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Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel vom 03.09.199

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Bebauungsplan für Altstadtbereich sichert die richtige Ziegeleindeckung<br />

– <strong>Urteil</strong> <strong>des</strong> <strong>Verwaltungsgerichts</strong> <strong>Kassel</strong> <strong>vom</strong> <strong>03.09.199</strong>0 - 2/3 E 794/87<br />

In dem sehr eingehend begründeten <strong>Urteil</strong> <strong>vom</strong> <strong>03.09.199</strong>0 2/3 E 794/87 hat das<br />

Verwaltungsgericht <strong>Kassel</strong> die Klage <strong>des</strong> Eigentümers eines Hauses in einer<br />

hessischen Kleinstadt gegen den Bescheid <strong>des</strong> Landkreises abgewiesen, durch den<br />

ihm auferlegt worden war, entsprechend einem für den Altstadtbereich geltenden<br />

Bebauungsplan sein Haus mit Tonziegeln in naturrotem Farbton einzudecken. Dem<br />

<strong>Urteil</strong> dürfte ohne Einschränkung zuzustimmen sein. Es heißt dort:<br />

Der Kläger ist Eigentümer <strong>des</strong> derzeit mit roten Dachziegeln aus Ton gedeckten<br />

Hauses in der Stadt der Beigeladenen. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich <strong>des</strong><br />

am 01. Mai 1981 wirksam gewordenen Bebauungsplanes Nr. 13 der Beigeladenen,<br />

den diese in Ausführung von § 10 Abs. 1 <strong>des</strong> damals geltenden Städtebauförderungsgesetzes<br />

(i. V. m. § § 30 <strong>des</strong> damals geltenden Bun<strong>des</strong>baugesetzes) aufgestellt hat.<br />

Der Bebauungsplan enthält unter Buchstabe A Nr. 11 A Abs. 3 folgende Fassung:<br />

"Dacheindeckungen sind in naturroten Tonziegeln auszuführen."<br />

Zurückzuführen ist diese Festsetzung auf den Einfluß <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong>amtes für<br />

Denkmalpflege Hessen während <strong>des</strong> Aufstellungsverfahrens, In einem sogenannten<br />

Abstimmungsgespräch am 10. Mai 1976 sowie in einem weiteren Schreiben <strong>vom</strong> 22.<br />

November 1976 dieser Behörde an die Beigeladene hat das Lan<strong>des</strong>amt für<br />

Denkmalpflege Hessen die Aufnahme u. a. der erwähnten Festsetzung gefordert. In<br />

der Begründung zum Bebauungsplan heißt es unter II. u. a.:<br />

"Die Altstadt ist eine fast vollständig erhaltene mittelalterliche Stadtanlage, wie sie in<br />

ihrer Geschlossenheit heute nur noch selten anzutreffen ist. Als sogenannte<br />

Ackerbürgerstadt entstand sie im Zusammenhang mit dem Bau der ehemaligen Burg<br />

und Stadtkirche St. Anna.<br />

Mit am 28, Juli 1986 bei der Beigeladenen eingegangenem Schreiben <strong>vom</strong> selben<br />

Tage teilte der Kläger mit, er beabsichtige sein Haus mit Betonsteinen (Frankfurter<br />

Pfanne) in rotem Farbton neu einzudecken. Die Beigeladene behandelte dieses<br />

Schreiben als Bauvoranfrage und leitete es an den Beklagten weiter.<br />

Mit Verfügung <strong>vom</strong> 27. August 1986 beschied der Beklagte den Kläger dahingehend,<br />

daß gegen die Durchführung der Maßnahme nach bauaufsichtlicher Prüfung keine<br />

Bedenken bestünden, wenn folgende "Auflagen" beachtet würden:<br />

1 . Die Dacheindeckung habe in naturrotem Farbton zu erfolgen,<br />

2. es seien Tonziegel zu verwenden.


