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Lot 317 - Gutachten Dr. Alfter, Bad Pyrmont, den ... - Nagel Auktionen

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Die Reichsstadt Augsburg ist unbestritten im 17. und 18. Jahrhundert<br />

das Warenhaus des Luxus von europäischem Rang. Gleich,<br />

ob es sich um kostbare Kunstkammermöbel, um Goldschmiedearbeiten,<br />

um <strong>Dr</strong>uckgrafik, Malerei oder um Automatenuhren und<br />

wissenschaftliche Instrumente handelt, die hochqualifizierten<br />

Werkstätten der Stadt Augsburg versorgten <strong>den</strong> europäischen<br />

Kun<strong>den</strong>kreis des Hochadels mit Luxuswaren höchster Qualität.<br />

Dabei spielt die Produktion der Kabinettschränke als<br />

Gemeinschaftswerk verschie<strong>den</strong>er, zünftig organisierter<br />

Werkstätten eine besondere Rolle. Der elfenbeinfurnierte, reich<br />

bemalte und ideenreich ausgestattete Kabinettschrank, der im<br />

Auktionshaus <strong>Nagel</strong> angeboten wird, ist in Hinblick auf die besondere<br />

Qualität in der Entwicklung des Augsburger Möbeltypus ein<br />

Kabinettschrank von außergewöhnlicher Bedeutung.<br />

Das kostbare Möbel mit seiner reichen Malerei auf <strong>den</strong><br />

Außenflächen war mir lediglich bekannt über die Möbel-<br />

Fotosammlung des Stockholmer Nationalmuseums. Im Dezember<br />

1933 wurde dieser Kabinettschrank der schwedischen Sammlung<br />

des Jean Jahnssons in Stockholm auf einer Auktion angeboten.<br />

Allerdings vermittelten die Fotografien wenig von der Größe<br />

und Qualität dieses Prunkmöbels. Der Form nach entspricht der<br />

Kabinettschrank, der nun im Auktionshaus <strong>Nagel</strong> angeboten wird,<br />

dem Typus eines elfenbeinfurnierten Kleinmöbels, das als<br />

Augsburger „Trüchlein“ in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts gern<br />

als Minnegabe, als Liebesbeweis verschenkt wurde. Diese kleinen<br />

Kästchen sind ausgesprochen reich mit Bildprogrammen ausgestattet<br />

und sehr variantenreich ausgeführt. Die Gruppe dieser kostbaren<br />

Trüchlein lässt sich über ganz Europa in öffentlichen und privaten<br />

Sammlungen nachweisen.<br />

Das Stuttgarter Möbel hingegen ist schon aufgrund der<br />

Abmessungen von einer vollkommen anderen Qualität. Es handelt<br />

sich um einen bedeuten<strong>den</strong> Kabinettschrank, der ganz in der<br />

Tradition der Kunstkammermöbel der ersten Hälfte des 17.<br />

Jahrhunderts steht. Es ist das Produkt einer hochqualifizierten<br />

Werkstatt, das nach Ende des 30-jährigen Krieges in <strong>den</strong> 50er und<br />

60 Jahren des 17. Jahrhunderts Möbeltypen entwickelte, die sich<br />

der Konkurrenz der stark an Bedeutung wachsen<strong>den</strong><br />

Hofwerkstätten stellen musste.<br />

So ungewöhnlich dies klingen mag, der Glanz dieses<br />

Augsburger Möbels liegt zunächst einmal in der prächtigen<br />

Farbigkeit des äußeren Erscheinungsbildes. Die drei Schauseiten<br />

leben durch das helle Elfenbeinfurnier und durch die Rahmung der<br />

bemalten Felder mit Hilfe vergoldeter Flammleisten. Die Allegorien<br />

der vier Jahreszeiten sind Mittelpunkt der vier reich gerahmten<br />

Hauptfelder auf <strong>den</strong> bei<strong>den</strong> Schmalseiten und der Hauptfront.<br />

Darüber hinaus ziehen auf Elfenbein gemalte Pflanzenbilder von<br />

der Sockelzone hinauf bis hoch zum kastenartigen Aufsatz, der sich<br />

nach oben aufklappen lässt. Auch hier wird auf der Innenseite des<br />

Deckels die thematische Malerei fortgesetzt in Form der Bemalung<br />

der Eckfelder mit <strong>den</strong> vier Elementen Wasser – Luft – Erde und<br />

Feuer, die zudem eingebettet sind in die bei<strong>den</strong> Sinnbilder der Tag-<br />

und Nachtzeit.<br />

Die Rückseite des Möbels bildet darüber hinaus eine klar<br />

strukturierte Intarsien-Bilderwelt aus Palisanderholz, Ebenholz<br />

und Elfenbein, die sich zu geometrischen Sternmotiven zusammenfügen.<br />

Die stabilen Tragegriffe an der Seite machen das Möbel<br />

leicht transportfähig.<br />

Das farbig gestaltete Bildprogramm mit floralen und figürlichen<br />

Bildmotiven stammt vermutlich von einer Augsburger<br />

Werkstatt, wie der des Melchior Küsel, der bei Merian in Frankfurt<br />

gelernt hat. Die Bildvorlagen sind vorzüglich auf die<br />

Elfenbeinmalerei übertragen. Schon hier kommt der Gedanke, dass<br />

die Funktion dieses Augsburger Möbels die Bedingungen eines<br />

Kunst-kammermöbels erfüllen kann. Die seitlich angebrachten<br />

Tragegriffe weisen auch darauf hin, dass sich der Kabinettschrank<br />

leicht von einem Ort zum anderen Ort bewegen lässt. Diese<br />

Beweglichkeit ist eine Voraussetzung für die Betrachtung der<br />

Gegenstände, die in <strong>den</strong> Schubla<strong>den</strong> verwahrt wer<strong>den</strong>.<br />

Aber nun zunächst der Blick auf <strong>den</strong> geöffneten Schrank.<br />

Geben die Flügeltüren <strong>den</strong> Blick auf die Hauptfront frei, ist man<br />

überrascht, wie klar und einfach gegliedert die Schubla<strong>den</strong>front um<br />

das mittlere Gelass angeordnet ist. Auch die Türinnenseiten sind<br />

geprägt von einer klassischen Architektursprache. Eine solche<br />

Struktur ist für die Kunstkammermöbel der ersten Hälfte des<br />

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