu sein und<br />
lustvoll zu kommunizieren, sei eine treibende Kraft. «Die<br />
Leute haben gerne Klatsch.» Home <strong>Office</strong> alleine würde<br />
dementsprechend die Probleme nicht lösen. Der Ort wer-<br />
de aber relativiert. Wichtig sei, dass man sich wohl fühle<br />
und sozialisieren könne. Die neue und alte Welt bildeten<br />
Kontrapunkte:<br />
• Neu: Belohnung für Output, Flexibilität, Teilzeit und ver-<br />
schiedene Arbeiten<br />
• Alt: Belohnung für viele Stunden, Festanstellung, Geld-<br />
zentriert<br />
«Ganzheitliche Analyse versus Silo-Lösungen» bestimm-<br />
ten überdies die Zukunft. Wer gerne etwas verändere,<br />
habe es in Zukunft gut. Wer aber nur abholen wolle, der<br />
habe ein Problem. Entscheidend sei die interne und ex-<br />
terne Vernetzung. Sie führe zu Inspiration und sozialem<br />
Kapital.
5<br />
OFFICE A K A DEMIE<br />
«Die Einführung <strong>von</strong> UCC ist kein IT-Pro-<br />
jekt – es ist ein Change-Management-<br />
Vorhaben, welches die Mitarbeitenden<br />
beflügelt.»<br />
<strong>Rudolf</strong> <strong>Morf</strong><br />
Head of Opportunity Development<br />
Swisscom (Schweiz) AG<br />
<strong>Impulsvortrag</strong> <strong>von</strong> <strong>Rudolf</strong> <strong>Morf</strong>:<br />
Unternehmenskommunikation –<br />
Heute bereit für morgen<br />
«Zurzeit findet ein Paradigmenwechsel statt,<br />
der die Arbeitswelt und die Mitarbeitenden<br />
verändert» erläutert <strong>Rudolf</strong> <strong>Morf</strong>, Head of<br />
Opportunity Development Swisscom (Schweiz)<br />
AG. Dieser sei eine grosse Herausforderung<br />
für die IT und die Menschen.
6<br />
OFFICE A K A DEMIE<br />
1863 beschrieb Jules Verne als erster die Idee des Inter-<br />
nets. 1999 verfasste eine Studentin an der Universität<br />
Konstanz eine Diplomarbeit zum <strong>The</strong>ma Telearbeit mit<br />
folgenden Hauptpunkten:<br />
• Wissen tritt an die Stelle <strong>von</strong> Kapital<br />
• Ausweitung des Dienstleistungssektors als Folge der<br />
ICT (Informations- und Kommunikationstechnologie)<br />
• Veränderte Berufsstruktur, die gleichzeitig eine verän-<br />
derte Sozialstruktur hervorruft<br />
Heute würden die privaten Gewohnheiten zur Business-<br />
Realität. Dies verändere die Sozial- und Berufsstruktur.<br />
ICT sei im Wandel, so würden beispielsweise in 60 Sekun-<br />
den eine Million Dinge auf Facebook ausgetauscht, 30‘000<br />
Apps heruntergeladen oder drei Millionen Videos auf<br />
YouTube angeschaut. «Die sozialen Medien haben bereits<br />
heute einen grossen Anteil der Kommunikationswege er-<br />
obert.»<br />
«In der Schweiz nutzen 5.1 Millionen User das Internet.»<br />
Damit gehörten wir zur Weltspitze. Bei den 14 bis 25-Jäh-<br />
rigen seien sogar 100% Internet-Nutzer und 24% aller<br />
Haushaltungen nutzten das Internet auch mobil. Damit<br />
sei wohl die <strong>von</strong> David Potter, Gründer und Chairman <strong>von</strong><br />
PSION Computers UK, 1996 dargestellte Vision «<strong>The</strong> futu-<br />
re of business will be wireless» heute alltägliche Realität<br />
geworden.<br />
Zusammenarbeitsbedürfnisse der Mitarbeitenden<br />
Was aber ist den Mitarbeitenden bei der Zusammenarbeit<br />
