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Jahresbericht 2009 - AWO Bezirksverband Weser-Ems

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Vorwort<br />

Seit Anfang 2010 wird immer wieder über ein Thema in den Medien berichtet: Sexuelle<br />

Gewalt in kirchlichen Einrichtungen und Schulen.<br />

Es begann im Januar mit dem Berliner Canisius-Kolleg der Jesuiten. Der dortige Leiter wollte<br />

die jahrzehntelange Vertuschungspraxis nicht länger tolerieren und informierte rund 500<br />

Abiturienten der Jahrgänge 1975 bis 1983 über Missbrauchsfälle in diesem Zeitraum.<br />

Der erstmalige offensive Umgang mit sexueller Gewalt an einer katholischen Schule kam<br />

einem Dammbruch gleich.<br />

Fast täglich gibt es seit dem Meldungen aus allen Teilen der Bundesrepublik, u. a. das Bonner<br />

Alosius-Kolleg der Jesuiten, das Benediktiner-Gymnasium in Ettal, ein inzwischen<br />

geschlossenes Internat in Cloppenburg, das Elite Internat Schloss Salem am Bodensee. Über<br />

200 Opfer haben sich gemeldet und dutzende Täter namentlich benannt. Die überwiegende<br />

Zahl der Fälle stammt aus den 50er, 60er und 70er Jahren und ist somit strafrechtlich verjährt.<br />

Die Nordwest-Zeitung vom 13.03.2010 titelte "Papst vom Skandal erschüttert". Die<br />

katholische Kirche spricht von ihrer schwersten Krise seit 1945.<br />

Längst zieht die Enthüllungswelle aber schon weitere Kreise über die katholischen Kirchen<br />

hinaus. Inzwischen gibt es Berichte über Missbrauchsfälle auch aus anderen Schulen und<br />

Behindertenheimen.<br />

Das Ausmaß der Opfer, die jetzt an die Öffentlichkeit drängen, ist so überwältigend, dass der<br />

Deckmantel des Schweigens nicht länger funktionierte. Auch die Bundesregierung musste<br />

nun in Form eines runden Tisches aktiv werden. Auf der Tagesordnung stehen Hilfen für die<br />

Opfer, Aufarbeitung, Vorgehen gegen die Täter, Prävention und Überprüfung von<br />

gesetzlichen Rahmenbedingungen. Doch niemand kann behaupten, von den Enthüllungen<br />

völlig überrascht worden zu sein, höchstens von der Dimension, aber nicht von der Tatsache,<br />

dass sexuelle Gewalt – auch – in pädagogischen Einrichtungen in katholischer Trägerschaft<br />

stattfand und stattfindet.<br />

Jahrzehntelang herrschte ein Kartell des Wegschauens und Vertuschens. Erschreckend, wenn<br />

man heute liest, dass es gängige Praxis war, sexuell übergriffige Täter in der katholischen<br />

Kirche stillschweigend auf andere Stellen zu versetzen. Kein Gedanke an die Opfer, keine<br />

strafrechtliche Verfolgung dieser Straftat und keine Maßnahmen zum Schutz weiterer<br />

potentieller Opfer.<br />

Es ist bekannt, wie schwer es Kindern fällt, sich jemandem anzuvertrauen, wenn sie sexuelle<br />

Übergriffe erleiden. Sie schweigen, weil es zu beschämend wäre, über das Ekelige zu reden,<br />

was ihnen widerfahren ist. Sie glauben, selbst Schuld zu sein und bekommen dies auch vom<br />

Täter eingeredet: "Das findest du doch auch schön.“<br />

Je geliebter und geachteter der Täter vom Kind wird, desto einfacher ist es, das Kind zu<br />

verwirren und ihm seine Gefühle auszureden.<br />

Kirchliche Würdenträger stellten gerade in den 50er und 60er Jahren unangreifbare<br />

Autoritäten dar. Selbst heute noch würde es einem Kind nicht leicht fallen, sich gegenüber<br />

einem Kirchenmann mit Missbrauchsvorwürfen Gehör zu verschaffen.<br />

So schwer ist es für Kinder ernstgenommen zu werden, wenn sie von sexueller Gewalt<br />

berichten, dass sie – statistisch gesehen – vier Erwachsene ansprechen müssen, bevor ihnen<br />

der vierte glaubt.<br />

Wie viel Verzweiflung braucht es, dass ein Kind nach ersten Zurückweisungen nicht aufgibt.

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