In der Begründung <strong>des</strong> Beschei<strong>des</strong> heißt es u. a., die Denkmalfachbehörde fordere<br />

naturrote Ziegel, da die Dachlandschaft der Altstadt denkmalpflegerisch von<br />

Bedeutung sei. Der Verwendung von naturroten Tonziegeln komme neben der reinen<br />

Dacheindeckung noch eine weitere Funktion zu. Durch die Beschaffenheit der<br />

Tonziegel entstehe nämlich eine Patina (Moosbildung usw.), die für den historischen<br />

Charakter der Dachlandschaft in einer Altstadt erforderlich sei, Das Sanierungsgebiet<br />

stelle ein Denkmalschutzgebiet dar. In diesem Denkmalschutzgebiet komme nicht nur<br />

dem einzelnen historischen Gebäude eine Bedeutung zu, vielmehr sei die<br />

Ensemblewirkung zu beachten. Deshalb müsse sich das neu einzudeckende Dach in<br />

die umgebende Dachlandschaft einpassen.<br />

Der Kläger beantragt nunmehr,<br />

den Beklagten unter Aufhebung seines Beschei<strong>des</strong> <strong>vom</strong> 27. August 1986<br />

und <strong>des</strong> Widerspruchsbeschei<strong>des</strong> <strong>des</strong> Regierungspräsidenten in <strong>vom</strong> 15,<br />

April 1987 zu verpflichten, ihm, dem Kläger, auf seinen Antrag <strong>vom</strong> 28. Juli<br />

1986 hin die Genehmigung zu erteilen, sein Haus in mit Betonsteinen<br />

(Frankfurter Pfanne) in rotem Farbton neu einzudecken.<br />

Der Beklagte beantragt,<br />

die Klage abzuweisen.<br />

Entscheidungsgründe<br />

Die Klage ist zulässig.<br />

Die Klage ist in<strong>des</strong> unbegründet.<br />

Der Kläger benötigt für sein Vorhaben eine Baugenehmigung. Nach § 87 Abs. 1 HBO<br />

bedürfen u. a. die Änderung von baulichen Anlagen oder von Teilen baulicher Anlagen<br />

der Baugenehmigung, soweit in den §§ 89, 106 und 107 oder aufgrund <strong>des</strong> § 117 Abs.<br />

1 Nr. 6 HBO nichts anderes bestimmt ist. Weil der Kläger die bisherige Dacheindeckung<br />

mit Tonziegeln durch eine Eindeckung mit Betondachsteinen austauschen<br />

will, plant er eine Änderung eines Teils einer baulichen Anlage. Etwas anderes gälte<br />

nur dann, wenn das Dach schon mit Betondachsteinen eingedeckt wäre und diese<br />

nunmehr bloß ausgetauscht werden sollten. Dann handelte es sich nicht um eine<br />

Änderung im Sinne von § 87 Abs. 1 HBO. Zwar bedarf nach § 89 Abs. 2 Nr. 2 HBO die<br />

Änderung u. a. einer Dacheindeckung grundsätzlich keiner Baugenehmigung. Dies gilt<br />

aber dann nicht, wenn die Änderung an Kulturdenkmälern vorgenommen werden soll,<br />

die Teile von Gesamtanlagen oder von Anlagen in deren Umgebung im Sinne von § 2<br />

und § 16 Abs. 2 <strong>des</strong> Denkmalschutzgesetzes sind (siehe § 89 Abs. 2 Nr. 2 b HBO).


Das hier fragliche Areal ist aber als Gesamtanlage nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 <strong>des</strong><br />

Hessischen Denkmalschutzgesetzes einzustufen. Diese Überzeugung hat die Kammer<br />

aus der in der mündlichen Verhandlung durchgeführten Beweisaufnahme gewonnen.<br />

Die Kammer hat das Haus <strong>des</strong> Klägers und seiner nähere Umgebung in Augenschein<br />

genommen. Die Bebauung dort stellt sich so dar, wie sie für nordhessische Ackerbürgerstädtchen<br />

typisch sein dürfte (fast ausschließlich Fachwerkhäuser in fast durchgehend<br />

geschlossener Bauweise, eine landwirtschaftliche Hofstelle). Es hat sich<br />

außerdem ergeben, daß die meisten Häuser mit roten Tonziegeln gedeckt sind. Auch<br />

die Beteiligten haben den Denkmalcharakter der Anlage nie in Zweifel gezogen.<br />

Deshalb ist die <strong>vom</strong> Kläger geplante Änderung seiner Dacheindeckung<br />

ausnahmsweise nicht baugenehmigungsfrei, Unerheblich ist dabei, daß das Haus <strong>des</strong><br />