wichtig? Gemäss einer Umfrage ergaben sich folgende<br />
vier Hauptpunkte:<br />
• Persönliche Effektivität<br />
• Effektive Ad-hoc Kommunikation an verteilten Stand-<br />
orten<br />
• Fachkompetenzen und Informationen einfach finden<br />
• Effektive Gestaltung und Organisation <strong>von</strong> Meetings und<br />
Terminen<br />
«Die Innovationstreiber sind in Zukunft das Business und<br />
die Benutzer» ist <strong>Morf</strong> überzeugt. Die Verbreitung sei<br />
neu unkontrolliert, dynamisch, bedürfnis- und service-<br />
orientiert. Beispiele dafür seien Social Media und Apps.<br />
Dadurch würden die Unternehmen in einem riesigen<br />
Spannungsfeld stehen, was für die IT-Organisation gros-<br />
se Herausforderungen mit sich bringe. «Make oder Buy<br />
ist dabei die Frage», wobei folgende Punkte zu beachten<br />
seien:<br />
• Business-Excellence und IT wird den Kern der IT do-<br />
minieren<br />
• Erfolgsfaktor: Trennung <strong>von</strong> IT-Demand und IT-Supply<br />
• Demand-Management entwickelt sich zum Business-<br />
Transformation-Management<br />
• Die Rolle des CIO teilt sich in die Rollen des CPOs und<br />
CTOs<br />
Managed Communications und Collaboration könne dabei<br />
auf den verschiedensten Ebenen Erleichterungen brin-<br />
gen und biete extrem viele Möglichkeiten. So realisierte<br />
Swisscom bei sich selbst innerhalb eines Jahres zwei<br />
Unified Communications und Collaborations (UCC) – Rol-<br />
louts. Dadurch konnten im Laufe eines Jahres beispiels-<br />
weise 4400 Arbeitstage sowie acht Millionen Reisekosten<br />
eingespart werden. Die Zeit könne nun <strong>von</strong> den Mitarbei-<br />
tenden besser genutzt werden und es entstehe mehr Kre-<br />
ativität. Deshalb ist <strong>Morf</strong> überzeugt: «Die Einführung <strong>von</strong><br />
UCC ist kein IT-Projekt – es ist ein Change-Management-<br />
Vorhaben, welches die Mitarbeitenden beflügelt». Das Pi-<br />
lotprojekt bei <strong>Witzig</strong> <strong>The</strong> <strong>Office</strong> <strong>Company</strong> hat das grosse<br />
Potenzial an Effizienzsteigerung, Kostenreduktion und<br />
kreativer Anwendung ebenfalls dokumentiert. So werden<br />
heute beispielsweise alle Mitarbeitenden einmal monat-<br />
lich in einer Lunch-Akademie über das Collaboration-Tool<br />
LYNC weitergebildet.
7<br />
OFFICE A K A DEMIE<br />
<strong>Impulsvortrag</strong> <strong>von</strong> Nico Luchsinger:<br />
Die Macht der Communities<br />
«Communities sind extrem wichtig dafür, wie wir in Zukunft zu-<br />
sammenarbeiten werden» ist Nico Luchsinger, Mitgründer und CEO<br />
Sandbox, überzeugt.<br />
«Entscheidend ist die Kombination <strong>von</strong><br />
Weak und Strong Ties.»<br />
Nico Luchsinger<br />
Mitgründer und CEO Sandbox<br />
Als Beispiel dafür fügte er die Geschichte <strong>von</strong> Nathani-<br />
el Wittemore an, der wegen des Ausbruchs des Vulkans<br />
Eyjafjallajökull in London strandete. Um die Zeit dort am<br />
besten zu überbrücken, führte er die Veranstaltung Tedx-<br />
Volcano durch. Allerdings standen ihm für die Vorberei-<br />
tungen nur 32 Stunden zur Verfügung, kein lokales Netz-<br />
werk, keine Branchenkontakte und praktisch kein Geld.
