Lot 317 - Gutachten Dr. Alfter, Bad Pyrmont, den ... - Nagel Auktionen
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17. Jahrhunderts nicht <strong>den</strong>kbar. Zum ersten Mal erhält man hier<br />
eine Vorstellung, wie sich Augsburger Möbelwerkstätten von <strong>den</strong><br />
manieristisch wirken<strong>den</strong> Möbeln aus der Generation der ersten<br />
Hälfte des 17. Jahrhunderts verabschie<strong>den</strong> und Wege suchen, die<br />
<strong>den</strong> Vorstellungen und der Mode der barocken Zeit eher entsprechen.<br />
Diese um das mittlere Fach angelegte Schubla<strong>den</strong>front wirkt<br />
ganz besonders auf Grund der reduzierten, auf Weiß und Gold<br />
begrenzten Farbenwelt. In jedem Detail, ob in der Konstruktion<br />
der Schubla<strong>den</strong>, ob in der Art, wie Geheimfächer versteckt wer<strong>den</strong>,<br />
ob in der Wahl der Beschläge oder in der ganz modernen<br />
Türaufhängung – es sind alles unverkennbare Handwerkselemente<br />
der Augsburger Tischlerkunst, die von höchster technischer<br />
Fertigkeit sind.<br />
Aus meiner Sicht steht dieses einzigartige Augsburger Möbel<br />
für eine neue Generation von Möbeln, die zu jener Zeit Wege<br />
suchen, um auch künftig am europäischen Wettbewerb der<br />
Luxusmöbel-Herstellung teilnehmen zu können.<br />
Dieser Augsburger Kabinettschrank kann sich aber noch<br />
nicht völlig aus dem Gestaltungsbild der großen Vorbilder lösen,<br />
hat aber gerade mit der Schaufront der Schubla<strong>den</strong> einen ersten<br />
Weg gefun<strong>den</strong>. Im schwedischen Schloss Skokloster befindet sich<br />
ein elfenbeinfurnierter Kabinettschrank aus dem Besitz des Grafen<br />
Magnus Brahe, der ebenfalls um 1650/60 datiert wird. Dieses<br />
Möbel ist völlig auf die Schaufront konzentriert und verzichtet<br />
sogar auf die verschließbaren Flügeltüren. Der Schrank wird ausführlich<br />
in der Publikation „Kabinettskap pa Skokloster“,<br />
Skokloster slott 1985 (Kat.-Nr. 9) von Johan Knutson vorgestellt.<br />
Im Nationalmuseum Stockholm befindet sich darüber hinaus ein<br />
elfenbeinfurniertes, farbig fein bemaltes Kästchen, das mit der reichen<br />
anallogischen Bemalung durchaus einen engen Zusammenhang<br />
mit dem Stuttgarter Möbel herstellt.<br />
Welche Funktion mag dieser Augsburger Kabinettschrank mit<br />
seinem auf die Natur bezogenem Bildprogramm besitzen? Alles<br />
spricht dafür, dass es sich hier um ein Kunstkammermöbel zur<br />
Unterbringung einer naturkundlichen Sammlung handelt.<br />
Schwe<strong>den</strong> war schon im 17. Jahrhundert bekannt für eine Vielzahl<br />
hoch bedeutender Sammlungen auf dem Gebiet der Naturalia. Die<br />
Anordnung der Schubla<strong>den</strong> mit und ohne Geheimfächer, die<br />
Materialvielfalt und die in der Malerei formulierten kosmologischen<br />
Gedankenbilder können dafür sprechen, dass es sich hier<br />
tatsächlich um ein Möbel zur Bewahrung einer naturkundlichen<br />
Sammlung handelt.<br />
Aus diesem Grunde möchte ich, obwohl doch deutlich hier<br />
und dort leichte Gebrauchsspuren zu bemerken sind, diesen<br />
Kabinettschrank zu <strong>den</strong> Augsburger Kunstkammermöbeln zählen,<br />
die in der Zeit um 1650/1660 mit neuen Gestaltungsideen an die<br />
große Blütezeit der frühen Kabinettschränke Augsburger<br />
Kabinettschränke anknüpfen. Es handelt sich bei diesem elfenbein-