Klägers nicht in das Denkmalbuch eingetragen ist, denn der Schutz eines unbeweglichen<br />

Kulturdenkmales ist nicht davon abhängig, ob die betreffende Liegenschaft in<br />

das Denkmalbuch eingetragen ist (s. § 9 Abs. 1 Satz 2 Denkmalschutzgesetz).<br />

Eine Baugenehmigung ist zu erteilen, wenn das Vorhaben den öffentlich-rechtlichen<br />

Vorschriften entspricht (§ 96 Abs. 1 Satz 1 HBO). Der Beklagte hat zu Recht die<br />

begehrte Baugenehmigung nicht erteilt, weil dem geplanten Vorhaben <strong>des</strong> Klägers die<br />

im Tatbestand erwähnte Festlegung <strong>des</strong> Bebauungsplanes der Beigeladenen (Dacheindeckungen<br />

sind in naturroten Tonziegeln auszuführen) entgegensteht, Ein<br />

Bebauungsplan ist eine Satzung und somit eine öffentlich-rechtliche Vorschrift im<br />

Sinne von § 96 Abs. 1 Satz 1 HBO. Zwar greift der Kläger die erwähnte Festlegung<br />

<strong>des</strong> Bebauungsplanes an und hält sie für rechtswidrig und damit für nicht verbindlich.<br />

Die Angriffe <strong>des</strong> Klägers sind in<strong>des</strong> nicht begründet. Formelle Bedenken gegen die<br />

Gültigkeit <strong>des</strong> Bebauungsplanes sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.<br />

Der Kläger meint, die von ihm beanstandete Festlegung <strong>des</strong> Bebauungsplanes der<br />

Beigeladenen sei <strong>des</strong>halb rechtswidrig und damit nicht verbindlich, weil die Beigeladene<br />

bei der Aufstellung dieses Planes die öffentlichen und privaten Belange nicht<br />

ordentlich gegeneinander und untereinander gerecht abgewogen habe (vgl. dazu § 1<br />

Abs. 7 <strong>des</strong> zum Zeitpunkt der Aufstellung geltenden Bun<strong>des</strong>baugesetzes –<br />

wortidentisch mit der heute geltenden Bestimmung in § 1 Abs. 6 Baugesetzbuch). Da<br />

das Vorhaben im Geltungsbereich eines sogenannten qualifizierten Bebauungsplanes<br />

(s. § 30 BBauG) liegt und somit nach <strong>des</strong>sen Festsetzungen zu beurteilen ist, muß die<br />

angegriffenen Festsetzung an § 1 Abs. 6 BBauG bemessen werden, § 236 Abs. 1<br />

Baugesetzbuch (Überleitungsvorschriften für die Regelung der baulichen und<br />

sonstigen Nutzung) nimmt nämlich § 30 ausdrücklich aus, woraus zu schließen ist,<br />

daß insoweit die Vorschriften <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>baugesetzes weiter anzuwenden sind. Im<br />

Gegensatz zur Auffassung <strong>des</strong> Klägers ist der Beigeladenen in<strong>des</strong> kein<br />

Abwägungsfehler unterlaufen.<br />

Zunächst ist festzustellen, daß die Beigeladene tatsächlich die hier strittige Regelung<br />

nach einem Abwägungsvorgang in ihre Satzung aufgenommen hat. Das ergibt sich


schon daraus, daß die Festlegung erst auf Drängen <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong>amtes für Denkmalpflege<br />

zustandegekommen ist. Dabei ist die Beigeladene nicht bereits in der ersten<br />

Phase bei der Aufstellung <strong>des</strong> Bebauungsplanes auf die Wünsche <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong>amtes<br />

eingegangen, sondern erst nach wiederholtem Drängen. Dies ist daraus zu schließen,<br />

daß nach dem Abstimmungsgespräch <strong>vom</strong> 10. Juli 1976 das Lan<strong>des</strong>denkmalamt<br />

erneut Grund gesehen hat, auf die Beigeladene einzuwirken, wie das Schreiben <strong>des</strong><br />

Lan<strong>des</strong>denkmalamtes <strong>vom</strong> 22. November 1976 zeigt.<br />