8<br />
OFFICE A K A DEMIE<br />
Dank den Communities Ted und Sandbox wurde die Ver-<br />
anstaltung jedoch ein voller Erfolg. Entscheidend dabei<br />
war, dass «Weak Ties» als «Strong Ties» genutzt wurden.<br />
«Strong Ties» sind im Dorf, der Familie oder in kleinen<br />
Teams zu finden. Sie verfügen über Eigenschaften wie<br />
persönlich, lokal, beziehungsorientiert, offline und emoti-<br />
onal. Vertrauen, Einsetzbarkeit, eine limitierte Reichwei-<br />
te und viel Unterhalt zeichnen sie ebenfalls aus. «Weak<br />
Ties» sind hingegen unmittelbar, online, anonym, divers<br />
und interessenbasiert. Merkmale wie eine grosse Reich-<br />
weite, der Informationsaustausch, wenig Unterhalt, eine<br />
Asymmetrie und das Technologiegetriebene sind dabei<br />
bestimmend.<br />
Curated Innovation Communities<br />
Die Verbindung <strong>von</strong> «Weak Ties» und «Strong Ties» nennt<br />
Luchsinger «Group Ties». Sie sind aktivierbar, unmittel-<br />
bar, online und offline sowie divers. Zusätzlich sind sie<br />
auch einsetzbar, halboffen und haben eine grosse Reich-<br />
weite. Im Weiteren sind die Unterhaltskosten tief und sie<br />
sind technologiegetrieben. Diese «Group Ties» sind in<br />
«Curated Innovation Communities» zu finden, wie Sand-<br />
box eine ist. Sie haben folgende Merkmale:<br />
• Vertrauensrahmen: Innen- versus Aussenwirkung <strong>von</strong><br />
Communities, Selektion (nicht jeder kann teilnehmen)<br />
und gemeinsame Erfahrungen.<br />
• Karma aufbauen: Das Vertrauen kann bei Bedarf akti-<br />
viert werden. Bei globalen Unterfangen ist dies jedoch<br />
schwierig.<br />
• Kuratierte Diversität: Die Haupteigenschaft <strong>von</strong> Inno-<br />
vation ist Diversität. Die mächtigsten Communities sind<br />
jene, welche divers sind.<br />
• Dezentralisierung: Das Ziel ist es, den Mitgliedern zu<br />
ermöglichen, sich selbst zu verwirklichen.<br />
• Gemeinsamer Zweck und Ziel: Ein expliziter Zweck ist<br />
notwendig. Es ist der entscheidendste Faktor.<br />
• Technologie: Die Technologie ist ein Enabler.<br />
Entsprechend ist Luchsinger überzeugt: «Communities<br />
sind effizient und innovativ». Sie helfen beispielsweise<br />
bei der Suche, der Distribution, beim Feedback-Einho-<br />
len, sind Inspiration, Unterstützung, Kooperation und<br />
Kollaboration. «Entscheidend dabei ist die Kombination<br />
<strong>von</strong> Weak und Strong Ties.» Er glaubt, dass diese Orga-<br />
nisationsform in Zukunft sehr wichtig werde. Die Gründe<br />
dafür sind, dass eine konstante Innovation notwendig ist<br />
und immer mehr «Weak Ties» vorherrschen. Auch eine<br />
höhere Komplexität und schnellere Entwicklung sind da-<br />
für bezeichnend. «Curated Communities sind dynamisch,<br />
sehr schnell anpassbar und wahrhaft New Ways of Wor-<br />
king». Sie führten zu einer Veränderung der Kultur, der<br />
Verhaltensmuster und der Zeit. «Sie sind effizienter und<br />
entsprechen der Kollaboration und Kommunikation, wel-<br />
che sich die zukünftige Generation gewöhnt ist» meint<br />
Luchsinger abschliessend.
