Magazin Wirtschaft 11.12 - DMT produktentwicklung AG
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Wer hat‘s erfunden?<br />
Vom indischen tee-automaten über die automatisierung von zellkulturen<br />
bis hin zum neuartigen hydraulikmotor sind kleine und mittlere Unternehmen<br />
aus der region um ideen und Erfindungen nicht verlegen. Wie aber<br />
kommen sie in die Praxis? Muss man um seine ideen fürchten? Wie kann<br />
man sie vorantreiben? finden sich unter <strong>Wirtschaft</strong>sförderern, hochschulen,<br />
Produktionsbetrieben und Weltkonzernen verlässliche Partner?<br />
Er gehört zum indischen Essen wie<br />
Naan-Brot: Indischer Tee, Chai genannt<br />
und mit Milch aufgekocht. Was<br />
der Gast nicht weiß, ist, wie es danach in der<br />
Küche aussieht. „Die Zubereitung ist bis heute<br />
mittelalterlich“, erklärt Ravinder Issar, Inhaber<br />
des Restaurants und Hotels Kohinoor<br />
in Esslingen. „Man steht am Herd, mischt<br />
Milch, Gewürze und Teebeutel und darf sich<br />
dann nicht von der Stelle rühren – sonst<br />
kocht die Milch über und anschließend gibt<br />
es eine Menge zu putzen.“ Also kann derjenige,<br />
der den Tee kocht, in derselben Zeit weder<br />
kellnern noch andere Arbeiten verrichten.<br />
Bereitet man die Mischung hingegen im<br />
Voraus zu, ist der Tee einfach nicht frisch,<br />
wenn er auf den Tisch kommt.<br />
Eine schöne, aber unpraktische Tradition<br />
also – die Ravinder Issar mit einem von ihm<br />
entwickelten Tee-Automaten modernisieren<br />
möchte. „Die Idee habe ich schon<br />
lange mit mir herumgetragen, aber<br />
alleine bin ich nicht weitergekommen“,<br />
erinnert sich der 55-jährige<br />
Gastronom. Bis er aus einem Zeitungsartikel<br />
erfuhr, dass die IHK<br />
in solchen Fällen Hilfestellung leistet.<br />
Von da an ging es Schritt für<br />
Schritt voran. Zunächst prüfte die Steinbeis-<br />
Stiftung, ob solch eine Technologie patentfähig<br />
wäre. Dann ließ Ravinder Issar seinen<br />
Tee-Automaten deutschlandweit und international<br />
patentieren. Unter der Leitung des<br />
Ingenieurs Achim Herdtle von der Hochschule<br />
Esslingen entwickelten Studierende<br />
anschließend einen ersten Prototypen –<br />
doch alsbald kam das Vorhaben ins Stocken.<br />
Übrigens nicht etwa, weil es an guten Ideen<br />
gemangelt hätte! „Für die weitere Entwicklung<br />
fehlten 120 000 Euro“, schildert Ravinder<br />
Issar den für viele Erfinder typischen<br />
Engpass.<br />
Aufgeben kam zu diesem Zeitpunkt für<br />
ihn jedoch nicht mehr in Frage – stattdessen<br />
tat sich ein weiterer Partner auf. „Hightech<br />
aus dem Allgäu!“, schwärmt Ravinder Issar.<br />
„Die Firma SFA in der Nähe von Ravensburg<br />
ist Spezialist für Sondermaschinen, Fertigung<br />
und Automation.“ Mittlerweile ist SFA<br />
zu 50 Prozent am Projekt beteiligt. Die Technologie<br />
halten die Partner noch geheim,<br />
doch sobald der Prototyp fertig gestellt wird,<br />
will Ravinder Issar sich damit an die Stuttgarter<br />
Business Angels wenden.<br />
Die wiederum dürften reges Interesse zeigen,<br />
denn der Markt ist riesig. „Es leben 30<br />
Millionen Inder außerhalb Indiens“, rechnet<br />
Ravinder Issar vor, „und ganz Indien sowie<br />
Pakistan, Bangladesch, die arabischen Länder<br />
und viele mehr trinken Tee. Eigentlich<br />
komisch, dass noch nie jemand solch eine<br />
Maschine entwickelt hat.“ Hinzu kommen<br />
die Restaurants in ganz Europa, die alle mit<br />
der überkochenden Milch zu kämpfen haben;<br />
allein in Großbritannien gibt es an die<br />
Es gibt durchaus hemmschwellen<br />