Aber auch inhaltlich ist die von der Beigeladenen getroffene Abwägung nicht zu<br />

beanstanden. Dem Abwägungsgebot <strong>des</strong> § 1 Abs. 7 BBauG liegt die Erkenntnis<br />

zugrunde, daß es unmöglich ist, allen im Plangebiet planungserheblichen Belangen<br />

gleichermaßen Rechnung zu tragen. Die Gemeinde muß sich <strong>des</strong>halb durch die<br />

Abwägung für den einen Belang und damit zwangsläufig gegen andere Belange<br />

entscheiden. Diese Abwägung darf nicht in einer Weise vorgenommen werden, die zu<br />

der objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Im übrigen ist<br />

die Gemeinde frei, sich in der Kollision zwischen den verschiedenen Belangen für die<br />

Bevorzugung <strong>des</strong> einen und für die Zurückstellung eines anderen Belanges zu<br />

entscheiden. Hierin liegt, wie das Bun<strong>des</strong>verwaltungsgericht wiederholt formuliert hat,<br />

die eigentliche planerische Entscheidung, in der die Gemeinde autonom ist (vgl. dazu<br />

Finkelnburg/Ortloff, öffentliche Baurecht, Band 1, 2. Aufl. 1990 S. 52 m.w.N.).<br />

Die Beigeladene durfte sich unter Berücksichtigung denkmalpflegerischer Gesichtspunkte<br />

einerseits und der aus Art. 2 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG fließenden grundsätzlichen<br />

Handlungs- und Gestaltungsfreiheit privater Bauherrn andererseits dafür entscheiden,<br />

daß im Altstadtgebiet nur Dacheindeckungen mit naturroten Ziegeln vorgenommen<br />

werden dürfen. Wenn der Kläger und der Sachverständige dabei die optische Wirkung<br />

von Tonziegeln einerseits und Betondachsteinen andererseits hervorheben, so ist<br />

dieser Gesichtspunkt sicherlich maßgeblich, aber nicht allein ausschlaggebend.<br />

Effektiver Denkmalschutz hat nämlich nicht nur optisch-ästhetische Gesichtspunkte zu<br />

verfolgen, sondern auch auf Originaltreue zu achten. Deshalb geht die Vereinigung der<br />

Lan<strong>des</strong>denkmalpfleger in der Bun<strong>des</strong>republik Deutschland zu Recht davon aus, daß<br />

an einem Baudenkmal einzelne originale Teile, die an <strong>des</strong>sen Denkmalbedeutung<br />

Anteil haben, grundsätzlich im gleichen Material und möglichst in gleicher<br />

Verarbeitungstechnik nach dem Vorbild der abgängigen Originale auszuwechseln sind,<br />

wenn sie wegen irreparabler Schäden ausgetauscht werden müssen. Das Erfordernis<br />

der Originaltreue müsse allenfalls dann zurücktreten, wenn es dem Bauherrn<br />

schlechterdings unzumutbare Belastungen abverlangte (vgl, dazu den Absatz<br />

"Austausch" der Stellungnahme der Vereinigung der Lan<strong>des</strong>denkmalpfleger in der<br />

Bun<strong>des</strong>republik Deutschland - Februar 1989 - im Verwaltungsvorgang der Unteren<br />

Denkmalschutzbehörde). Wie der Hessische <strong>Verwaltungsgerichts</strong>hof in seinem<br />

Beschluß <strong>vom</strong> 6. September 1989 3 TG 2508/89 dem Kläger aber vorgerechnet hat,<br />

kommen auf ihn Mehrkosten in Höhe von ca. 1.500,DM zu, wenn er das Dach<br />

entsprechend den hier strittigen Festlegungen <strong>des</strong> Bebauungsplanes eindeckt Lind auf


eine Eindeckung mit Betondachsteinen verzichtet. Angesichts dieser im Verhältnis zu<br />

den Gesamtbaukosten einer Dacheindeckung als unbedeutend zu bezeichnenden<br />

Mehrkosten kann von einem unzumutbaren Ansinnen in<strong>des</strong> nicht die Rede sein. Daß<br />

die Mehrkosten <strong>vom</strong> Kläger selbst nicht als unzumutbar eingeschätzt werden, geht<br />

auch aus seiner in der mündlichen Verhandlung abgegebenen Erklärung hervor, daß<br />

er das erst jüngst von ihm mit Tonziegeln eingedeckte Nachbarhaus" sofort wieder<br />

abdecken und mit Betondachsteinen eindecken lassen werde, wenn die Rechtswidrigkeit<br />

der hier strittigen Festlegung <strong>des</strong> Bebauungsplanes festgestellt sei.<br />