9<br />
OFFICE A K A DEMIE<br />
Podiumsdiskussion<br />
Ch. Pauk: Werden die neuen Kommunikationslösungen<br />
nach deren Einführung überhaupt genutzt?<br />
B. Anderegg: «Ja, es sind jedoch über längere Zeit Schu-<br />
lungen notwendig. Alle Telefone wurden bei uns abge-<br />
schafft. Daran mussten sich viele zuerst gewöhnen. Nie<br />
mehr besetzt zu sein, löst auch Stresssituationen aus.<br />
Mehrere Telefongespräche und auch Instant Messages<br />
können gleichzeitig erfolgen.»<br />
R. <strong>Morf</strong>: «Bei uns ergaben sich nach der Einführung der<br />
Collaboration-Tools schnell grosse Communities, aller-<br />
dings auch Widerstände. Diese hatten aber vielfach mit<br />
den unterschiedlichen Führungsstilen zu tun. Mitarbeiter<br />
sind oft viel offener und positiver für Neues oder Verände-<br />
rungen als ihre unmittelbaren Vorgesetzten.»<br />
Dr. D. Bosshart: «Je grösser ein Unternehmen ist, umso<br />
schneller kann Kapital mit einem Experiment vernichtet<br />
werden.»<br />
«Nie mehr besetzt zu sein, löst auch<br />
Stresssituationen aus.»<br />
Bruno Anderegg<br />
Leiter Operations & ICT,<br />
<strong>Witzig</strong> <strong>The</strong> Offi ce <strong>Company</strong>
10<br />
OFFICE A K A DEMIE<br />
Ch. Pauk: Fühlt sich der Mitarbeitende heimatlos, wenn er<br />
kein eigenes Pult mehr hat?<br />
Prof. U. Mäder: «Ja, je nach Typ schon. Das eigene Pult<br />
gibt Halt. Mehr Flexibiltät kann die Kommunikation för-<br />
dern. Sie kann Mitarbeitenden aber auch das Gefühl ge-<br />
ben, manövriert zu werden. Der Trend im Moment lautet:<br />
Je schneller, desto besser. Doch in welche Richtung geht<br />
die Reise? Geht es einfach darum, permanent die Effizienz<br />
zu optimieren? Oder gibt es noch andere Ziele und eine<br />
Verständigung darüber, was sinnvolle Arbeit ausmacht?<br />
Wichtig ist, dass sich Mitarbeitende wirklich einbringen<br />
können. Das gibt Halt und Motivation.»<br />
B. Anderegg: «Wer nicht gerne kommuniziert, macht es<br />
auch nicht mit einer neuen Technik.»<br />
N. Luchsinger: «Wenn alle kein eigenes Pult mehr haben<br />
ausser der Chef, funktioniert es nicht. Bei uns hat nie-<br />
mand ein eigenes Pult und es funktioniert sehr gut. Es ist<br />
auch gut für die <strong>Office</strong>-Hygiene.»<br />
Prof. U. Mäder: «Vor 100 Jahren verbrachte man einen<br />
Drittel der Lebenszeit am Arbeitsplatz. Heute sind es we-<br />
niger als 10%. Früher bestand auch ein hohes Mass an<br />
sozialer Kontrolle. Heute findet die Kontrolle anders statt,<br />
zum Beispiel über Mitarbeitende im offenen Büro. Das<br />
kann ebenfalls sehr einschränken. Was mir zu denken<br />
gibt, ist die starke Zunahme der Diagnose Depression, vor<br />
allem bei den Tüchtigsten. Hinzu kommt: Wer sich bis vor<br />
wenigen Jahren beruflich besonders mobil und flexibel<br />
verhielt, bekam meistens mehr Lohn. Heute häufen sich<br />
hingegen die finanziellen Abstiege just in diesen Kreisen.<br />
Und: Wer einseitig Bonus fokussiert ist, verliert zudem an<br />
intrinsischer Motivation.»<br />
N. Luchsinger: «Plattformen alleine schaffen keine Frei-<br />
heiten. Der Vertrauensrahmen dabei ist entscheidend.»<br />
Ch. Pauk: Schaffen die Managed Communications und<br />
Collaboration Tools nicht einfach Transparenz und Kon-<br />
trolle?<br />
R. <strong>Morf</strong>: «Die Gefahr und Risiken bestehen, doch das Po-<br />
sitive überwiegt. Die Ergebnisse, welche wir heute beim<br />
Projekt UCC@Swisscom messen, sind nicht die Folge <strong>von</strong><br />
Verhaltensvorschriften. Die Resultate ergaben sich <strong>von</strong><br />
selbst dank der Einführung und Schulung der Mitarbei-<br />
tenden, durch die tägliche Anwendung sowie durch das<br />
Ausprobieren. Was dabei sicher eine Rolle spielte, war,<br />
dass am Anfang die Positiv-Denkenden und Neugierigen<br />