in der deutschen industrie,<br />
was innovationen betrifft.<br />
10 000 indische Gastrobetriebe. Mit einem<br />
Tee-Automaten, wie er von Ravinder Issar<br />
entwickelt wurde und der rund 200 Euro<br />
kosten soll, können die Gastronomen nicht<br />
nur Arbeitszeit, sondern bares Geld sparen,<br />
denn die Menge von Gewürzen und Ingwer<br />
wird genau abgestimmt, so dass kein Abfall<br />
anfällt.<br />
„All solche Facetten eines neuen Produktes<br />
gilt es zu vermarkten – eine wahnsinnig<br />
spannende Aufgabe“, sagt Reginald Baum,<br />
Geschäftsführer des Esslinger Unternehmens<br />
TecNetwork. Der Ingenieur ist darauf<br />
spezialisiert, technische Innovationen produkt-<br />
und produktionsreif zu machen und<br />
Anwender dafür zu finden. „Wir von TecNetwork<br />
verstehen uns als Bindeglied zwischen<br />
titELthEMa<br />
M<strong>AG</strong>AZIN<br />
Erfinder und Produzenten. Auf Wunsch begleiten<br />
wir den Tüftler von der Patentanmeldung<br />
über die Marktreife und Suche nach<br />
Produktionspartnern bis hin zur Markteinführung.<br />
Umgekehrt hat TecNetwork beste<br />
Beziehungen zur Industrie – beispielsweise<br />
zu innovativen Mittelständlern, die offen für<br />
neue Ideen sind.“<br />
Und neue Ideen gibt es genug – bei manchen<br />
Erfindern fast stapelweise. „Ein schwäbischer<br />
Tüftler, den ich kenne, hat schon<br />
wieder drei Patente in der Schublade liegen!“,<br />
sagt Reginald Baum und spricht voller<br />
Begeisterung von dem 81 Jahre alten Ingenieur,<br />
einem ehemaligen Entwicklungschef für<br />
Spezialgetriebe, der auch im Ruhestand fleißig<br />
weitertüftelt und entwickelt. Eine seiner<br />
Ideen ist dann auch der Ausgangspunkt für<br />
das derzeit heißeste Eisen im Feuer von Tec-<br />
Network. Der Ingenieur hatte 1995 einen<br />
Hydraulikmotor entwickelt, der großen Maschinen<br />
wie Aufzügen oder Kränen das nahezu<br />
ruckfreie Anfahren ermöglicht. „Da<br />
habe ich gefragt: Geht das nicht auch kleiner?“,<br />
erinnert sich Reginald Baum. Mittlerweile<br />
ist die erste Maschine auf dem Prüfstand<br />
– mit einem Durchmesser von 25<br />
Millimetern, einer Länge von 40 Millimetern,<br />
einer maximalen Drehzahl von 6000<br />
pro Minute und einem Drehmoment von bis<br />
zu 20 Newtonmeter.<br />
Der neue „Hydromotor“ hat eine durchgängige<br />
Welle und kein Pleuel, und es ist dieser<br />
Konstruktionsvorteil, der es in sich hat.<br />
Mit einem niedrigen Geräuschpegel,<br />
einer kleinen Drehzahl und einem hohen<br />
Anlaufdrehmoment gilt der Hydromotor<br />
bei den Entwicklern als wichtigster<br />
Bestandteil für ein neuartiges<br />
Antriebskonzept von Kraftfahrzeugen.<br />
„Das Ganze funktioniert als serieller<br />
hydraulischer Hybrid – also<br />
nicht parallel, wie etwa beim Wechsel von<br />
Benzin zu Flüssiggas“, erklärt Reginald<br />
Baum. „Seriell bedeutet, dass man zwei unterschiedliche<br />
Energiearten hintereinander<br />
schaltet, beispielsweise Diesel und Hydraulik.<br />
Ein Druckspeicher nimmt die vom Dieselmotor<br />
erzeugte Energie auf und treibt damit<br />
den Hydromotor an.“ Größenmäßig sind<br />
dem neuen Hydromotor keine Grenzen gesetzt:<br />
Er kann auch Schiffsschrauben mit<br />
50 000 PS antreiben. Wichtiger aber noch<br />
sind die Ergebnisse der ersten von TecNetwork<br />
veranlassten Tests. „Wir haben das zur<br />
DLR gehörige Institut für Fahrzeugkonzepte<br />
mit einer Simulation beauftragt. Mittlerweile<br />
liegen die ersten Ergebnisse vor. Demnach<br />
schluckt ein Transporter im täglichen<br />
<strong>Magazin</strong> <strong>Wirtschaft</strong> <strong>11.12</strong> 7