Darüber hinaus kommt aber der Gutachter auch zu dem Ergebnis, daß der<br />

kontinuierliche Einzelersatz schadhafter Ziegel aus ökonomischen wie auch aus<br />

ästhetischen Gründen wünschenswert sei, denn erst durch das natürliche Altern und<br />

sukzessive Ersetzen entstehe ein in sich geschlossenes, harmonisches Dachbild. Der<br />

Ziegel ändere bei der Alterung weder seine Form noch seine Materialkonsistenz. Er<br />

büße nichts von seiner Deckungsfähigkeit ein und müsse auch nicht wie ein Anstrich<br />

erneuert werden, Der natürliche Alterungsprozeß <strong>des</strong> Ziegels sei rein optisch<br />

ästhetisch. Bei einer sukzessiven Erneuerung einzelner beschädigter Ziegel blieben<br />

die ursprünglichen Formen, Profile und Anschlüsse bestehen und würden so durch die<br />

aufeinanderfolgenden Erneuerungen tradiert (vgl. dazu Bl. 6, oben, <strong>des</strong> Gutachtens).<br />

Außerdem erkennt der Gutachter auch an, daß sich die Naturfarbe von Dachziegeln je<br />

nach Tonvorkommen unterschiedlich darstellt; es können gelbliche oder hellrote bis<br />

dunkelrote Brennfarben entstehen (s. dazu Bl. 6, unten, <strong>des</strong> Gutachtens).<br />

Demgegenüber zeichneten sich Betondachsteine aufgrund der weitgehend<br />

gleichmäßigen Produktionsbedingung durch eine farbkonstante Oberfläche aus (vgl.<br />

dazu Bl. 7, unten, <strong>des</strong> Gutachtens). Die Gewinnung und Aufbereitung der Rohmaterialien<br />

für den Betondachstein (Quarzsand, Zement, Pigmente und Wasser) seien<br />

sehr homogen und konstant. Zwar gibt es nach dem Vortrag <strong>des</strong> Klägers und auch<br />

nach den Feststellungen <strong>des</strong> Gutachters unterschiedliche Verfahren zur Produktion<br />

von Betondachsteinen (oberflächige Einfärbung einerseits und Durchpigmentierung<br />

andererseits). Der Gutachter hebt ferner hervor, daß bei Durchfärbung der Betonmasse<br />

im Laufe der Zeit durch Witterungseinflüsse auf den Betondachsteinen eine<br />

Struktur entsteht, die er als "Mikrowaschbetonstruktur" bezeichnet (s. B. 12, Mitte, <strong>des</strong><br />

Gutachtens). Bei den nur oberflächig eingefärbten Betondachsteinen sei hingegen<br />

nach wenigen Jahren festzustellen, daß diese im Zuge der Abwitterung ihre rote Farbe<br />

verlören (s. B. 13, unten, <strong>des</strong> Gutachtens). Der Gutachter kommt zu dem Ergebnis,<br />

daß die optisch wahrnehmbaren Verwitterungsprozesse, genauer gesagt Abwitterungsprozesse,<br />

bei Tondachziegeln sehr unterschiedlich sind und zu einem<br />

Spektrum von Erscheinungsbildern bei den abgewitterten Ziegeln führen, wenn die<br />

Ziegel verschiedenartig hergestellt würden, im übrigen jedoch vergleichbaren<br />

Umgebungsbedingungen unterlägen. Diese Feststellungen überzeugen die Kammer<br />

insbesondere auch vor dem Hintergrund der Anlagen 15 und 16 zum Gutachten.<br />

Anlage 15 zeigt Luftbilder von sogenannten historischen Dachlandschaften,<br />

historischen Dacheindeckungen mit Patina. (Es handelt sich offensichtlich um eine