durch ihr eigenes Verhalten und Vorleben rasch viele<br />
Nachahmer fanden.»<br />
«Eine Kultur der Anerkennung ist extrem<br />
wichtig.»<br />
Prof. U. Mäder:<br />
Ordinarius für Soziologie<br />
an der Universität Basel<br />
«Plattformen alleine schaffen keine Frei-<br />
heiten. Der Vertrauensrahmen dabei ist<br />
entscheidend.»<br />
Nico Luchsinger<br />
Mitgründer und CEO Sandbox<br />
«Mitarbeiter sind oft viel offener und po-<br />
sitiver für Neues oder Veränderungen als<br />
ihre unmittelbaren Vorgesetzten.»<br />
<strong>Rudolf</strong> <strong>Morf</strong><br />
Head of Opportunity Development<br />
Swisscom (Schweiz) AG
11<br />
OFFICE A K A DEMIE<br />
Prof. U. Mäder: «Es gibt solche und andere Unternehmen.<br />
Einige setzen auf Vertrauen, andere wieder mehr auf mili-<br />
tärische Disziplin. Enge Kontrollen fördern jedenfalls den<br />
Dienst nach Vorschrift.»<br />
Dr. D. Bosshart: «Wer nur Convenience sucht, wird <strong>von</strong><br />
solchen Systemen aufgesogen. Wir in der Schweiz haben<br />
aber mit unseren Tugenden wie Pünktlichkeit, Disziplin,<br />
usw. gute Voraussetzungen.»<br />
Prof. U. Mäder: «Ja, im internationalen Vergleich steht die<br />
Schweiz relativ gut da. Und dazu sollten wir Sorge tragen.<br />
Wichtig sind soziale Verbindlichkeiten. Sie haben einen<br />
hohen Wert. Wenn wir sie aufweichen, dreht die Spirale<br />
nach unten. Eine Offenheit, die alles offen lässt, verunsi-<br />
chert und führt dazu, sich ins Schneckenhaus zu verkrie-<br />
chen oder hektisch vorwärts zu flüchten.»<br />
Dr. D. Bosshart: «Heute ist man in der Chefrolle extrem<br />
unter Druck. Man wird fast notwendig zum Soziopathen.<br />
In der Mitte befinden sich dann die Ahnungslosen und un-<br />
ten die Verlierer.»<br />
Ch. Pauk: Was braucht es für ein funktionierendes Open<br />
Space?<br />
R. <strong>Morf</strong>: «Das Büro ist ein Arbeitsraum. Fokusräume, die<br />
den jeweiligen Arbeiten angepasst sind, sind wichtig.»<br />
Dr. D. Bosshart: « Es gibt Trendsetter wie Apple, die meis-<br />
tens im Technologiebereich angesiedelt sind. Sie werden<br />
<strong>von</strong> jüngeren Mitarbeitenden bestimmt und sind sozusa-<br />
gen im Düsenjet-Tempo unterwegs. Das Gegenteil da<strong>von</strong><br />
ist beispielsweise der Banken-Sektor, der hierarchischer<br />
und diskreter organisiert ist. Bezüglich der Geschäftsmo-<br />
delle sind wir im Porsche-Tempo unterwegs. So wie wir<br />
uns organisieren und miteinander austauschen, bewegen<br />
wir uns im Fahrradtempo und politisch sogar im Schne-<br />
ckentempo. Diese Level-Unterschiede stellen die grösste<br />
Herausforderung dar. Die Beziehung Mensch – Technolo-<br />
gie ist entscheidend.»<br />
Prof. U. Mäder: «Eine Kultur der Anerkennung ist extrem<br />
wichtig. Wenn das Kapital mehr Wert ist als die menschli-<br />
che Arbeit, bricht der soziale Zusammenhalt auseinander.<br />
Wirtschaftliche Unternehmen benötigen ein demokrati-<br />
sches Korrektiv. Sonst hyperventilieren sie.»<br />
Charlotte Pauk fasste abschliessend zusammen: «Der<br />
Mensch steht immer im Zentrum. Das Büro ist in Entwick-<br />
lung und je nach Unternehmenskultur verschieden.»<br />
«Heute ist man in der Chefrolle extrem<br />
unter Druck.»<br />
Dr. David Bosshart<br />
CEO des GDI<br />
«Der Mensch steht immer im Zentrum.»<br />
Charlotte Pauk<br />
Moderation, Chefredaktorin, iO Management
12<br />
OFFICE A K A DEMIE<br />
Abschluss<br />
Martin <strong>Witzig</strong> übernahm schliesslich das Schlusswort<br />
und eröffnete den Apéro Riche im GDI – einem Ort, der<br />
immer schon für Innovation und das Aufspüren gesell-<br />
schaftlicher Trends bekannt war. In angeregten Diskus-<br />
sionen wurde das <strong>The</strong>ma <strong>Office</strong> Collaboration weiter<br />
vertieft und auch das intensive Netzwerken kam dabei<br />
nicht zu kurz.