Detailaufnahme der Altstadt von Rothenburg ob der Tauber.) Anlage 16 bildet eine<br />

typische Tonziegeleindeckung (Ausschnitt) mit Merkmalen der Verwitterung, Abwitterung<br />

und Patina (einschließlich Flechten und Moos) ab. Nicht überzeugend ist<br />

angesichts <strong>des</strong>sen nach Meinung der Kammer die Wertung <strong>des</strong> Gutachters, daß die<br />

Festlegung im Bebauungsplan zu unbestimmt sei, um das angestrebte Ziel zu<br />

erreichen. Der Gutachter verkennt dabei die anzustrebende Regelungsdichte von<br />

Festlegungen eines Bebauungsplanes. Sonach hätte die Beigeladene keine weiter<br />

detaillierte Aussage in ihrem Bebauungsplan darüber aufnehmen müssen, ob<br />

beispielsweise nur nichtglasierte und nichtengobierten Ziegel zulässig sein sollen.<br />

Ausschlaggebend ist vielmehr, daß Tondachziegel aus den <strong>vom</strong> Gutachter selbst<br />

dargelegten Gründen typischerweise andere witterungsbedingte Erscheinungsformen<br />

zeitigen können als Betondachsteine. Daß dies in Einzelfällen anders sein kann, ist<br />

hingegen bei der Erstellung einer Satzung nicht maßgeblich. Eine Satzung hat (und<br />

kann sinnvollerweise nur) als abstrakt geltende Rechtsvorschrift - im Gegensatz zu<br />

den einzelfallregelnden Verwaltungsakten - typisierende Festlegungen zu treffen. Bei<br />

typisierenden Festlegungen muß in<strong>des</strong> in Kauf genommen werden, daß nicht alle zu<br />

erfassenden Sachverhalte gleichmäßig erfaßt und einer optimalen Lösung zugeführt<br />

werden. Hätte die Beigeladene eine solche, noch weiter präzisierende Festlegung (z.<br />

B. nur nicht oberflächenbehandelte oder glasierte Tonziegel) aufgestellt, so wären die<br />

Bauherrn noch weiter eingeschränkt worden. Gegen die Einschränkungen wehrt sich<br />

der Kläger in<strong>des</strong>. Bei der geltenden Regelung <strong>des</strong> Bebauungsplanes kann er<br />

wenigstens frei wählen, welche Art von Tonziegeln er verwenden möchte. Er darf zu<br />

den billigsten greifen. Außerdem ermöglicht der Bebauungsplan so eine Vielfalt unter<br />

den verschiedenen Tonziegeln. Jedenfalls das ist ein wichtiger Gesichtspunkt - soll der<br />

Bebauungsplan die Zerstörung der weitgehend erhaltenen "Dachlandschaft" in der<br />

Altstadt von Wolfhagen durch eine allmählich um sich greifende Eindeckung der<br />

Dächer mit Betondachsteinen verhindern, Dieser Gefahr, die <strong>des</strong>halb besteht, weil<br />

Betondachsteine (wenn auch nur geringfügig) billiger sind als Tonziegel, durfte der<br />

Bebauungsplan durch die hier strittige Festlegung begegnen. Für diese Zweckbestimmung<br />

taugt die Vorschrift auch.<br />

Nach alledem kann von einem Abwägungsfehler nicht die Rede sein. Auch eine<br />

Ausnahme oder eine Befreiung nach § 31 BauGB (hier anzuwenden nach § 236<br />

BauGB) kommt nicht in Betracht. Eine Ausnahme (s. § 31 BauGB) sieht der<br />

Bebauungsplan nicht vor. Auch die Voraussetzungen für eine Befreiung sind nicht<br />

gegeben (s. § 31 Abs. 2 BauGB). Weder erfordert dies das Wohl der Allgemeinheit<br />

(Nr. 1), noch ist die Abweichung städtebaulich vertretbar, noch führt die Anwendung<br />

<strong>des</strong> Bebauungsplanes zu einer unzumutbaren Härte (Nr. 3, siehe hierzu auch oben S.<br />

12 - die Bemerkungen zur Zumutbarkeit). Es ist vielmehr so, daß die Gesichtspunkte<br />

<strong>des</strong> Denkmalschutz die Anwendung der strittigen Festsetzung erfordern.<br />

Abgedruckt in: DSI 04/1994, Seite 64-71

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